OGH 13Os10/16v

OGH13Os10/16v27.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Jülg als Schriftführer in der Verbandsverantwortlichkeitssache der B***** GmbH wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG iVm § 28a Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 9. Dezember 2015, GZ 11 Hv 103/15z‑11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, und des belangten Verbandes, Dr. Subarsky, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00010.16V.0627.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Verbandsgeldbuße aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

 

Die B***** GmbH wird für die Finanzvergehen des Gerhard S*****, für die sie mit dem angefochtenen Urteil als im Sinn des § 3 Abs 1 Z 1 und Abs 2 VbVG verantwortlich erkannt worden ist, unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG nach § 38 Abs 1 FinStrG iVm § 28a Abs 1 FinStrG zu einer

Verbandsgeldbuße von 120.000 Euro

(in Worten: einhundertzwanzigtausend Euro)

verurteilt.

Gemäß § 7 VbVG iVm § 28a Abs 1 FinStrG wird ein Bußteil von 90.000 Euro (in Worten: neunzigtausend Euro) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

 

Dem belangten Verband fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen – zwar der Bestimmung des § 22 Abs 2 VbVG entsprechend gesondert verkündeten (ON 10 S 9 bis 11), aber verfehlt (13 Os 140/15k) gemeinsam mit jenem gegen den Entscheidungsträger ausgefertigten – Urteil wurde die B***** GmbH gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und Abs 2 VbVG für nachstehende, §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG (I und II), §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG (III) und §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 FinStrG (IV) zu unterstellende Taten, die ihr Geschäftsführer Gerhard S***** zu ihren Gunsten rechtswidrig und schuldhaft begangen hatte, verantwortlich erkannt. Dieser hatte nach dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) als Geschäftsführer der B***** GmbH im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Kirchdorf Perg Steyr

(I) durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen und solcherart vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt, nämlich für die Jahre 2005 bis 2010 um 134.253,02 Euro an Umsatzsteuer und für das Jahr 2010 um 5.068 Euro an Körperschaftsteuer,

(II) in den Jahren 2005 bis 2011 vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Kapitalertragsteuer um 89.467,25 Euro bewirkt, indem er die gebotene Anmeldung und Abfuhr (§ 96 Abs 1 und 3 EStG) unterließ,

(III) für die Monate Jänner 2011 bis August 2012 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer um 44.914 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten sowie

(IV) für die Monate Jänner 2005 bis August 2012 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung an Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen oder Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag um 76.797,44 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Das Erstgericht verhängte über die B***** GmbH eine Verbandsgeldbuße von 25 Tagessätzen zu je 50 Euro, die es unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist im Recht.

Die Sanktionsrüge zeigt zutreffend auf, dass das Schöffengericht seine Strafbefugnis mehrfach überschritten hat (Z 11 erster Fall):

(1) Gemäß § 28a Abs 1 FinStrG ist die Verbandsgeldbuße in Finanzstrafsachen – soweit hier von Interesse – nach der für das Finanzvergehen, für das der Verband verantwortlich ist, angedrohten Geldstrafe zu bemessen. Damit wird ausgedrückt, dass die Buße nicht – wie in § 4 VbVG vorgesehen – nach dem Tagessatzsystem, sondern dem Sanktionensystem des FinStrG folgend zu bestimmen ist (EBRV 1187 BlgNR 22. GP  26; Lässig in WK 2 FinStrG § 28a Rz 2). Mit dem Ausspruch einer Tagessatz‑Geldstrafe verhängte das Erstgericht somit eine im Gesetz nicht vorgesehene Sanktion.

(2) Soweit ersichtlich (US 3, 15 f) wurde dem Strafausspruch die im Entscheidungszeitpunkt in Geltung gestandene Fassung des FinStrG zugrunde gelegt. Hievon ausgehend war bei der Bemessung der Verbandsgeldbuße die mit der FinStrG‑Novelle 2010 BGBl I 2010/104 eingefügte absolute Untergrenze von einem Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe (§ 23 Abs 4 erster Satz [iVm § 28a Abs 1] FinStrG) zu berücksichtigen, was das Erstgericht unterließ. Auf den diesbezüglichen Günstigkeitsvergleich (§ 4 Abs 2 FinStrG) wird im Rahmen der Strafneubemessung eingegangen.

(3) Die gänzliche bedingte Nachsicht der Verbandsgeldbuße ist – dem bekämpften Urteil zuwider – in Verbandsverantwortlichkeitssachen, denen gerichtlich strafbare Finanzvergehen zugrunde liegen, nicht möglich, weil § 6 VbVG eine solche nur für in Tagessätzen bemessene Geldbußen vorsieht (RIS‑Justiz RS0129907; mit eingehender Begründung 13 Os 56/14f).

Die angefochtene Entscheidung war somit – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im Ausspruch über die Verbandsgeldbuße aufzuheben.

Der hiedurch erforderlichen Neubemessung derselben ist voranzustellen, dass § 5 VbVG die Bemessung der „Anzahl der Tagessätze“ regelt und daher auf Verbandsgeldbußen nach dem FinStrG nicht unmittelbar anwendbar ist. Da die subsidiär anzuwendende (§ 28a Abs 1 zweiter Satz FinStrG) Norm des § 23 Abs 2 FinStrG hinsichtlich der besonderen Erschwerungs‑ und Milderungsgründe auf §§ 33 und 34 StGB verweist und diese Bestimmungen bloß demonstrative Aufzählungen enthalten ( Ebner in WK 2 StGB § 33 Rz 1 und § 34 Rz 1), steht aber einer Heranziehung der in § 5 Abs 2 und 3 VbVG genannten Erschwerungs‑ und Milderungsgründe bei der Bemessung (auch) einer nach dem FinStrG zu bestimmenden Verbandsgeldbuße nichts entgegen. Dies liegt sogar nahe, weil die besonderen Strafbemessungsgründe des StGB großteils ausschließlich auf natürliche Personen anwendbar sind und solcherart gemäß § 28a Abs 1 zweiter Satz FinStrG in Finanzstrafsachen nach dem VbVG nicht herangezogen werden können (13 Os 56/14f).

Fallbezogen war kein Umstand erschwerend, mildernd die Umstände, dass der Verband nach den Taten erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen (§ 5 Abs 3 Z 3 VbVG), die Folgen der Taten gutgemacht (§ 5 Abs 3 Z 4 VbVG) und wesentliche Schritte zur zukünftigen Verhinderung ähnlicher Taten unternommen (§ 5 Abs 3 Z 5 VbVG) hat und dass die Taten bereits gewichtige Nachteile für den Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen haben (§ 5 Abs 3 Z 6 VbVG).

Hievon ausgehend war die Verbandsgeldbuße unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG auf der Basis der Strafdrohung des § 38 Abs 1 FinStrG idF vor BGBl I 2012/112 (§ 28a Abs 1 erster Satz FinStrG) bei einem strafbestimmenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 FinStrG) von 350.499,71 Euro und solcherart bei einem bis zu 1.051.499,13 Euro reichenden Bußgeldrahmen mit 120.000 Euro zu bemessen. Die Änderung des § 23 Abs 4 FinStrG durch die FinStrG‑Novelle 2010 BGBl I 2010/104 ist hier schon deswegen ohne Belang, weil die Voraussetzungen für das – vor dieser Novelle möglich gewesene – Unterschreiten der Strafgrenze von einem Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe nicht vorliegen.

Da dem weder spezialpräventive noch generalpräventive Erwägungen entgegenstehen, waren gemäß § 7 VbVG iVm § 28a Abs 1 erster Satz FinStrG drei Viertel dieser Buße (also 90.000 Euro) unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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