OGH 12Os51/07b

OGH12Os51/07b31.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Mai 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard St***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 29. November 2005, GZ 11 U 246/05d-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Verteidigers Dr. Ringhofer sowie des Vertreters der Privatbeteiligten Margit H*****, Mag. Hohenberger, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 29. November 2005, GZ 11 U 246/05d-40, verletzt das Gesetz durch den Zuspruch von 100 Euro an die Privatbeteiligte Margit H***** im § 369 Abs 1 StPO iVm § 1 Abs 1 AHG.

Das im Übrigen unberührt bleibende Urteil im Umfang des Privatbeteiligtenzuspruchs sowie alle darauf beruhenden weiteren Entscheidungen und Verfügungen werden aufgehoben und die Privatbeteiligte Margit H***** mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Text

Gründe:

Der Polizeibeamte Gerhard St***** wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 29. November 2005, GZ 11 U 246/05d-40, des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt, weil er am 16. Juni 2005 auf der Donau bei Stromkilometer 1907,500 im Gemeindegebiet von Fischamend dadurch, dass er als verantwortlicher Schiffsführer des Polizeibootes „Donau" die gebotene Sorgfalt und Aufmerksamkeit außer Acht ließ und trotz eines nahe des rechten Ufers fahrenden Schubverbandes ein Fahrmanöver zur rechten Flussseite durchführte, wodurch es zu einer Kollision zwischen dem Polizeiboot und dem Schubverband „Liptov" und infolgedessen zum Kentern des Polizeibootes kam, fahrlässig den Tod des am Polizeiboot mitfahrenden und Dienst versehenden Gruppeninspektors Hans Werner H***** herbeigeführt hat. Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde Gerhard St***** mit diesem Urteil schuldig erkannt, der Privatbeteiligten Margit H***** 100 Euro zu bezahlen, während die Privatbeteiligte mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Privatbeteiligtenzuspruch verletzt - wie der Generalprokurator in der von ihm erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - das Gesetz im § 369 Abs 1 StPO iVm § 1 Abs 1

AHG.

Der Verurteilte war zum Tatzeitpunkt als Wachkommandant in der Seitenhafenstraße zum Dienst eingeteilt und führte ein Polizeiboot (US 2 f). Dabei sollte ihn der mitfahrende und in Bootsfahrten erfahrene Gruppeninspektor Hans Werner H***** bei der Nachtfahrt einschulen.

Unter Vollziehung der Gesetze iSd § 1 AHG wird allgemein nur die Vornahme jener tatsächlichen Handlung verstanden, die ein Gesetz anordnet, indem sie unter Präzisierung und Individualisierung die Norm vollzieht. Wenn eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist, gelten alle damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt, auch wenn die Handlung die Ausübung hoheitlicher Gewalt nur vorbereitet oder abschließt (vgl RIS-Justiz RS0049930). Die Erfüllung der der Polizei gesetzlich übertragenen Aufgaben erfolgt grundsätzlich hoheitlich, sodass auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen sind, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit den hoheitlichen Aufgaben aufweisen. Dazu zählen Aktivitäten im Rahmen der als Dienst geltenden Ausbildung eines Polizeibeamten (vgl Schragel AHG³ Rz 76, 339; SZ 55/82; EvBl 1982/39; SZ 48/17; zum Bundesheer vgl RIS-Justiz RS0050175). Für das Anschlussverfahren ist dies insofern von Bedeutung, als nach § 1 Abs 1 AHG das schuldtragende Organ selbst dem Geschädigten nicht haftet. Der Geschädigte kann sich dem Strafverfahren gegen den als Organ handelnden Schädiger zwar anschließen, ist aber mit seinen ausschließlich im Amtshaftungsweg durchsetzbaren Ansprüchen jedenfalls auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (vgl Spenling, WK-StPO § 369 Rz 71; RIS-Justiz RS0050048).

Die Gesetzesverletzung wirkte sich zum Nachteil des Verurteilten aus. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, den Privatbeteiligtenzuspruch aufzuheben und die Privatbeteiligte mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO zur Gänze auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Die vom Privatbeteiligtenzuspruch rechtslogisch abhängigen weiteren Entscheidungen und Verfügungen - insbesonderer der Beschluss ON 69 - sind damit hinfällig, ohne dass es diesbezüglich einer ausdrücklichen Aufhebung bedürfte (vgl Ratz, WK-StPO § 292 Rz 28; SSt 58/49; RIS-Justiz RS0100444).

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