OGH 12Os120/24z

OGH12Os120/24z9.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Jänner 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende, die Hofräte und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Haslwanter LL.M., Dr. Sadoghi und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Prieth in der Strafsache gegen Dr. * U* wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten, die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung der Privatbeteiligten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 10. Juli 2024, GZ 50 Hv 31/24a‑30, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00120.24Z.0109.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. * U* des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (1./) und des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB (2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 4. Mai 2023 in F*

1./ als Zeuge vor dem Landesgericht Feldkirch imVerfahren zum AZ * bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er sinngemäß angab, S* L* sei in W* nicht als Zahnarzt tätig, er habe keine Wahrnehmungen dazu, dass S* L* selbst Patienten behandelt habe, er habe ihn als Vortragenden erlebt, wobei immer ein Zahnarzt dabei gewesen sei, der das am Patienten umgesetzt habe, er vermute, dass * Z* von Dr. * S* behandelt worden sei;

2./ durch die zu 1./ angeführte Tat, somit durch Täuschung über Tatsachen, mit auf unrechtmäßige Bereicherung eines Dritten (S* L*) gerichtetem Vorsatz, die Richterin des Landesgerichts F* Dr. * Za* zu einer Handlung, nämlich zur Abweisung der Klage, zu verleiten versucht, die Z* in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag von 56.146,62 Euro samt Zinsen sowie Prozesskosten in Höhe von 35.250,98 Euro am Vermögen schädigen sollte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 7, 8 und 9 [lit] a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Beschwerdeführer durch die Abweisung (ON 29, 24 f) des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Vernehmung des S* L* zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte S* L* lediglich dabei gesehen hat, wie er bei Patienten Veneers anbrachte und ihn nicht bei herkömmlichen Zahnarztleistungen gesehen hat“ in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt. Das Begehren ließ im Hinblick auf den Umstand, dass auch das Anbringen von „normalen“ Veneers (also Verblendschalen) als Zahnärzten vorbehaltene Tätigkeit qualifiziert wurde (US 4), kein für die Schuld‑ oder Subsumtionsfrage erhebliches Beweisthema erkennen (vgl RIS‑Justiz RS0116503).

[5] Soweit die Verfahrensrüge die erstrichterliche Begründung für die Ablehnung der begehrten Beweisaufnahme kritisiert, entfernt sie sich vom Prüfungsmaßstab des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0116749, RS0121628). Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente zur Antragsfundierung sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618 [insb T26]).

[6] Die Mängelrüge wendet sich zunächst gegen jenen Teil des Schuldspruchs, wonach der Angeklagte angegeben habe zu vermuten, dass Z* von Dr. S* behandelt worden sei. Indem sie hier bloß isoliert einen Teil der inkriminierten Aussage (siehe aber RIS-Justiz RS0096208, RS0098893; zur tatbestandlichen Handlungseinheit Plöchl in WK2 StGB § 288 Rz 72) kritisiert, spricht sie nicht wie geboten (RIS-Justiz RS0117499) eine entscheidende Tatsache an. Ferner bringt diese Bekundung nur eine Bewertung des zuvor erstatteten Berichts über sinnliche Wahrnehmungen zum Ausdruck, ohne selbst eine Tatsachenmitteilung zu sein (RIS-Justiz RS0097540, RS0097545; Plöchl in WK2 StGB § 288 Rz 25/1; vgl im Übrigen US 6, 9 ff).

[7] Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) zu den Urteilskonstatierungen, wonach der Angeklagte objektiv falsch ausgesagt habe, dass S* L* in W* nicht als Zahnarzt tätig gewesen sei und der Angeklagte keinerlei Wahrnehmungen gehabt habe, dass dieser selbst Patienten behandelt habe, findet sich, von der Beschwerde gänzlich ignoriert, auf den US 8 bis 11; jene zur subjektiven Tatseite auf US 11 f.

[8] Die weiteren Beschwerdeausführungen zur Untergliederung zahnärztlicher Leistungen richten sich bloß mit eigenen Beweiswerterwägungen nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[9] Dass die Tatrichter aus den Beweisergebnissen nicht andere, für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse gezogen haben, stellt einen zulässigen Akt freier richterlicher Beweiswürdigung dar (RIS-Justiz RS0098400).

[10] Die Urteilskonstatierungen, wonach S* L* dem Angeklagten Patienten vorgestellt habe, ihn auch dazu gerufen und ihm einen Fall vorgestellt habe, bedurften – der weiteren Mängelrüge zuwider – keiner weiteren Begründung, da damit keine entscheidende Tatsache angesprochen wird (vgl neuerlich RIS‑Justiz RS0117499; RS0106268).

[11] Soweit die Rüge ein Begründungsdefizit (Z 5 vierter Fall) darin ortet, dass die Tatrichter die eigene Beurteilung von Personalbeweisen – nämlich der Einlassung des Angeklagten sowie der Aussagen der Zeugen * M*, Z*, * L*, * P*, T* L* und M* L* – durch den als „gerichtsnotorisch“ bezeichneten Umstand der Anhängigkeit diverser Zivil- und Strafverfahren im Zusammenhang mit Fehlbehandlungen durch S* L* und bereits erfolgter Schuldsprüche bestätigt sahen (US 8 ff), ohne dass diese Verfahren in der Hauptverhandlung im Detail erörtert wurden (vgl aber den Inhalt des verlesenen Zivilurteils ON 29, 25 iVm ON 13 S 15), übersieht sie, dass das von ihr angesprochene Überraschungsverbot (RIS‑Justiz RS0119094) in Bezug auf beweiswürdigende Erwägungen des Gerichts unter dem Aspekt der Z 5 keine Anwendung findet (RIS‑Justiz RS0120025 [T1, T3, T5]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 492, 545).

[12] Die Beschwerde stellt hier ihrerseits nur die Würdigung der Verfahrensresultate nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung in Frage.

[13] Aus § 281 Abs 1 Z 7 StPO kritisiert der Beschwerdeführer, dass im Schuldspruch „die letzten Zeilen des Anklagetenors zu Punkt 1. nicht enthalten bzw er nicht deutlich freigesprochen worden“ sei. Dabei vernachlässigt er, dass eine vermeintliche (siehe neuerlich RIS‑Justiz RS0098893, RS0096208) Nichterledigung der Anklage im Ergebnis einem Freispruch gleichkommt (RIS‑Justiz RS0099646) und solcherart vom Angeklagten – der selbst davon ausgeht, dass ein in Rechtskraft erwachsener Freispruch vorliegt – gar nicht geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0099656, RS0099646 [T6]).

[14] Die Kritik an aus Sicht des Beschwerdeführers überschießenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen zum von der Anklageschrift nicht umfassten Fall der Patientin M* (US 3 f) lässt außer Acht, dass eine Anklageüberschreitung iSd § 281 Abs 1 Z 8 StPO nur durch den Spruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und nicht bloß durch Ausführungen in den Gründen erfolgen kann (RIS-Justiz RS0099694, RS0098906; zur Unanfechtbarkeit überschießender Feststellungen siehe RIS‑Justiz RS0118585).

[15] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) richtet sich zunächst isoliert gegen die Wortfolge, wonach der Angeklagte „vermute, dass Z* von Dr. S* behandelt worden sei“. Dabei leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565), warum das Vergehen des § 288 Abs 1 StGB durch einzelne (bewusst falsche) Angaben im Rahmen einer Zeugenaussage und nicht durch alle im Rahmen einer Vernehmung getätigten Angaben in ihrer Gesamtheit verwirklicht wird (abermals RIS‑Justiz RS0096208, RS0098893; Plöchl in WK2 StGB § 288 Rz 72).

[16] Insoweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) anhand einer eigenständigen Bewertung von Verfahrensergebnissen – insbesondere der Einlassung des Angeklagten – die Unrichtigkeit der übrigen inkriminierten Aussagepunkte sowie den darauf bezogenen Vorsatz in Zweifel zieht, hält sie nicht am Urteilssachverhalt fest (US 6 f) und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Ausführung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[17] Der zu Schuldspruch 2./ als Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) kritisierte Schluss vom gezeigten Verhalten auf die subjektive Tatseite des Angeklagten (US 12) ist keineswegs unstatthaft, sondern beim – wie hier – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

[18] Weshalb eine Verurteilung wegen Betrugs im (wie hier) Stadium des Versuchs (§ 15 StGB) ausscheide, weil das bezughabende Zivilverfahren noch nicht beendet sei und es deshalb an der Kausalität fehle (vgl aber RIS-Justiz RS0108611; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 123) stellt eine im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobene bloße Rechtsbehauptung dar, die die angestrebte rechtliche Konsequenz nicht methodengerecht aus dem Gesetz ableitet (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).

[19] Ebenso verabsäumt die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) darzustellen (neuerlich RIS‑Justiz RS0116565), weshalb in einer falschen Aussage eines Zeugen im Zivilverfahren ein absolut untauglicher (und damit strafloser) Versuch (§ 15 Abs 3 StGB) des Betrugs vorliegen, demnach bei gebotener generalisierender Betrachtung und losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls eine dem Tatbestand entsprechende Sachverhaltsverwirklichung denkunmöglich und somit unter keinen Umständen zu erwarten sein sollte (RIS-Justiz RS0115363).

[20] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[21] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[22] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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