OGH 10ObS70/15i

OGH10ObS70/15i30.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Mag. Johann Meisthuber, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, wegen Ausgleichszulage, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. März 2015, GZ 11 Rs 9/15w‑33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Juni 2014, GZ 56 Cgs 87/12z‑25, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00070.15I.0730.000

 

Spruch:

 

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen mit 185,76 EUR (davon 30,96 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Teil der Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Aufgrund des Bescheids vom 10. November 2008 bezieht der Kläger von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt seit 1. Juni 2007 eine Alterspension. Er ist weiters Bezieher einer Rente aus Rumänien. Die beklagte Partei zahlte dem Kläger ab 1. Juni 2007 einen Vorschuss auf die Ausgleichszulage.

Mit Bescheid vom 24. Mai 2012 stellte die beklagte Partei die Ausgleichszulage des Klägers ab 1. Juni 2007 neu fest und sprach aus, dass sie ab diesem Zeitpunkt monatlich 0 EUR beträgt. Weiters sprach die beklagte Partei aus, dass der von 1. Juni 2007 bis 28. Februar 2009 entstandene Überbezug an Ausgleichszulage von 2.260,50 EUR auf die von der Pensionsversicherungsanstalt zu erbringende Geldleistung aufzurechnen sei und der mit Bescheid vom 10. November 2008 einbehaltene Betrag von 31,40 EUR mit dem Überbezug verrechnet werde, wodurch ein offener Überbezug von 2.229,10 EUR verbleibe. Dieser Überbezug werde in Raten von 100 EUR von der ab Mai 2012 gebührenden Leistung in Abzug gebracht.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab und verpflichtete den Kläger zur Rückzahlung des Überbezugs, wobei es die Einkünfte des (alleinstehenden) Klägers aus Alterspension und rumänischer Rente in den einzelnen Jahren den jeweiligen Ausgleichszulagenrichtsätzen gegenüberstellte. Für die Umrechnung des Werts der in LEI gewährten rumänischen Rente zog es den Referenzkurs der EZB heran, und zwar für die Jahre 2007 und 2008, für die die rumänische Rente teilweise nachgezahlt wurde (zB am 22. Dezember 2008 12.766 LEI für die Monate 01/2007 und 03/2007 bis 12/2007), einen Kurs von 3,9950, für das Jahr 2009 einen monatlich wechselnden Kurs zwischen 4,0350 und 4,3110 und ab 1. Dezember 2009 einen Kurs von 4,2550.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es den Urteilsspruch um die Feststellung ergänzte, dass die Ausgleichszulage von 1. Juni 2007 bis 31. Mai 2012 monatlich 0 EUR betrage.

In Bezug auf den heranzuziehenden Wechselkurs führte das Berufungsgericht aus, dass auf den Wechselkurs am jeweiligen Auszahlungstag abzustellen sei. So sei in Bezug auf die Auszahlung der Renten für 2007 und 2008 (mit Ausnahme Februar 2007) nicht der jeweilige Tageskurs der damit abgedeckten einzelnen Monatsleistungen maßgeblich, sondern der Kurs zum Datum der Zahlung. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht für die den Jahren 2007 und 2008 zuzuordnenden ausländischen Rentenleistungen den am Tag der gemeinsamen Auszahlung am Überweisungsbeleg tatsächlich aufscheinenden Wechselkurs von 3,9950 herangezogen habe. Nicht nachvollziehbar sei, wieso ‑ so der Kläger ‑ aufgrund des damals bereits stattgefundenen Beitritts von Rumänien zur Europäischen Union mit 1. Jänner 2007 der Referenzkurs der EZB zu höheren Renten führe als er in Wirklichkeit bekommen habe. Soweit dies als Tatsachenrüge zu verstehen sei, bleibe der Berufungswerber jegliche Ausführungen schuldig, aufgrund welcher Beweisergebnisse sich ein anderer Sachverhalt ergeben würde. Sollten die Ausführungen dahingehend zu verstehen sein, der Referenzkurs der EZB sei keine taugliche Grundlage zur Umrechnung der vom Kläger bezogenen rumänischen Rente, seien sie ebenfalls nicht berechtigt: Nach der Rechtsprechung hänge beim Bezug einer ausländischen Teilpension die Höhe des Anspruchs auf Ausgleichszulage von dem Wechselkurs ab, der bei der Umrechnung der ausländischen Teilpension in die in Österreich geltende Währung angewandt werde (10 ObS 168/03h = SSV-NF 17/83 = SZ 2003/84). Zusammengefasst bestehe kein Zweifel daran, dass die Referenzkurse der EZB eine taugliche Grundlage zur Ermittlung des tatsächlich realisierbaren Gegenwerts einer rumänischen Pension darstellen. Die den Entscheidungen 10 ObS 168/03h und 10 ObS 306/02a zugrunde liegenden Sachverhalte (galoppierende Inflation in Jugoslawien als Folge der damaligen Kriegsereignisse) seien mit der vorliegenden Situation, nämlich der Umrechnung der Währung eines EU-Mitgliedstaats in Euro, nicht vergleichbar.

Die Revision sei im Hinblick auf das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zulässig, ob der Referenzkurs der EZB bei der Berechnung der Ausgleichszulage ein taugliches Instrument zur Umrechnung der Währung eines EU-Mitgliedstaats in Euro darstelle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass dem Kläger im Zeitraum von 1. Juni 2007 bis 31. Mai 2012 monatlich eine Ausgleichszulage zugesprochen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In seiner Revision führt der Kläger aus, dass die generelle Heranziehung eines Wechselkurses von 3,9950 (LEI zu EUR) unrichtig sei, da dieser Tageskurs nur am 22. Dezember 2008 gültig gewesen sei. Durch die Anwendung dieses Wechselkurses sei er in seinem Recht auf richtige Berechnung von anzurechnenden Beträgen aus ausländischer Pension verletzt worden; dadurch sei ihm zu Unrecht die Ausgleichszulage aberkannt worden. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Referenzkurs der EZB sei ein taugliches Instrument zur Umrechnung der Währung eines EU‑Mitgliedstaats in Euro, sei unrichtig.

Dazu wurde erwogen:

1. Aus den Bestimmungen über die Ausgleichszulage (§§ 292 ff ASVG) ergibt sich, dass bei der Feststellung des Anspruchs auf diese Leistung grundsätzlich nur tatsächlich bezogenes Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten (und seines mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners) zu berücksichtigen ist (RIS‑Justiz RS0085101). Dies erfordert der Zweck dieser Zusatzleistung, die zusammen mit der Pension, dem aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommen und den gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträgen das Existenzminimum des Pensionsberechtigten (und des mit ihm zusammenlebenden Ehepartners) sichern soll (RIS-Justiz RS0085127). Es kommt also nicht darauf an, welche gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüche einem Ausgleichswerber zustehen, sondern welche Einkünfte ihm tatsächlich zukommen. In diesem Sinn sind die übrigen Einkünfte (nur) insoweit anzurechnen, als sie dem Pensionsberechtigten real zur Verfügung stehen (RIS-Justiz RS0085181 [T4]).

2. Auf dieser Grundlage hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass für den Anspruch auf Ausgleichszulage nicht der im früheren Jugoslawien ausgezahlte Dinarbetrag, sondern dessen Gegenwert in Schilling maßgebend ist (10 ObS 386/90 = SSV-NF 5/4; 10 ObS 262/93 = 8/107; RIS-Justiz RS0117785). Beim Bezug einer Pensionsleistung aus dem Ausland hängt daher die Höhe des Anspruchs auf Ausgleichszulage (auch) von dem Wechselkurs ab, der bei der Umrechnung der ausländischen Teilpension in die in Österreich geltende Währung angewandt wird.

2.1. Dass die beklagte Partei und ‑ dieser folgend ‑ auch die Vorinstanzen den Wechselkurs am Zahlungstag herangezogen haben (und nicht den Wechselkurs zu dem Zeitpunkt, zu dem der Leistungsanspruch entstanden ist), begegnet im vorliegenden Fall, der von einer größeren Nachzahlung für (fast) zwei Jahre geprägt ist, keinen Bedenken (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO), wird doch auf diese Weise der reale Gegenwert der in der ausländischen Währung erhaltenen Pensionsleistung am Besten ausgedrückt.

2.1.1. Nach dem Beschluss der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit Nr H3 vom 15. Oktober 2009 (ABl 2010 C 106/56) über den Bezugszeitpunkt für die Festlegung der Umrechnungskurse gilt im Zweifel der Umrechnungkurs, der an dem Tag veröffentlicht wurde, „an dem der Träger den entsprechenden Vorgang ausgeführt hat“ (Punkt 2.). In Bezug auf Familienleistungen hat der Europäische Gerichtshof in der Rs C-250/13 , Wagener , mit Urteil vom 30. April 2014 zu Art 107 Abs 6 der Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 ausgesprochen, dass die Umrechnung der Währung zu dem amtlichen Wechselkurs zu erfolgen hat, der am Tag der Zahlung dieser Leistungen gilt.

2.1.2. Ebenso wird im Steuerrecht auf dem dem Jahreslohnzettel entsprechenden Formular L 17 („Lohnausweis/Lohnbescheinigung“), das der ausländische Arbeitgeber (bzw eine ausländische auszahlende Stelle) zur Erleichterung der Arbeitnehmerveranlagung von in Österreich ansässigen und hier steuerpflichtigen Arbeitnehmern und Pensionisten ausfüllen soll (zB für im Ausland arbeitende, aber im Inland ansässige Grenzgänger, Sur-Place-Mitarbeiter einer Botschaft, Bezieher ausländischer Pensionen), darauf hingewiesen, dass eine Umrechnung in Euro grundsätzlich zum Umrechnungskurs des Zahlungs-/Überweisungstages zu erfolgen hat.

2.2. Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Referenzkurse der EZB eine taugliche Grundlage zur Ermittlung des tatsächlich in Österreich realisierbaren Gegenwerts einer rumänischen Pension darstellen, wird vom Obersten Gerichtshof geteilt (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

2.2.1. Für das Europäische Sozialrecht ist die Währungsumrechnung zu dem von der Europäischen Zentralbank veröffentlichten Referenzwechselkurs in Art 90 der Durchführungsverordnung (EG) 987/2009 positiviert (näher Spiegel in Fuchs , Europäisches Sozialrecht 6 [2012] Art 90 DVO Rz 1).

2.2.2. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch in anderen Rechtsbereichen als dem Sozialrecht Lehre ( Angst in Angst , EO 2 § 87 Rz 5) und Rechtsprechung (3 Ob 161/09m) für Währungen, für die die Europäische Zentralbank täglich den sogenannten „Referenzkurs (Bewertungskurs)“ bekannt gibt (das sind insbesondere die Währungen der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten der EU, aber auch anderer wichtiger Staaten wie der USA), diesen Kurs als für die Umrechnung maßgebenden Kurs ansehen. Auch wenn diese Kurse nicht unmittelbar marktnah sind, bieten sie eine geeignete allgemeine Orientierungshilfe für die Umrechnung. Sie haben zudem den Vorteil, einfach zugänglich und handhabbar zu sein.

2.2.3. Auch der Kläger führt ‑ abgesehen von der generellen Behauptung der Untauglichkeit des EZB‑Referenzkurses ‑ keine konkreten Argumente an, warum andere Kurswerte als der EZB-Referenzkurs besser geeignet seien, das reale Wertverhältnis zwischen den Währungen zweier EU-Mitgliedstaaten auszudrücken, von denen einer an der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion („Euro-Zone“) teilnimmt und der andere nicht.

3. Insgesamt ist der Revision daher ein Erfolg zu versagen.

4. Zur Kostenentscheidung:

Unterliegt der Versicherte im gerichtlichen Verfahren zur Gänze, hat er dem Grunde und der Höhe nach einen nach den in § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG genannten Maßstäben zu beurteilenden Kostenersatzanspruch. Nach dieser Bestimmung setzt ein Kostenersatzanspruch nach Billigkeit voraus, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten einen Kostenersatz nahelegen und auch tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens vorliegen. Es ist Sache des Versicherten, Umstände, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen können, geltend zu machen, es sei denn, sie ergeben sich aus dem Akteninhalt (RIS-Justiz RS0085829 [T1]).

Wenngleich der Kläger in der Revision nicht vorgebracht hat, dass seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse einen Kostenersatzanspruch nahelegen, sind aus dem Akt ausreichende Anhaltspunkte ableitbar, sodass vom Erfordernis der Bescheinigung abgesehen werden kann (10 ObS 139/12g mwN; 10 ObS 165/12f).

Die rechtlichen Schwierigkeiten des Falls ergeben sich daraus, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhing. Es entspricht der Billigkeit, dem zur Gänze unterlegenen Kläger die Hälfte der Kosten seines Vertreters im Revisionsverfahren zuzusprechen (RIS-Justiz RS0085871). Diesem Kostenzuspruch steht der Umstand, dass der Kläger Verfahrenshilfe genießt, nicht entgegen (vgl 10 ObS 186/13w; 10 ObS 106/10a mwN ua). Der Tarifansatz beträgt 3.600 EUR (§ 77 Abs 2 ASGG).

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