OGH 10ObS40/22p

OGH10ObS40/22p21.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Birgit Riegler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Schmidberger‑Kassmannhuber‑Schwager Rechtsanwalts‑Partnerschaft in Steyr, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2022, GZ 11 Rs 11/22 z‑17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 25. Oktober 2021, GZ 30 Cgs 37/21p‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00040.22P.0621.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (nur) der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung einer Invaliditätspension gemäß § 255 Abs 4 ASVG ab dem 1. 5. 2021.

[2] Der * 1959 geborene Kläger besuchte vier Klassen Volks-, fünf Klassen Haupt- und drei Jahre Berufsschule, und zwar im Zusammenhang mit einer Lehre als Elektroinstallateur, die er mit Lehrabschlussprüfung abschloss. Zusätzlich absolvierte er eine Ausbildung zum Industrieelektrotechniker, die er ebenfalls mit einer Lehrabschlussprüfung beendete.

[3] In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag war der Kläger 71 Monate selbständig und 76 Monate unselbständig erwerbstätig.

[4] So übte er von Juni 2005 bis März 2012 das Gewerbe „Mechatronik für Elektromaschinenbau und Automatisierung eingeschränkt auf Schaltschrankbau sowie die Integration von Prozessleitsystemen, Bus- und Netzwerkaufbauten“ aus. Er war in dieser Zeit als Einzelunternehmer tätig; sein Tätigkeitsschwerpunkt lag im Implementieren von Steuersystemen für Maschinen und Herstellen von PC-Anbindungen.

[5] Von Mai 2012 bis Mai 2019 arbeitete er als Facharbeiter/Elektroinstallateur. Als solcher war er im Mai 2012 tätig, als er die Elektroinstallation einer Lackieranlage herstellte, für den Einbau der Steuersysteme zuständig war und einfache Montagetätigkeiten sowie Kabelziehen erledigte. Von Juni 2012 bis Mai 2019 arbeitete er hauptsächlich im Bereich Steuerungstechnik, Schaltschrankbau und EDV‑Verkabelung. Dabei hatte er mit Schaltelementen und Schaltkästen mit einem Gewicht von über 25 kg zu hantieren. Die Elemente musste er über kurze Wegstrecken auch tragen, anheben oder einrichten; auch beim Kabelziehen sind Gewichtsbelastung von teilweise über 13 kg aufgetreten. Bei den Arbeiten an und in den Anlagen waren auch solche auf Leitern und Gerüsten sowie in schwindelexponierten Lagen notwendig.

[6] Von Juni 2019 bis April 2021 war er arbeitslos gemeldet und bezog Krankengeld und Notstandshilfe. Seit Mai 2021 bezieht er eine (richtig:) Korridorpension.

[7] Die vom Kläger in den letzten 15 Jahren vor seinem Antrag ausgeübten Arbeiten stellen allesamt Facharbeitertätigkeiten eines Elektroinstallateurs dar. Die vom Kläger in den genannten Jahren ausgeübten Arbeiten sind mit seinem Leistungskalkül nicht mehr vereinbar. Allerdings sind ihm trotz seines Gesundheitszustands noch Tätigkeiten eines Elektroinstallateurs im Bereich Elektrogerätebau, Fertigungsprüfung oder Prüffeldtechnik möglich. Darüber hinaus ist der Kläger noch in der Lage, Teiltätigkeiten (die er innerhalb des genannten Zeitraums während seiner selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit im Ausmaß von zumindest 20 % verrichtete) wie etwa Messarbeiten unterschiedlicher Art, feine Verdrahtungsarbeiten, Lötarbeiten, Programmiertätigkeiten oder Schwachstrominstallationsarbeiten vorzunehmen.

[8] Der Kläger kann weiters noch Tätigkeiten als Hilfsarbeiter in der Produktion (Kleinteilefertigung, Durchführung von Verpackungsarbeiten, Sortierungstätigkeiten) oder auch Hilfstätigkeiten im Gastgewerbe, Reinigungsgewerbe oder Aufsichtstätigkeiten (Tagportier, Hilfsportier, Bürohausportier, Bürohausbote) ausführen. Der Kläger kann auch noch Arbeiten verrichten, deren Anforderungsprofile über einem geringsten Anforderungsprofil eines Arbeitsplatzes liegen.

[9] Sowohl für die angeführten Tätigkeiten und Teiltätigkeiten eines Elektroinstallateurs als auch für die Tätigkeiten als Hilfsarbeiter existieren am bundesweiten Arbeitsmarkt mehr als 100 solche (offene oder besetzte) Arbeitsplätze, die mit dem Leistungskalkül des Klägers vereinbar sind. Er könnte überdies ein Einkommen, das über 80 % des Ausgleichszulagenrichtsatzes liegt (derzeit 1.000,48 EUR), und bei Aufnahme einer der genannten Verweisungstätigkeiten jedenfalls mehr als die Hälfte des Einkommens einer gesunden Person erzielen.

[10] Mit Bescheid vom 18. 5. 2021 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers vom 19. 4. 2021 auf Gewährung einer Invaliditätspension ab. Da Invalidität in absehbarer Zeit nicht eintreten werde, bestehe auch kein Anspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation.

[11] Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung einer Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß (erkennbar) ab 1. 5. 2021. Er habe den Beruf des Elektroinstallateurs erlernt und in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend als Elektroinstallateur und Steuerungstechniker gearbeitet. Er könne seinen Beruf nicht mehr ausüben.

[12] Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der Kläger sei nicht überwiegend im erlernten Beruf tätig gewesen und könne am allgemeinen Arbeitsmarkt noch eine Tätigkeit ausüben. Ein Tätigkeitsschutz liege nicht vor, weil der Kläger innerhalb der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag nicht zumindest 120 Kalendermonate hindurch eine Tätigkeit nach § 255 Abs 4 ASVG ausgeübt habe.

[13] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein Tätigkeitsschutz sei dem Kläger zuzuerkennen, doch könne er noch Teiltätigkeiten von zumindest 20 % seiner bisherigen Tätigkeit auch weiterhin verrichten.

[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Dem Kläger komme ein Tätigkeitsschutz nach § 255 Abs 4 ASVG zu. Angesichts der besonderen Breite und Tätigkeitsvielfalt eines Elektroinstallateurs, wie die feststehenden Tätigkeiten des Klägers (Implementieren von Steuersystemen für Maschinen, Herstellen von PC-Anbindungen, Elektroinstallation einer Lackieranlage, Steuerungstechnik, Schaltschrankbau und EDV-Verkabelung) zeigten, könne der festgestellte prozentuelle Aspekt der festgestellten Teiltätigkeiten deren untergeordnete Bedeutung nicht begründen. Dass ihm die Verweisungstätigkeit nach dem arbeitskulturellen Umfeld unzumutbar sei, mache der Kläger gar nicht geltend. Er könne auch mit seinen pauschalen Ausführungen, es fehlten Feststellungen zu den mit den Verweisungstätigkeiten verbundenen Lohneinbußen, keine sekundären Feststellungsmängel aufzeigen, weil er sich mit der Feststellung des Erstgerichts, welches Einkommen er bei den Verweisungstätigkeiten erzielen könne, nicht auseinandergesetzt habe. Seine Rechtsrüge sei in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt.

[15] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, mit der er die Stattgebung des Klagebegehrens anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[16] In der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[17] Die Revision ist zulässig und wegen des Fehlens von erforderlichen Feststellungen im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[18] 1.1. Als invalid gilt gemäß § 255 Abs 4 S 1 ASVG auch der (die) Versicherte, der (die) das 60. Lebensjahr vollendet hat, wenn er (sie) infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande ist, einer Tätigkeit, die er (sie) in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, nachzugehen. Dabei handelt es sich nicht um einen Arbeitsplatzschutz, sondern um eine – besondere – Form des Berufsschutzes (10 ObS 367/02x SSV‑NF 16/140 ua). § 255 Abs 4 ASVG stellt nicht auf die Anforderungen an einem bestimmten Arbeitsplatz ab, sondern auf die „Tätigkeit“ mit dem am allgemeinen Arbeitsmarkt typischerweise gefragten Inhalt (RIS‑Justiz RS0087658 [T2]; RS0087659 [T9]).

[19] 1.2. Der Kläger hat das 60. Lebensjahr am Stichtag bereits überschritten. Das Berufungsgericht legte seiner Beurteilung folgende in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag ausgeübte (selbständig und unselbständig ausgeübte) Tätigkeit zugrunde: Implementieren von Steuersystemen für Maschinen, Herstellen von PC-Anbindungen, Elektroinstallation einer Lackieranlage, Steuerungstechnik, Schaltschrankbau und EDV-Verkabelung.

[20] 2. Gemäß § 255 Abs 4 S 2 ASVG sind „zumutbare Änderungen dieser Tätigkeit“ zu berücksichtigen. Der Begriff der zumutbaren Änderung ist nach der Rechtsprechung eng zu interpretieren (RS0100022 [T3, T6]). Eine Verweisung (bzw Änderung der Tätigkeit) wird dann als zumutbar angesehen, wenn die Verweisungstätigkeit bereits bisher als eine Teiltätigkeit ausgeübt wurde, keine gravierende Lohneinbuße damit verbunden ist und das Arbeitsumfeld dem bisherigen ähnlich ist (RS0100022; zur Lohneinbuße RS0120866).

[21] 2.1.1. Voraussetzung für die Verweisbarkeit auf eine (auf dem Arbeitsmarkt nachgefragte) Teiltätigkeit der bisherigen Tätigkeit ist, dass dieser Teiltätigkeit weder nach der Gewichtung im Arbeitsverlauf noch nach ihrem zeitlichen Umfang nur eine untergeordnete Bedeutung in der bisher ausgeübten „einen“ Tätigkeit zugekommen ist (RS0100022 [T13]). Die Vorinstanzen bejahten eine Verweisbarkeit auf die vom Kläger im Ausmaß von „zumindest 20 %“ verrichteten „Teiltätigkeiten wie etwa“ Messarbeiten unterschiedlicher Art, feine Verdrahtungsarbeiten, Lötarbeiten, Programmiertätigkeiten oder Schwachstrominstallationsarbeiten. Für diese „Teiltätigkeiten“ eines Elektroinstallateurs existieren mehr als 100 Arbeitsplätze.

[22] 2.1.2. Der Revisionswerber wendet sich nicht gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, dass einer Teiltätigkeit im zeitlichen Ausmaß von (zumindest) 20 % der bisher verrichteten Tätigkeit nicht nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Er steht vielmehr auf dem Standpunkt, dass nicht klar sei, ob die genannten Teiltätigkeiten jeweils eigenständige Verweisungstätigkeiten oder gesamt betrachtet eine Verweisungstätigkeit darstellen sollten. Den einzelnen Teiltätigkeiten, die nur in Summe zumindest 20 % der bisherigen Tätigkeit ausmachen würden, würde nur zeitlich untergeordnete Bedeutung zukommen. Damit zeigt er zutreffend auf, dass die Feststellungen für die Prüfung, ob der Kläger auf die genannten Tätigkeiten verwiesen werden kann, nicht ausreichen.

[23] 2.1.3. Abgesehen davon, dass sich aus den getroffenen Feststellungen die Gewichtung der Teiltätigkeiten im Arbeitsablauf nicht beurteilen lässt, bleibt überdies offen, ob es sich um eine (einzige, als solche am Arbeitsmarkt nachgefragte) Verweisungstätigkeit (bestehend aus den beispielhaft aufgezählten Verrichtungen) oder um jeweils einzelne, von einander zu trennende Teiltätigkeiten handelt. Im ersten Fall bliebe der genaue (bislang ja nur beispielhaft festgestellte) Tätigkeitsinhalt der Verweisungstätigkeit offen. Im zweiten Fall wäre nicht klar, welchen zeitlichen Umfang die jeweilige Verweisungstätigkeit im Vergleich zur bisherigen „einen“ Tätigkeit gehabt hätte. In beiden Fällen bliebe die Feststellungsgrundlage mangelhaft, weil wesentliche Tatsachen nicht festgestellt wurden. Überdies ist – wie bereits ausgeführt – auch nicht auf den tatsächlichen Arbeitsplatz des Klägers, sondern auf die „Tätigkeit“ mit dem am allgemeinen Arbeitsmarkt typischerweise gefragten Inhalt abzustellen, was in den getroffenen Feststellungen ebenso wenig abgebildet wird.

[24] 2.2. Der Revisionswerber macht überdies zutreffend geltend, dass auch Feststellungen zur Lohneinbuße fehlen. Eine gravierende Lohneinbuße kann ein Kriterium für die Unzumutbarkeit einer Verweisung darstellen. Die Prüfung der Frage der Zumutbarkeit einer solchen Lohneinbuße hat auch in diesem Fall grundsätzlich abstrakt zu erfolgen. Es ist daher nicht vom individuellen früheren Verdienst des Versicherten bei seinem konkreten Dienstgeber, sondern vom Durchschnittsverdienst gleichartig Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt auszugehen (RS0120866). Die getroffenen Feststellungen betreffen nur das vom Kläger (offenbar individuell) erzielbare Einkommen in den Verweisungsberufen (zum Teil im Vergleich zu dem einer gesunden Person), nicht aber die maßgeblichen Durchschnittsverdienste der bisher ausgeübten und einer Verweisungstätigkeit, anhand derer geprüft werden kann, ob mit einer Teiltätigkeit, auf die der Kläger verwiesen werden soll, eine gravierende Lohneinbuße (im Vergleich zur bisherigen Tätigkeit) verbunden wäre.

[25] 2.3. Außerdem scheiden auch im Anwendungsbereich des § 255 Abs 4 ASVG Verweisungen auf Teiltätigkeiten, die den Berufsschutz (hier: als Elektroinstallateur) nicht erhalten können, aus (RS0100022 [T29]). Zur Prüfung der Frage, ob eine Teiltätigkeit den Berufsschutz erhalten kann, fordert die Judikatur genaue Feststellungen dazu, inwieweit in den Verweisungsberufen das berufliche Wissen verwertet werden kann, weil die auszuführenden Tätigkeiten über bloß untergeordnete, sich qualitativ nicht hervorhebende Teiltätigkeiten hinausgehen (RS0084541 [T21]). Feststellungen, inwiefern der Kläger bei einer Verweisung auf andere (Teil-)Tätigkeiten sein berufliches Wissen verwerten kann, fehlen ebenso.

[26] 3.1. In der Revision nicht gerügt, aber im Zuge der allseitigen und umfassenden rechtlichen Prüfung aufzugreifen (RS0043352) ist überdies, dass Feststellungen zu den Anforderungen der jeweiligen Verweisungstätigkeiten nicht getroffen wurden. Zur Prüfung, ob eine Verweisungstätigkeit mit dem verbliebenen Leistungskalkül im Einklang steht, sind die mit der Verweisungstätigkeit verbundenen Anforderungen – wenn sie, wie hier, nicht offenkundig sind (RS0040179) – in möglichst detaillierter Form festzustellen (RS0084413; vgl auch RS0084541 [T21]). Die vom Erstgericht in die Feststellungen aufgenommene Formulierung, der Kläger könne eine Tätigkeit noch oder nicht mehr verrichten, genügt diesen Anforderungen nicht.

[27] 3.2. Soweit die Beklagte in der Revisionsbeantwortung darauf verweist, dass dem Kläger nach dem festgestellten Sachverhalt noch Tätigkeiten eines Elektroinstallateurs im Bereich Elektrogerätebau, Fertigungsprüfung oder Prüffeldtechnik möglich seien und der Kläger daher auf diese Tätigkeit verwiesen werden könne, ergibt sich aus den Feststellungen nicht, welchen am Arbeitsmarkt typischerweise nachgefragten Inhalt diese Tätigkeiten haben, welche Bedeutung ihr im Rahmen der bisherigen Tätigkeit des Klägers zukamen und welche Anforderungen damit verbunden sind (oben Punkte 2.1.1. und 3.1.). Für die von der Beklagten vertretene Beurteilung, dass dem Kläger eine solche Änderung der Tätigkeit zumutbar ist und er im Rahmen des § 255 Abs 4 ASVG auf die Tätigkeit eines Elektroinstallateurs in den angeführten Bereichen verwiesen werden kann, bedarf es daher (ebenfalls) ergänzender Feststellungen.

[28] 4. Das Verfahren der Vorinstanzen erweist sich somit mehrfach als ergänzungsbedürftig. Die Unterlassung deutlicher und unmissverständlicher Feststellungen über entscheidungserhebliche Tatsachen führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen (RS0043322).

[29] 4.1. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht – zweckmäßigerweise unter Heranziehung des berufskundlichen Sachverständigen – (eindeutige und vollständige) Feststellungen zu einer (gegebenenfalls: jeder) möglichen Verweisungstätigkeit zu treffen haben, insbesondere zu ihrem am allgemeinen Arbeitsmarkt typischerweise gefragten Inhalt. Ausgehend davon wird zur Beurteilung der Zumutbarkeit einer solchen Änderung der Tätigkeit festzustellen sein, in welchem Arbeitsumfeld diese (jeweilige) Tätigkeit verrichtet wird, welchen zeitlichen Umfang und welche Gewichtung sie im Arbeitsablauf im Vergleich zur bisherigen Tätigkeit des Klägers (wieder: mit dem am Arbeitsmarkt typischen Inhalt) hat und inwiefern der Kläger sein berufliches Wissen als Elektroinstallateur dabei verwerten kann. In weiterer Folge sind die Durchschnittseinkommen der bisherigen und der Verweisungstätigkeit zu erheben und festzustellen, um eine allfällige Lohneinbuße ermitteln zu können. Schließlich ist das Anforderungsprofil der (jeweiligen) in Betracht kommenden und am Arbeitsmarkt nachgefragten Verweisungstätigkeit möglichst detailliert festzustellen, um die Vereinbarkeit mit dem Leistungskalkül des Klägers beurteilen zu können.

[30] 4.2. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte im bekämpften Bescheid nicht nur den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Invaliditätspension ablehnte, sondern auch den Anspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation verneinte. Infolge der inhaltlichen Verknüpfung des Anspruchs auf Invaliditätspension mit dem Anspruch auf berufliche Rehabilitation lässt sich der Teil des Bescheids, der einen Anspruch auf die Pensionsleistung verneint, nicht von jenem trennen, der die Gewährung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation ablehnt; es tritt daher der gesamte Bescheid außer Kraft, auch wenn die Klage – wie hier – nur den Ausspruch über die Invaliditätspension bekämpft (RS0084896 [T8]), sodass die zugrunde liegenden Ansprüche in ihrer Gesamtheit Gegenstand des Sozialgerichtsverfahrens sind (vgl RS0084896) und darüber spruchmäßig zu entscheiden ist.

[31] 5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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