Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil - das sonst unberührt bleibt - in der Qualifikation nach § 126 Abs 1 Z 7 StGB, somit auch in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen. Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf die Kassation der Strafaussprüche verwiesen.
Ihnen fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Christoph E*****, Paul W***** und Sebastian T***** des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB schuldig erkannt, T***** als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB.
Danach haben sie am 10. April 2007 in Ottensheim - wobei Sebastian T***** Aufpasserdienste außerhalb der Schule leistete - durch Anzünden einer Holzstange sowie von Turnbeuteln und Bänken in der Garderobe der Hauptschule Ottensheim fremde Sachen, nämlich den genannten Raum samt Bekleidungsartikeln vorsätzlich beschädigt und durch die Tat einen 3.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, der Erstangeklagte E***** beruft sich überdies auf Z 5a, 8, 10 und 11 leg cit, der Angeklagte T***** auf Z 10 leg cit. Zutreffend rügen alle Beschwerdeführer aus Z 5 (der Erstangeklagte nominell auch aus Z 5a) unvollständige und unzureichende Begründung der Feststellung, dass sich ihr Vorsatz auf einen mehr als 3.000 Euro ausmachenden Schaden erstreckte (US 5). Denn dies wird vom Erstgericht lediglich damit begründet, „dass [die Angeklagten keine Brandbeschleuniger zum Einsatz brachten und nicht für genügend Frischluft sorgten] ...., kann sich das Schöffengericht nur so erklären, dass zwar eine schwere Sachbeschädigung beabsichtigt war, aber nicht die Herbeiführung einer Feuersbrunst, die auch tatsächlich nicht eingetreten ist", ohne sich mit den gerade dazu erörterungsbedürftigen - lediglich zu einer Sachbeschädigung inhaltlich geständigen (US 5) - Einlassungen der Angeklagten (vor allem S 31/I; 49 f, 52, 56/II) und den Werten der Beschädigungsobjekte (S 159 ff/I) auseinanderzusetzen (US 5, 6). Die Qualifikation der Schuldsprüche nach § 126 Abs 1 Z 7 StGB und folglich die Strafaussprüche waren daher aufzuheben (§ 285e StPO). Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die nur diese Qualifikation betreffenden Subsumtionsrügen (Z 10) der Angeklagten E***** und T***** sowie auf die Strafzumessungsrüge (Z 11) des Erstangeklagten. Im zweiten Rechtsgang werden die Angeklagten mit ihren objektivierten Handlungen zu konfrontieren sein, um sodann zu einer wohlbegründeten Sachverhaltsbasis für eine abschließende rechtliche Beurteilung zu gelangen.
Die weiteren, den Grundtatbestand betreffenden Ausführungen der Nichtigkeitswerber vermögen jedoch nicht zu überzeugen:
Der Mängelrüge (Z 5, nominell neuerlich auch Z 5a) des Erstangeklagten entgegen ist die Feststellung, dass die Burschen „ein Feuer legen" wollten (US 4), weder undeutlich (ist doch damit eine Sachbeschädigung zwingend verbunden) noch mit deren dies zugestehenden Verantwortungen (s S 48 ff/II) mangelhaft begründet (US 5). Aus letzteren ergibt sich auch - wie dieser Rechtsmittelwerber ohnedies einräumt - dass zwecks besserer Wirkung eines Feuerzeuges ein Spray eingesetzt wurde (US 4). Die Erwägungen zum Brandgutachten (ON 4) versäumen insgesamt das Herstellen eines Zusammenhangs mit entscheidenden Tatsachen.
Nichtigkeit aus Z 8 macht der Erstangeklagte geltend, weil die Anklage (ON 5) auf das Verbrechen der (versuchten) Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB gerichtet war.
Nach der Rechtsprechung des EGMR liegt der Schutzzweck des Art 6 Abs 3 lit a und lit b MRK gerade darin, die Verteidigung des Angeklagten nicht zu behindern. Geleitet von dieser Zielsetzung können nach mittlerweile gefestigter Judikatur auch Abweichungen in der rechtlichen Beurteilung des von der Anklage erfassten Sachverhalts bei Nichtbeachtung des § 262 StPO aus Z 8 releviert werden. Stets dann, wenn solcherart - ungeachtet der Identität von Anklage und Urteilsfaktum im prozessualen Sinn - der Angeklagte einer gegenüber dem inkriminierten Sachverhalt anderen Tat (auch bloß) im materiellen Sinn schuldig erkannt wird, liegt nach grundrechtskonformer Auslegung der in Rede stehende Nichtigkeitsgrund vor. Ist das Tatbild der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) von jenem des Anklagetenors (§ 211 Abs 1 Z 2 StPO) derart verschieden, dass sich die jeweils angenommenen äußeren Tatseiten nicht überdecken, besteht das Erfordernis einer dem § 262 StPO entsprechenden Erörterung oder Belehrung, ohne welche dem Grundrechtsgebot des Art 6 Abs 3 lit a und lit b MRK nicht entsprochen wird (RIS-Justiz RS0121419, RS0113755).
Im Gegenstand war der grundrechtliche Schutz allerdings ausreichend gewahrt: Gerade der Erstangeklagte und sein Verteidiger zielten von Anfang an auf eine Sachbeschädigung ab (S 48/II) und gingen - unter dem Eindruck der Hauptverhandlung - sämtliche Schlussanträge in Richtung einer solchen (S 58/II). Der relevierte Nichtigkeitsgrund liegt daher fallbezogen nicht vor.
Die Mängelrüge (Z 5) des Zweitangeklagten spricht mit der Kritik an der festgestellten Mittäterschaft (US 4 f) - unter ausdrücklicher Einräumung eines Tatbeitrags - keine entscheidende Tatsache an, weil die Täterschaftsformen des § 12 StGB rechtlich gleichwertig sind (Fabrizy, StPO9 § 281 Rz 69).
In diesem Umfang waren die Nichtigkeitsbeschwerden daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Der Anregung der Generalprokuratur, nach § 289 StPO den gesamten Schuldspruch aufzuheben, um im zweiten Rechtsgang die Möglichkeit einer diversionellen Erledigung (§ 199 StPO iVm § 7 JGG; RIS-Justiz RS0119278) zu eröffnen, vermag der Oberste Gerichtshof fallbezogen nicht beizutreten: Nach den Feststellungen des Jugendschöffengerichts (US 3 ff) wachsen die 1992 geborenen Burschen in geordneten Verhältnissen auf und absolvieren fähigkeitsbezogene Ausbildungen. Aus Langeweile legten sie (wiewohl an einem Ferientag) gezielt Feuer in der Schule, die sie damals besuchten. Der Gesamtvorwurf, der ihnen aus dieser besonderen Form der Sachbeschädigung gemacht werden muss, ist schwer (§ 7 Abs 2 Z 1 JGG). Die bisherige Unbescholtenheit und die aktive Mitwirkung an den Aufräumungsarbeiten (US 6, ON 13) wiegt die gezeigte gleichgültige Einstellung gegenüber rechtlich geschützten Werten und die konkrete Tatausführung - gegen die kaum Vorsicht gebraucht werden kann - nicht auf (§ 32 Abs 2, Abs 3 StGB; eingehend zur Abwägung Schroll, WK-StPO § 90a Rz 13 ff). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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