European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00030.23P.0727.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden F* P* und E* P* des Vergehens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 3 StGB (I./) und des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 15 StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach haben im Raum G* und A* sowie anderen Orten
I./ ab Frühjahr 2017 bis zum 15. August 2017, dem Zeitpunkt der Austrittserklärung aus dem „Global Common Law Court (GCLC)“, an einer Verbindung, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu erschüttern, nämlich am „Global Common Law Court (GCLC)“, sohin an einer auf Dauer, nämlich von 2016 bis Ende 2018, angelegten Verbindung, die aus einer größeren Zahl von Personen, nämlich österreichweit zumindest aus 800 Personen, besteht, welche die durch die österreichische Bundesverfassung vorgesehenen Vollziehungsorgane (Gerichte, Polizei und andere Behörden) ablehnt, und in ihrer als „Verfassung“ bezeichneten Satzung durch Missbrauch und Anmaßung von Hoheitsbefugnissen die Übernahme einer eigenen Gerichtsbarkeit, insbesondere durch Gründung eines eigenen Gerichtshofs und Einsetzung von eigenen „Richtern“ sowie Bestellung eigener „Exekutivorgane“ anstrebt, sonst teilgenommen oder sie auf eine andere als die im § 246 Abs 2 StGB bezeichnete Weise unterstützt, indem
A./ F* P* und E* P* überwiegend gemeinsam an „GCLC‑Tages-Seminaren“ teilnahmen, wobei sie für die Teilnahme ein nicht mehr festzustellendes, die Organisation des „GCLC“ insgesamt förderndes und unterstützendes Entgelt entrichteten und ihr letztlich beitraten;
B./ F* P* überdies eine sogenannte „Lebendmeldung“ oder „Lebenderklärung“ zum „Global Common Law Court (GCLC)“ des hierfür abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten * H* als einer der „Zeugen“ unterfertigte;
II./ * P* und * P* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter im Zeitraum von 8. Mai 2018 bis zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Rahmen eines Spendenaufrufs an zirka 563 außerordentliche Mitglieder eines im Urteil namentlich bezeichneten Vereins durch Täuschung über Tatsachen, nämlich Vorspiegelung, dass die einbezahlten Spendengelder zur Deckung laufender Aufwendungen dieses Vereins herangezogen werden würden, obwohl tatsächlich die vereinnahmten Gelder zur Deckung privater Kosten und zur Bezahlung von Umbauarbeiten am Wohnhaus des Präsidenten des Vereins in K* verwendet wurden, zu Handlungen, nämlich zur Überweisung von Spendengeldern in der den Betrag von 5.000 Euro übersteigenden Gesamthöhe von 20.307 Euro auf ein dafür eigens eingerichtetes Spendenkonto des Vereins, verleitet und zu verleiten versucht, wodurch diese um die von ihnen jeweils überwiesenen Beträge am Vermögen geschädigt wurden oder werden sollten.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich gleichlautende, auf § 345 Abs 1 Z 1, 5, 6, 9, 10a und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.
[4] Vorausgeschickt sei, dass der Verfassungsgerichtshof mit (hier am 10. März 2023 eingelangtem) Beschluss vom 28. Februar 2023, GZ G 248/2022-9, G 286/2022-9, die Anträge der Angeklagten auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 32 Abs 2 StPO und des § 246 StGB zurückgewiesen hat.
[5] Der (auch zum Gegenstand dieser Anträge an den Verfassungsgerichtshof gemachte) mit der Behauptung der Gleichheitswidrigkeit des § 32 Abs 2 StPO begründete Einwand der Besetzungsrügen (Z 1), die gehörige Besetzung der Geschworenenbank erfordere eine nach Geschlechtern paritätische Zusammensetzung, scheitert bereits daran, dass die Beschwerdeführer ihrer Rügeobliegenheit nicht nachgekommen sind (§ 345 Abs 2 StPO). Davon abgesehen ist die Rüge auch inhaltlich nicht berechtigt, weil das Gesetz bei den hier in Rede stehenden strafbaren Handlungen keine Regelung für eine bestimmte geschlechterspezifische Besetzung der Geschworenenbank vorsieht.
[6] Den Verfahrensrügen (Z 5) zuwider verfielen die Anträge auf „Beischaffung und Verlesung“ von Akten der Staatsanwaltschaft Kiel und der „Bezirks-Kriminalinspektion Kiel“ sowie auf Vernehmung einer Staatsanwältin – nach dem ungerügten Inhalt des Protokolls der Hauptverhandlung (ON 114 S 73 f) – mangels Bezeichnung eines Beweisthemas zu Recht der Abweisung (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO; RIS‑Justiz RS0099132; vgl zur Mündlichkeit Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 311).
[7] Das in den Rechtsmitteln erstattete Vorbringen ist unbeachtlich, weil die Antragsberechtigung stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).
[8] Ein ebenfalls zum Gegenstand der Rügen gemachter Antrag auf „Einvernahme von Herrn Kriminalhauptkommissar N. He*“ wurde in der Hauptverhandlung gar nicht gestellt (vgl aber RIS‑Justiz RS0099244 [T1]).
[9] Schließlich scheitert die Kritik an der Nichtzulassung einer Frage an den Zeugen H* daran, dass nur eine Entscheidung des Schwurgerichtshofs (über einen hier nicht erfolgten Antrag oder Widerspruch der Beschwerdeführer) als Anfechtungsgegenstand der Verfahrensrüge in Frage kommt (vgl RIS‑Justiz RS0097971 [T10, T11]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 303), die hier aber nicht ergangen ist (vgl ON 114 S 82).
[10] Die Fragenrügen (Z 6) vermissen die Stellung einer Zusatzfrage „hinsichtlich eines Tatbildirrtums“ zu den auf das Vergehen der staatsfeindlichen Verbindungen gerichteten Hauptfragen I. und III., ohne darzulegen, weshalb der solcherart in Abrede gestellte Tatvorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) nicht Gegenstand dieser Hauptfragen (vgl § 312 Abs 1 StPO; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 33) und daher entgegen dem Wortlaut des § 313 StPO die Stellung einer echten Zusatzfrage vonnöten gewesen sein sollte (vgl RIS‑Justiz RS0100567; Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 18).
[11] Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, die Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene Inhalt der im Gesetz genannten Belehrung (RIS‑Justiz RS0125434 [T1]). Aus welchen Gründen eine „umfassende Rechtsbelehrung im Hinblick auf Art 10 und 11 EMRK sowie Art 10 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte“ vorzunehmen gewesen wäre, um „die in den Haupt- und Zusatzfragen enthaltenden Tatbestandsvoraussetzungen richtig zu subsumieren“, legen die (nominell aus Z 6 erhobenen) Beschwerden nicht dar, sprechen sie doch – mangels Bezugnahme auf ein bestimmtes gesetzliches Merkmal der strafbaren Handlung oder einen in der Frage vorkommenden Gesetzesausdruck – keinen der Inhalte des § 321 Abs 2 StPO deutlich und bestimmt an (RIS-Justiz RS0133035).
[12] Schließlich lassen die Rügen offen, weshalb die schriftliche Rechtsbelehrung entgegen dem gesetzlichen Auftrag (§ 321 Abs 2 StPO) Beispiele hätte nennen sollen, nach denen „allfällige Beitragshandlungen zum GCLC“ gerechtfertigt sind (RIS‑Justiz RS0100843, RS0100955).
[13] Ein Widerspruch in der Bedeutung der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO wird mit der auf die Aussage eines Zeugen gestützten Beschwerdeargumentation, der GCLC stelle als bei der UNO akkreditierte NGO keine staatsfeindliche Verbindung dar, nicht angesprochen. Dazu hätte es nämlich eines Vorbringens bedurft, dass der Wahrspruch zufolge Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder eines inneren Widerspruchs kein verlässliches Bild von der Meinung der Geschworenen abgibt und damit als Basis für ein Urteil unbrauchbar ist (RIS‑Justiz RS0101005).
[14] Unter dem Gesichtspunkt der Z 11 lit a sei hinzugefügt, dass die (Rechts-)Behauptung, der GCLC sei – wegen der fünf Jahre nach dem Tatzeitraum erfolgten Akkreditierung bei der UNO – nicht unter das Tatbestandsmerkmal der „staatsfeindlichen Verbindung“ subsumierbar, nicht auf das im Wahrspruch festgehaltene Sachverhaltssubstrat Bezug nimmt (vgl aber RIS‑Justiz RS0101148, RS0101403). Gleiches gilt für den Einwand rechtmäßiger Aktivitäten und Zielsetzungen des GCLC. Zudem bezeichnet die Beschwerde nicht, welcher „ergänzender“, für eine Subsumtion nach § 246 Abs 3 StGB notwendiger Feststellungen der Wahrspruch entbehrt. Die in diesem Zusammenhang behauptete Verfassungswidrigkeit von Strafnormen ist kein Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde (RIS‑Justiz RS0053859 [insbes T3 und T6]).
[15] Indem die Tatsachenrügen (Z 10a) gestützt auf die Aussage des Zeugen H* behaupten, der GCLC sei „rechtmäßig und offiziell anerkannt“, lassen sie nicht erkennen, gegen welche im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen sie sich richten.
[16] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 344 iVm § 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten folgt (§ 344 iVm § 285i StPO).
[17] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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