OGH 13Os41/23p

OGH13Os41/23p19.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juli 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Wunsch in der Strafsache gegen K* W* wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 7. Februar 2023, GZ 72 Hv 102/22p‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00041.23P.0719.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde K* W* jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (II) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 (in Bezug auf den Zeitraum vor dem Jahr 2017 gemeint: Z 2) StGB (III) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in K* und an anderen Orten jeweils in einer Mehrzahl von Angriffen

(I) außer dem Fall des § 206 StGB an nachgenannten unmündigen Personen geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er deren unbekleidete Vaginen und Brüste betastete, und zwar

1) vom Jahr 2015 bis zum 25. September 2018 an der am 25. September 2004 geborenen Y* W* sowie

2) vom 1. Jänner 2018 bis zum 7. Februar 2021 an der am 7. Februar 2007 geborenen Ya* W*, weiters

(II) mit nachgenannten unmündigen Personen den Beischlaf oder dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar

1) vom September 2017 bis zum 25. September 2018 mit Y* W*, indem er ihre Vagina digital, „oral“ und mit seinem Penis penetrierte „und indem er sie veranlasste, ihn oral zu befriedigen“ (siehe aber US 4 [sowie III/1/b] – Beginn dieser Tathandlungen erst ab 25. September 2018, RIS‑Justiz RS0116655 [insbesondere T15]) sowie

2) vom 1. Jänner 2020 bis zum 7. Februar 2021 mit Ya* W*, indem er ihre Vagina digital und oral penetrierte, sowie

(III) mit den minderjährigen und seiner Aufsicht unterstehenden (seit dem Jahr 2017 [US 3]) Stieftöchtern Y* W* und Ya* W* unter Ausnützung seiner Stellung ihnen gegenüber geschlechtliche Handlungen vorgenommen sowie von Y* W* zudem an sich vornehmen lassen und, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, sie dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen, und zwar

1) vom Jahr 2015 bis zum 25. September 2022 mit Y* W*

a) durch die zu I/1 und II/1 beschriebenen Tathandlungen und

b) vom 25. September 2018 bis zum 25. September 2022, indem er ihre Vagina digital, oral und mit seinem Penis penetrierte, sie anal penetrierte und sie veranlasste, ihn oral zu befriedigen und sich selbst digital zu penetrieren, die Selbstbefriedigungshandlungen zu filmen und ihm die Aufnahmen über einen Messengerdienst zukommen zu lassen, sowie

2) vom 1. Jänner 2018 bis zum 15. Juni 2021 mit Ya* W* durch die zu I/2 und II/2 beschriebenen Tathandlungen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Dass Ya* W* sich „absichtlich fehlverhalten, gestohlen habe und Ähnliches, damit zu Hause Missstimmung herrscht,“ wurde, der Zeugenaussage dieses Opfers folgend, als erwiesen angenommen (US 8). Der Vorwurf fehlender Auseinandersetzung mit genau dies im Kern bestätigenden Beweisergebnissen (Z 5 zweiter Fall) geht daher von vornherein ins Leere.

[5] Die weitere Rügekritik, die Aussagen der Zeuginnen Y* W* und R* W*, wonach sie „von den [Ya* W* betreffenden] Übergriffen keinerlei Wahrnehmungen“ gehabt hätten, seien übergangen worden, macht nicht klar, inwieweit ein solcher Umstand der tatrichterlichen Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin Ya* W* in Bezug auf eine entscheidende Tatsache erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte (RIS‑Justiz RS0106588 [T15] und RS0119422 [T2 und T4] sowie 13 Os 73/21s [Rz 11 f mwN]). Im Übrigen trifft der Vorwurf auf die erstgenannte Zeugenaussage nicht zu (US 6 ff).

[6] Vielmehr erschöpft sich die Rüge, indem sie die vom Erstgericht umfassend gewürdigten Beweisergebnisse einer eigenständigen Bewertung unterzieht, um daraus für ihren Standpunkt günstige Schlüsse einzufordern, in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[7] Die zu II/2 in Bezug auf den konstatierten Tatzeitraum vor Vollendung des 14. Lebensjahres der Ya* W* (US 5) erhobene Kritik an der erstgerichtlichen Würdigung der Angaben dieser Zeugin als unvollständig ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie deren Aussagen sinnentstellend verkürzt wiedergibt (vgl RIS‑Justiz RS0116504), indem sie jene Aussageteile, die ihrer Argumentation zuwiderlaufen, gänzlich ignoriert (vgl insbesondere ON 15 S 11 f, 17 und 45 in ON 12 iVm ON 29 S 6).

[8] Der Einwand, wonach – gerichtet gegen die Feststellungen zu einem vor dem 14. Lebensjahr der Y* W* liegenden Tatzeitraum – ein Aspekt eines Beweisergebnisses (Tagebucheintrag ON 23 S 4) unerörtert geblieben sei, übergeht, dass die Tatrichter – dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – (auch) dieses Beweismittel eingehend würdigten und der diesbezüglichen Verantwortung des Angeklagten aufgrund der Gesamtheit der Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) nicht folgten (US 6 ff [7]). Solcherart erweist sich das Vorbringen erneut – und zudem auf Basis urteilsfremder Prämissen (vgl US 7) – bloß als eine im Schöffenverfahren nicht vorgesehene Bekämpfung der Beweiswürdigung.

[9] Indem die Rüge unberücksichtigt gelassene Verfahrensergebnisse betreffend eine Verkürzung des zu I/1 und III/1 konstatierten Tatzeitraums auf dessen Beginn (erst) mit dem Jahr 2016 releviert, spricht sie keine für die Schuld- oder die Subsumtionsfragen bedeutsamen – somit keine entscheidenden – Tatsachen an (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268, RS0117499 und RS0116736 [insbesondere T13]).

[10] Soweit die Rüge diesen Umstand sowie „überschneidende Zeiträume“ zu I/1 und II/1 „hilfsweise auch unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 11“ geltend macht (siehe aber RIS‑Justiz RS0115902), erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen (vgl RIS‑Justiz RS0099911 [insbesondere T8]).

[11] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet zu I/1 das Fehlen von Feststellungen zu „separat[en]…Handlungen gem. § 207 StGB“ im Hinblick auf „sich überschneidende Zeiträume“ zu II/1, setzt sich dabei aber prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) über die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen zu echt realkonkurrierenden strafbaren Handlungen des Angeklagten hinweg (US 4, dazu Philipp in WK2 StGB § 206 Rz 31 und Hinterhofer SbgK § 206 Rz 71).

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[13] Über die Berufung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

[14] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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