Spruch:
Die über Majrbek K***** mit Urteilen des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. April 2006, AZ 15 Hv 58/06z und vom 10. November 2008, AZ 15 Hv 215/07i, sowie des Bezirksgerichts Josefstadt vom 19. Mai 2009, AZ 15 U 11/08h, gewährten bedingten Strafnachsichten werden widerrufen.
Mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Majrbek K***** (zu I und II) zweier Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall, (zu II überdies) 15 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Danach hat er am 3. Juli 2010 in Wien dem Bura S***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Springmessers,
(I) abgenötigt, indem er den Bura S***** aufforderte, ihm „Gras“ (Marihuana) zu geben und diesem, als er sich weigerte, eine Schnittwunde im Bereich der linken Augenbraue zufügte,
(II) abzunötigen versucht, indem er Bura S***** nach der zu I beschriebenen Tat aufforderte, ihm mehr zu geben, diesem eine etwa 15 Zentimeter lange Schnittwunde am linken Oberarm zufügte und einen Stich in die rechte Faust versetzte.
Dagegen richtet sich die auf Z 1, 3 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der aus dem letztgenannten Nichtigkeitsgrund teilweise Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Da in der (nach Vertagung am 7. Oktober 2010 ‑ ON 21 S 17) „fortgesetzten“ (ON 29 S 4) Hauptverhandlung am 11. November 2010 hervorkam, dass diese in anderer als der ursprünglichen Schöffenbesetzung durchgeführt worden war, vertagte die Vorsitzende die Hauptverhandlung zwecks Sanierung dieses Besetzungsmangels neuerlich auf 25. November 2010 (ON 29 S 10). In dieser zur Urteilsfällung führenden Verhandlung, an der (entsprechend dem übereinstimmenden Begehren der Verfahrensparteien) wieder dieselben Schöffen teilnahmen wie am 7. Oktober 2010, wurde ausschließlich an diese Verfahrensergebnisse angeknüpft (ON 32 S 4) und das Hauptverhandlungsprotokoll vom 11. November 2010 nicht verlesen (ON 32 S 23).
Mit der Behauptung, dass die Hauptverhandlung aufgrund des zwischenzeitigen Richterwechsels in der Hauptverhandlung am 11. November 2010 gemäß § 276a zweiter Satz StPO zwingend neu durchgeführt hätte werden müssen, zeigt die Rüge (Z 1) keinen Besetzungsmangel auf. Denn angesichts der ausschließlichen Anknüpfung an die Ergebnisse der Hauptverhandlung am 7. Oktober 2010 haben alle Richter der ganzen ‑ dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden ‑ Verhandlung beigewohnt.
In der Verfahrensrüge (Z 3) meldet der Beschwerdeführer bloß unsubstantiierte Zweifel („nicht ersichtlich, ob im Jahr 2010 beeidet“) an der ‑ laut dem ungerügt gebliebenen Verhandlungsprotokoll bereits erfolgten und ohnedies nur für ein Kalenderjahr (fallbezogen daher: 2010) geltenden (§ 240a Abs 3 StPO) ‑ Beeidigung der Schöffen (ON 21 S 3) an, ohne dabei einen Verstoß gegen § 240a Abs 1 StPO zu behaupten (vgl 13 Os 77/82; 14 Os 132/02). Bleibt anzumerken, dass der weiters vermisste Hinweis auf die erfolgte Beurkundung in einem besonderen Buch (§ 240a Abs 3 StPO) nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (vgl RIS-Justiz RS0098251; Fabrizy, StPO10 § 240a Rz 2).
Insoweit war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Hingegen wendet die Subsumtionsrüge (Z 10) zutreffend ein, dass die Annahme zweier Verbrechen, nämlich eines versuchten neben einem vollendeten schweren Raub, rechtsirrig erfolgte. Nach den maßgeblichen Urteilskonstatierungen erfolgte die zu II abgeurteilte Tat „sogleich“ (US 5) nach dem Raubgeschehen laut Schuldspruch I, wobei der Angeklagte in beiden Handlungsabschnitten mit entsprechendem Nötigungs- und Bereicherungsvorsatz handelte (US 6). Die solcherart unter wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld) gesetzten rechtswidrigen Angriffe sind somit als tatbestandliche Handlungseinheit mit der Konsequenz nur einmaliger (hier: bereits vollendeter) Tatbestandsverwirklichung zusammenzufassen (RIS-Justiz RS0120233; RS0122006; zuletzt auch 12 Os 9/11g). Eine tatbestandliche Handlungseinheit ist nämlich materiell wie prozessual eine Tat (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 521).
Zwar kommt ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ als Konsequenz daraus ein Freispruch von dem zu II erhobenen Vorwurf nicht in Betracht (vgl 11 Os 130/08i; 11 Os 160/08a, JBl 2009, 666), doch war in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Schuldspruch II nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO ‑ vgl hiezu Lendl, WK-StPO § 260 Rz 27) ersatzlos zu beseitigen, was auch die Kassation des Strafausspruchs (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) sowie des gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschlusses zur Folge haben musste.
Diese Art der Erledigung ist eine Konsequenz aus den Erkenntnissen der verstärkten Senate 13 Os 1/07g, SSt 2007/27, und 12 Os 119/06a, SSt 2007/35, zur Rechtsfigur der tatbestandlichen Handlungseinheit und der prozessualen Einordnung des Versuchs. Sind die nach Maßgabe des Tatbestands zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefassten gleichartigen Handlungen teils vollendet und teils versucht, ist dies im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nicht zum Ausdruck zu bringen, weil dieser ausschließlich die verletzte materielle Strafnorm zum Inhalt hat.
Bei der erforderlichen Neubemessung der Strafe waren drei einschlägige Vorverurteilungen und die Verletzungen des Opfers erschwerend, mildernd hingegen kein Umstand. In Anbetracht dieser Strafzumessungsgründe war nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB (unter Berücksichtigung des § 295 Abs 2 erster Satz StPO) eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren auszumessen. Schon aufgrund des Überwiegens der Erschwerungsgründe war die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts (§ 41 Abs 1 und Abs 3 StGB) ausgeschlossen.
Majrbek K***** wurde überdies bereits mehrfach wegen auf gleicher schädlicher Neigung (§ 71 StGB) beruhender strafbarer Handlungen zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar
(1) mit am 3. April 2006 verkündetem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt, AZ 15 Hv 58/06z, wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 15 StGB zu zwei Monaten,
(2) mit am 10. November 2008 verkündetem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt, AZ 15 Hv 215/07i, wegen der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu vier Monaten sowie
(3) mit am 19. Mai 2009 verkündetem Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt, AZ 15 U 11/08h, wegen der Vergehen des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu drei Monaten.
Im Zusammenhalt mit dem Umstand, dass der Angeklagte auch durch die mehrfache Gewährung bedingter Strafnachsichten, deren Probezeiten zudem in Betreff der beiden erstgenannten Vorverurteilungen jeweils auf fünf Jahre verlängert worden waren, und trotz Anordnung der Bewährungshilfe durch das Bezirksgericht Josefstadt (ON 21 in AZ 15 U 11/08h des genannten Gerichts) nicht zu rechtstreuem Verhalten motiviert werden konnte, sondern sein kriminelles Verhalten auch noch intensivierte, war es spezialpräventiv geboten, zusätzlich zur verhängten Freiheitsstrafe auch mit dem Widerruf der erwähnten bedingten Strafnachsichten vorzugehen, um vor allem der ausgeprägten Aggressionstendenz des Angeklagten entgegenzuwirken.
Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf die Strafneubemessung und die Widerrufsentscheidung zu verweisen.
Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)