European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00119.14P.1127.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchpunkt 3./b./ sowie in der zum Schuldspruch gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Strafausspruch und im Zuspruch an den Privatbeteiligten Michael P***** aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manuel T***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** und an anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Siegfried F***** als Mittäter (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), andere durch Täuschung über Tatsachen, indem er wahrheitswidrig vorgab, einen akademischen Titel „der Wirtschaft“ zu besitzen, Vertreter eines finanzstarken Unternehmens zu sein und Interesse an der Finanzierung von Investitionsprojekten der Genannten zu haben, zu Handlungen, nämlich der Zuzählung von gesamt 75.580 Euro verleitet, wodurch sie in diesem, somit 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden, und zwar
1./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Karl R***** als weiteren Mittäter (§ 12 StGB) im Februar 2010 Wilfried Pa***** und Sabine F***** durch Vorgabe, die U***** Inc erfolgreich als Investor für die Vergrößerung des von den Geschädigten betriebenen Aktions‑ und Konkurswarenhandels W***** Ltd sowie die hiezu notwendige Gründung einer britischen Gesellschaft in Form einer Ltd für die Abwicklung der Investition gewonnen zu haben, zur Zahlung von insgesamt 17.580 Euro;
2./ im April 2010 Mag. Robert Wr***** und Mag. Johann H***** durch die Vorspiegelung der Vorprüfung von deren Projekt zur Übernahme und Sanierung der Brauerei D***** in Kroatien durch die Rechtsanwaltskanzlei S***** LLP sowie der erfolgreichen Vermittlung der U***** Inc als Investor für den Erwerb und Weiterbetrieb genannter Brauerei zur Zahlung von insgesamt 21.500 Euro;
3./ durch die Behauptung, die übergebenen Geldbeträge zur Finanzierung der Anlaufkosten des Filmprojekts „De*****“ der K*****, welches von der U***** Inc finanziert werden würde, zu verwenden, wobei die Finanzierung des Films eine Vorbedingung zur Finanzierung des Projekts W***** Ltd durch die U***** Inc sei, und sie die Gelder bis Ende Mai 2010 mit entsprechendem Gewinn zurückzahlen würden, und zwar
a./ am 4. Mai 2010 Herbert Wo***** zur Zahlung von 12.000 Euro, wobei diesem zugesichert wurde, dass er zudem mit der Errichtung der EDV‑Infrastruktur für das Projekt W***** Ltd betreut werden würde;
b./ am 5. Mai 2010 Michael P***** zur Zahlung von 12.000 Euro;
4./ im Mai 2010 Merten M***** durch Vorgabe, die U***** Inc erfolgreich als Investor für die Finanzierung des Projekts sn***** gewonnen zu haben, zur Zahlung von insgesamt 12.500 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung der Vernehmung der Zeugen Oliver Ke*****, Karl R*****, Sabine F***** und Claudia R***** zum Beweis dafür, dass es mit ihm keine generelle Einigung über den anteiligen Erhalt von Geldbeträgen aus den Projekten gegeben habe, dass er mit Ausnahme von 350 Euro und 25.000 Euro keine Beträge aus den genannten Projekten erhalten habe und dass die Vorgangsweise bei den einzelnen Projekten zwar unter den Zeugen, nicht aber mit ihm abgesprochen gewesen sei (ON 380 S 24).
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) erfolgte die Abweisung des Antrags zu Recht, weil diesem nicht zu entnehmen war, weshalb die zur Sache bereits Vernommenen von ihren bisherigen einverständlich verlesenen (ON 380 S 2) Aussagen (ON 247 S 37 ff, ON 258 S 2 ff, ON 259 S 36 ff und S 41 ff, ON 261 S 25 f und S 123 ff, ON 296a S 35 ff, ON 341 S 23 ff) in einer den Angeklagten entlastenden Weise abweichen sollten und dieses Begehren demzufolge auf unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war (RIS‑Justiz RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330). Das ergänzende Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde betreffend die Angaben des Siegfried F***** unterliegt dem sich aus dem Wesen des Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).
Lediglich der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass sich der gesondert verurteilte Siegfried F***** bereits in dem gegen ihn geführten Verfahren geständig verantwortet hatte (ON 302 S 4 ff).
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 13 Abs 3 zweiter Satz, § 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316).
Eine mängelfreie Begründung erfordert unter dem Aspekt dieses Nichtigkeitsgrundes die beweiswürdigende Auseinandersetzung mit allen erheblichen, in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen im Sinn einer vollständigen Auswahl des herangezogenen Beweismaterials als Bezugspunkt der tatrichterlichen Beweiswürdigung, wobei es ‑ dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend ‑ nicht auf eine umfassende und detaillierte, sondern auf eine nach einer Gesamtschau auf das Wesentliche beschränkte Darstellung der herangezogenen Beweismittel ankommt (RIS‑Justiz RS0116504, RS0106642).
Mit dem Vorwurf (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe sich lediglich auf die Aussage des Siegfried F***** gestützt, wird von der Mängelrüge kein Begründungsdefizit aufgezeigt. Der weitere Einwand, die anderen „Angeklagten“ hätten zwar von einer Arbeitsteilung, nicht aber davon gesprochen, anderen etwas vorzugaukeln, verkennt den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen. Soweit die Mängelrüge wiederholt eine Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen samt deren Beilagen (ON 204 und ON 68) vermisst, unterlässt sie es, die Fundstellen im umfangreichen Akt zu bezeichnen (vgl dazu die Darstellung der vorgekommenen Beweismittel in US 5 f). Damit verfehlt sie die Ausrichtung am Verfahrensrecht (RIS‑Justiz RS0124172; RS0118316).
Mit dem Vorbringen, das Gericht habe ihn unter Hinweis auf eine allfällige Kollision letztlich ohne Grund zu einem Verteidigerwechsel „animiert“, wird vom Beschwerdeführer kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet. Der Einwand, der Angeklagte habe mangels amtswegiger Ladung seines ehemaligen Verteidigers als Zeugen zu Recht davon ausgehen können, dass seinen die Vermögensverhältnisse betreffenden Angaben Glauben geschenkt werde, ist nicht nachzuvollziehen. Wodurch der anwaltlich vertretene Rechtsmittelwerber an einer auf Ladung des ursprünglichen Vertreters gerichteten Antragstellung gehindert war, legt die einen Verstoß gegen den Grundsatz eines
fairen Verfahrens reklamierende Rüge (dSn Z 5a) nicht dar (RIS‑Justiz RS0115823).
Welche Bedeutung das Überraschungsverbot (vgl
12 Os 38/05p; 13
Os 80/08a) im vorliegenden Fall haben soll, vermag die Beschwerde (dSn Z 8) nicht darzulegen. Dazu kommt, dass beweiswürdigende Erwägungen des Erstgerichts von vornherein nicht Gegenstand des aus § 262 StPO abgeleiteten Verbots sind (RIS‑Justiz RS0120025 [T1]).
Dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider blieb die Aussage des Zeugen Merten M***** nicht unerörtert (US 41 f).
Die von der Beschwerde relevierte ON 101 S 89 enthält keine Angaben des Zeugen Mag. Herbert Ku*****, sondern ein Schreiben des Bankiers Steven Wh***** vom Oktober 2010. Auf das von falschen Prämissen ausgehende Vorbringen ist daher nicht einzugehen.
Einer vollständigen Erörterung von Details der Aussage des für nicht glaubwürdig befundenen Zeugen Mag. Herbert Ku***** (vgl US 26 ff und US 40) bedurfte es mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht (RIS‑Justiz RS0106642).
Aktenwidrig ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099547). Die prozessordnungsmäßige Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes erfordert den Vergleich zwischen dem Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels mit dem im Urteil wiedergegebenen Inhalt dieses Verfahrensergebnisses. Welche Bedeutung ein Beweismittel hat und welche Schlüsse daraus und aufgrund weiterer Beweismittel gezogen werden, kann als Ergebnis der Beweiswürdigung niemals aktenwidrig sein.
Mit der von der Rüge (Z 5 fünfter Fall) mehrfach behaupteten Divergenz zwischen Tatsachenfeststellungen und dem zugrunde gelegten Beweismaterial („Entgegen der Feststellung ergibt sich aus diesen Unterlagen“ oder „Die Feststellung widerspricht somit dem Akteninhalt“ oder „Entgegen der Feststellung bestätigen ...“) wird demnach keine Aktenwidrigkeit aufgezeigt.
Aus der Ausfolgung einer Mappe mit Namensaktien in der Hauptverhandlung am 4. Dezember 2012 (ON 268 S 5) lässt sich schon mit Blick auf die am 6. Dezember 2013 erfolgte Neudurchführung der Hauptverhandlung gemäß § 276a StPO keine Erörterungspflicht ableiten.
Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider setzten sich die Tatrichter sehr wohl mit dem „Letter of Intent“ der U***** Inc auseinander (US 20, 41).
Soweit die Mängelrüge unter dem gleichen Aspekt des Nichtigkeitsgrundes auf eine unerörtert gebliebene Eingabe des Angeklagten an den Staatsanwalt verweist, unterlässt sie es einmal mehr, die Fundstelle in der Hauptverhandlung zu bezeichnen.
Die in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen, welche erst in der Gesamtschau mit anderen zum Ausspruch über entscheidende Tatsachen führen, kann aus Z 5 nicht bekämpft werden, es sei denn, die Tatrichter hätten darin erkennbar eine notwendige Bedingung für Feststellungen einer entscheidenden Tatsache erblickt (Ratz WK‑StPO § 281 Rz 410 mwN).
Dies trifft auf die Überlegungen des Erstgerichts zur Steuerlast des Rechtsmittelwerbers (US 31) nicht zu.
Die Kritik an einer angeblichen Feststellung, wonach der Angeklagte dem Herbert Wo***** am 4. Mai 2010 zugesichert habe, dass er mit der Errichtung der EDV‑Infrastruktur betraut werden würde, orientiert sich nicht an den tatsächlichen Urteilsannahmen (vgl US 16 ff). Im Übrigen lässt der Beschwerdeführer offen, welche entscheidungswesentliche, mit der Darlehensgewährung verbundene Feststellung er solcherart bekämpft.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch ‑ wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt ‑ dass dem Urteil zum Schuldspruchfaktum 3./b./ zum Nachteil des Angeklagten ein nicht geltend gemachter Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit a) anhaftet, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Den Entscheidungsgründen zu diesem Schuldspruch ist nämlich weder eine Ausführungs‑, Bestimmungs‑ oder Beitragshandlung des Angeklagten zu entnehmen. Die festgestellte Weitergabe der von Michael P***** an Siegfried F***** übergebenen 12.000 Euro durch Letztgenannten an den Angeklagten (US 18), ist der Schädigung nachgelagert. Die für andere Urteilsfakten bedeutsame „Rahmenvereinbarung“ trägt den Schuldspruch nicht, weil sie sich lediglich auf die Schädigung und Täuschung von Projektwerbern durch Vorspielung einer Investitionsvermittlung bezog, während Michael P***** von Oliver Ke***** im Auftrag von Siegfried F***** um Gewährung eines kurzfristigen Darlehens ersucht wurde (US 18). Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert eine Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) samt Rückverweisung der Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien. Im zweiten Rechtsgang wird die aufgelöste Subsumtionseinheit ‑ mit oder ohne dem von der Aufhebung betroffenen Faktum ‑ neu zu bilden sein (§ 29 StGB; RIS‑Justiz RS0116734).
Mit ihren Berufungen waren sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
Die Kostenersatzpflicht, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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