OGH 12Os22/19f

OGH12Os22/19f9.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2019 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Parid S***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Anxhela M***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Oktober 2018, GZ 45 Hv 123/18p‑96, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00022.19F.0509.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten Anxhela M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Parid S***** enthaltenden Urteil wurde Anxhela M***** des Verbrechens des Suchgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./1./) und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz, zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG (A./2./) schuldig erkannt.

Danach hat sie

A./1./ am 20. Juni 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Denis Q***** und einem unbekannten Albaner als Mittäter (§ 12 StGB) vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 1.007,6 Gramm netto Kokain (Reinheitsgehalt von zumindest 84 % Cocain) sowie 466,7 Gramm netto Kokain (Reinheitsgehalt von zumindest 81,8 % Cocain) aus Deutschland aus‑ und nach Österreich eingeführt, indem sie damit aus Deutschland nach W***** reiste;

A./2./ im Zeitraum 20. bis 21. Juni 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Denis Q***** und teils einem unbekannten Albaner, teils mit Parid S***** als Mittäter (§ 12 StGB), vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich das unter Punkt A./1./ genannte Suchtgift, mit dem Vorsatz befördert und besessen, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, indem sie es in die Wohnung des Denis Q***** brachte (US 4) und dort bis zur Weitergabe an Suchtgiftabnehmer und Subhändler verwahrte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und „9a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde dieser Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Das zu allen Nichtigkeitsgründen erstattete Vorbringen, Denis Q***** sei mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Dezember 2018, AZ 63 Hv 151/18p, vom Vorwurf der Mittäterschaft zu A./1./ freigesprochen worden, verstößt gegen das für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde (insoweit) geltende Neuerungsverbot und kann daher nicht berücksichtigt werden (RIS-Justiz RS0098978; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.29 mwN).

Dass Denis Q***** die Angeklagte zwecks Unterstützung seiner Suchtgiftgeschäfte anwarb („organisierte“), ist den Urteilsfeststellungen, dem Vorwurf der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) zuwider, unzweifelhaft zu entnehmen (US 4). Soweit die gegen die Schuldsprüche A./1./ und A./2./ gerichtete Rüge eine nachvollziehbare Begründung dieser Urteilsannahme und der Feststellung der zwischen dem Zeugen Q***** und Anxhela M***** verabredeten Verwahrung des geschmuggelten Suchtgifts in dessen Wohnung (US 4) vermisst (Z 5 vierter Fall), ist sie auf US 8 bis 13 zu verweisen. Inwiefern aus den tatrichterlichen Überlegungen nicht unzweifelhaft zu erkennen sein sollte, aus welchen Gründen das Erstgericht die genannten Feststellungen getroffen hat (RIS-Justiz RS0117995, RS0099425 [T3]), macht das Vorbringen nicht deutlich.

Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) hat das Erstgericht die festgestellte Kenntnis der Anxhela M***** vom Suchtgiftschmuggel im Einklang mit den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen insbesondere aus der aus den polizeilichen Ermittlungen ableitbaren Verstrickung des Denis Q***** in grenzüberschreitende Suchtgiftgeschäfte (US 6 bis 8), dem für diesen bestehenden Risiko, eine in den Suchtgifthandel nicht eingeweihte Person in die „Bunkerwohnung“ aufzunehmen und sich von ihr bei der Schmuggelfahrt begleiten zu lassen, der von Anxhela M***** vor der Polizei bekundeten Vermutung, dass Denis Q***** mit Suchtgift Geschäfte macht, ihren widersprüchlichen, die Reise nach B***** vorerst überhaupt leugnenden Angaben zum Zweck der Fahrt und den auch zur Aussage des Denis Q***** bestehenden Divergenzen ihrer Verantwortung abgeleitet (US 8 bis 11). Dass aus den Beweisergebnissen auch andere logisch vertretbare Schlüsse als jene des Erstgerichts abgeleitet werden könnten, begründet keine Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0098445, RS0099535 [T10]; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 449 f).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will

als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit dem die tatrichterlichen Erwägungen ausblendenden (vgl jedoch RIS-Justiz RS0117446 [T1, T5]) Hinweis, dass eine Beteiligung der Beschwerdeführerin weder aus dem Observationsbericht noch aus der Telefonüberwachung abzuleiten sei, werden derartige Bedenken nicht geweckt. Mit der Bezugnahme auf unterbliebene polizeiliche Ermittlungsschritte wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht zur Darstellung gebracht.

Weshalb über die getroffenen Feststellungen zu Mittäterschaft und subjektiver Tatseite der Nichtigkeitswerberin weitere Konstatierungen zu Zeitpunkt und Inhalt der von ihr mit Denis Q***** „getroffenen Vereinbarung“ geboten gewesen wären, wird von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht nachvollziehbar zur Darstellung gebracht.

Indem die Beschwerde nicht von den tatrichterlichen Feststellungen ausgeht, sondern im Wege eigenständiger Beweiswerterwägungen für die Angeklagte

günstigere Feststellungen, nämlich ihre fehlende Beteiligung an den Suchtgiftdelikten, fordert, verfehlt sie den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz

RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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