Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Omar R***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Demnach hat er in I***** Mohamad M*****
1./ am 12. April 2013 vorsätzlich zu töten versucht, indem er mit zwei Teilen einer abgebrochenen Leuchtstoffröhre gegen dessen Hals und Gesicht stach, wodurch dieser eine tiefe Schnittverletzung an der Halsvorderseite mit einer Länge von etwa 65 mm samt Verletzungen der Halsmuskulatur und Lufteintritt in die Weichteile sowie eine Stichverletzung an der linken Wange mit Glassplittereinsprengungen und tiefer Verletzung der Kaumuskulatur erlitt;
2./ am 18. März 2014 dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn der von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung der Körperverletzung falsch verdächtigte, wobei er wusste, dass die Verdächtigung falsch ist, indem er bei seiner Vernehmung als Beschuldigter behauptete, dass ihn vor der zu 1./ geschilderten Tat dieser mit einem Messer attackiert und verletzt hätte.
Die Geschworenen hatten die anklagekonform nach dem Verbrechen des Mordes gestellte Hauptfrage 1./ und die nach dem Vergehen der Verleumdung gestellte Hauptfrage 2./ bejaht. Zur Hauptfrage 1./ gestellte Zusatzfragen nach Notwehr, Notwehrexzess, Putativnotwehr und Putativnotwehrexzess (US 3) sowie nach § 11 StGB (US 4) waren verneint, diverse Eventualfragen infolge Bejahung der Hauptfrage nicht beantwortet worden.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus § 345 Abs 1 Z 4, 6, 8 und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Verfahrensrüge (Z 4) unterlässt die Darlegung, welche „Protokolle der italienischen Justiz und insbesondere die nach Festnahme des Angeklagten vorgenommene Vernehmung“ nicht hätten verlesen werden dürfen. § 252 Abs 1 StPO bezieht sich auf Protokolle über die Vernehmung von Mitbeschuldigten und Zeugen, Protokolle über Beweisaufnahmen, Amtsvermerke und andere amtliche Schriftstücke, in denen Aussagen von Mitbeschuldigten oder Zeugen festgehalten worden sind, Gutachten von Sachverständigen sowie Ton‑ und Bildaufnahmen über die Vernehmung von Mitbeschuldigten und Zeugen, nicht aber auf Protokolle über die Vernehmung des Angeklagten selbst. Deren Verlesung ist nach § 245 Abs 1 StPO dann zulässig, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung von seinen früheren Aussagen abweicht oder die Antwort verweigert, wobei selbst eine Verlesung ohne diese Voraussetzungen keine Nichtigkeit begründet (RIS‑Justiz RS00117390, RS0110151).
Die auf ein Beweiserhebungsverbot im Sinn eines Vorkommensverbots für die Hauptverhandlung (vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 246 Rz 50 f) abzielende Antragstellung geht fehl.
Zwar können sich neben den ausdrücklich geregelten Beweisverboten weitere durch wertende Betrachtung ergeben (Schmoller, WK‑StPO § 3 [2005] Rz 44 und 52; Kirchbacher, WK‑StPO § 246 Rz 109 und 122; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 355 ff je mwN), die aber den mit Nichtigkeit bewehrten einigermaßen gleichwertig sein müssen (RIS‑Justiz RS0124168, RS0119111). In gesetzwidriger Beweisgewinnung allein ‑ ohne Bestehen aus strafrechtlicher Sicht schutzwürdiger Interessen (vgl Schmoller, WK‑StPO § 3 [2005] Rz 49) ‑ liegt noch kein anerkannter Grund für ein Beweisverbot (Kirchbacher, WK‑StPO § 246 Rz 102; 13 Os 83/08t, ÖJZ‑Evbl‑LS 2009/7, 41). Ausgehend vom primären Zweck der einschlägigen Bestimmung über die Beiziehung eines Dolmetschers bei der Vernehmung von Beschuldigten oder Angeklagten, Verteidigungsrechte zu sichern, käme allenfalls mangelnder Beweiswert als Grund für die Anerkennung eines Beweisverbots in Frage. Dem steht allerdings entgegen, dass es grundsätzlich Aufgabe des Gerichts ist, die Zuverlässigkeit von Beweismitteln zu prüfen (Kirchbacher, WK‑StPO § 246 Rz 103, 105). Die unterlassene Beiziehung eines Dolmetschers begründet daher kein Beweisverbot (14 Os 64/02, SSt 64/28).
Der nicht am Anfechtungsgegenstand orientierten Fragenrüge (Z 6) zuwider richtete sich die Zusatzfrage 1./ (fortlaufende Zahl 4./) nicht nur auf Notwehrüberschreitung (§ 3 Abs 2 StGB), Putativnotwehr und Putativnotwehrexzess, sondern auch nach Notwehr (§ 3 Abs 1 erster Satz StGB; US 3).
Die Instruktionsrüge (Z 8) verfehlt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren in § 321 Abs 2 StPO normierten Inhalt und die allein darauf gegründete ‑ und nur dann prozessordnungsgemäß einer meritorischen Erledigung zugängliche ‑ gesetzlich geforderte deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS‑Justiz RS0119549, auch RS0100695). Diese ist stets nach ihrem gesamten Inhalt und nicht bloß nach einzelnen aus dem Zusammenhang gelösten Teilen zu prüfen (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 56). Der Beschwerdeführer behauptet dementgegen lediglich, die „Frage der Notwehr“ sei „zu kurz“ gekommen, ohne solcherart eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung (Blg ./1 zu ON 78 S 8 ff) prozess-ordnungsgemäß darzulegen.
Der Inhalt der gemäß § 331 Abs 3 StPO vom Obmann der Geschworenen zu verfassenden Niederschrift gehört nicht zum Wahrspruch der Geschworenen. Er ist demnach auch nicht unter den Begriff der „Antwort“ im Sinn des § 345 Abs 1 Z 9 StPO zu zählen. Der Inhalt der Niederschrift kann daher weder im Rahmen der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO noch eines anderen Nichtigkeitsgrundes erörtert und wegen Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder inneren Widerspruchs ‑ wie es hier der Angeklagte ohne Ableitung aus dem Gesetz unter Berufung auf § 345 Abs 1 Z 10 StPO unternimmt ‑ angefochten werden (RIS‑Justiz RS0100917).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Das unmittelbar an den Obersten Gerichtshof gerichtete eigene Schreiben des Angeklagten war unbeachtlich, weil es gegen den in § 285 Abs 1 erster Satz StPO ausgedrückten Grundsatz der
Einmaligkeit der Ausführung der Beschwerdegründe verstößt (RIS‑Justiz RS0100152, RS0100175).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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