Spruch:
Dem Revisionsrekurs gegen Punkt A der Rekursentscheidung wird Folge gegeben und der erstinstanzliche Beschluss auf Vollstreckbarerklärung und Bewilligung der Fahrnisexekution (ON 4) zur Gänze wiederhergestellt.
Der betreibenden Partei werden die mit 3.196,08 EUR (darin enthalten 532,38 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung sowie die mit 3.838,68 EUR (darin enthalten 639,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung
Mit Urteil des Family Court of the Superior Court of Justice in Ottawa, Ontario/Canada vom 12. Oktober 2004, Court File Number 03-FL-554, wurde die Beklagte (die nunmehrige Verpflichtete) schuldig erkannt, an den Kläger (den nunmehrigen Betreibenden) endgültig einen Ehegattenunterhalt von 25.000 CDN monatlich, beginnend am 1. März 2003 zu leisten. Weiters wurde in diesem Urteil bestimmt, dass das Gericht die Höhe des monatlichen Ehegattenunterhalts nach Zahlung der zugleich in diesem Urteil festgelegten Ausgleichszahlung durch die Beklagte neu ansetzen wird können. Die Beklagte wurde weiters dazu verpflichtet, 53.270,98 CDN an Kostenersatz an den Kläger zu zahlen.
Mit dem am 28. Oktober 2008 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz begehrte der Betreibende die Vollstreckbarerklärung dieses Urteils sowie die Bewilligung der Fahrnisexekution wider die Verpflichtete. Der betriebene Anspruch/Streitwert (ohne Nebenforderungen) für rückständigen Unterhalt wurde mit 1.064.562,40 EUR angegeben, jener für Kosten mit 33.358,99 EUR. Vorgebracht wurde, der Wechselkurs CDN/EUR betrage zum 27. Oktober 2008 „CDN 1,00 = EUR 1,5969".
Das Erstgericht gab (in einem einheitlichen Beschluss) dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung nach Erteilung eines Verbesserungsauftrags statt und bewilligte die Fahrnisexekution zur Hereinbringung der Forderung von 1.064.562,40 EUR an Unterhaltsrückstand für März 2003 bis Oktober 2008, der Kosten von 33.358,99 EUR sowie der Antragskosten von 4.162,68 EUR (ON 4).
Beim Vollzug der Fahrnisexekution am 22. Jänner 2009 wurden verschiedene Fahrnisse gepfändet (Postzahl 1 bis 82 im Pfändungsprotokoll). Mit Beschluss vom 6. Februar 2009 bestimmte das Erstgericht die Kosten des Betreibenden für die Intervention beim Vollzug mit 2.785,50 EUR (ON 7).
Mit Beschluss vom 10. Februar 2009 (ON 9) bewilligte das Erstgericht den Antrag des Betreibenden auf nachträgliche Verwahrung der gepfändeten Gegenstände Postzahl 1 bis 82 und sprach aus, dass die Kosten der Verwahrung einstweilen von der betreibenden Partei zu tragen und an den Verwahrer zu bezahlen seien.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Betreibenden gegen den Beschluss ON 4 Folge und wies den Antrag auf Bewilligung der Vollstreckbarerklärung und der Fahrnisexekution ab. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Dem Rekurs gegen den Beschluss ON 7 (Kosten) gab das Rekursgericht hingegen nicht Folge; den Rekurs gegen den Beschluss ON 9 (nachträgliche Verwahrung) wies das Rekursgericht zurück.
Nach § 1 Abs 3 Auslandsunterhaltsgesetz, BGBl 1990/160, bestehe die Gegenseitigkeit mit der kanadischen Provinz Ontario, wie dies in der Gegenseitigkeitsverordnung, BGBl II 1998/47, durch den Bundesminister für Justiz festgestellt worden sei. Nach § 1 Abs 3 letzter Satz Auslandsunterhaltsgesetz seien die Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung von Unterhaltstiteln nach den §§ 80 und 81 EO zu beurteilen. Der urkundliche Nachweis der Vollstreckbarkeit des ausländischen Exekutionstitels sei erbracht, da die vom Betreibenden vorgelegte Bestätigung der Vollstreckbarkeit und Rechtskraft des Ontario Superior Court of Justice vom 19. November 2008 den Erfordernissen des § 80 Z 3 EO entspreche. Es handle sich nach dem Inhalt des kanadischen Urteils um einen endgültig festgelegten Ehegattenunterhalt, der keine Einschränkung auf das aufrechte Bestehen der Ehe enthalte. Dass der Betreibende und die Verpflichtete bereits seit dem Jahr 2004 geschieden seien, sei nicht maßgeblich.
Die Prüfung der internationalen Zuständigkeit nach § 80 Z 1 EO habe durch eine spiegelbildliche Anwendung des österreichischen internationalen Zuständigkeitsrechts zu erfolgen. Da die Verpflichtete österreichische Staatsbürgerin sei, ergebe sich die internationale Zuständigkeit eines kanadischen Gerichts bereits aus der spiegelbildlichen Anwendung des § 76 Abs 2 Z 1 JN. § 76 Abs 1 JN enthalte darüber hinaus auch eine Anknüpfung für die örtliche Zuständigkeit eines Familiengerichts in Ontario, da der Kläger nach den vorgelegten Urkunden zumindest unmittelbar vor der Verfahrenseinleitung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Ontario gehabt habe. Die (eingeschränkte) Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Ursprungsstaats ergebe daher kein Hindernis für die begehrte Vollstreckbarerklärung.
Die Prüfung der Eigenhandzustellung der verfahrenseinleitenden Ladung oder Verfügung nach § 80 Z 2 EO erübrige sich, da sich die Beklagte in das kanadische Verfahren eingelassen habe. Der Kläger habe beim Superior Court of Justice Ontario vorerst am 27. Februar 2003 auf der Grundlage des kanadischen Familienrechtsgesetzes unter anderem eine Klage für Unterhalt und Vermögensausgleich eingereicht. Die Umstände, wie es zur Zustellung dieser Klage gekommen sei, bedürften deshalb keiner näheren Prüfung, weil es zu einer Anhörung über die Klage gekommen sei, bei der die Beklagte durch eine Anwältin vertreten gewesen sei. Die Anwältin habe die Zuständigkeit des Gerichts in Ontario bestritten und die gesetzliche Unzulässigkeit der Klage eingewendet. Nach Ergänzung der Klage durch den Kläger dahingehend, dass Scheidung und Ehegattenunterhalt gemäß dem kanadischen Scheidungsrecht beantragt wurde, habe die Beklagte eine Klagebeantwortung eingereicht und sei ein Verfahren unter deren Beteiligung vor dem kanadischen Gericht abgeführt worden. Im Lichte der vergleichbaren Bestimmung des Art 34 Nr 2 EuGVVO könne dieses Auftreten und Verhandeln der Beklagten durchaus als Prozesseinlassung gesehen werden, mag das Verfahrensziel auch nicht in einer Sachentscheidung bestanden haben.
Unter den Begriff „Unregelmäßigkeiten des Titelverfahrens" gemäß § 81 Z 1 EO seien auch verfahrensrechtliche Verstöße gegen den ordre public zu verstehen. Insoweit liege der Versagungsgrund nach § 81 Z 3 EO vor, der im Bereich von prozessualen Rechtsverstößen anzuwenden sei. Wenngleich dieser Versagungsgrund nur in Ausnahmefällen in Betracht komme, sei im vorliegenden Fall ein solcher anzunehmen. Dies deshalb, da das Familiengericht der Auffassung gewesen sei, es müsse vorerst über die Zuständigkeit eines kanadischen Gerichts entschieden werden. Eine plötzliche Wendung habe sich jedoch dann ergeben, als der Richter John de Pencier W***** der Beklagten auftrug, den Verkaufserlös eines Wohnhauses an das Gericht zu überweisen oder eine andere Sicherheit zur Zahlung an das Gericht zu leisten. Gegen diese Anordnung habe die Beklagte Berufung an das Familiengericht erhoben. Durch den Richter Jay H***** sei jedoch der Beschluss gefasst worden, dass die Beklagte keine weiteren Anträge stellen dürfe, bevor sie der Weisung des Richters W***** nicht Folge geleistet habe. Begründet sei dieser Beschluss damit worden, dass es nach Meinung dieses Richters der Gerechtigkeit nicht zuträglich wäre, wenn man dem Antrag der Beklagten (Berufung) stattgeben würde, bevor sie nicht der Weisung des Gerichts Folge geleistet habe. Es habe in weiterer Folge am 29. Juli 2004 eine Verhandlung vor dem Familiengericht in Ottawa stattgefunden, von der die Beklagte nicht mehr benachrichtigt worden sei. In dieser Verhandlung sei der Beschluss ergangen, dass die Klagebeantwortung der Beklagten unbeachtet zu bleiben habe, zusammen mit allen hiemit verbundenen vorgelegten Anträgen und eidesstattlichen Erklärungen. Dieser Beschluss enthalte zwar die Nachricht an die Beklagte, sie müsse so schnell wie möglich handeln, wenn sie wolle, dass das Gericht diesen Beschluss abändere, in dem sie eine eidesstattliche Erklärung und einen Antrag gegen die anderen Parteien einreiche. Darin könne nach dem zuvor vorgelegten Gang des Verfahrens aber kein zumutbarer Rechtsbehelf mehr gesehen werden. Durch den Ausschluss aus dem Verfahren sei der Weg für den Unterhaltszuspruch an den Kläger freigemacht worden. Die vom Titelgericht gewählte Vorgangsweise sei jedenfalls mit den Grundsätzen des Verfahrensrechts in Österreich nicht vereinbar. Nach österreichischem Verfahrensrecht könne selbst die Missachtung einer einstweiligen Verfügung niemals den Ausschluss einer Partei aus dem Verfahren bewirken. Nach dem Grundsatz der Fairness und Waffengleichheit könne die Beteiligung einer Partei am Verfahren auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass diese einen namhaften Geldbetrag bei Gericht erlege oder Sicherheit dafür leiste. Die Vollstreckbarerklärung des durch das kanadische Gericht gefällten Urteils müsse demnach daran scheitern, dass das diesem Urteil zugrundeliegende Verfahren in prozessualer Hinsicht dem ordre public in grober Weise widerspreche. Auch der mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung verbundene Antrag auf Exekutionsbewilligung sei daher abzuweisen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu den Fragen des Verfahrensrechts im Zusammenhang mit der Vollstreckbarerklärung eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in einem vergleichbaren Fall fehle. Im Zusammenhang mit der Exekutionsbewilligung fehle es überdies an einer einheitlichen oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Umrechnung einer Fremdwährungsschuld bereits im Exekutionsantrag auch bei der Fahrnisexekution.
Gegen die Abweisung seines Antrags auf Vollstreckbarerklärung und Exekutionsbewilligung richtet sich der Revisionsrekurs des Betreibenden mit dem erkennbaren Antrag auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses ON 4.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt.
Der Revisionsrekurswerber führt im Wesentlichen ins Treffen, dass der Verpflichteten ein zumutbares Rechtsmittel gegen den Verfahrensausschluss zur Verfügung gestanden sei, nämlich die im Vermerk der Urkunde Beil ./8 (d.i. die court order vom 29. Juli 2004) angeführte eidesstattliche Erklärung verbunden mit einem Antrag gegen den Prozessgegner. Diesen Rechtsbehelf habe die Verpflichtete nicht genützt. Schließlich hätte geprüft werden müssen, ob gegen die Titelentscheidung noch ein Rechtsmittel offen gestanden wäre.
Die Verpflichtete führte in ihrem Rekurs gegen die erstinstanzliche Vollstreckbarerklärung der ausländischen Säumnisentscheidung mit zulässiger Neuerung (§ 84 Abs 2 Z 2 EO) die Versagungsgründe des § 81 Z 1 und 3 EO ins Treffen und stützte sich dabei auf den mangels Erbringung der vom Richter W***** aufgetragenen Sicherheitsleistung (Beil ./4) erfolgten Ausschluss vom Titelverfahren unter „Löschung ihres bisherigen Prozessvorbringens". Die Sicherheitsleistung habe sie nicht erbringen können. Ein Eingehen auf ihr gegen den Auftrag zur Sicherheitsleistung erhobenes Rechtsmittel habe der Richter H***** mit seiner court order vom 11. Juni 2004 (Beil ./7) unter Androhung des Ausschlusses vom Verfahren abgelehnt, so lange nicht dem Auftrag des Richters W***** Folge geleistet werde. Die in der Folge ergangene Sachentscheidung nur auf der Grundlage der Behauptungen des Prozessgegners sei wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs sowohl als Versagungsgrund des § 81 Z 1 EO (Unregelmäßigkeit des Verfahrens) als auch als Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren nach Art 6 MRK und damit als Versagungsgrund des § 81 Z 3 EO (ordre public) zu beurteilen.
In ihrer Revisionsrekursbeantwortung wiederholt die Verpflichtete im Wesentlichen ihre schon vorgetragenen Argumente und führt ergänzend aus, dass die in ihrer Abwesenheit und ohne vorherige Ladung in der Verhandlung vom 29. Juli 2004 gefällte court order über den Ausschluss des Verfahrens (Beil ./8) ihr nicht zugestellt worden sei. Deshalb habe sie den in der „Nachricht" angeführten, allenfalls möglichen, jedenfalls aber unbestimmten Rechtsbehelf nicht ergreifen können.
Rechtliche Beurteilung
Zu diesem Parteivorbringen im Revisionsrekursverfahren ist Folgendes auszuführen:
I. Die vom Betreibenden gerügte Aktenwidrigkeit infolge Verwertung fremdsprachiger Urkunden im Rahmen der Prüfung von Versagungsgründen liegt nicht vor. Die Verpflichtete legte zur Dartuung der Versagungsgründe mit ihrem Rekurs (ON 10) zunächst unübersetzte englischsprachige Urkunden vor, deren Übersetzung in die deutsche Sprache sie aber nachreichte (ON 43). Diese Übersetzung befand sich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichts bereits im Akt. Nur dann, wenn der vom Rekursgericht anhand der Urkunden festgestellte Verfahrensablauf vor dem kanadischen Gericht in Widerspruch mit dem Inhalt dieser Urkunde stünde, wäre eine Aktenwidrigkeit begründet (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 471 Rz 7). Dass die Übersetzung in die deutsche Sprache falsch sei, behauptet der Revisionsrekurswerber nicht.
Der gerügte Verfahrensmangel betrifft die Feststellung des Rekursgerichts, dass der Verpflichteten die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung und die Antragstellung gegen den Prozessgegner nicht zumutbar gewesen sei. Bei dieser Feststellung handelt es sich um eine rechtliche Beurteilung, die im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge des Betreibenden zu prüfen sein wird.
II.1. Zu den Versagungsgründen des § 81 Z 1 und 3 EO:
Die Vollstreckbarerklärung ist nach der Z 1 zu versagen, wenn es wegen einer Unregelmäßigkeit des Verfahrens dem Antragsgegner nicht möglich war, sich am ausländischen Verfahren zu beteiligen. Die Bestimmung schützt das rechtliche Gehör. Die zweckmäßige Rechtsverteidigung muss möglich sein. Unregelmäßigkeiten können in fehlenden Zustellungen oder zu kurzen Einlassungsfristen bestehen. Die Zustellungen sind hier diejenigen während des Verfahrens. Die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks fordert § 80 Z 2 EO. Die Versagungsgründe des § 81 EO entsprechen denjenigen des Art 27 Z 1 und 2 LGVÜ bzw des EuGVÜ (Burgstaller/Höllwerth, EO § 81 Rz 2), sodass zur Lösung der Rechtsfragen auch auf die zu diesen Verträgen ergangene Judikatur und die im Schrifttum vertretenen Auffassungen zurückgegriffen werden kann. Dies gilt auch für die europarechtliche Nachfolgebestimmung des Art 34 EuGVVO.
§ 81 Z 1 EO schützt jedenfalls das rechtliche Gehör und nach den im Schrifttum vertretenen Auffassungen den verfahrensrechtlichen ordre public (Burgstaller/Höllwerth aaO Rz 3 ff). Letzteres ist hier zu untersuchen. Der materielle ordre public ist von den Z 2 und 3 des § 81 EO erfasst. Unter dem verfahrensrechtlichen ordre public sind die tragenden, ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleistenden Grundprinzipien des österreichischen Verfahrensrechts zu verstehen. Ein Verstoß liegt vor, wenn elementare Grundsätze des fairen Verfahrens verletzt werden (G. Kodek in Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht² Art 34 Rz 38 unter Hinweis auf EuGH Slg 2000 I 1935; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8 Art 34 Rz 13), wozu geradezu selbstverständlich die Wahrung des verfahrensrechtlichen Grundsatzes des rechtlichen Gehörs gehört (RIS-Justiz RS0111369; Kropholler aaO Rz 15; Stefan Leible in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht² Art 34 Brüssel I-VO Rz 13 ff). Den materiellen ordre public (worunter ein Verstoß gegen grundlegende inländische Wertvorstellungen zu verstehen ist: 3 Ob 221/04b mwN) definiert § 81 Z 3 EO dahin, dass mit der Vollstreckbarerklärung kein Rechtsverhältnis oder Anspruch zur Verwirklichung gelangen soll, dem durch das inländische Gesetz im Inland aus Rücksicht der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit die Gültigkeit oder Klagbarkeit versagt ist. Schon diese gesetzliche Formulierung legt nahe, dass die Z 3 des § 81 EO nicht den verfahrensrechtlichen ordre public erfasst, weil es auf die Prüfung des Rechts oder des Rechtsverhältnisses ankommt, das dem Titel zugrunde liegt (Heller/Berger/Stix4 781 zur gleichlautenden, vor 1995 geltenden Bestimmung des § 81 Z 4 EO). Im Gegensatz dazu ist der europarechtliche Versagungsgrund der Verletzung des ordre public ganz allgemein formuliert. Die Anerkennung ist zu versagen, wenn sie der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaats widersprechen würde (§ 27 Z 1 LGVÜ/EuGVÜ; Art 34 EuGVVO). Das umfasst auch den verfahrensrechtlichen ordre public (Kropholler aaO Rz 13 ff; Leible aaO Rz 13 ff). Außerhalb der angeführten Verträge ist hingegen bei Anwendung des § 81 EO der verfahrensrechtliche ordre public nach § 81 Z 1 EO zu beurteilen, auch wenn dort der ordre public nicht erwähnt ist. Das Ergebnis ist schon zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit einer Rechtsanalogie zu den europarechtlichen Vorschriften zu begründen. Es bedeutete ein diskriminierendes Rechtsschutzdefizit, wenn ein eklatant gegen tragende österreichische Verfahrensgrundsätze verstoßendes ausländisches Verfahrensrecht im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur deshalb nicht aufgegriffen werden dürfte, weil § 81 Z 3 EO nur auf den materiellen ordre public abstellt. Unter den Begriff Unregelmäßigkeit des Verfahrens iSd § 81 Z 1 EO fällt daher eine Verletzung des österreichischen verfahrensrechtlichen ordre public durch eine ausländische Verfahrensordnung.
2. Die Behauptungs- und Beweislast über das Vorliegen von Versagungsgründen iSd § 81 Z 1 EO trifft den Verpflichteten:
Die Vollstreckbarerklärung ist seit der EO-Novelle 2000 kein Teil des Exekutionsverfahrens, sondern ein im Inland nach inländischen Verfahrensrecht geführtes selbständiges Verfahren, das das ausländische Erkenntnisverfahren ergänzt (3 Ob 175/03m = SZ 2004/43). Es ist allerdings zunächst ein grundsätzlich einseitiges Urkundenverfahren wie das Exekutionsbewilligungsverfahren (3 Ob 142/03h; Jakusch in Angst, EO² § 83 Rz 1). Gegen die Exekutionsbewilligung steht dem Verpflichteten der Rekurs mit Neuerungserlaubnis zur Verfügung. Schon daraus folgt, dass nicht etwa der Betreibende schon im Antrag zu behaupten und nachzuweisen hätte, dass keine Versagungsgründe vorliegen. Insbesondere wenn es um das Parteienrecht auf Wahrung des rechtlichen Gehörs geht, obliegt es nicht dem Betreibenden, einen oft schwierigen Negativbeweis über Umstände zu erbringen, von denen er keine Kenntnis haben kann (etwa über Zustellmängel entgegen einem falschen Zustellnachweis). Die Beweislast für das Vorliegen von Versagungsgründen trifft denjenigen, der die Anerkennungsfähigkeit bestreitet (für Versagungsgründe des Art 34 EuGVVO Leible aaO Rz 3a; Kropholler aaO vor Art 33 Rz 7). Der Antragsgegner hat also den für das Vorliegen eines Versagungsgrundes iSd § 81 Z 1 EO sprechenden Sachverhalt im Rekurs (§ 84 Abs 2 Z 2 EO) vollständig darzulegen und zu beweisen. Dies gilt insbesondere für Unregelmäßigkeiten des ausländischen Titelverfahrens im Bereich der Zustellungen.
3. Daraus folgt hier, dass sich die Verpflichtete nicht mehr mit Erfolg auf eine fehlende Zustellung der court order vom 29. Juli 2004 (Beil ./8) berufen kann, hat sie doch in ihrem Rekurs an die zweite Instanz diesen Umstand nicht behauptet und im Rekursverfahren selbst den Beschluss vom 29. Juli 2004 vorgelegt. Erst in der Revisionsrekursbeantwortung wird die Unterlassung der Zustellung dieses Beschlusses ins Treffen geführt. Dieses Vorbringen ist im Hinblick auf die im § 84 Abs 2 Z 2 EO normierte Eventualmaxime (Jakusch aaO § 84 Rz 16-18), die zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen zu vollständigem Tatsachenvorbringen verpflichtet, verspätet. Die Neuerungserlaubnis gilt nur für die Rekurse an die zweite Instanz, im Revisionsrekursverfahren herrscht Neuerungsverbot (Jakusch aaO Rz 12 mwN; RIS-Justiz RS0116742).
4. Zum Ausschluss der Verpflichteten aus dem kanadischen Titelverfahren:
a) Vorauszuschicken ist, dass die Verletzung des ordre public einen so groben Verstoß gegen die tragenden, ein geordnetes rechtsstaatliches Verfahren gewährleistenden Grundprinzipien des österreichischen Verfahrensrechts voraussetzt (Burgstaller/Höllwerth aaO § 81 Rz 7), dass von einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren nicht mehr gesprochen werden kann. Der Ausschluss einer Partei vom Verfahren unter Nichtbeachtung ihres gesamten bisherigen Vorbringens mit der Begründung, dass sie ihm Parteiverpflichtung aus einem zuvor im selben Verfahren ergangenen Beschluss nicht erfüllt habe, ist der österreichischen Rechtsordnung fremd. Derartige Sanktionen sind aber im anglo-amerikanischen Rechtskreis vorgesehen, um den gerechten und wirksamen Charakter der Rechtspflege zu gewährleisten. Sie können wegen „contempt of court" gegen Personen erlassen werden, die im Rahmen eines Zivilprozesses ein Verhalten einnehmen, das im Ergebnis auf eine Justizverweigerung hinausliefe oder das dem Ansehen der Justiz abträglich wäre (Ribarov, Ehrenbeleidigungen von Richtern. Ein neuer Maßstab bei der Grundrechtsprüfung nach Art 10 EMRK, ÖJZ 2008/20, 175).
b) Erst in jüngster Zeit befasste sich der Europäische Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zu Art 27 Z 1 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 mit Maßnahmen wegen „contempt of court". Die Beurteilung des Europäischen Gerichtshofs, ob diesem Verfahrensinstitut, womit eine Partei vom Verfahren ausgeschlossen werden kann, weil sie Verpflichtungen aus einem zuvor im Rahmen des selben Verfahrens ergangenen Beschluss nicht erfüllt hat, der europäische ordre public entgegen steht, ist im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Sachverhalte und Rechtslagen nicht ohne Einfluss auf die hier zu lösenden Fragen. In seiner Entscheidung Rs C-394/07 (Gambazzi) vom 2. April 2009 sprach der Gerichtshof zunächst aus, dass das mit derartigen Maßnahmen verfolgte Ziel, einen wirksamen Verfahrensablauf im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, eine Beschränkung der Verteidigungsrechte rechtfertigen könne. Diese Sanktionen dürften jedoch nicht offensichtlich außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen. Werde eine Partei von jeder Teilnahme am Verfahren ausgeschlossen, handle es sich um die denkbar schwerste Einschränkung der Verteidigungsrechte, weshalb eine solche Beschränkung nur dann nicht als offensichtliche und unverhältnismäßige Beeinträchtigung dieser Rechte angesehen werden könne, wenn sie sehr hohen Anforderungen genüge. Auf die gestellte Vorlagefrage erkannte der Europäische Gerichtshof mit folgendem Rechtssatz:
Das Gericht des ersuchten Staats darf den Umstand, dass das Gericht des Urteilsstaats über die Anträge des Klägers ohne Anhörung des Beklagten entschieden hat, der sich auf das Verfahren bei ihm ordnungsgemäß eingelassen hat, jedoch durch einen Beschluss mit der Begründung vom Verfahren ausgeschlossen worden ist, dass er Verpflichtungen aus einem zuvor im Rahmen desselben Verfahrens ergangenen Beschluss nicht erfüllt habe, im Hinblick auf die Ordre-public-Klausel des Art 27 Nr 1 berücksichtigen, wenn es beim Abschluss einer Gesamtwürdigung des Verfahrens und in Anbetracht sämtlicher Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Ausschlussmaßnahme eine offensichtliche und unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Anspruchs des Beklagten auf rechtliches Gehör dargestellt hat.
c) Diese Rechtsauffassung kann auch für den vorliegenden Fall geteilt werden, geht es doch um eine vergleichbare prozessuale Bestimmung über den Ausschluss einer Partei vom Verfahren aufgrund einer Weigerung der Partei, einer früheren Verfügung des Prozessgerichts nachzukommen.
5. Der Auftrag zum Erlag einer Sicherheit als Voraussetzung einer Fortführung eines Verfahrens mit der Partei ist nicht schon per se ein Verstoß gegen den ordre public wegen gänzlicher Rechtsverweigerung. Auch das österreichische Verfahrensrecht kennt zahlreiche Fälle von Sicherheitsleistungen, beispielsweise die Sicherheitsleistung für Prozesskosten, die ein ausländischer Kläger zu leisten hat (§ 57 ZPO). Bei Nichterlag ist die Klage auf Antrag des Beklagten für zurückgenommen zu erklären (§ 60 Abs 3 ZPO). Darin liegt wegen gegebener Alternativen zum Sicherheitserlag, nämlich die Ablegung des sog Paupertätseides über die Unfähigkeit zum Erlag (§ 60 Abs 2 ZPO) und die Möglichkeit durch Verfahrenshilfe vom Erlag befreit werden zu können, keine Rechtsverweigerung (1 Ob 189/02d; Fucik in Rechberger, ZPO³ § 60 Rz 1). Die der Verpflichteten im Titelverfahren aufgetragene Sicherheitsleistung könnte demnach nur dann als unverhältnismäßig und damit ordre-public-widrig eingestuft werden, wenn der dem Nichterlag folgende Verfahrensausschluss ein unbedingter wäre, also keinesfalls abgeändert werden könnte. In ihrem Rekurs an die zweite Instanz hat die Verpflichtete ihre Unfähigkeit zum Erlag des Kaufpreises bzw der Sicherheitsleistung behauptet. Dass das kanadische Recht keine vergleichbaren Befreiungsbestimmungen wie § 60 ZPO oder vergleichbare Bestimmungen zur österreichischen Verfahrenshilfe kennt, steht keineswegs fest, und wurde von der Verpflichteten auch gar nicht behauptet. Ihr Vorbringen über einen unabwendbaren Verfahrensausschluss steht mit der Aktenlage nicht in Einklang, enthält doch der von der im kanadischen Verfahren anwaltlich vertretenen Beklagten vorgelegte Beschluss (Beil ./8) eine Nachricht, also eine Rechtsbelehrung mit folgendem (übersetzten) Wortlaut: „Der vorliegende Beschluss erging ohne Ihre vorherige Benachrichtigung. Wenn Sie wollen, dass das Gericht diesen Beschluss abändert, müssen Sie so schnell wie möglich handeln, nachdem Sie von diesem Beschluss erfahren haben, indem Sie eine eidesstattliche Erklärung und einen Antrag gegen die anderen Parteien einreichen".
Daraus folgt, dass nach kanadischem Recht der Verpflichteten gegen den Beschluss vom 29. Juli 2004 noch eine rechtliche Möglichkeit offen stand, eine Abänderung des Verfahrensausschlusses zu erreichen. Nach der schon dargelegten Behauptungslast hätte die Verpflichtete schon in ihrem Rekurs an die zweite Instanz zu diesem Thema ein Vorbringen zu erstatten gehabt. Die Ansicht des Rekursgerichts, die Ergreifung eines weiteren Rechtsbehelfs sei der Verpflichteten nicht zumutbar gewesen, entbehrt nach dem Akteninhalt einer sachlichen Grundlage. Eine solche wird auch in der Revisionsrekursbeantwortung der Verpflichteten nicht vorgetragen.
6. Zur Umrechnung des Fremdwährungstitels im Exekutionsantrag:
Der vorliegende Exekutionstitel ist mangels einer Klausel, dass die Verpflichtete nur in ausländischer Währung zahlen dürfte, ein Fremdwährungstitel, der grundsätzlich als auf die Leistung des entsprechenden inländischen Geldbetrags gerichtet anzusehen ist. Er entspricht dem Bestimmtheitserfordernis des § 7 EO. Grundsätzlich ist die Umrechnung am Zahlungstag vorzunehmen. Der betreibende Gläubiger kann aber die Umrechnung auch schon im Exekutionsantrag vornehmen, muss dies aber nicht tun (3 Ob 98/06t = SZ 2006/81; 3 Ob 73/82). Maßgeblich ist der Wechselkurs am Tag vor der Einbringung des Exekutionsantrags (3 Ob 98/06t). Die Wahlmöglichkeit des Betreibenden, die Exekution entweder zur Hereinbringung des geschuldeten Kapitalbetrags in Fremdwährung zu beantragen oder aber zur Hereinbringung des schon in Landeswährung umgerechneten Betrags, ist ua damit zu begründen, dass die Beurteilung des Kursrisikos ihm überlassen bleiben soll und der Gläubiger nicht zwingend auf den Zeitpunkt der Meistbotsverteilung (Zahlungstag) verwiesen werden muss. Das Kursrisiko ist vielmehr dem im Verzug befindlichen Verpflichteten zumutbar.
Der Betreibende beantragte nach erfolgter Verbesserung die Fahrnisexekution zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands für die Zeit von März 2003 bis Oktober 2008 in der Höhe von 1.068.562,40 EUR. Der für die Umrechnung heranzuziehende Kurs für Währungen, für welche die Europäische Zentralbank täglich den so genannten „Referenzkurs (Bewertungskurs)" bekannt gibt, ist dieser Kurs (Angst in Angst, EO2 § 87 Rz 5). Am maßgeblichen Umrechnungstag, dem 27. Oktober 2008, betrug der Referenzkurs für Kanadische Dollar 1,5969 pro EUR (Tägliche Referenzkurse der EZB veröffentlicht auf www.oenb.at unter „Rund ums Geld-Wechselkurse"). Auf Basis dieses - auch bereits vom Erstgericht herangezogenen - Umrechnungskurses errechnet sich der Unterhaltsrückstand von März 2003 bis Oktober 2008 mit 1.064.562,59 EUR (25.000 CDN = 15.655,33 EUR x 68 Monate); der Kostenersatzbetrag von 53.270,98 CDN mit 33.358,99 EUR.
Der Revisionsrekurs des Betreibenden ist aus den dargelegten Gründen berechtigt, die erstinstanzliche Entscheidung daher zur Gänze wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 Abs 2 iVm § 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)