OGH 10ObS162/16w

OGH10ObS162/16w24.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Schramm und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Cadilek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei O*****, Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Dr. Axel Reckenzaun, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Pflegegeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 10. November 2016, GZ 7 Rs 39/16h‑22, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00162.16W.0124.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bosnien und Herzegowina und begehrt die Zuerkennung von Pflegegeld. Die rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts, dass der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt, weil er weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 3 Abs 1 BPGG) noch im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit hat (dazu EuGH Rs C‑215/99, Jauch ; 10 ObS 103/01x, SSV‑NF 15/56 ua), sind zutreffend und werden vom Revisionswerber nicht in Frage gestellt.

2. Die Vorinstanzen haben auch zutreffend darauf verwiesen, dass der Oberste Gerichtshof bereits mit ausführlicher Begründung darlegte, dass gegen § 3 Abs 1 BPGG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (10 ObS 144/12t, SSV‑NF 26/74).

3.1 Der Revisionswerber macht geltend, dass sich sein Anspruch aus Art 18 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN‑Behindertenrechtskonvention, Convention On The Rights Of Persons With Disabilities, CRPD, BGBl III 2008/155) und Art 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ergebe, weil diesen völkerrechtlichen Bestimmungen der Vorrang gegenüber der Bundesverfassung und den einfachen Gesetzen der Republik Österreich zukomme. Er zeigt damit keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts auf.

3.2 Gemäß Art 18 CRPD anerkennen die Vertragsstaaten das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Freizügigkeit, auf freie Wahl ihres Aufenthaltsorts und auf eine Staatsangehörigkeit. Gemäß Art 4 CRPD verpflichten sich die Vertragsstaaten, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten ua, alle geeigneten Gesetzgebungs‑, Verwaltungs‑ und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in der UN‑Behindertenrechtskonvention anerkannten Rechte zu treffen (Art 4 Abs 1 lit a CRPD). Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, dass der Nationalrat anlässlich der Ratifikation gemäß Art 50 Abs 2 Z 3 B‑VG (seit der Verwaltungsgerichts‑Novelle 2012, BGBl I 2012/51: Art 50 Abs 2 Z 4 B‑VG) beschlossen hat, dass die UN‑Behindertenrechtskonvention durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist. Es bedarf also der Erlassung von Transformationsnormen, um dem Übereinkommen auch innerstaatlich zur Wirksamkeit zu verhelfen (3 Ob 97/13f mwN). Solche Normen wurden bisher nicht erlassen (7 Ob 135/14z, iFamZ 2015/26, 34 [ Ganner ]; 7 Ob 134/14b, SZ 2014/101). Staatsverträge, die durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen sind, haben (zunächst) keine innerstaatlichen Rechtswirkungen; sie sind nicht unmittelbar anwendbar, begründen keine subjektiven Rechte und können auch nicht Maßstab für die Rechtmäßigkeit eines anderen Rechtsakts sein (3 Ob 65/11x SZ 2011/106; 4 Ob 223/08k; Mayer/Muzak , Bundes‑Verfassungsrecht 5 Art 50 B‑VG Anm II.3 mwH). Zutreffend ist das Berufungsgericht daher zu dem Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber seinen Anspruch nicht auf die UN‑Behindertenrechtskonvention stützen kann.

3.3 Der Hinweis des Revisionswerbers auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist schon deshalb nicht zielführend, weil aus dieser nicht unmittelbar Rechte des Einzelnen abgeleitet werden können (3 Ob 2088/96x mwH).

Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht zu erkennen. Die außerordentliche Revision war daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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