Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 12. September 2007, GZ 37 Hv 149/07g-41, verletzt das Gesetz in § 262 erster Satz StPO.
Dieses Urteil wird aufgehoben und dem Landesgericht Innsbruck die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Im Strafverfahren AZ 25 Ur 66/06s (in der Folge weitergeführt unter AZ 37 Hv 149/07g) des Landesgerichts Innsbruck wurde Max B***** mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 11. Juli 2007, AZ 15 St 381/05d (ON 36 der Hv-Akten), ein als das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB beurteiltes Verhalten zur Last gelegt.
Nach Durchführung der Hauptverhandlung wurde der Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 12. September 2007, GZ 37 Hv 149/07g-41, wegen der angeklagten Tat des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 7. Dezember 1999 und zuvor in Innsbruck und anderen Orten Dr. Wolfgang O***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe, mit ihm ein gemeinsames Grundstück zu erwerben und auszubauen, zur Zahlung von 130.000 US-$ (entsprach per Dezember 1999 120.000 Euro) verleitet, wodurch Dr. Wolfgang O***** um diesen Betrag am Vermögen geschädigt wurde (US 6 f und 14).
Rechtliche Beurteilung
Dieses (infolge Zurückweisung einer verspätet ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Schuldspruch rechtskräftige - vgl 11 Os 43/08w) Urteil steht - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach der Rechtsprechung des EGMR liegt der Schutzzweck des Art 6 Abs 3 lit a und lit b MRK gerade darin, die Verteidigung des Angeklagten zu gewährleisten. Geleitet von dieser Zielsetzung können nach mittlerweile gefestigter Judikatur des Obersten Gerichtshofs auch Abweichungen in der rechtlichen Beurteilung des von der Anklage erfassten Sachverhalts bei Nichtbeachtung des § 262 StPO aus Z 8 des § 281 Abs 1 StPO releviert werden. Stets dann, wenn solcherart - ungeachtet der Identität von Anklage- und Urteilsfaktum im prozessualen Sinn - der Angeklagte einer gegenüber dem inkriminierten Sachverhalt anderen Tat (auch bloß) im materiellen Sinn schuldig erkannt wird, liegt nach grundrechtskonformer Auslegung der in Rede stehende Nichtigkeitsgrund vor. Ist das Tatbild der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) von jenem des Anklagetenors (§ 211 Abs 1 Z 2 StPO) derart verschieden, dass sich die jeweils angenommenen äußeren Tatseiten nicht überdecken, besteht das Erfordernis einer dem § 262 StPO entsprechenden Erörterung oder Belehrung, ohne welche dem Grundrechtsgebot des Art 6 Abs 3 lit a und lit b MRK nicht entsprochen wird (RIS-Justiz RS0121419, RS0113755, zuletzt 11 Os 32/08b).
Das Schöffengericht hätte daher den Parteien gegenüber die nach Durchführung der Hauptverhandlung geänderten rechtlichen Gesichtspunkte einer Tatbeurteilung nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB darlegen müssen, um dem Angeklagten die Möglichkeit zu geben, sich der neuen Rechtsansicht gemäß zu verantworten und allenfalls auf das im Gegensatz zur Untreue eine vom Täter gesetzte Täuschungshandlung sowie eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung des Getäuschten voraussetzende Tatbild des Betrugs bezogene Beweisanträge zu stellen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass im Anlassfall eine Voruntersuchung wegen §§ 146, 147 Abs 3 StGB geführt worden war (S 1 im AV-Bogen), kann doch Bezugspunkt der Verteidigung in der Hauptverhandlung immer nur der von der Staatsanwaltschaft erhobene Anklagevorwurf (jedoch unter Berücksichtigung einer allfälligen abweichenden rechtlichen Beurteilung eines über die Zulässigkeit der Anklage erkennenden Gerichts; s 12 Os 5/07p) sein.
Indem das Erstgericht unter Missachtung der in Rede stehenden Verfahrensvorschrift - nämlich ohne entsprechende Darlegung der in Aussicht genommenen abweichenden rechtlichen Beurteilung - mit sofortiger Urteilsfällung vorging, wurde das Gesetz in der Bestimmung des § 262 erster Satz StPO verletzt.
Die aufgezeigte, Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 8 StPO begründende Unterlassung wirkte sich zum Nachteil des Angeklagten aus. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher gemäß § 292 letzter Satz StPO veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu versehen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Kassation auch des Strafausspruches zu verweisen.
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