Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Aus Anlaß dieser Rechtsmittel wird das angefochtene Urteil gemäß § 290 Abs 1 StPO dahin ergänzt, daß die Verwahrungshaft der Angeklagten vom 25.November 1981, 23 Uhr, bis 27.November 1982, 10 Uhr, auf die über sie verhängten Freiheitsstrafen angerechnet wird. Den Berufungen wird teilweise Folge gegeben, die Freiheitsstrafe bei Barlaam B auf vier Monate herabgesetzt und bei Josef Franz A unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Im übrigen wird den Berufungen nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 14.Juni 1964 geborene Josef Franz A und der am 15.Mai 1963 geborene Barlaam B wurden der Vergehen (zu I) des Diebstahls nach § 127 Abs 1, Abs 2 Z. 1 StGB, (zu II) des versuchten unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 15, 136 Abs 1 StGB, (zu III) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie (zu IV) des Notbetrugs nach § 150 Abs 1 StGB, und Josef Franz A überdies (zu V) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt. Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten, von A auf die Z. 3, 4, 5, 9 lit b und c und von B auf die Z. 5 und 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.
Rechtliche Beurteilung
Für nichtig gemäß § 281 Abs 1 Z. 3 (in bezug auf § 240 a) StPO erachtet der Angeklagte A das Urteil deshalb, weil aus dem Verhandlungsprotokoll nicht eindeutig hervorgehe, daß die Schöffen in dieser Verhandlung oder in einer bestimmten anderen Verhandlung in demselben Jahr beeidigt worden sind; darnach sei es denkbar, daß sie tatsächlich überhaupt nicht beeidigt worden seien. Richtig ist daran, daß im Verhandlungsprotokoll (StPOForm.Prot. 11) diesbezüglich bloß - durch Unterstreichung der betreffenden vorgedruckten Textstelle -
zum Ausdruck kommt, daß der Vorsitzende (am Beginn der Hauptverhandlung) festgestellt hat, daß die Schöffen bereits beeidet worden sind; die (im Formblatt vorgesehene) Angabe des Tags der Beeidigung und des bezüglichen Aktenzeichens fehlt freilich (S. 110). Kraft § 240 a StPO
ist indes nur die Unterlassung der Beeidigung überhaupt mit Nichtigkeit bedroht. Deren Unterlassung behauptet der Beschwerdeführer gar nicht, sondern hält sie - wie erwähnt - bloß für denkbar.
Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Verfahrensrüge des Angeklagten A, soweit er das Unterbleiben bestimmter Beweisaufnahmen, nämlich die Vernehmung der Zeuginnen Anita C (zu I 1 und 2) und Ilse D (zu I 4), die amtswegige Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen (zu III) und die Beischaffung des Akts 3 Vr 2604/81 des Landesgerichts für Strafsachen Graz (mit einer gemäß § 31 StGB zu berücksichtigenden Verurteilung A), ferner die Durchführung eines 'summarischen' (Beweis-) Verfahrens in der Hauptverhandlung bemängelt. Er vermag aber die Ablehnung oder die Nichterledigung eines in diesem Zusammenhang von ihm gestellten Beweisantrags oder eines von ihm erhobenen Widerspruchs nicht zu behaupten. Auf diese Weise bringt er weder den geltend gemachten (§ 281 Abs 1 Z. 4 StPO), einen derartigen Antrag oder Widerspruch in der Hauptverhandlung voraussetzenden, noch einen sonstigen Nichtigkeitsgrund zur Darstellung.
Die nach Ansicht des Angeklagten A durch die sofortige Aburteilung jener Fakten, auf welche die Anklage erst in der Hauptverhandlung ausgedehnt worden ist (S. 115), mit Nichtigkeitsfolge nach § 281 Abs 1 Z. 3 StPO verletzte Vorschrift des § 221 Abs 1 StPO über die dreitägige Einlassungsfrist gilt in Wahrheit nur für die Zustellung der Vorladung zur Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht. Die Ausdehnung der Anklage in der Hauptverhandlung auf eine neue Tat wird durch § 263
StPO geregelt; darnach konnten aber im vorliegenden Fall die neu hinzugekommenen Taten, weil A bei einer Verurteilung ihretwegen unter kein strengeres Strafgesetz fiel als das schon nach der Anklageschrift auf ihn anzuwendende (§ 127 Abs 2 StGB), ohne weiteres sofort abgeurteilt werden (siehe den klaren Wortlaut des letzten Satzes des § 263 Abs 1 StPO).
Dem Beschwerdevorbringen des Angeklagten A kann noch entnommen werden, daß er die Urteilsannahme, wonach die Angeklagten (in Gesellschaft als Diebsgenossen) am 25.November 1981 in Graz der Rosemarie E 200 S, nicht nur 190 S (I 1), und der Anita C (überhaupt) 300 S (I 2) aus deren Handtaschen gestohlen haben, für mangelhaft begründet hält. Darauf ist zu erwidern, daß die Feststellung des Gelddiebstahls zum Nachteil der C durch deren (als Bestandteil der ON. 2 des Akts in der Hauptverhandlung verlesene: S.
116) Anzeige in Verbindung mit dem polizeilichen Geständnis der Angeklagten, aus beiden Handtaschen Geld genommen zu haben (S. 41, 46), beweismäßig gedeckt ist. Die Höhe des gestohlenen Geldbetrags wiederum wäre nur dann von entscheidungswesentlicher Bedeutung, wenn dadurch eine strafsatzändernde Wertgrenze berührt würde, was hier aber nicht der Fall ist.
Auch der Angeklagte Barlaam B macht unter § 281 Abs 1 Z. 5, sachlich Z. 4, StPO geltend, zur Klärung der Frage, wieviel Geld insgesamt den beiden Mädchen gestohlen wurde, wäre die zeugenschaftliche Vernehmung der Anita C unerläßlich gewesen. Mangels entsprechender Antragstellung in der Hauptverhanlung ist er dazu ebensowenig legitimiert wie der Angeklagte A.
Zu I 4 sind beide Beschwerdeführer noch darauf zu verweisen, daß für sie nichts gewonnen wäre, würde man ihrer Behauptung folgen, am 19. Oktober 1981 im Konsum-Laden in Kammer am Attersee das Geldtäschchen der Ilse D nicht aus deren Einkaufskorb genommen, sondern in einer Ecke des Geschäftslokals 'gefunden' zu haben.
Auch eine derartige Fallgestaltung wäre nämlich als Gewahrsamsbruch nach § 127 StGB zu beurteilen (Kienapfel BT. II § 127 RN. 78). Daß die Ausdehnung der Anklage in der Hauptverhandlung nicht einen Rücktritt des Staatsanwalts von der ursprünglichen Anklage bedeuten kann - wie der Angeklagte A meint - bedarf keiner Begründung. Verfehlt ist weiters die Behauptung, mit der von A der Sache nach, von B hingegen ausdrücklich eine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z. 8 StPO geltend gemacht wird, mit ihrer Verurteilung wegen Körperverletzung (III) habe das Gericht die Anklage überschritten. Sie übersehen nämlich, daß die Staatsanwaltschaft schon am 9. November 1981 ihre Bestrafung wegen dieser Tat beim Jugendgericht Graz zu 2 U 796/81 (ON. 12, dort S. 1) und im vorliegenden Gerichtshofverfahren unter Aufrechterhaltung des Bestrafungsantrags die Einbeziehung des bezirksgerichtlichen Verfahrens beantragt hat (S. 3 a). Es kann daher nicht gesagt werden, auf die gegenständliche Tat sei eine Anklage weder ursprünglich gerichtet gewesen noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt worden (§ 267 StPO). Der Angeklagte A macht in bezug auf das Faktum III noch geltend, es fehle die Konstatierung, daß er Andrea F am Körper verletzt habe. Es genügt diesbezüglich, ihn auf die Urteilsfeststellung zu verweisen, daß er F zu Boden gestoßen sowie mit den Füßen mehrmals gegen ihren Körper getreten und F dadurch eine Gehirnerschütterung (S. 21 in ON. 12: u.a. contusio capitis) erlitten hat (S. 126).
Sachlich eine Urteilsnichtigkeit gemäß Z. 9 lit b (LSK. 1976/134) des § 281 Abs 1 StPO releviert der Angeklagte A schließlich mit dem Einwand, es fehle die nach § 150 Abs 2 StGB für den Notbetrug (IV) erforderliche Ermächtigung des Verletzten. Dabei übersieht er, daß der geschädigte Kellner Christoph G ohnehin diese Ermächtigung erteilt hat (S. 5 in ON. 23).
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Josef Franz A und Barlaam B waren daher zu verwerfen.
Aus Anlaß dieser Beschwerden war in Behebung einer von den Angeklagten nicht geltend gemachten Nichtigkeit des Urteils (§ 281 Abs 1 Z. 11 StPO) die Anrechnung ihrer Verwahrungshaft jeweils vom 25. November 1981, 23 Uhr, bis 27.November 1981, 10 Uhr, auf die Strafen nachzuholen (S. 15, 17, 53).
Das Erstgericht verhängte über die Angeklagten nach den § 28, 127 Abs 2 StGB folgende Strafen:
über A unter Anwendung des § 11 JGG. und unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 22. Jänner 1982, GZ. 3 Vr 2604/81-46, (mit dem über ihn wegen Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach § 15, 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 129 Z. 2 StGB und wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs 1 und 2 StGB eine Freiheitsstrafe von vier Monaten verhängt worden war), eine zusätzliche Freiheitsstrafe von drei Monaten, über B eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
Bei der Strafbemessung waren erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Vergehen (fünf bei A und vier bei B) und überdies bei B die einschlägige Vorverurteilung; mildernd hingegen waren das Geständnis der Angeklagten, ihre vernachlässigte Erziehung und bei B dessen Alter unter 21 Jahren.
Mit ihren Berufungen begehren die Angeklagten, die über sie verhängten Strafen herabzusetzen und (so A) bzw. oder (so B) sie bedingt nachzusehen.
Den Berufungen ist teilweise Erfolg beschieden.
Das Erstgericht führte unter anderem als Grund für die Ablehnung der bedingten Strafnachsicht an, daß diese Rechtswohltat zu versagen sei, weil die beiden Vorverurteilungen spezialpräventiv nicht ausreichten, um die Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten (S. 128). Diese Argumentation schlägt zumindest hinsichtlich des Angeklagten A fehl; denn dieser hat alle nunmehr zur Aburteilung gelangten Taten vor jener Verurteilung durch das Landesgericht Graz vom 22.Jänner 1982 begangen. Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung (Jugendgericht Graz vom 5.Mai 1981, GZ. 2 U 194/81-9) kann als wenig signifikant außer Betracht bleiben. Faßt man die nunmehrigen Verfehlungen zusammen mit den den Gegenstand jener Vorverurteilung bildenden Delikten als zeitlich einheitliche Auswirkung der gestörten Entwicklungsphase eines Jugendlichen in seiner Beziehung zur Gesellschaft auf, so ist es gewiß vertretbar, A auch die nunmehrige Freiheitsstrafe bedingt nachzusehen, wobei die Probezeit mit drei Jahren zu bestimmen war (vgl. 13 Os 189/81).
Zu einer Herabsetzung der Freiheitsstrafe bestand bei A freilich kein Anlaß, weil andernfalls die Effizienz der Strafdrohung litte.
Anders beim Angeklagten B, der bereits einschlägig vorbestraft war (Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 28.April 1980, GZ. 4 Vr 427/80-64) und daher mit seinen nunmehrigen Straftaten tatsächlich rückfällig wurde.
Eine bedingte Strafnachsicht kam bei ihm nicht mehr in Betracht. Allerdings ist auch bei diesem Angeklagten nicht auszuschließen, daß seine Delinquenz entwicklungsbedingt ist. Er hat den Widerruf der bedingt nachgesehenen, viermonatigen Freiheitsstrafe zu gewärtigen. Unter diesen Umständen kann vorliegend mit einer (abermals) viermonatigen Freiheitsstrafe noch das Auslangen gefunden werden.
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