Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Juni 2008, GZ 91 Hv 50/08a-20, verletzt in Bezug auf den Angeklagten Günter N***** das Gesetz, und zwar 1./ in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch I./1./ und 2./ erfassten Taten unter § 147 Abs 1 Z 1 StGB in dieser Bestimmung, sowie
2./ im Schuldspruch I./1./ in § 57 Abs 2 und Abs 3 letzter Fall StGB. Dieses Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, wird im den Angeklagten Günter N***** betreffenden Schuldspruch, demzufolge auch diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch sowie in der Verweisung der Privatbeteiligten W***** Versicherungs AG mit ihren Ansprüchen gegen den Angeklagten Günter N***** auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Günter N***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe im Dezember 2002 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Thomas P***** als Mittäter (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich bzw den Komplizen unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der W***** Versicherungs AG durch Vortäuschung eines Vandalismusschadens am PKW des Günter N*****, indem sie hinsichtlich eines selbst verursachten Schadens eine unrichtige Schadensmeldung erstatteten, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung eines falschen Beweismittels, zur Auszahlung von 3.000 Euro, also zu einer Handlung verleitet, wodurch die genannte Versicherungsgesellschaft am Vermögen geschädigt wurde, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Die Privatbeteiligte W*****Versicherungs AG wird mit ihren gegen Günter N***** erhobenen Ansprüchen gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Im Übrigen wird die Sache zu neuer Entscheidung an den nunmehr zuständigen Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien verwiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Juni 2008, GZ 091 Hv 50/08a-20, das auch Schuldsprüche des Thomas P***** und rechtskräftige (Teil-)Freisprüche enthält, wurde Günter N***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen: vierter Fall), Abs 2 (zu ergänzen: und § 15 Abs 1) StGB schuldig erkannt.
Danach hat Günter N***** in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Thomas P***** als Mittäter (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich bzw seinen Komplizen unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte nachstehender Versicherungen durch Vortäuschung von Vandalismusschäden an Kraftfahrzeugen, indem sie hinsichtlich selbst verursachter Schäden am PKW des Günter N***** jeweils unrichtige Schadensmeldungen erstatteten, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung eines falschen Beweismittels, zu Auszahlungen, also zu Handlungen verleitet bzw zu verleiten versucht, wodurch diese Versicherungsgesellschaften in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen geschädigt wurden bzw hätten geschädigt werden sollen, und zwar:
I./1./ im Dezember 2002 die W*****Versicherung AG zur Auszahlung von 3.000 Euro;
2./ im August 2006 die G*****Versicherung zur Auszahlung von 4.000 Euro, wobei es beim Versuch blieb.
Während der Angeklagte Thomas P***** das Urteil nicht bekämpfte, erhob Günter N***** (letztlich nur) Berufung. Dieser gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 28. Oktober 2008, AZ 20 Bs 380/08s, nicht Folge.
Das Berufungsgericht ging dabei davon aus, dass das Erstgericht in Bezug auf den Berufungswerber Günter N***** zu Unrecht die Qualifikation des § 147 Abs 1 Z 1 StGB angenommen hatte, weil eine echte, inhaltlich unrichtige Urkunde nur dann als falsches Beweismittel nach § 147 Abs 1 Z 1 zweiter (richtig: vierter) Fall StGB beurteilt werden könne, wenn ihr ein eigener Beweiswert zukommt. Dieses Erfordernis sei aber bei einer unrichtigen Schadensmeldung nicht erfüllt, die nur die unwahren Sachverhaltsbehauptungen eines Anspruchstellers gegenüber einem Versicherungsunternehmen umfasst. Das Berufungsgericht sah sich bei seiner Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Günther N***** an den - den Berufungswerber in concreto über die unrichtige Lösung der Rechtsfrage hinaus nicht zum Nachteil gereichenden (die zweifache Deliktsqualifikation war nicht als erschwerend gewertet worden) - Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nicht nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO gebunden (vgl RIS-Justiz RS0118870) und ging demzufolge bloß vom Vorliegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 2 und 15 Abs 1 StGB aus.
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Juni 2008 steht - wie die Generalprokuratur in der von ihr erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Die Günter N***** betreffenden Schuldsprüche des I./1./ und 2./ stehen - wie schon das Berufungsgericht zu Recht aufzeigte - mit dem Gesetz schon deswegen nicht im Einklang, weil das betrügerische Verhalten auch der Qualifikationsnorm des § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB unterstellt wurde.
Als falsches Beweismittel nach § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB kann eine - wie hier - echte, (bloß) inhaltlich unrichtige Urkunde (vgl US 19 und 20, wonach der Angeklagte N***** jeweils die den Versicherungsunternehmen vorgelegten Schadensmeldungen unterschrieb) nur dann angesehen werden, wenn ihr ein eigener Beweiswert zukommt. Dieses Erfordernis ist aber bei einer unrichtigen Schadensmeldung, die nur die unwahren Sachverhaltsbehauptungen eines Anspruchstellers gegenüber einem Versicherungsunternehmen umfasst, nicht erfüllt (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 147 Rz 36; RIS-Justiz RS0103663). Diese Gesetzesverletzung war - ungeachtet der ohnehin erfolgten Wahrnehmung durch das Oberlandesgericht Wien im Rahmen seiner Entscheidung über die Berufung des Günter N***** - festzustellen (vgl 15 Os 151/08g).
Der den Angeklagten Günter N***** betreffenden Schuldspruch I./1./ verletzt das Gesetz darüber hinaus in § 57 Abs 2 und Abs 3 StGB. Der diesem Schuldspruch zu Grunde liegende Sachverhalt ist - für sich betrachtet - richtig bloß unter den Tatbestand des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB zu subsumieren. Diese strafbare Handlung ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht. Die in § 57 Abs 3 letzter Fall StGB für ein solches Vergehen normierte Verjährungsfrist beträgt ein Jahr. Mit Blick auf die Tatzeit (Dezember 2002) und mangels einer Ablaufhemmung (§ 58 Abs 2 StGB) - die „nächste" als verjährungshemmend in Betracht kommende Tat wurde erst im August 2006 begangen - oder Fortlaufhemmung der Verjährungsfrist (iSd § 58 Abs 3 Z 2 StGB idF vor dem Bundesgesetz BGBl I 2007/93) ist die Strafbarkeit dieser Tat vom Dezember 2002 bereits mit Ablauf des Jahres 2003 erloschen.
Da nach der Aktenlage und dem aktuellen Stand des Registers Verfahrensautomation Justiz auch in einem erneuerten Rechtsgang der Verjährung entgegenstehende Konstatierungen nicht zu erwarten sind, war aus prozessökonomischen Gründen von der Rückverweisung an die Tatsacheninstanz abzusehen, in der Sache selbst zu entscheiden und insoweit mit einem Freispruch vorzugehen (vgl Ratz, WK-StPO § 288 Rz 24; RIS-Justiz RS0118545).
Im Hinblick auf diesen Teilfreispruch war gemäß §§ 292 erster Satz, 289 StPO auch der hinsichtlich des Angeklagten Günter N***** verbleibende Schuldspruch I./2./ wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15 Abs 1, 146, 147 (richtig nur:) Abs 2 StGB zu kassieren, um ein neuerlich mögliches Vorgehen des Erstgerichts nach dem 11. Hauptstück der StPO zu eröffnen (vgl RIS-Justiz RS0119278).
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