Spruch:
Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht wird abgewiesen.
Die Replik der klagenden Partei zur Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz im Kostenpunkt richtet, zurückgewiesen. Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 8. 8. 1962 geborene Klägerin erlitt bei einem Arbeitsunfall am 23. 9. 1978 schwere Verletzungen. Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer Lehrausbildung zur Textilzeichnerin. Sie hatte diese Lehre am 7. 9. 1977 begonnen. Voraussichtliches Ende der Lehrzeit war der 6. 9. 1979. Gegenstand des Betriebes und Inhalt der Gewerbeberechtigung des Lehrherrn war die Herstellung von Designs, Patronen und Jaquardkarten. Die Klägerin war vom 30. 6. bis 7. 7. 1978 und vom 27. 7. bis 6. 9. 1978 im Krankenstand und bezog während dieser Zeiträume Krankengeld.
Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom 9. 4. 1980, der unbekämpft blieb, den Anspruch der Klägerin auf Versehrtenrente für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 23. 9. 1978 ab, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit bloß 10 vH betrage.
Im Verfahren 35 Cgs 1/90 (vormals 35 Cgs 1/88) des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht wurde die beklagte Partei mit Urteil vom 15. 5. 1990 rechtskräftig schuldig erkannt, der Klägerin ab 15. 9. 1987 bis 21. 9. 1988 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente zu gewähren; das Mehrbegehren auf Gewährung einer Versehrtenrente von 20 vH über den 21. 9. 1988 hinaus wurde abgewiesen. Grundlage dieses Verfahrens bildete eine von der Klägerin gegenüber dem Bescheid der beklagten Partei vom 9. 4. 1980 behauptete Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalles vom 23. 9. 1978, deren Eintritt mit Bescheid der beklagten Partei vom 7. 12. 1987 verneint worden war. Auf Grund dieses Urteiles stellte die beklagte Partei mit Bescheid vom 4. 12. 1990 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 187.460 S die Höhe der monatlichen Versehrtenrente mit 1.785,30 S fest. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Gestützt auf § 101 ASVG stellte die beklagte Partei mit Bescheid vom 9. 2. 1999 ihren Bescheid vom 9. 4. 1980 richtig und erkannte der Klägerin ab 25. 11. 1978 über den 1. 1. 1999 hinaus eine Versehrtenrente zu, deren Höhe im Bescheid festgesetzt wurde. Sie legte der Berechnung der Höhe der Versehrtenrente für den Zeitraum vom 25. 11. 1978 bis 26. 9. 1980 und vom 15. 9. 1987 bis 21. 9. 1988 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 vH, für den Zeitraum vom 27. 9. 1980 bis 14. 9. 1987 eine MdE von 50 vH und ab 22. 9. 1988 eine MdE von 35 vH zugrunde. Ferner wurde ausgesprochen:
"Als Bemessungsgrundlage wird gemäß § 179 Abs 2 ASVG der Betrag von 23.227,67 S festgestellt. Gemäß § 180 Abs 1 ASVG wird die Bemessungsgrundlage ab 7. 9. 1979 mit 107.940,-- S, ab 7. 9. 1981 mit 115.220,-- S, ab 7. 9. 1993 mit 139.860,-- S, ab 7. 9. 1985 mit 162.120,-- S, ab 7. 9. 1987 mit 187.460,-- S, ab 7. 9. 1989 mit 209.580,-- S und ab 7. 9. 1981 mit 287.800,-- S neu festgesetzt. Die gesetzlichen Erhöhungen wurden berücksichtigt.
Die Versehrtenrente wird ab 27. 9. 1980 als Dauerrente gemäß § 209 Abs 1 ASVG gewährt.
Die Vorschusszahlungen in Höhe von insgesamt 1,275.410,77 S werden gemäß § 103 Abs 1 ASVG aufgerechnet."
Mit ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt die Klägerin, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, 1. der Klägerin auf Grund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 23. 9. 1978 ab 25. 11. 1978 eine Versehrtenrente als Dauerrente von 60 vH samt einer Zusatzrente von 20 vH im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren sowie ab dem jeweiligen Fälligkeitstag 10 % Zinsen zu bezahlen; und 2. "gemäß § 182 ASVG die Bemessungsgrundlage ab 25. 11. 1978 mit 69.683,01 S, ab 7. 9. 1979 mit 323.820,-- S, ab 7. 9. 1981 mit 345.660,-- S, ab 7. 9. 1983 mit 419.580,-- S, ab 7. 9. 1985 mit 486.360,-- S, ab 7. 9. 1987 mit 562.380,-- S, ab 7. 9. 1989 mit 628.740,-- S und ab 7. 9. 1981 mit 743.400,-- S" festzusetzen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. In der Tagsatzung vom 4. 3. 2002 schlossen die Parteien folgenden Teilvergleich:
"Festgestellt wird, dass die Klägerin ab 22. 9. 1988 50 % erwerbsgemindert ist und ihr daher von der beklagten Partei eine Versehrtenrente im Ausmaß von 50 % zuzüglich 20 % zusteht, dies unter Anrechnung der bisherigen Rentenzahlungen."
Außer Streit gestellt wurde schließlich (in der Berufungsverhandlung), dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin im Zeitraum vom 27. 9. 1980 bis 14. 9. 1987 50 vH beträgt. Das Erstgericht stellte mit Urteil die Bemessungsgrundlagen wie im bekämpften Bescheid fest und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung einer Versehrtenrente im Ausmaß von 50 vH zuzüglich einer Zusatzrente 20 vH in zahlenmäßig bestimmter Höhe ab 22. 9. 1988 über den 1. 1. 2002 hinaus; das Zinsenbegehren wies es ab. Eine Abweisung des weiteren Mehrbegehrens im Spruch unterblieb. Rechtlich führte es aus, die Frage der Bindungswirkung des Bescheides vom 4. 12. 1990 stelle sich "in Anbetracht der Entscheidung des Gerichtes" nicht, dürfte aber zu bejahen sein. Der Bildung der Bemessungsgrundlage nach § 180 ASVG seien die Mindestgehälter der Arbeitnehmer in der Verwendungsgruppe III des Kollektivvertrages für die Gewerbeangestellten zugrundezulegen. Ein Anwendungsfall des § 182 ASVG liege nicht vor. Die Klägerin sei seit Jahren als Handelsangestellte tätig und erziele daraus jedenfalls das kollektivvertragliche Einkommen. Die Höhe der zuerkannten Versehrtenrente erfülle die Sicherungsfunktion im Bezug auf den Lebensunterhalt durchaus. Soweit die beklagte Partei bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den 7. 9. 1979 vom kollektivvertraglichen Entgelt für Angestellte der Textilindustrie ausgegangen sei, sei die Klägerin nicht beschwert, weil dieser Kollektivvertragslohn ohnehin höher als jener der Angestellten des Gewerbes sei. Nach ständiger Rechtsprechung habe der Versicherte keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen wegen verspäteter Leistung des Sozialversicherungsträgers.
Der dagegen von der Klägerin, soweit dem Klagebegehren nicht zur Gänze stattgegeben wurde, erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil, wobei es die Schillingbeträge in Eurobeträge umrechnete, und sprach der Klägerin weiters eine Versehrtenrente auch für den Zeitraum vom 25. 11. 1978 bis 21. 9. 1988 in Höhe der im bekämpften Bescheid für diesen Zeitraum zuerkannten Beträge - unter Umrechnung in EUR - zu. Das Mehrbegehren wies es ab. Der Bescheid vom 4. 12. 1990 entfalte keine Bindungswirkung. Aus § 71 Abs 5 ASGG sei nämlich abzuleiten, dass in einem über die zweite Klage eingeleiteten Verfahren selbst die Rechtskraft einer denselben Anspruch betreffenden früher gefällten gerichtlichen Entscheidung nicht zu berücksichtigen sei, dass also eine solche frühere Entscheidung für den im zweiten Verfahren zu entscheidenden Anspruch des Klägers nicht mehr maßgeblich sei. Infolge der über einen Anspruch erlassenen verschiedenen Bescheide könne von einer völligen Identität des Anspruches nicht mehr gesprochen werden. Wenn im vorliegenden Fall zwar kein Urteil über den betroffenen Anspruch ergangen sei, jedoch durch Bescheid rechtskräftig entschieden worden sei, könne nichts anderes gelten, als wenn über den selben Anspruch (hier einen Teil des Anspruchszeitraumes) vom Versicherungsträger neu entschieden worden sei. Wenn die beklagte Partei im bekämpften Bescheid inhaltsgleich wie im Bescheid vom 4. 12. 1990 entschieden habe, können in diesem Umfang der Kläger nur die Anerkenntnisfiktion des § 71 Abs 2 ASGG für sich in Anspruch nehmen. Ausgenommen von diesen Schranken sei das Arbeits- und Sozialgericht frei und könne somit unabhängig von einem ergangenen "Erstbescheid" völlig neu entscheiden. Die Bemessungsgrundlage für die Versehrtenrente bis zum 6. 9. 1979 - dem voraussichtlichen Ende der Lehrzeit - sei gemäß § 179 Abs 2 ASVG zu ermitteln, weil die Zeiten des Krankengeldbezuges bemessungsunwirksam seien. Daher sei der Verdienst der Klägerin nur aliquot für die Zeit bis zum Unfalltag zu veranschlagen. Stelle man den tatsächlich erhaltenen Verdienst den geleisteten Arbeitstagen gegenüber, dann erhalte man einen Mittelwert an Tageslohn und dieser Tagesmittelwert diene nun als Grundlage zur Berechnung der Bemessungsgrundlage im Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalles, wobei die Anzahl der Tage des Jahres zufolge der Bestimmungen über die Beitragszeiträume mit 360 anzunehmen sei. Zutreffend habe das Erstgericht gemäß § 180 ASVG zur Errechnung der Bemessungsgrundlage ab dem Zeitpunkt des voraussichtlichen Endes der Lehrzeit die Verwendungsgruppe III des Kollektivvertrages für die Angestellten des Gewerbes herangezogen, sei doch die Klägerin zum einen als Textilzeichnerin dem Angestelltengesetz und zum anderen dem Kollektivvertrag für die Angestellten des Gewerbes zu unterstellen, weil der Lehrberechtigte einen gewerblichen und keinen industriellen Betrieb geführt habe. Die Kriterien für eine Einstufung in die Verwendungsgruppe V erfülle die Klägerin als Berufsabbrecherin insgesamt und schon gar nicht im Hinblick auf die fiktive, an die Lehre anschließende Laufbahn nicht. Würde man durchgängig den Kollektivvertrag für die Angestellten des Gewerbes heranziehen, würde sich für die Klägerin, zumal ein Kollektivvertragssprung erst zwischen dem 6. und 10. Verwendungsgruppenjahr angeordnet sei, für den Zeitraum ab 7. 9. 1987 eine Bemessungsgrundlage von brutto 162.120,-- S ergeben. Wenn die beklagte Partei für diesen Zeitraum - sei es ausgehend von ihrer Rechtsauffassung im Sinne einer Bindung an den Bescheid vom 4. 12. 1990, sei es in Anwendung des § 71 ASGG - eine Bemessungsgrundlage von 187.460,-- S herangezogen habe, könne sich die Klägerin dadurch nicht beschwert erachten. Diese Bemessungsgrundlage sei für die Klägerin jedenfalls günstiger und daher im weiteren Verfahren zu unterstellen. § 182 ASVG sei nicht anzuwenden, weil nicht zu erkennen sei, dass die Klägerin im Vergleich zu anderen Lehrlingen zum Unfallszeitpunkt in irgendeiner Form unbillig benachteiligt worden wäre. Nach ständiger Rechtsprechung stehe dem Versicherten gegen den Versicherungsträger kein Anspruch auf die Zahlung von Verzugszinsen wegen verspäteter Leistung zu. Ein solcher Anspruch könne auch aus gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen oder aus Art 14 EMRK nicht abgeleitet werden. Im Ergebnis sei die Berufung nicht berechtigt. Allerdings sei die im bekämpften Bescheid enthaltene gemäß § 71 Abs 2 ASGG als unwiderruflich anerkannt anzusehende Leistungsverpflichtung in den Urteilsspruch ebenso aufzunehmen gewesen wie die vom Erstgericht ohne Zweifel gewollte Abweisung des Mehrbegehrens der Klägerin, und zwar einerseits bezogen auf die Bemessungsgrundlagen und andererseits auf Zuerkennung einer auf Grund der von der Klägerin angesetzten, höheren Versehrtenrente als jener, die die beklagte Partei im bekämpften Bescheid zuerkannt habe.
Die Klägerin bekämpft mit ihrer Revision diese Entscheidung in ihrem abweisenden Teil sowie im Kostenpunkt wegen Mangelhaft des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem auf Klagestattgebung im vollen Umfang gerichteten Abänderungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig, soweit damit die Entscheidung des Berufungsgerichtes über den Kostenpunkt bekämpft wird. Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt weder im Rahmen der Revision noch mit Rekurs bekämpft werden. Dies gilt auch in Sozialrechtssachen (SSV-NF 8/115; 10 ObS 340/01z uva).
Im Übrigen ist die Revision nicht berechtigt.
1.) Die beklagte Partei macht geltend, es sei auf die bereits in Sachen Versehrtenrente der Klägerin ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. 8. 1998, 10 ObS 231/98p, Bedacht zu nehmen. In dieser Entscheidung sei ausgesprochen worden, dass selbst für den Fall, dass die beklagte Partei im neuen Bescheid für den Zeitraum vom 1. 10. 1978 bis 14. 9. 1987 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin von 50 vH zugrundelegen würde, die Klägerin keine Aufhebung oder Abänderung der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren (des Erstgerichtes) zu 35 Cgs 1/90 erreichen könne. Daher rege die beklagte Partei an, die angefochtene Entscheidung auf (Teil-)Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zu prüfen. Zu ergänzen sei, dass die beklagte Partei den neuen Bescheid in billiger Berücksichtigung der Besonderheit des Falles aus eigener Entscheidung ohne Zeitraumbegrenzung erteilt habe und es sehr fraglich sei, ob und inwieweit der Klägerin angesichts der bereits in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen weiterhin der gerichtliche Rechtsweg eröffnet sei.
Zunächst ist festzuhalten, dass das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem klagestattgebenden Teil mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist. Diese bereits eingetretene Teilrechtskraft (§§ 504 Abs 1, 505 Abs 3 ZPO) hindert, in Ansehung des unangefochtenen Teiles den behaupteten Nichtigkeitsgrund oder andere Nichtigkeitsgründe von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0041333).
Mit Beschluss vom 18. 8. 1998, 10 ObS 231/98p, hat der Oberste Gerichtshof die Zurückweisung der auf Wiederaufnahme des Verfahrens des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht, 35 Cgs 1/90, gerichtete Klage der Klägerin bestätigt. In diesem Beschluss wurde unter anderem ausgeführt, dass das von der Wiederaufnahmsklage erfasste Verfahren, das ausschließlich die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin seit dem 14. 9. 1987 betroffen habe, vom als Wiederaufnahmegrund geltend gemachten Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 18. 11. 1997, mit dem der seinerzeit in Rechtskraft erwachsene Bescheid der beklagten Partei vom 9. 4. 1980 gemäß § 101 ASVG behoben worden sei und der bloß den Zeitraum bis zum 14. 9. 1987 betroffen habe, nicht berührt sein könne. Selbst für den Fall, dass die beklagte Partei daher im neuen Bescheid eine Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin von 50 vH (für den Zeitraum 1. 10. 1978 bis 14. 9. 1987) zugrundelegen würde, könnte die Klägerin damit eine Aufhebung oder Abänderung der gerichtlichen Entscheidungen im Verfahren 35 Cgs 1/90 nicht erreichen.
Mit dem Bescheid vom 9. 2. 1999, der der nunmehrigen Klage zugrundeliegt, hat die beklagte Partei gemäß § 101 ASVG den Bescheid vom 9. 4. 1980 richtig gestellt und der Klägerin für die Zeit vom 25. 11. 1978 bis über den 1. 1. 1999 hinaus eine Versehrtenrente zuerkannt, ohne den vom Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. 5. 1990, 35 Cgs 1/90, umfassten Rentenzeitraum ab dem 15. 9. 1987 auszunehmen.
Der damit "Rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes bei Geldleistungen" überschriebene § 101 ASVG bestimmt, dass der gesetzliche Zustand herzustellen ist, wenn sich nachträglich ergibt, dass eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, und zwar mit der Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtums oder Versehens. Nach § 101 ASVG können Bescheide des Sozialversicherungsträgers zu Gunsten des Berechtigten bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ohne weiteres berichtigt werden. Hingegen ist § 101 ASVG nicht auf Leistungsfeststellungen von Gerichten anzuwenden (VfSlg 13.824). Die Entscheidung, ob der gesetzliche Zustand wegen eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens herzustellen ist, ist eine Verwaltungssache im Sinne des § 355 ASVG (SZ 62/117 = SSV-NF 3/76; RIS-Justiz RS0084076 und RS0084088), die Herstellung dieses Zustandes selbst ist hingegen eine Leistungssache im Sinne des § 354 Abs 1 ASVG und damit eine Sozialrechtssache im Sinne des § 65 Abs 1 Z 1 ASGG (VfSlg 13.824). Der neue Leistungsbescheid eröffnet daher dem Leistungswerber die Klage (§ 67 ASGG); im Umfang des Klagebegehrens wird der neue Leistungsbescheid wieder beseitigt (§ 71 Abs 1 ASGG).
Die beklagte Partei hat mit dem Bescheid vom 9. 2. 1999 als Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG eine Versehrtenrente auch für den vom Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht betroffenen Zeitraum ab dem 15. 9. 1987 zugesprochen bzw für den vom Bescheid vom 4. 12. 1990 betroffenen Zeitraum vom 15. 9. 1987 bis 21. 9. 1988 neu (höher) bemessen. Ob der Bescheid vom 9. 2. 1999 für den Zeitraum ab 15. 9. 1987 zu Recht oder zu Unrecht ergangen ist, ist hier nicht zu beurteilen. Die Erlassung dieses Bescheides eröffnete der Klägerin jedenfalls die Klagemöglichkeit nach § 67 ASGG auch für den Zeitraum ab 15. 9. 1987. Die "Anregung" der beklagten Partei, die angefochtene Entscheidung auf (Teil-)Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zu prüfen, ist daher nicht begründet. Das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. 5. 1990 begründet auch nicht das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache (§ 411 Abs 2 ZPO; SSV-NF 5/107). Der Bescheid vom 4. 12. 1990 wurde durch den Bescheid vom 9. 2. 1999 abgeändert. Mit Erlassung dieses Bescheides ist der Bescheid vom 4. 12. 1990 außer Kraft getreten und wurde auch durch die mit der vorliegenden Klage bewirkten Beseitigung des Bescheides vom 9. 2. 1999 nicht wieder wirksam (§ 71 Abs 1 zweiter Halbsatz ASGG).
2.) Soweit sich die Revision gegen die Abweisung des auf Feststellung höherer Bemessungsgrundlagen gerichteten Klagebegehrens richtet, ist sie schon deshalb nicht berechtigt, weil die Höhe der Bemessungsgrundlage nur eine Vorfrage für die Rentenhöhe bildet und somit allein nicht feststellungsfähig ist (10 ObS 71/02t; 10 ObS 314/01a). Wenn die Vorinstanzen dennoch Bemessungsgrundlagen spruchmäßig feststellten, so kann dies vom Obersten Gerichtshof nicht korrigiert werden, weil insoweit die Urteile der Vorinstanzen in Teilrechtskraft erwachsen sind.
Die geltend gemachten Mangelhaftigkeiten (§ 503 Z 2 ZPO) liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit in der Revision auf den Inhalt der Berufungsschrift verwiesen wird, sind diese Verweisungen für den Obersten Gerichtshof unbeachtlich (RIS-Justiz RS0043579).
Im Revisionsverfahren ist in der Hauptsache nur die Frage der Bemessungsgrundlage strittig.
Die Meinung der Klägerin, die Höchstbemessungsgrundlage nach § 45 ASVG habe auf die "Bemessungsgrundlage bei der Ermittlung der Versehrtenrente keinen Einfluss und der Gesetzgeber habe diesbezüglich keine Beschränkung vorgesehen", steht im Widerspruch zum Gesetz (§ 178 Abs 2 ASVG, der im vorliegenden Fall in der vor der 60. ASVG-Novelle geltenden Fassung anzuwenden ist [§ 600 Abs 9 ASVG]). Nach § 178 Abs 2 ASVG aF beträgt nämlich die Bemessungsgrundlage für die Geldleistungen aus der Unfallversicherung jährlich höchstens das 360-fache der täglichen Höchstbeitragsgrundlage in der Unfallversicherung (§ 45 Abs 1 ASVG) zuzüglich allfälliger nach § 179 ASVG zu berücksichtigender Sonderzahlungen.
Im Unfallszeitpunkt war die Klägerin 16 Jahre alt und im zweiten Lehrjahr. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass bei einem Lehrling die ihm bis zum Zeitpunkt des voraussichtlichen Endes der Lehrausbildung gebührende Leistung nach § 179 ASVG (der im vorliegenden Fall in der vor der 60. ASVG-Novelle geltenden Fassung anzuwenden ist [§ 600 Abs 9 ASVG]) und für die Zeit danach gemäß § 180 Abs 1 ASVG zu bemessen ist, entspricht der Rechtsprechung (SSV-NF 12/59) und Lehre (Tomandl in Tomandl, SV-System 15. Erg-Lfg 326). Dagegen wird in der Revision nichts Stichhältiges ausgeführt. Behauptet wird bloß, dass für den gesamten Rentenzeitraum die Bemessungsgrundlage nach § 182 ASVG zu bilden gewesen wäre. Für den Lehrling bedeutet die Anwendung des § 179 ASVG, dass für die Bemessung der Leistung bis zum voraussichtlichen Ende der Lehrzeit das Lehrlingsentgelt heranzuziehen ist (SSV-NF 12/59). Die Revision rügt nicht die rechnerische Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Rentenzeitraum bis zum voraussichtlichen Ende der Lehrausbildung durch die Vorinstanzen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Um die Unterversorgung junger Unfallopfer zu vermeiden, stellte der Gesetzgeber für sie in § 180 ASVG eine besondere Bemessungsgrundlage zur Verfügung. Erfolgte der Unfall während der Dauer der Berufs- oder Schulausbildung, wird von dem Zeitpunkt, in dem die begonnene Ausbildung voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre, die Bemessungsgrundlage jeweils nach der Beitragsgrundlage errechnet, die für Personen gleicher Ausbildung durch Kollektivvertrag festgesetzt ist oder sonst von ihnen in der Regel erreicht wird; hiebei sind solche Erhöhungen der Beitragsgrundlage nicht zu berücksichtigen, die der Versicherte erst nach Vollendung seines 30. Lebensjahres erreicht hätte. Diese Regeln gelten (nach Abs 2) sinngemäß auch für andere Versicherte - ausgenommen Schüler und Studenten -, die vor der Vollendung ihres 30. Lebensjahres verunfallt sind, sofern dies für sie günstiger ist.
Der hier anzuwendende § 180 Abs 1 ASVG normiert also eine Ausnahme von dem im § 179 ASVG enthaltenen Grundsatz, dass bei der Errechnung der Bemessungsgrundlage die Verdienstverhältnisse vor dem Unfall maßgeblich bleiben und insofern die Berücksichtigung zukünftiger Erwerbsmöglichkeiten ausgeschlossen wird (SSV-NF 12/59). Wie der erkennende Senat in dieser Entscheidung ausgesprochen hat, handelt es sich bei der Textierung "Beitragsgrundlage, die von Personen gleicher Ausbildung in der Regel erreicht wird" um eine Beitragsgrundlage, die von Ausnahmen abgesehen von allen Versicherten gleicher Ausbildung erreicht wird. Das kann bei der durch den Kollektivvertrag festgesetzten Beitragsgrundlage angenommen werden. Erst wenn die Anwendung eines Kollektivvertrages nicht möglich ist, wird auf das Einkommen Bedacht genommen, das von Personen gleicher Ausbildung "sonst in der Regel erreicht wird". Bestehen Kollektivverträge und können diese angewendet werden, so wird bei einem Lehrling nach dem voraussichtlichen Ende der Lehrzeit für die Bemessungsgrundlage jener Verdienst maßgebend, der nach Beendigung der Berufsausbildung im ersten Jahr der Berufstätigkeit im Lehrberuf kollektivvertraglich vorgesehen ist, nicht aber jener Verdienst, der tatsächlich oder später in einer anderen Verwendungsgruppe erzielt wird. Auf Grund dieser Bemessungsgrundlage wird dann die gebührende Versehrtenrente nach den kollektivvertraglich vorgesehenen Erhöhungen dieses Verdienstes bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Versehrten neu berechnet. Sieht ein Kollektivvertrag nach Erreichen des Lehrabschlusses mehrere Lohngruppen vor, zu deren Einstufung einige besondere Qualifikationen erforderlich sind, dann kann als Bemessungsgrundlage nur jene kollektivvertragliche Einstufung herangezogen werden, die keine besonderen Anforderungen an die persönlichen Fähigkeiten stellt, weil nur für diese Bemessungsgrundlage gewährleistet ist, dass sie für alle Personen gleicher Ausbildung in Betracht kommt. Jene Einstufungskriterien, die besondere Merkmale voraussetzen (wie große Fachkenntnisse und Fähigkeiten, Erfahrungen und entsprechende Verantwortung), sind an das Vorliegen dieser individuellen Eigenschaften von Versicherten geknüpft, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie von allen Personen gleicher Ausbildung erreicht werden. Aus dem Wortlaut des § 180 Abs 1 ASVG ergibt sich, dass auf die "sonst in der Regel" erreichten Einkommen nicht zurückgegriffen werden kann, wenn die Anwendung eines Kollektivvertrages möglich ist. Auch darin zeigt sich die im Unfallsversicherungsrecht geltende abstrakte Schadensberechnung. Von diesen in der Entscheidung SSV-NF 12/59 ausgesprochenen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Die Revision setzt sich mit dieser Rechtsprechung nicht auseinander. Sie wendet sich bloß gegen die Heranziehung der Mindestgehälter in der Verwendungsgruppe III des Kollektivvertrages der Angestellten im Gewerbe und macht im Übrigen geltend, dass auch für den Rentenzeitraum ab dem voraussichtlichen Ende der Lehrzeit im vorliegenden Fall die Bemessungsgrundlage nach § 182 ASVG zu bilden sei.
Gegen die Anwendung des von den Vorinstanzen herangezogenen Kollektivvertrages wendet sich die Klägerin mit dem Argument, wenn überhaupt ein Kollektivvertrag anwendbar sei, dann jener für die Angestellten in der Textilindustrie. Der Beruf einer Textilmusterzeichnerin werde nämlich hauptsächlich in Betrieben der Textilindustrie ausgeübt. Sie verweist dazu auf das vom Arbeitsmarktservice herausgegebene Berufslexikon (Ausgabe 1997, S 456). Dort heißt es unter "Beschäftigungsmöglichkeiten":
"Textilmusterzeichner sind in Mittel- und Großbetrieben der Textilindustrie (vor allem in der Weberei) und in gewerblichen Ateliers oder Musteragenturen beschäftigt." Wenn das Berufungsgericht unter Bedachtnahme darauf, dass die Lehrausbildung der Klägerin in einem Gewerbebetrieb erfolgte und Textilmusterzeichner - deren Qualifikation als Angestellte ist nicht strittig - auch in gewerblichen Ateliers und Musteragenturen beschäftigt werden, den Kollektivvertrag für die Angestellten im Gewerbe für anwendbar erachtete, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden, weil nur so die Beitragsgrundlage gewährleistet ist, die für alle Personen gleicher Ausbildung in Betracht kommt. Zu billigen ist auch die unter Berücksichtigung der in der Entscheidung SSV-NF 12/59 ausgesprochenen Grundsätze von den Vorinstanzen vorgenommene Einstufung in die Verwendungsgruppe III des angewandten Kollektivvertrages nach den in diesem genannten, vom Berufungsgericht widergegebenen Einstufungskriterien.
Kann die Bemessungsgrundlage nach den §§ 179 bis 181b ASVG nicht errechnet werden oder würde ihre Errechnung nach diesen Bestimmungen eine Unbilligkeit bedeuten, so ist sie gemäß § 182 ASVG nach billigem Ermessen festzustellen. Hiebei ist außer den Fähigkeiten, der Ausbildung und der Lebensstellung des Versicherten seine Erwerbstätigkeit zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles oder, soweit er nicht gegen Entgelt tätig war, eine gleichartige oder vergleichbare Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen. Die Erwägungen bezüglich der Billigkeit sind grundsätzlich unter dem Aspekt anzustellen, dass die Bemessungsgrundlage ein Spiegel der wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten im letzten Jahr vor dem Unfall sein soll (10 ObS 120/02a). Stehen - wie hier - Grundlagen für die Errechnung der Bemessungsgrundlage nach den §§ 179 bis 181b ASVG zur Verfügung, kann die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach § 182 ASVG nur einen Ausnahmefall bilden (SSV-NF 12/71; 15/120; RIS-Justiz RS0110094).
Die Ansicht der Klägerin, sie sei einem Versicherten gleichzuhalten, der nicht gegen Entgelt tätig gewesen sei, weil ihre Lehrlingsentschädigung im ersten Lehrjahr gering gewesen sei, übersieht die Bestimmungen der §§ 49 Abs 1, 179 und 180 ASVG und ist unzutreffend. Die Anwendbarkeit des § 182 ASVG begründet die Klägerin damit, dass der Beruf einer Textilzeichnerin ein kreativer Beruf und die Klägerin dafür sehr begabt gewesen sei. Die Unbilligkeit liege darin, dass die nach den §§ 179 bis 181b ASVG ermittelte Bemessungsgrundlage im Verhältnis zu jenem Einkommen, das sie ohne Unfall beim normalen Lauf der Dinge erzielt hätte, wesentlich niedriger sei.
Dem kann nicht gefolgt werden. Wie schon erwähnt, kann die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach § 182 ASVG nur einen Ausnahmsfall bilden, wenn die Grundlagen für die Errechnung der Bemessungsgrundlage nach den §§ 179 bis 181b ASVG zur Verfügung stehen. Die Billigkeitsklausel ist nur sehr restriktiv anzuwenden, weil sonst die grundlegenden Bestimmungen der §§ 179 bis 181b ASVG für die Berechnung einer Bemessungsgrundlage ihre Maßgeblichkeit verlieren würden (Gahleitner, ZAS 1991, 175 [177]). Mit den Argumenten der Klägerin lässt sich eine Festsetzung der Bemessungsgrundlage nach billigem Ermessen für den Rentenzeitraum bis zum voraussichtlichen Ende der Lehrausbildung nicht begründen, entspräche doch die von der Klägerin angestrebte Bemessungsgrundlage nicht ihrer Gesamtsituation im Unfallszeitpunkt. Die Versehrtenrente nach dem ASVG soll dem Ausgleich des durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Schadens dienen. Vor allem in der Bildung der Bemessungsgrundlage kommt zum Ausdruck, dass das Gesetz den eintretenden Verdienstentfall zwar anvisiert. Die hier vorgenommene abstrakte Schadensberechnung bedeutet in Fällen leichterer Körperschäden allerdings meist nur den Ausgleich von Erschwernissen, künftigen Berufsunsicherheiten und des Verschleißes an körperliche Substanz, weil Leichtversehrte in aller Regel voll weiter arbeiten und keinen Vermögensschaden erleiden. Schwerversehrte erhalten demgegenüber wegen der Berechnungsformel und der Bemessungshöchstgrenze nicht einmal immer den tatsächlichen Verdienstentgang ersetzt; die Beeinträchtigung künftiger Aufstiegschancen wird durch die Versehrtenrente nicht entschädigt (Tomandl in Tomandl, SV-System, 13 Erg-Lfg 330/2). Unter Bedachtnahme darauf, dass § 182 ASVG restriktiv anzuwenden ist und auf die Gesamtsituation des Verunfallten im Unfallszeitpunkt abstellt, der Gesetzgeber zur Vermeidung der Unterversorgung junger Unfallopfer im § 180 ASVG besondere Vorkehrungen getroffen hat und so zukünftige Erwerbsmöglichkeiten im beschränkten Umfang ausnahmsweise berücksichtigt, die Versehrtenrente die Beeinträchtigung künftiger Aufstiegschancen nicht entschädigt, bedeutet es im vorliegenden Fall keine Unbilligkeit, wenn von den nach den hier maßgeblichen §§ 179, 180 Abs 1 ASVG gebildeten Bemessungsgrundlagen ausgegangen und nicht eine Bemessungsgrundlage ausgehend von einem höheren hypothetischen Einkommen der Klägerin nach dem Ende ihrer Lehrzeit gebildet wird. Die Anregung, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften "zu den EU-rechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Bemessungsgrundlage" einzuholen, wird in der Revision nicht begründet, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist (vgl im Übrigen SZ 71/186).
3.) Die Klägerin stützt ihr Zinsenbegehren darauf, dass die beklagte Partei mit Bescheid vom 9. 4. 1980 einen Anspruch auf Versehrtenrente abgewiesen habe, ohne eine ordnungsgemäße Gesamtbegutachtung veranlasst zu haben. Die Klägerin habe daher Anspuch auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die schuldhaft verspätete Liquidierung der Versehrtenrente verursacht worden sei. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates, dass der Ersatz eines Verzögerungsschadens nicht Gegenstand der Sozialrechtssachen nach § 65 ASGG ist (10 ObS 206/01v mwN; Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 219). Gegen diese Rechtsauffassung führt die Revision nichts aus.
Der erkennende Senat verneint ferner in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch des Versicherten gegen den Versicherungsträger auf Zahlung gesetzlicher Verzugszinsen (RIS-Justiz RS0031982 und RS0031997). In der Entscheidung SSV-NF 8/51 hat der Oberste Gerichtshof ausführlich begründet, weshalb er eine planwidrige Unvollständigkeit des ASVG, das eine Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen für Versicherungsleistungen nicht vorsieht, und deshalb eine analoge Anwendung des § 1333 ABGB verneint. An dieser Auffassung hielt er auch - entgegen der Kritik von Fink, aaO 220 ff - in späteren Entscheidungen fest (vgl 10 ObS 14/97z = ARD 4843/31/97). Die Revisionswerberin meint, diese Rechtsprechung sei im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 20. 6. 1994, G 85/93 (VfSlg 13796), überholt. Die in § 59 ASVG normierten Verzugszinsen seien wegen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auch für die verspätete Liquidierung der Versehrtenrente anzuwenden. Andernfalls würde der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Schon nach analoger Heranziehung des § 1333 ABGB sei zumindest ein Teil des Zinsenbegehrens berechtigt.
Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen:
§ 59 Abs 1 ASVG normiert, dass der Beitragsschuldner im Fall der Säumnis Verzugszinsen zu leisten hat. § 69 Abs 1 ASVG regelt die Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge. Eine Verpflichtung zur Verzinsung von Beiträgen, die zu Unrecht vereinnahmt und daher zurückzuzahlen sind, wird in dieser Regelung nicht angeordnet. In seinem oben genannten Erkenntnis führte der Verfassungsgerichtshof aus, er müsse aus Rechtsschutzgründen im Bestreben, eine verfassungskonforme Lösung zu erzielen, die in seiner Vorjudikatur niedergelegte Auffassung revidieren, dass § 69 Abs 1 ASVG vor dem Hintergrund des § 59 Abs 1 leg cit eine abschließende Regelung sei. Er gehe nunmehr davon aus, dass § 69 Abs 1 ASVG hinsichtlich der Frage der Verzinsung eine Lücke enthalte, die durch Analogie zu schließen sei. Demnach seien im Fall der Verpflichtung zur Rückleistung zu Unrecht vereinnahmter Beiträge für die wegen mangelnden Rechtsgrundes zurückzuerstattenden Geldsummen Vergütungszinsen, denen bereicherungsrechtlicher Charakter zukomme, in Höhe der gesetzlichen Zinsen zu leisten.
Dieses Erkenntnis trifft demnach keine Aussage zur Frage einer planwidrigen Unvollständigkeit des ASVG, wenn dieses im Leistungsrecht Verzugszinsen nicht vorsieht. Die in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung des Obersten Gerichtshofs, dass der Gesetzgeber einen Anspruch auf Verzugszinsen für Versicherungsleistungen bewusst nicht einräumen wollte und dies unter dem Blickwinkel des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes keinen Bedenken begegnet, ist daher durch dieses Erkenntnis weder überholt noch in Frage gestellt. Der Oberste Gerichtshof hat schon in der vor dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ergangenen Entscheidung SSV-NF 8/51 begründend ausgeführt, es sei nicht willkürlich, wenn der Gesetzgeber in § 59 ASVG Verzugszinsen für rückständige Beitragsleistungen normiere, nicht aber bei Säumigkeit mit der Erbringung von Sozialversicherungsleistungen. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs und die Ausführungen der Revisionswerberin geben keinen Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen, besteht doch zwischen der Aufbringung der Mittel der Unfallversicherung und dem Leistungsrecht der Unfallversicherung kein derart enger sachlicher Zusammenhang wie er zwischen der Zahlung von Beitragsschulden und der Rückleistung bezahlter, aber nicht geschuldeter Beiträge besteht. Schließlich findet die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine weitere Stütze darin, dass § 107 ASVG, der unter anderem die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen regelt, die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen nicht vorsieht. Schließlich gibt es keine gemeinschaftsrechtliche Norm, die einen Verzugszinsenanspruch der Klägerin begründen könnte. Das europäische Sozialrecht soll nicht ein einheitliches sozialrechtliches Sachrecht hervorbringen: Das Gemeinschaftsrecht läßt vielmehr das sozialrechtliche Sachrecht der Mitgliedstaaten - jedenfalls grundsätzlich - unberührt. Der Gemeinschaft steht keine allgemeine Rechtssetzungsbefugnis für das sozialrechtliche Sachrecht zu, weshalb sie auch nicht eine Harmonisierung der Sozialleistungssysteme schaffen kann (SSV-NF 11/18; SZ 71/186 = SSV-NF 12/145; SSV-NF 15/76). Das Primärrecht verpflichtet keinen Mitgliedstaat, bestimmte Sozialleistungen vorzusehen (SZ 71/186). Weder in der Richtlinie 79/7 EWG des Rates vom 19. 12. 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit noch in der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 findet sich - entgegen der nicht weiter begründete Meinung der Revisionswerberin - eine Norm, wonach bei Säumigkeit mit der Erbringung von Versicherungsleistungen Verzugszinsen geschuldet werden. In den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 6. 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl Nr L 200 vom 8. 8. 2000, fallen nur alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind (Artt 1 und 2 der Richtlinie), wozu sozialrechtliche Versicherungsleistungen zweifelsfrei nicht zählen.
Für die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften "zu den EU-rechtlichen Bestimmungen zum Zinsenbegehren" besteht kein Anlass.
4.) Die Anberaumung einer mündlichen Revisionsverhandlung steht im Ermessen des Obersten Gerichtshofes (SZ 66/97). Ein Anlass dazu ist jedoch im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
5.) Die Replik der Klägerin auf die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei war zurückzuweisen, weil jede Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zusteht. Weitere Äußerungen dazu sind nicht vorgesehen (RIS-Justiz RS0041666).
6.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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