European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00114.15M.0309.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Gerhard S***** wegen ‑ teils nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG aF qualifizierter ‑ Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG infolge Verkürzung von Kapitalertragsteuer (1/1/2/2, 1/1/2/3/2 bis 5, 1/1/3/2 und 1/1/4/2) sowie nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG (1/2), in der Subsumtion der vom Schuldspruch wegen Hinterziehung von Einkommensteuer für die Jahre 1998 bis 2000 (1/1/4/1) umfassten Taten nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG aF, demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), sowie hinsichtlich der Angeklagten Christine St***** (zur Gänze) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte Gerhard S*****, die Staatsanwaltschaft und die Finanzstrafbehörde auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Dem Angeklagten Gerhard S***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard S***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (1/1/1 bis 1/1/3), nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 1999/28 (1/1/4), nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (1/2/1 und 1/2/2) sowie nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 1999/28 (1/2/3), Christine St***** mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit b FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (2) schuldig erkannt.
Danach haben
(1) Gerhard S*****
1/1) vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt, indem er unrichtige Jahressteuererklärungen abgab und die Anmeldung sowie die Abfuhr der Kapitalertragsteuer unterließ (US 10), nämlich
1/1/1) an Einkommensteuer für die Jahre 1994 um 39.848,96 Euro, 1995 um 91.891,93 Euro, 1996 um 108.529,54 Euro und 1997 um 24.885,78 Euro,
1/1/2) als abgabenrechtlich Verantwortlicher
1/1/2/1) der S***** Güterverkehrs GmbH an Körperschaftsteuer für das Jahr 1996 um 17.498,37 Euro,
1/1/2/2) der S***** Güterbeförderung GmbH an Kapitalertragsteuer für die Jahre 1993 um 30.902,60 Euro und 1996 um 24.463,51 Euro sowie
1/1/2/3) der S***** Leasing GmbH an Körperschaftsteuer für das Jahr 1996 um 27.390,13 Euro (1/1/2/3/1) und an Kapitalertragsteuer für die Jahre 1992 um 8.945,52 Euro, 1994 um 17.218,30 Euro, 1995 um 42.938,38 Euro sowie 1996 um 40.323,98 Euro (1/1/2/3/2 bis 5),
1/1/3) als abgabenrechtlich faktisch Verantwortlicher der S***** Speditionsgesellschaft mbH für das Jahr 1996 an Körperschaftsteuer um 19.909,14 Euro (1/1/3/1) und an Kapitalertragsteuer um 14.638,05 Euro (1/1/3/2) sowie
1/1/4) gewerbsmäßig
1/1/4/1) an Einkommensteuer für die Jahre 1998 um 80.626,09 Euro, 1999 um 60.726,94 Euro und 2000 um 16.383,31 Euro sowie
als abgabenrechtlich Verantwortlicher
1/1/4/2/1) der S***** Kfz‑Leasing GmbH an Kapitalertragsteuer für die Jahre 1998 um 66.997,01 Euro und 1999 um 27.731,01 Euro sowie
1/1/4/2/2) der S***** Güterbeförderung GmbH an Kapitalertragsteuer für die Jahre 1999 um 5.814,55 Euro und 2000 um 9.822,17 Euro, weiters
1/2) für die Jahre 1991 bis 2000 als abgabenrechtlich Verantwortlicher mehrerer Kapitalgesellschaften vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten Verkürzungen von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen um insgesamt 185.085 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, wobei er hinsichtlich der Jahre 1999 und 2000 gewerbsmäßig gehandelt hat,
(2) Christine St***** zu den vom Schuldspruch 1/2 umfassten Finanzvergehen dadurch vorsätzlich beigetragen, dass sie als für das Rechnungswesen Verantwortliche, teils auch als Prokuristin, unrichtige Tankrechnungen sowie Diätenabrechnungen herstellte und herstellen ließ und die auf der Basis dieser Belege vorgenommenen Auszahlungen entsprechend verbuchte, obwohl es sich dabei in Wahrheit um Lohnbestandteile handelte.
Rechtliche Beurteilung
Anlässlich der dagegen vom Angeklagten Gerhard S***** aus Z 5, 8, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass zum Nachteil der Angeklagten das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Der Vorgang der Subsumtion besteht im Herstellen einer Verknüpfung zwischen der Tat und einer strafbaren oder (sofern in Sonderfällen nicht alle Voraussetzungen der Strafbarkeit verlangt werden) mit Strafe bedrohten Handlung. Dabei wird der festgestellte Lebenssachverhalt (Tat) dahin beurteilt, ob er unter die gesetzliche Kategorie einer strafbaren Handlung, also eines tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, das auch allfälligen zusätzlichen Voraussetzungen für die Strafbarkeit genügt, fällt ( Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28‑31 Rz 1 f, Lässig in WK 2 FinStrG Vorbem Rz 7).
Im Bereich der Kapitalertragsteuer (§ 33 Abs 1 FinStrG) ist selbständige Tat das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapital-ertragsteuer‑Abfuhr (§ 96 Abs 1 EStG) unter Verletzung der korrespondierenden (§ 96 Abs 3 EStG) Anmeldungspflicht (13 Os 104/10h, AnwBl 2011, 448; RIS‑Justiz RS0124712 [T1]).
Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG werden durch dort pönalisiertes Verhalten in Bezug auf Entrichtungszeiträume begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums und jeder Abgabenart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) eine selbständige Tat vorliegt (13 Os 142/08v, JBl 2010, 318; RIS‑Justiz RS0118311 [T2] und RS0124712).
Die angefochtene Entscheidung stellt hinsichtlich der Verkürzung an Kapitalertragsteuer einen in den Jahren 1992 bis 2000 insgesamt an Gerhard S***** und mehrere von ihm geleitete Unternehmen in der Form sogenannter Kickback‑Zahlungen geflossenen Betrag von rund 2,9 Millionen Euro sowie nach Kalenderjahren und Unternehmen aufgegliederte Verkürzungsbeträge fest (US 10 iVm US 2 f). Auch die Verkürzungen an Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen werden bloß nach Kalenderjahren und Unternehmen getrennt konstatiert (US 13 iVm US 3 f).
Ausgehend vom dargelegten finanz-strafrechtlichen Tatbegriff hinsichtlich der in Rede stehenden Abgaben tragen diese Feststellungen die korrespondierenden Teile des Schuldspruchs nicht.
Das bekämpfte Urteil war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO in den die Kapitalertragsteuer, die Lohnsteuer und die Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen betreffenden Teilen des Schuldspruchs des Gerhard S***** sowie im (gesamten) Schuldspruch der Christine St***** von Amts wegen schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben.
Dies hatte (hinsichtlich beider Angeklagten) die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Gerhard S*****, auf die im Folgenden nur mehr hinsichtlich der nicht von der Aufhebung umfassten Teile der angefochtenen Entscheidung eingegangen wird, ist teilweise im Recht.
Die Subsumtionsrüge (Z 10, nominell verfehlt auch Z 9 lit a) zeigt im Ergebnis zutreffend auf, dass die tatrichterlichen Feststellungen die Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG nicht tragen.
Gewerbsmäßigkeit verlangt nach der hier relevanten Rechtslage die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung der in Rede stehenden strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 38 Abs 1 erster Satz FinStrG idF vor BGBl I 2015/163).
Die in der Legaldefinition der Gewerbsmäßigkeit verwendeten Begriffe „wiederkehrend“ und „fortlaufend“ bringen gemeinsam zum Ausdruck, dass es dem gewerbsmäßig handelnden Täter darauf ankommt, sich durch die wiederholte Begehung der strafbaren Handlung eine zumindest für einen längeren Zeitraum wirksame Einkommensquelle zu erschließen ( Jerabek in WK 2 StGB § 70 Rz 7). Dabei stellt die Rechtsprechung stets eine Einzelfallbetrachtung an, als deren Richtschnur folgende Überlegung angesehen werden kann: Je höher die Frequenz der (bereits erfolgten oder intendierten) Angriffe ist, desto geringer sind die Anforderungen an die beabsichtigte zeitliche Ausdehnung des Einnahmeflusses und vice versa (13 Os 121/14i, 13 Os 47/15h).
Da die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf diese Kriterien den gebotenen Sachverhaltsbezug hinsichtlich der zeitlichen Komponente der Intention des Angeklagten, sich durch wiederkehrende Delinquenz eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht herstellt, leidet der Schuldspruch insoweit an Nichtigkeit aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO (13 Os 102/12t, JBl 2013, 677; RIS‑Justiz RS0119090 [insbesondere T8 und T11]).
Der nicht von der amtswegigen Aufhebung umfasste Teil des Schuldspruchs war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde in der Subsumtion nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG aF gemäß § 285e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben.
Im Übrigen verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel:
Indem die Mängelrüge (Z 5) die Begründung der Feststellungen zur Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für die abgabenrechtlichen Agenden der S***** Speditionsgesellschaft mbH als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) kritisiert, ohne die Gesamtheit der diesbezüglichen Erwägungen des Erstgerichts (US 14) zu berücksichtigen, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0119370).
Aus Z 8 des § 281 Abs 1 StPO wendet die Beschwerde ein, dass die Ausdehnung der Anklage in der Hauptverhandlung am 26. Februar 2015 (ON 42 S 20) nicht gesetzeskonform gewesen sei, aus welchem Grund der auf dieser Ausdehnung basierende Schuldspruch die Anklage überschreite.
Weshalb allerdings der bloße Umstand, dass der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der von der Ausdehnung umfassten Verkürzungsbeträge auf eine vorgelegte Urkunde (Beilage ./1 zu ON 42) verwiesen hat, den Vorgaben des § 263 Abs 1 StPO widersprechen soll, wird nicht klar.
Auch zur Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist nur auf jene Argumente einzugehen, welche nicht die von der amtswegigen Aufhebung umfassten Teile des Schuldspruchs betreffen, womit die Überlegungen zur Verkürzung der Kapitalertragsteuer auf sich zu beruhen haben.
Von dieser Steuerart abgesehen konstatiert das Erstgericht hinsichtlich des Sachverhaltskomplexes der Abgabenhinterziehung durch sogenannte Kickback‑Zahlungen, dass der Beschwerdeführer beim Ankauf von LKW gesetzwidrig Provisionen lukrierte, die in der Buchhaltung dem Anschaffungspreis aufgeschlagen wurden und solcherart ‑ je nach Finanzierungsart mittels überhöhter Abschreibungen für Abnutzung oder überhöhter Leasingraten als Betriebsausgaben ‑ die jeweils erklärte Abgabenlast senkten (US 10).
Indem die Beschwerde diese Feststellungsbasis verlässt, entzieht sie sich einer meritorischen Erledigung (RIS‑Justiz RS0099810). Hinzu kommt, dass die Rüge insoweit wortreich eine „wirtschaftliche und juristische Doppelbesteuerung“ einwendet und daraus einen Verstoß „gegen die Grundfreiheiten des EG‑Vertrages“ ableitet, ohne darzulegen, welche konkreten Normen durch das Erstgericht missachtet worden sein sollen und welche Auswirkungen dies auf den Schuldspruch habe.
Hinzugefügt sei, dass die Beschwerde insoweit nicht einmal erkennen lässt, ob aus ihrer Sicht einzelne Taten zur Gänze oder die gerichtliche Zuständigkeit (in diesen beiden Fällen Z 9 lit a) oder bloß die Höhe des strafbestimmenden Wertbetrags (diesfalls Z 11 erster Fall) betroffen sein sollen (zur Abgrenzung siehe Lässig in WK 2 FinStrG Vorbem Rz 21 mwN).
Der in diesem Zusammenhang auch vorgetragene Einwand, das Erstgericht hätte den „Zweifelsgrundsatz“ anwenden und solcherart zu einem (erneut nicht konkretisierten) geringeren strafbestimmenden Wertbetrag gelangen müssen, lässt jeden Konnex zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe vermissen.
Weshalb der (im Übrigen unsubstantiiert behauptete) Umstand, dass der Beschwerdeführer „nicht auch Geschäftsführer der ausländischen Firmen Sta*****, Stan***** usw“ gewesen sei, den Schuldspruch tangieren soll, bleibt im Dunkeln.
Der Einwand, der Beschwerdeführer sei nicht faktischer Geschäftsführer und abgabenrechtlich Verantwortlicher der S***** Speditionsgesellschaft mbH gewesen, erschöpft sich in der Bestreitung der gegenteiligen Urteilsfeststellungen (US 9) und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (siehe erneut RIS‑Justiz RS0099810).
Entsprechendes gilt für die Behauptung fehlender Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, die nicht erkennen lässt, welche über die getroffenen (US 11) hinausgehenden Feststellungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich seien (RIS‑Justiz RS0095939, RS0117247 und RS0118342).
Auch die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b), mit welcher der Strafaufhebungsgrund der Verjährung eingewendet wird, orientiert sich nicht am Gesetz:
Soweit diesbezüglich ein Feststellungsmangel geltend gemacht wird, fehlt es an Darlegungen, aufgrund welcher in der Hauptverhandlung vorgekommener Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) welche Feststellungen zur Verjährung indiziert seien (13 Os 91/02, SSt 64/46; RIS‑Justiz RS0116735).
Im Weiteren wird nicht klar, warum hier die in § 31 Abs 3 FinStrG normierte Ablaufhemmung nicht zum Tragen kommen soll.
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass nach der Aktenlage (der damaligen Rechtslage entsprechend) die gerichtliche Voruntersuchung am 5. November 2001 eingeleitet worden ist (ON 1 S 1c) und der Schuldspruch in den Jahren 1992 bis 2000 durchgehend bewirkte Abgabenverkürzungen umfasst, womit Strafaufhebung aus dem Grund der Verjährung mit Blick auf die Bestimmungen des § 31 Abs 3 und Abs 4 lit b FinStrG ausscheidet.
Soweit die Beschwerde teilweise Verjährung in Bezug auf Teile des strafbestimmenden Wertbetrags einwendet, verkennt sie den finanzstrafrechtlichen Tatbegriff:
Einkommensteuer und Körperschaftsteuer sind zu veranlagende Abgaben, womit diesbezüglich ‑ bezogen auf ein Steuersubjekt ‑ mit Abgabe einer unrichtigen Jahressteuererklärung je Steuerart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) ein Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet wird (RIS‑Justiz RS0086590 und RS0124712). Im Bereich dieser Steuerarten ist daher eine „Tat“ dann in Verfolgung gezogen, wenn die in Rede stehende Verfolgungshandlung die diesbezügliche Jahressteuererklärung betrifft. Dies wird mit dem Vorbringen, hinsichtlich einzelner Jahressteuererklärungen sei ein Teil des Verkürzungsbetrags nicht von den ursprünglichen Verfolgungshandlungen umfasst gewesen, nicht bestritten.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) übersieht, dass die Beteiligungsform mit Blick auf das der Norm des § 11 FinStrG zugrundeliegende System der funktionalen Einheitstäterschaft (hiezu Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 5‑17) nicht Gegenstand des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ist (12 Os 25/03, RZ 2003, 234; RIS‑Justiz RS0117604).
Im zuletzt behandelten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte Gerhard S*****, die Staatsanwaltschaft und die Finanzstrafbehörde auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein:
(1) Die angefochtene Entscheidung leidet auch unter (von der Nichtigkeitsbeschwerde nicht aufgegriffener) Nichtigkeit aus Z 3 des § 281 Abs 1 StPO, weil das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) seiner Individualisierungsfunktion (hiezu 13 Os 164/02, SSt 2003/14; RIS‑Justiz RS0117435; Lendl , WK‑StPO § 260 Rz 9 f) nicht gerecht wird. Ausgehend vom ‑ zur amtswegigen Maßnahme (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) dargelegten ‑ finanzstrafrechtlichen Tatbegriff wird nämlich aus dem auf die Schuldsprüche (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wegen Hinterziehung von Kapitalertragsteuer sowie Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen bezogenen Referat nicht klar, auf welche einzelnen Taten sich die vorgenommene Subsumtion bezieht (13 Os 105/08b, SSt 2009/18; 13 Os 18/12i, EvBl 2012/99, 679; jüngst 13 Os 114/13h).
(2) Sollte erneut ein Schuldspruch wegen Hinterziehung von Kapitalertragsteuer erfolgen, wird neben dem finanzstrafrechtlichen Tatbegriff auch zu beachten sein, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung ‑ soweit hier von Interesse ‑ dann vorliegt, wenn Umsätze einer GmbH verschwiegen und die lukrierten Gewinne an einen Gesellschafter geleistet werden. Anmeldungs‑ und abgabepflichtig in Bezug auf die Kapitalertragsteuer ist hier der Schuldner der Kapitalerträge (§ 96 Abs 1 Z 1 lit a, Abs 3 erster Satz EStG iVm § 95 Abs 2 Z 1 lit a EStG), also die GmbH. Unmittelbarer Täter im Sinn des § 33 Abs 1 FinStrG ist insoweit daher die zu deren Vertretung berufene Person ( Lässig in WK 2 § 33 Rz 32). Ein diesbezüglicher Schuldspruch setzt daher auch Feststellungen darüber voraus, welche Gesellschaft an welchen Gesellschafter verdeckt ausgeschüttet hat und wer im Zeitpunkt der Ausschüttung zur Vertretung der Gesellschaft berufen gewesen ist.
(3) Beim Günstigkeitsvergleich (§ 4 Abs 2 FinStrG) wird auch die Änderung des § 38 FinStrG durch das AbgÄG 2015 BGBl I 2015/163 zu berücksichtigen sein.
(4) Zum Zweck gesetzeskonformer Strafbemessung werden bei sonstiger Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700 [verst Senat]; RIS‑Justiz RS0122137 und RS0122138) Feststellungen zur Abgrenzung zwischen versuchter und vollendeter Tat zu treffen sein. Hinsichtlich der Hinterziehung von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer sind demnach mit Blick auf § 33 Abs 3 lit a FinStrG Konstatierungen darüber erforderlich, ob aufgrund der unrichtigen Jahressteuererklärungen Abgabenbescheide erlassen worden und ‑ soweit nach Günstigkeitsvergleich (§ 4 Abs 2 FinStrG) Tatzeitrecht anzuwenden ist ‑ ob allenfalls erlassene Bescheide in Rechtskraft erwachsen sind (RIS‑Justiz RS0086391, RS0086429, RS0086436 und RS0086462; zur diesbezüglich nunmehrigen Rechtslage siehe § 33 Abs 3 lit a FinStrG idF BGBl I 2013/14).
(5) Die in der langen Verfahrensdauer gelegene Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK (hiezu Meyer‑Ladewig , EMRK 3 Art 6 Rz 196 f und Rz 207 f) wird ausdrücklich anzuerkennen und durch eine messbare Strafreduktion auszugleichen sein.
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)