European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00050.17W.1012.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten Adrian G***** und Noah B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch Schuldsprüche Mitangeklagter enthaltenden Urteil wurden
Adrian G***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 3 SMG (A./I./), des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (A./II./), des Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (C./) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (D./) und Noah B***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.
Danach haben – soweit für die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz – in H***** in T***** und anderen Orten
…
C./ Adrian G***** und Noah B***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Dominic E***** als Mittäter Anfang des Jahres 2016 durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einem Unbekannten namens „Kevin“ eine fremde bewegliche Sache, nämlich cirka 250 Gramm Cannabiskraut mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Adrian G***** unter Vorhalt einer echt aussehenden Spielzeugpistole dem Unbekannten einen Schuhkarton, beinhaltend 250 Gramm Cannabiskraut, aus der Hand riss, wobei er von Dominic E***** und Noah B***** dadurch unterstützt wurde, dass diese das unbekannte Opfer und dessen Begleiter gegebenenfalls daran hindern sollten, sich gegen G***** zu wehren;
D./ Adrian G***** und Dominic E***** durch die zu C./ beschriebene Tathandlung vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar 250 Gramm Cannabiskraut, erworben und besessen.
Dagegen richten sich die jeweils auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Adrian G***** und Noah B*****, denen keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Adrian G***** :
Dem auf die Schuldsprüche C./ und D./ bezogenen Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider stehen die Feststellungen zur intendierten Beschaffung von 250 Gramm Cannabiskraut (US 14 dritter Absatz) und zu einer unbestimmten, „jedenfalls“ geringen tatsächlich erbeuteten Suchtgiftmenge (US 16 zweiter Absatz) nicht in Widerspruch. Soweit die Rüge einen solchen auch zwischen den erwähnten Konstatierungen zur geringen erbeuteten Suchtgiftmenge einerseits und dem – einen Besitz von 250 Gramm Cannabiskraut umfassenden – Schuldspruch D./ wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (US 6 erster Absatz) erblickt, spricht sie keine entscheidende Tatsache an, weil sich die entsprechende Schuldfrage – bis zur (hier nicht in Rede stehenden) Überschreitung der Grenzmenge (§ 28b SMG) – nicht auf eine konkrete Suchtgiftmenge bezieht (vgl RIS‑Justiz RS0116582, RS0106268). Gleiches gilt auch für die erkennbare – und mit Blick auf § 142 Abs 2 StGB aufgestellte – Behauptung eines Widerspruchs dieser Feststellungen im Verhältnis zum Urteilsspruch C./ (US 5 letzter Absatz), weil die Urteilsannahmen auf US 16 (zweiter Absatz) – ebenso wie Schuldspruch D./ – alleine auf die betreffende, die Grenzmenge (§ 28b SMG) „jedenfalls“ nicht übersteigende Suchtgiftmenge, nicht aber auf den subsumtionsrelevanten Wert der Raubbeute (vgl dazu US 14 iVm US 5 sowie US 20 f) abstellen.
Dass Adrian G***** zu C./ zumindest eine echt aussehende Spielzeugpistole verwendete, um damit bei dem unbekannten „Kevin“ den Eindruck zu erwecken, dass davon eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben ausgeht und er ihm so das Cannabiskraut wegnehmen oder abnötigen kann (US 15), leiteten die Tatrichter entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) aus der Aussage des Mitangeklagten Dominic E***** ab, der – nachdem ihm ein Lichtbild (vgl US 22 iVm ON 1 S 37) mit den in Frage kommenden Pistolen des Erstangeklagten vorgehalten worden war – deponierte, es habe sich um eine schwarze Pistole gehandelt (US 21 iVm ON 54 S 137).
Soweit die gegen den Schuldspruch C./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) mehrfach das Fehlen von Feststellungen zur Frage moniert, ob es sich bei dem erbeuteten Suchtgift um eine fremde und nicht um eine herrenlose Sache handelte, argumentiert sie nicht auf Basis der Gesamtheit des Urteilssachverhalts, wonach das Opfer selbst Cannabispflanzen anbaute, diese verkaufen wollte und das Treffen dazu diente, das vereinbarte Suchtgiftgeschäft abzuwickeln (US 14 letzter Absatz). Damit verfehlt sie den vom Gesetz geforderten, im Urteilssachverhalt gelegenen
Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Dass es für die Annahme einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben im Hinblick auf die vorliegenden Urteilsannahmen zu der auf die Ausführung einer entsprechenden Drohung gerichteten inneren Tatseite des Nichtigkeitswerbers und der durch die Drohung bewirkten Sachwegnahme (US 15) neben den oben angeführten weiterer Konstatierungen zur näheren Beschaffenheit der verwendeten Pistole und zur Frage, ob der Bedrohte die verwendete Spielzeugpistole als solche erkannt hat, bedurft hätte, wird von der Rüge (Z 9 lit a) bloß begründungslos behauptet, nicht jedoch methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet (RIS‑Justiz RS0116569; vgl Eder-Rieder in WK² StGB § 142 Rz 29).
Ebenso lässt auch das zum Schuldspruch D./ erstattete Vorbringen die gebotene Ableitung aus dem Gesetz vermissen, weshalb die Subsumtion unter § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG über die Urteilsannahme zum Erwerb und Besitz einer „jedenfalls geringen Menge Cannbiskraut“ (US 16 zweiter Absatz) hinaus weitere Feststellungen „zur Menge, zum Wert und zum Reinheitsgehalt“ des erbeuteten Suchtgifts erfordern würde.
Die prozessordnungsgemäße Darstellung materieller Nichtigkeit verfehlen auch die auf eine Unterstellung des zum Schuldspruch C./ konstatierten Tatgeschehens bloß unter das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB abzielenden Ausführungen der Subsumtionsrüge (Z 10). Sie leiten einerseits nicht methodengerecht ab, weshalb das auf die Einschüchterung des Opfers ausgerichtete Hervorholen und Demonstrieren einer echt aussehenden Spielzeugpistole (US 14 letzter Absatz und US 15 erster Absatz) keine Drohung im Sinn des § 142 Abs 1 StGB darstellen sollte, und übergehen überdies die Urteilsannahmen zu der auf die Ausführung einer Drohung gerichteten inneren Tatseite des Angeklagten Adrian G***** (US 15 zweiter Absatz; RIS‑Justiz RS0099810).
Soweit die Subsumtionsrüge die weiters angestrebte Unterstellung unter § 142 Abs 2 StGB daraus ableitet, dass aufgrund der vorliegenden Feststellungen zur (geringen) Menge des erbeuteten Suchtgifts (vgl US 16 zweiter Absatz) „nur ein geringfügiger Vermögensnachteil in der Sphäre des Opfers entstanden sein kann“ und dass es sich nach den Feststellungen um eine Sache geringen Werts handelt, ergänzt sie prozessordnungswidrig den vorliegenden, auf den tatsächlichen Wert des Suchtgifts gar nicht eingehenden Urteilssachverhalt (vgl aber US 14 iVm US 5, US 20 f) eigenständig durch für den Angeklagten Adrian G***** günstige Sachverhaltselemente (RIS-Justiz RS0099810 [T9]). Einen auf das Vorliegen dieser Voraussetzung für eine Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB – also einer Sache geringen, 100 Euro nicht übersteigenden (RIS-Justiz RS0120079) Werts – abzielenden Feststellungsmangel macht sie damit ebenfalls nicht geltend; hiefür hätte es eines Hinweises auf in der Hauptverhandlung vorgekommene und (trotz des konstatierten Umstands, dass der beim an das Tatgeschehen anschließenden Konsum des erbeuteten Suchtgifts nicht anwesende Dominic E***** allein für seinen Beitrag bereits einen Bargeldbetrag von 50 Euro erhielt [US 15 erster Absatz; vgl auch ON 141 S 18]) dahin deutende Indizien bedurft (RIS‑Justiz RS0118580).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Noah B***** :
Der Vorwurf, die Tatrichter hätten die Angaben des Angeklagten Dominic E***** in der Hauptverhandlung mit Stillschweigen übergangen (Z 5 zweiter Fall), ist im Hinblick auf die diesbezüglichen – dem Gebot gedrängter Darstellung folgenden (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – Erwägungen unberechtigt (US 21 erster und zweiter Absatz, US 22 erster Absatz). Da das Erstgericht der Aussage des Genannten in der Hauptverhandlung insoweit keine Glaubwürdigkeit zuerkannte, als dieser dabei von seinen ursprünglichen Angaben abgewichen war, war es nicht gehalten, auf jedes Detail dieser Depositionen einzugehen (RIS-Justiz RS0098642).
Das weitere Vorbringen, die Tatrichter hätten sich auch mit den Passagen der Angaben des Angeklagten Adrian G***** nicht auseinandergesetzt (Z 5 zweiter Fall), wonach nur Noah B***** das Opfer festgehalten habe, geht schon im Hinblick darauf ins Leere, dass sie ohnehin von einem derartigen – konkret allerdings nur „den Begleiter des Kevin“ betreffenden – Geschehensablauf ausgingen (US 15 erster Absatz).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt ihre prozessordnungsgemäße Ausführung, weil sie nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ableitet (RIS‑Justiz RS0116569), weshalb das konstatierte auf die Einschüchterung des Opfers ausgerichtete Hervorholen und Demonstrieren einer echt aussehenden Spielzeugpistole (US 15 erster Absatz) nicht schon als Drohung im Sinn des § 142 Abs 1 StGB zu sehen wäre und weshalb der beim Opfer hervorgerufene Eindruck für die Beurteilung der Tathandlung als Drohung von Relevanz sein sollte (RIS-Justiz RS0093082, RS0092102 [T4 und T7]).
Ebenso unterlässt auch die eine Anwendung der §§ 127 bzw 131 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) jegliche nachvollziehbare Begründung, weshalb die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte Noah B***** „den Kevin und allfällige Begleiter festhalten“ sollte und diesen Tatplan auch erfüllte (US 14 letzter Absatz und US 15 erster Absatz), nicht die Verabredung oder Ausführung von Gewalt darstellen und die Feststellung des solcherart die Anwendung von Gewalt bereits von Anfang an umfassenden Tatplans einer Unterstellung unter § 142 StGB entgegenstehen sollte (RIS‑Justiz RS0093704).
Mit dem weiteren Vorbringen, den Konstatierungen lasse sich auch nicht entnehmen, ob Dominic E***** und Noah B***** schon vor dem Gewahrsamsbruch den Einsatz einer Drohung durch Adrian G***** bemerkten, entfernt sich die Rüge zudem prozessordnungswidrig vom – ein zeitlich verzögertes Erkennen ausreichend deutlich ausschließenden – Urteilssachverhalt (RIS-Justiz RS0099810), wonach Adrian G***** das Raubgut erst im Anschluss an seine Drohung wegnahm, Dominic E***** und Noah B***** diese Handlungen wahrnehmen konnten und dennoch ihren Teil des Tatplans erfüllten (US 15 erster Absatz).
Schließlich lassen auch die Einwände, „für die Subsumtion der Tat unter § 142 StGB wäre das Herbeiführen eines Gewahrsamsbruchs bei Kevin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr und der darauf gerichtete Vorsatz und nicht der Vorsatz, dem G***** die Beute zu erhalten“, wesentlich, und den Feststellungen sei auch keine auf einen Tatbeitrag „zum Einsatz von Gewalt oder Drohung durch G*****“ gerichtetes Verhalten zu entnehmen, eine Orientierung an den getroffenen Urteilsannahmen gänzlich vermissen (RIS-Justiz RS0099810). Diese gehen nämlich sowohl von einer Sachwegnahme nach entsprechender Drohung (US 14 letzter Absatz und US 15 erster Absatz) als auch von einem auf ein tateinheitliches Zusammenwirken und den Einsatz von Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Sachwegnahme gerichteten Vorsatz sämtlicher Angeklagter, jedenfalls aber nicht von einer lediglich auf die Erhaltung der Beute beschränkten Zielrichtung aus (US 15 letzter Absatz und US 16 erster Absatz).
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Adrian G***** und Noah B***** waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Angeklagten Adrian G***** bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Über die Berufungen der Angeklagten Adrian G*****, Noah B*****, Dominic E***** und Luca I***** wird daher das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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