OGH 13Os51/17z

OGH13Os51/17z6.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred G***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Alfred G***** und Werner T***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Oktober 2016, GZ 81 Hv 40/15t‑575, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00051.17Z.0906.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Alfred G***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der dem Schuldspruch D zugrunde liegenden Taten nach § 147 Abs 3 StGB und in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit sowie demzufolge auch im Alfred G***** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.

Alfred G***** wird mit seiner Berufung auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Werner T***** werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfred G***** der Verbrechen der betrügerischen Krida nach §§ 12 dritter Fall, 156 Abs 1 StGB (B) und des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 15, 146, 147 Abs 3, 148 StGB (D), Werner T***** der Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (A) und des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB (C) schuldig erkannt.

Danach haben in W*****

(A) Werner T***** als Schuldner mehrerer Gläubiger vom März 2003 bis zum April 2007 Bestandteile seines Vermögens beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er 219.841 Euro an Mietzinszahlungen nicht an den Masseverwalter im Konkurs über sein Vermögen abführte, sondern für eigene Zwecke verwendete,

(B) Alfred G***** vom März 2003 bis zum April 2007 zu der unter A beschriebenen strafbaren Handlung dadurch beigetragen, dass er als sogenannter Hausvertrauensmann Organisations‑ sowie Abrechnungsaufgaben wahrnahm, Mietzinszahlungen entgegennahm und diese an Werner T***** weiterleitete (US 12 f),

(C) Werner T***** vom März 2003 bis zum September 2009 gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen schädigen sollten, indem er Mietern gegenüber vorgab, Mietzinszahlungen schuldbefreiend entgegennehmen zu können, obwohl über sein Vermögen bereits der Konkurs eröffnet war, wobei es „mangels Eintreibung der Berechtigten“ beim Versuch blieb, und

(D) Alfred G***** vom März 2003 bis zum September 2009 zu der unter C beschriebenen strafbaren Handlung dadurch beigetragen, dass er als sogenannter Hausvertrauensmann Organisations‑ sowie Abrechnungsaufgaben wahrnahm, Mietzinszahlungen entgegennahm und diese an Werner T***** weiterleitete (US 12 f).

Dagegen richten sich die von Alfred G***** aus Z 4, 5 und 10, von Werner T***** aus Z 4, 5 und 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden. Wie die Generalprokuratur zu Recht darlegt, ist Erstere teilweise, Letztere nicht im Recht.

 

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Alfred G *****:

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zutreffend auf, dass die Urteilsfeststellungen den Schuldspruch D in der Subsumtion nach § 147 Abs 3 StGB nicht tragen, weil ihnen, wie das Erstgericht selbst darlegt (US 31), im Unterschied zum anderen Angeklagten ein die diesbezügliche Qualifikationsgrenze (300.000 Euro) übersteigender Schaden nicht zu entnehmen ist.

Aufgrund dieses Rechtsfehlers war der Schuldspruch D in der Subsumtion nach § 147 Abs 3 StGB sowie in der vom Erstgericht dazu gebildeten Subsumtionseinheit schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO).

Dies hatte die Aufhebung des Alfred G***** betreffenden Strafausspruchs zur Folge.

 

Im Übrigen geht die Nichtigkeitsbeschwerde fehl:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wies das Erstgericht den Antrag auf „Einholung eines Sachverständigen Gutachtens aus dem Bereich der Liegenschaftsbewertung und Bauwesen, zum Beweis dafür, dass die vom Zweitangeklagte Ing. Alfred G***** getätigten Arbeiten zu einer erheblichen Werterhöhung der Liegenschaft geführt haben, dass die Entgelde die er dafür bekommen hat jedenfalls angemessen waren und letztlich auch dafür, dass die Renovierungen durchgeführt worden sind von zumindest 21 Wohnungen“ (ON 574 S 45), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 574 S 47). Mit Blick auf die Vorwürfe des Beitrags zur Gläubigerschädigung durch Nichtabführen von Geldern an den Masseverwalter und zur betrügerischen Schädigung von Mietern durch rechtswidriges Inkasso von Mieteinnahmen war nämlich das Beweisthema für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO).

Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Indem die Mängelrüge (Z 5) die Begründung der Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten Werner T***** anspricht, bezieht sie sich mangels qualitativer Akzessorietät der Beitragstäterschaft (SSt 56/19, RIS‑Justiz RS0089470, Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 95 mwN) nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände.

Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) für die Feststellungen zu den Beitragshandlungen des Beschwerdeführers findet sich auf der US 20.

Nach den Urteilskonstatierungen trug der Beschwerdeführer zu den strafbaren Handlungen des Werner T***** in seiner Funktion als sogenannter Hausvertrauensmann bei, in der er für die Organisation und die Abrechnung der Wohnungssanierungen und des Mietzinsinkassos sowie für den Kontakt zwischen dem Hauseigentümer und den nicht deutsch sprechenden Mietern zuständig war (US 12 f). Ein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen diesen Feststellungen und der Urteilsaussage, wonach die Mietzinszahlungen regelmäßig über Mittelspersonen an den Beschwerdeführer flossen (US 13), besteht nicht.

Soweit die Beschwerde die Frage releviert, ob die Mietzinszahlungen durch Bargeldübergabe oder mittels Überweisung erfolgten, spricht sie einmal mehr keinen schuld‑ oder subsumtionsrelevanten Umstand an.

Die vermisste Begründung zu den Konstatierungen, wonach es sich bei den in Rede stehenden Beträgen um Mietzinszahlungen gehandelt hat, findet sich auf den US 17 bis 19, jene zur Schadenshöhe auf den US 20 f.

Die Beschwerdeausführungen über „eine allfällige Werterhöhung infolge Renovierung“ lassen keinen Konnex zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Im nunmehr behandelten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner T *****:

Indem die Verfahrensrüge (Z 4) auf eine „beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Liegenschaftsbewertung und des Bauwesens“ aufbaut, ohne einen entsprechenden Aktenbezug herzustellen, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (vgl RIS‑Justiz RS0124172).

Sollte damit der in der Hauptverhandlung am 12. Oktober 2016 gestellte Beweisantrag des Angeklagten Alfred G***** (ON 574 S 45) angesprochen sein, genügt der Hinweis, dass sich der Beschwerdeführer diesem Antrag nach der Aktenlage nicht angeschlossen hat, womit er insoweit nicht beschwerdelegitimiert ist (RIS‑Justiz RS0099244 [insbesondere T10]).

Soweit die Beschwerde die Richtigkeit der Begründung für die abweisliche Entscheidung des Erstgerichts in Frage stellt, verlässt sie von vornherein den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (13 Os 104/06b, SSt 2006/86; RIS‑Justiz RS0121628).

Die von der Mängelrüge (Z 5) vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum Schuldspruch A findet sich auf den US 15 bis 27.

Dem Einwand der Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider setzten sich die Tatrichter sehr wohl mit den Angaben des Zeugen Dr. H***** zum den Beschwerdeführer betreffenden Insolvenzverfahren auseinander (US 23 f). Indem die Beschwerde aus diesen Depositionen für ihren Prozessstandpunkt günstigere Schlüsse ableitet als das Erstgericht, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Eine Feststellung zu einer allfälligen Werterhöhung eines der gegenständlichen Mietobjekte hat das Erstgericht nicht getroffen, aus welchem Grund der diesbezügliche Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) auf sich zu beruhen hat. Die angesprochene Urteilspassage betrifft die Abweisung von Anträgen des Angeklagten Alfred G***** (US 27 f).

Die vermisste Begründung der Feststellungen zur Schadenshöhe findet sich auf den US 20 f.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erschöpft sich in der Bestreitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 11 f) und entfernt sich solcherart vom Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

 

Die Generalprokuratur weist zu Recht auch darauf hin, dass die Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs (C und D) – entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts (US 6) – infolge eingetretenen Verlusts an Vermögenssubstanz bereits ins Vollendungsstadium getreten sind (RIS‑Justiz RS0103999). Ob der Schaden letztlich den Getäuschten oder – wie hier mangels Klagsführung – einen Dritten trifft, ist insoweit bedeutungslos ( Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 59 mwN). Da die Annahme von Versuch (§ 15 StGB) anstatt Vollendung zum Vorteil der Angeklagten wirkt (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB [siehe auch US 32 f]), hat dieser Rechtsfehler unter dem Aspekt amtswegiger Wahrnehmung auf sich zu beruhen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

 

Der Angeklagte Alfred G***** war mit seiner Berufung auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Werner T***** kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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