OGH 13Os24/21k

OGH13Os24/21k12.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Frisch in der Verbandsverantwortlichkeitssache der Oe* GmbH wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des belangten Verbandes und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. Juli 2020, GZ 123 Hv 27/14p‑153, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, und des belangten Verbandes, DI Feist, sowie der Verteidiger des belangten Verbandes,  Mag. Haumer und Mag. Krakow, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00024.21K.0112.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes wird verworfen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die bedingte Nachsicht der Verbandsgeldbuße aufgehoben.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft hierauf verwiesen.

In Stattgebung der Berufung des belangten Verbandes wird die über die Oe* GmbH verhängte Verbandsgeldbuße auf

500.000 Euro

herabgesetzt.

Gemäß § 7 VbVG iVm § 28a Abs 1 FinStrG wird ein Bußteil von 375.000 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Dem belangten Verband fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Oe* GmbH (im Folgenden: Oe*) gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und 2 und Abs 2 VbVG (iVm § 28a Abs 1 FinStrG) für die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG verantwortlich erkannt, die ihre Entscheidungsträger * W* und DI * M* zugunsten des Verbandes rechtswidrig und schuldhaft begangen und durch die sie den Verband treffende Pflichten verletzt haben.

[2] Danach haben im Zuständigkeitsbereich des (ehemaligen) Finanzamts Wien 1/23 W* und DI M* als handelsrechtliche Geschäftsführer der Oe* vorsätzlich unter Verletzung der in § 119 BAO normierten abgabenrechtlichen Offenlegungs‑ und Wahrheitspflicht, die von diesen für den Verband gemäß § 80 Abs 1 BAO zu erfüllen war, nämlich durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen, indem sie in das Rechenwerk des Verbandes Scheinrechnungen der A*, der L* und der V* aufnahmen, wodurch das Einkommen der Oe* um insgesamt 14.950.472 Euro zu niedrig dargestellt wurde, Abgabenverkürzungen um insgesamt 3.429.380,50 Euro bewirkt, und zwar an Körperschaftsteuer

(1) für das Jahr 2007 um 1.569.920,19 Euro,

(2) für das Jahr 2008 um 1.511.175,81 Euro und

(3) für das Jahr 2009 um 348.284,50 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[3] Ihre dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen der belangte Verband auf Z 5 und 9 lit a, die Staatsanwaltschaft auf Z 11 des § 281 Abs 1 StPO.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes:

Deren Erledigung ist voranzustellen:

[4] Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Oktober 2014, GZ 123 Hv 9/13i‑823, wurden W* und DI M* (unter anderem) mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt (Schuldsprüche VI 3 bis 5). Diese Schuldsprüche sind mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 6. September 2016, AZ 13 Os 105/15p, 106/15k, in Rechtskraft erwachsen.

[5] Mit dem – damit kompatiblen (vgl RIS‑Justiz RS0133675) – angefochtenen Urteil wurde die Oe* im selbständigen Verfahren (§ 21 Abs 3 zweiter Satz VbVG) für genau diese Finanzvergehen verantwortlich erkannt.

[6] Die Feststellungswirkung eines Schuldspruchs einer natürlichen Person erstreckt sich dann auf einen Verband, wenn (1.) dieser im Verfahren gegen die natürliche Person Parteistellung gemäß § 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG, somit die Möglichkeit hatte, zu den Vorwürfen, für die er verantwortlich erklärt werden könnte, Stellung zu nehmen und das Urteil über seinen Entscheidungsträger (oder Mitarbeiter) – im Umfang des betreffenden Schuldspruchs – auf gleiche Weise wie dieser zu bekämpfen, und (2.) der Schuldspruch sowohl gegenüber dem Verband als auch gegenüber allen weiteren Anfechtungsberechtigten in Rechtskraft erwachsen ist (RIS‑Justiz RS0133674; missverstanden von Wiesinger, Anmerkung zu 13 Os 128/20b, JBl 2021, 813, der die Formulierung „[...] somit die Möglichkeit hatte [...]“ offenbar dergestalt auffasst, dass mangelnde „tatsächlich[e]“ Einbindung eines Verbandes im Verfahren gegen eine natürliche Person, in dem er Parteistellung nach § 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG genießt [etwa das Unterbleiben seiner Ladung zur Hauptverhandlung oder der Zustellung des in seiner „Abwesenheit“ ergangenen Urteils], – schon per se – einer Bindung des Verbandes entgegenstehe, anstatt [bloß] Verfahrensmängel zu begründen oder den Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Schuldspruchs zu hindern; siehe demgegenüber Oberressl, Besonderheiten des Haupt‑ und des Rechtsmittelverfahrens nach dem VbVG, ÖJZ 2020, 815 [insbesondere 819, 821 f und 825 f]).

[7] Parteistellung gemäß § 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG im Haupt‑ und (einem anschließenden) Rechtsmittelverfahren gegen eine natürliche Person kommt einem Verband nur zu, soweit und solange er wegen derselben Tat (§ 3 VbVG) in einem Verfahren „belangt“ (§ 13 Abs 1 VbVG iVm § 15 Abs 1 VbVG) ist, in dem der Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße gemeinsam (§ 21 Abs 2 VbVG) mit der Anklage gegen die natürliche Person eingebracht wurde (vgl RIS‑Justiz RS0133395; zum Ganzen erneut Oberressl, ÖJZ 2020, 815 [817 ff und 825]).

[8] Im Verfahren AZ 123 Hv 9/13i des Landesgerichts für Strafsachen Wien war ein Antrag nach § 21 VbVG gegen die Oe* bloß wegen anderer, nicht aber wegen der hier gegenständlichen (Anknüpfungs‑)Taten gemeinsam (§ 21 Abs 2 VbVG) mit der Anklage gegen W* und DI M* eingebracht worden (jener Antrag wurde dort mit rechtskräftigem Urteil nach § 22 Abs 2 VbVG abgewiesen [siehe die diesbezügliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 18. Dezember 2014, AZ 13 Os 118/14y, 135/14y]). Der Vorwurf der Verbandsverantwortlichkeit für die hier gegenständlichen Finanzvergehen gegen die Oe* wurde (nicht gleichzeitig mit der diesbezüglichen Anklage des W* und des DI M*, sondern) – durch „Ausdehnung“ (§ 263 Abs 1 StPO iVm § 14 Abs 1 VbVG) des wegen anderer Taten eingebrachten Antrags – erst in der Hauptverhandlung jenes Verfahrens erhoben. Dadurch wurde – insoweit (nämlich im Verfahren gegen W* und DI M*, soweit es wegen dieser Finanzvergehen geführt wurde) – keine Parteistellung des belangten Verbandes nach § 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG begründet.

[9] Mangels (insoweit begründeter) Parteistellung aber hatte er keine Möglichkeit, die Schuldsprüche des W* und des DI M* wegen der ihm hier – mit nach urteilsförmigem Verfolgungsvorbehalt (§ 263 Abs 2 StPO iVm § 14 Abs 1 VbVG [ON 822 S 43 f in AZ 123 Hv 9/13i des Landesgerichts für Strafsachen Wien]) innerhalb der Frist des § 263 Abs 4 StPO eingebrachtem, selbständigen (§ 21 Abs 3 VbVG) Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße (ON 50) – angelasteten Finanzvergehen auf gleiche Weise wie die Genannten zu bekämpfen.

[10] Hiervon ausgehend ist die tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Begehung dieser Anknüpfungstaten nicht mit den Verband bindender Wirkung festgestellt. Aus diesem Grund ist auch sie – wovon die Beschwerde im Ergebnis zutreffend ausgeht – zulässiger Gegenstand der Anfechtung des Ausspruchs über die Verbandsverantwortlichkeit (vgl RIS‑Justiz RS0131120, RS0112232 [insbesondere T5] und RS0133675).

[11] Mit dem Hinweis auf „reine Deckungshandlungen“ der Geschäftsführer W* und DI M* zur Verschleierung der „vorgelagerten, strafbaren Handlungen“ spricht die Mängelrüge (Z 5) bloß das Tatmotiv und damit keinen für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand an (RIS‑Justiz RS0088761). Zu einer gesonderten Erörterung (Z 5 zweiter Fall) der relevierten Aussagedetails der Zeugin Mag. * P* (ON 141 S 2 ff) waren die Tatrichter daher nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0106268).

[12] Hinzugefügt sei, dass sich die Offenlegungspflicht (§ 119 Abs 1 BAO) auf abgabenrelevante Umstände beschränkt, während darüber hinausgehende, für den Steuertatbestand nicht maßgebliche Informationen für die Steuerbemessung irrelevant und daher insoweit von der Erklärungspflicht nicht erfasst sind (RIS‑Justiz RS0109800).

[13] Das Erstgericht stellte – in objektiver und subjektiver Hinsicht – fest, dass die für die abgabenrechtlichen Belange zuständigen Geschäftsführer der Oe*, W* und DI M*, Rechnungen über tatsächlich nicht erfolgte Beratungs‑ und Vermittlungsleistungen, die nur den Zweck verfolgten, die mit Entscheidungsträgern der Nationalbanken von Aserbaidschan und Syrien vereinbarten Bestechungszahlungen zu verschleiern, in das Rechenwerk der Gesellschaft aufnahmen, dadurch deren Einkommen zu niedrig darstellten und durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen zur Körperschaftsteuer die festgestellte Abgabenverkürzung bewirkten. Die Zahlungsempfänger wurden von den Entscheidungsträgern der jeweiligen Nationalbanken bekannt gegeben. W* und DI M* wussten, dass es sich um als Provisionen getarnte Bestechungszahlungen handelt, die nicht abzugsfähig sind, und wollten dies auch. Sie wussten, dass die Beträge an die für die jeweiligen Vertragspartner handelnden Entscheidungsträger zurückgeflossen sind, verschwiegen der Abgabenbehörde aber – trotz entsprechender Aufforderung – die tatsächlichen Empfänger (US 2 f und 5 ff [7 f, 10 f, 14]).

[14] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht aus § 33 Abs 1 FinStrG ab, weshalb diese Konstatierungen die vom Erstgericht zu den Anknüpfungstaten vorgenommene Subsumtion nicht tragen sollen (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).

[15] Sie erklärt auch nicht, warum der festgestellte Sachverhalt eine andere rechtliche Würdigung erfahren soll als der dem rechtskräftigen Urteil gegen W* und DI M* zugrunde liegende idente Sachverhalt, dessen Subsumtion nach § 33 Abs 1 FinStrG mit dem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs AZ 13 Os 105/15g, 106/15h als zutreffend befunden worden ist (zum abgabenrechtlichen Hintergrund vgl § 162 Abs 2 BAO und § 12 Abs 1 Z 4 KStG). Der bloße Verweis auf die Verwaltungspraxis zu § 12 Abs 1 Z 4 KStG – der im Übrigen weder am Wortlaut der genannten Norm festhält noch auf diesbezügliche daraus argumentierende Lehrmeinungen (Lachmayer in Lachmayer/Strimitzer/Vock, KStG 1988 § 12 Rz 52 mwN) eingeht – vermag die gebotene methodisch vertretbare Ableitung aus dem Gesetz nicht zu ersetzen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 590).

[16] Soweit die Rüge unter Berufung auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs behauptet, die „von der Oe* vereinnahmten Aufschläge auf den kalkulierten Preis“ seien „nicht als Ertrag zu erfassen“, weil es sich nur um „durchlaufende Posten“ gehandelt habe, dabei aber zugesteht, dass sich die „Fallkonstellation unterscheidet“, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[17] Mit der abermals das Motiv betreffenden Argumentation, die Verbandsverantwortlichkeit begründende Straftaten von Entscheidungsträgern (§ 3 Abs 2 VbVG) lägen nicht vor, weil W* und DI M* ohne Bezug zu ihrer Stellung im Verband gehandelt hätten, wird der belangte Verband auf das zur Mängelrüge Gesagte verwiesen.

[18] Die Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes war daher zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

[19] Das Erstgericht verhängte über die Oe* eine Verbandsgeldbuße von 700.000 Euro, die es gestützt auf „§ 6 VbVG iVm § 26 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 28/99“ unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

[20] Die Sanktionsrüge (nominell Z 11 dritter Fall, der Sache nach Z 11 erster Fall), die sich gegen die gänzlich bedingte Nachsicht der Verbandsgeldbuße richtet, zeigt zutreffend auf, dass das Schöffengericht seine Strafbefugnis überschritten hat.

[21] In Verbandsverantwortlichkeitssachen, denen gerichtlich strafbare Finanzvergehen (hier § 33 Abs 1 FinStrG) zugrunde liegen, sind die Grenzen der Zulässigkeit bedingter Nachsicht nach § 7 VbVG zu beurteilen, womit insoweit gänzlich bedingte Nachsicht der Verbandsgeldbuße nicht möglich ist (Lässig in WK2 FinStrG § 28a Rz 4/1 mwN, RIS‑Justiz RS0129907).

[22] Das angefochtene Urteil war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft imAusspruch über die bedingte Nachsicht der Verbandsgeldbuße aufzuheben.

[23] Mit ihrer ausschließlich darauf bezogenen Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Zur Berufung des belangten Verbandes:

[24] Mildernd wertete das Erstgericht den „ordentliche[n] Lebenswandel“ und die vollständige Schadensgutmachung, erschwerend keinen Umstand (US 14).

[25] Bei der Bemessung der (hier) nach dem FinStrG zu bestimmenden Verbandsgeldbuße sind – neben jenen in §§ 33 und 34 StGB – auch die in § 5 Abs 2 und 3 VbVG aufgezählten Erschwerungs- und Milderungsgründe heranzuziehen (Lässig,WK2 FinStrG § 28a Rz 4/2 mwN; mit eingehender Begründung 13 Os 10/16v, SSt 2016/31).

[26] Davon ausgehend wendet die Berufung zutreffend ein, dass die erstgerichtlich herangezogenen Milderungsgründe dahin zu ergänzen sind, dass der Verband nach der Tat erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen (§ 5 Abs 3 Z 3 VbVG) und wesentliche Schritte zur zukünftigen Verhinderung ähnlicher Taten unternommen (§ 5 Abs 3 Z 5 VbVG) hat und dass die Taten bereits gewichtige rechtliche Nachteile für den Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen haben (§ 5 Abs 3 Z 6 VbVG). Zudem ist der nunmehr im Sinn des § 3 VbVG unbelastete Bestand des Verbandes über einen mittlerweile elfjährigen Zeitraum (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB) mildernd zu berücksichtigen.

[27] Richtig ist auch das Berufungsvorbringen, wonach das gegen den belangten Verband geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat (§ 34 Abs 2 StGB). Wenngleich eine lange Verfahrensdauer nicht per se grundrechtswidrig ist (RIS‑Justiz RS0132858, Ebner in WK2 StGB § 34 Rz 56 ff), kann sich eine Verletzung des Grundrechts auf Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist – unabhängig von der (hier mit Blick auf die Komplexität der Sache, den Auslandsbezug und die mehrmalige Befassung der Rechtsmittelinstanzen noch nicht unangemessenen) Verfahrensdauer von insgesamt rund sieben Jahren – auch aus einer längeren Phase behördlicher Inaktivität ergeben (RIS‑Justiz RS0124901 [T3]; Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 24 Rz 83). Dies ist vorliegend der Fall, weil nach der Aktenlage die für September 2016 anberaumte (fortgesetzte) Hauptverhandlung im Juni 2016 abberaumt wurde und der Vorsitzende erst im Jänner 2019 mit der Ausschreibung der Hauptverhandlung für März 2019 einen weiteren Verfahrensschritt setzte (ON 1 S 19, ON 113).

[28] Die in der Untätigkeit des Gerichts über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren und sieben Monaten gelegene Grundrechtsverletzung wird anerkannt und in Form einer ausdrücklichen und messbaren Bußreduktion ausgeglichen:

[29] Ausgehend von den dargestellten Erschwerungs‑ und Milderungsgründen (§ 23 Abs 2 FinStrG) erweist sich die vom Schöffengericht (auf der Basis der Strafdrohung des § 33 Abs 5 FinStrG idF BGBl I 1999/28 [§ 28a Abs 1 erster Satz FinStrG]) bei einem strafbestimmenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 FinStrG) von 3.429.380,50 Euro und solcherart bei einem bis zu 6.858.761 Euro reichenden Bußgeldrahmen verhängte Verbandsgeldbuße grundsätzlich als einer Herabsetzung auf 550.000 Euro zugänglich. Dieser Bußbetrag war um 50.000 Euro auf eine Verbandsgeldbuße von 500.000 Euro zu reduzieren, um den anerkannten Grundrechtsverstoß auszugleichen.

[30] Da dem weder spezialpräventive noch generalpräventive Erwägungen entgegenstehen, waren gemäß § 7 VbVG iVm § 28a Abs 1 erster Satz FinStrG drei Viertel dieser Buße (das sind 375.000 Euro) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen.

[31] Der Berufung des belangten Verbandes war daher wie aus dem Spruch ersichtlich Folge zu geben.

[32] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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