OGH 1Ob15/82

OGH1Ob15/822.6.1982

SZ 55/82

Normen

AHG §1
AHG §1

 

Spruch:

Auch Schiabfahrten im Rahmen einer Schisportveranstaltung der Bundesgendarmerie, die zur Ausbildung der Gendarmen zählt, als Dienst gilt und daher den hoheitlichen Zielsetzungen der Bundesgendarmerie entspricht, erfolgen in Vollziehung der Gesetze (§ 1 Abs. 1 AHG)

Eine private Gefälligkeit fällt, auch wenn sie eine Hilfeleistung sein soll, aus einer Tätigkeit eines Organes in Vollziehung der Gesetze auch dann heraus, wenn sie während des Dienstes erwiesen wird

OGH 2. Juni 1982, 1 Ob 15/82 (OLG Wien 18 R 39/82; LG Eisenstadt 2 Cg 586/81)

Text

Am 12. 1. 1981 wurde auf der Abfahrttrasse des Bergliftes Stuhleck die Klägerin beim Schifahren aus Verschulden der beiden Beklagten, die deshalb strafgerichtlich rechtskräftig verurteilt wurden, verletzt. Die Beklagten nahmen an diesem Tag als Gendarmeriebeamte auf Grund einer Verfügung des Landesgendarmeriekommandos für das Burgenland an einer Dienstsportveranstaltung teil. Der Unfall ereignete sich dadurch, daß die beiden Beklagten der Klägerin, die gestürzt war, aber sich nicht verletzt hatte, behilflich sein wollten. Infolge Unachtsamkeit stießen die Beklagten dabei zusammen, kamen zum Sturz und verletzten dabei die Klägerin schwer.

Die Klägerin begehrt den Zuspruch des Betrages von 54 952.90 S und die Feststellung, daß die Beklagten ihr zur ungeteilten Hand für alle unfallskausalen Schäden aus dem Schiunfall vom 12. 1. 1981 haften.

Die Beklagten erhoben die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Bei der Teilnahme am Dienstsport handle es sich um eine von der vorgesetzten Dienststelle angeordnete, zur Dienstausübung gehörende Tätigkeit.

Das Erstgericht verwarf die Einrede. Wenn zwei Gendarmeriebeamte das Schifahren üben, dies noch mit eigenem Material und zum Teil auf ihre Kosten, so diene dies ihrer körperlichen Ertüchtigung, habe aber mit der Hoheitsverwaltung nichts zu tun. Sie benützten die Piste so wie andere Personen, die dem Schisport huldigten.

Über Rekurs der Beklagten änderte das Rekursgericht diesen Beschluß dahin ab, daß es das bisherige Verfahren für nichtig erklärte und die Klage zurückwies. Zur Vollziehung der Gesetze gehörten nicht nur die für ein bestimmtes Organ typischen Dienstverrichtungen, sondern auch Hilfstätigkeiten, die den im Rahmen der Hoheitsverwaltung zu setzenden Maßnahmen dienen. Ordnete das Landesgendarmeriekommando eine Dienstsportveranstaltung an, so diente diese sicher nicht privaten Interessen der davon betroffenen Organe, sondern zumindest vornehmlich der körperlichen Ertüchtigung, die zur Ermöglichung der besseren Ausübung des Dienstes erforderlich sei. Damit erfolgte aber die Teilnahme der Beklagten an der Dienstsportveranstaltung auch im Interesse der hoheitlichen Zielsetzungen der Gendarmerie. Es bestehe somit ein hinreichender innerer und äußerer Zusammenhang mit den damit verbundenen hoheitlichen Aufgaben. Werde eine Tätigkeit durchgeführt, bei der Erwerbs- und Gewinnstreben des Rechtsträgers ausscheiden, sei eine solche grundsätzlich der Hoheitsverwaltung zuzuzählen. Sei aber die Teilnahme der Beklagten an der Dienstsportveranstaltung Erfüllung eines Teiles der hoheitlichen Aufgaben gewesen, so sei auch die in diesem Rahmen durchgeführte Schiabfahrt, die den Unfall verursachte, ein hoheitsrechtlicher Akt.

Über den Revisionsrekurs der Klägerin änderte der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Rekursgerichtes dahin ab, daß er die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherstellte.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Bundesgendarmerie ist gemäß Art. II § 4 Abs. 1 Z 2, § 5 Abs. 1 VÜG 1929 BGBl. 393, § 1 des Gendarmeriegesetzes vom 27. 11. 1918, StGBl. 75, ein uniformierter, bewaffneter, nach militärischem Muster organisierter Wachkörper zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit; sie ist ein Hilfsorgan jener Behörden, deren Anordnungen sie zu vollziehen hat (SSt. 35/67; Adamovich - Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht 131; Walter - Mayer, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts 17; dieselben, Grundriß des österreichischen Verfassungsrechts[3] 196). Zu den gendarmerieinternen Angelegenheiten zählen ua. der Unterricht und die Ausbildung der einzelnen Gendarmen (Adamovich - Funk aaO 132). Die Aufgaben der Gendarmerie sind grundsätzlich hoheitsrechtlicher Natur. Daher sind alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit den hoheitlichen Aufgaben aufweisen. Auch Tätigkeiten, die lediglich im inneren Dienstbetrieb der Vorbereitung hoheitlicher Maßnahmen dienen, erfolgen in Vollziehung der Gesetze (EvBl. 1982/39; SZ 48/17; vgl. Kreft in BGB-RGRK[12], Rdz. 73, 118 zum früheren § 839 BGB). Dem Rekursgericht ist daher grundsätzlich darin beizupflichten, daß auch Schiabfahrten im Rahmen einer Schisportveranstaltung der Bundesgendarmerie, die zur Ausbildung der Gendarmen zählte, als Dienst galt und daher den hoheitlichen Zielsetzungen der Bundesgendarmerie entsprach, in Vollziehung der Gesetze erfolgen (vgl. SZ 48/17). Kein Organhandeln und keine Haftung des Rechtsträgers ist aber dann gegeben, wenn eine schädigende Handlung nur bei Gelegenheit der Ausübung öffentlicher Gewalt begangen wurde (Loebenstein - Kaniak, Komm. z. AHG 48). Für die Abgrenzung der Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze und einer privaten kommt es darauf an, ob zwischen der Erfüllung von Aufgaben hoheitlicher Zielsetzung und der schädigenden Handlung selbst noch ein derart enger Zusammenhang besteht, daß auch die konkrete Handlung noch als Hoheitsmaßnahme zu werten ist; es muß zwischen beiden nicht nur ein äußerer, sondern auch ein innerer Zusammenhang bestehen (vgl. Schäfer in Schäfer - Bonk, Staatshaftungsgesetz 200 f., Rdz. 89 zu § 1 StHG; BGHZ 42, 176, 179; BGHZ 11, 181, 185 mwN). Fehlt letzterer, wird der zur Zurechnung als Akt der Vollziehung der Gesetze für den Rechtsträger erforderliche Zusammenhang zu der dem Organ übertragenen Aufgabe gelöst. Es liegt unter dieser Voraussetzung kein rechtswidriges Organhandeln mehr vor; die handelnde Person tritt vielmehr aus ihrer Organstellung heraus und setzt in ihrem privaten Bereich Handlungen, die auch jeder Dritte, wäre er in einer vergleichsweisen Lage wie das Organ, als Privatmann gesetzt haben könnte (vgl. Schäfer in Staudinger[10]/[11], Rdz. 83, 87 zum früheren § 839 BGB). Eine private Gefälligkeit, auch wenn sie eine Hilfeleistung sein soll, fällt aus der hoheitlichen Tätigkeit des Organes auch dann heraus, wenn sie während des Dienstes erwiesen wird (vgl. RGZ 155, 362, 366; Kreft aaO Rdz. 124). Die Beklagten führten die Verletzung der Klägerin nicht bei ihrer als Dienst und damit als hoheitliches Organhandeln zu wertenden sportlichen Ausbildung, sondern auf Grund ihres Entschlusses, der Klägerin Hilfe zu leisten, herbei; während dieser Tätigkeit war der notwendige Zusammenhang zum Organhandeln unterbrochen. Eine Hilfeleistung als Dienstpflicht behaupteten die Beklagten nicht; sie kommt auch schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Beklagten außerhalb ihres Dienstbereiches (Burgenland) befanden; das Handeln der Beklagten ist ausschließlich ihrer Privatsphäre zuzurechnen. Der Rechtsweg ist dann aber gemäß § 9 Abs. 5 AHG nicht ausgeschlossen.

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