OGH 3Ob97/13f

OGH3Ob97/13f15.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der H*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betroffenen Person, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 4. April 2013, GZ 2 R 92/13i‑21, womit infolge Rekurses der betroffenen Person der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 11. März 2013, GZ 21 P 92/13p‑15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00097.13F.0515.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der betroffenen Person wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 11. März 2013 (ON 15) ausgesprochen, dass das Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für die am 13. August 1927 geborene Betroffene geprüft wird, fortgesetzt wird. Die Betroffene scheine nach dem Ergebnis der Erstanhörung am 6. März 2013 nicht in der Lage, alle ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen.

Gegen diesen Beschluss erhob die Betroffene, vertreten durch einen frei gewählten Rechtsvertreter, Rekurs und verwies auf eine ‑ dem Gericht allerdings nicht vorliegende ‑ Vollmacht bzw Vorsorgevollmacht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Nach § 268 Abs 2 ABGB dürfe ein Sachwalter unter anderem dann nicht bestellt werden, wenn durch eine ‑ im Stadium der Geschäftsfähigkeit erteilte ‑ Vollmacht, besonders durch eine Vorsorgevollmacht, für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt sei. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips schließe die Vorsorgevollmacht die Bestellung eines Sachwalters regelmäßig aus. Eine Ausnahme vom Subsidiaritätsprinzip enthalte § 284g ABGB, wonach ausnahmsweise dann ein Sachwalter zu bestellen sei, wenn der Bevollmächtigte das Wohl des Vollmachtgebers gefährde. Nur bei einem festgestellten Überwachungsbedarf komme die Bestellung eines Sachwalters trotz Erteilung einer Vorsorgevollmacht in Frage.

Im fortgesetzten Verfahren werde (auch) die behauptete Erteilung einer (Vorsorge‑)Vollmacht zu prüfen sein, weiters auch die Frage, ob die Betroffene im Zeitpunkt ihrer Erteilung noch geschäftsfähig gewesen sei. Bei festgestelltem Überwachungsbedarf komme auch trotz der erteilten Vollmacht eine gerichtliche Kontrolle durch Bestellung eines Sachwalters in Betracht. Im vorliegenden Fall werde zu überprüfen sein, ob ein Schutzbedürfnis der Betroffenen gegeben und für ihr Wohl die Bestellung eines Sachwalters erforderlich sei. Die bereits nunmehr aktenkundigen, in diese Richtung weisenden Umstände würden die Fortsetzung des Verfahrens rechtfertigen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen geht auf diese Ausführungen zur Fortsetzung des Verfahrens inhaltlich nur peripher ein und verweist in erster Linie darauf, dass Österreich Vertragsstaat der UN‑Behindertenrechtskonvention sei und dass „sämtliche Bestimmungen des Sachwalterschaftsverfahrens bzw SWRÄG dem Art. 12 der UN‑Behindertenkonvention“ widersprächen. Die Bestellung eines Sachwalters stelle eine unzulässige Einschränkung der durch die Konvention gewährten Rechte dar. „Österreich ... [habe] … die Bestimmungen der UN‑Behindertenrechtskonvention vorrangig vor nationalem Recht zu beachten“ und sei verpflichtet, „ihre nationale Gesetzgebung“ den höherrangigen völkerrechtlichen Bestimmungen entsprechend anzupassen. Das Rekursgericht habe die UN‑Behindertenrechtskonvention schlichtweg ignoriert. Diese Haltung sei „insbesondere im Hinblick auf den Stufenbau der Rechtsordnung mehr als problematisch“. Richtigerweise wäre auch festzustellen gewesen, dass die Betroffene eine Vorsorgevollmacht ausgestellt habe und dass die beiden Vollmachtsnehmer in der Lage seien, einen Unterstützungskreis zu bilden, wie er in der UN‑Behindertenrechtskonvention vorgesehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.

Es ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht das Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für die Betroffene geprüft hat, fortgesetzt hat. Das Rekursgericht hat die Notwendigkeit der Prüfung bestätigt und darauf hingewiesen, dass in die Prüfung auch das mögliche Vorhandensein einer (Vorsorge‑)Vollmacht einzubeziehen sei. Diese Vorgangsweise entspricht ‑ wie auch die Betroffene nicht bestreitet ‑ der österreichischen Rechtslage, so wie sie aufgrund der nationalen Gesetzgebung besteht. Demnach ist iSd § 284g ABGB ausnahmsweise auch dann, wenn die betroffene Person rechtsgültig Vorsorgevollmacht erteilt hat, ein Sachwalter zu bestellen, wenn nach entsprechenden Erhebungen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass für den Betroffenen Nachteile durch die Besorgung seiner Angelegenheiten durch den Bevollmächtigten zu besorgen sind (3 Ob 68/10m; RIS‑Justiz RS0123430 [T2]; vgl auch RIS‑Justiz RS0124290).

Anlässlich der Ratifikation der UN‑Behindertenrechtskonvention hat der Nationalrat gemäß Art 50 Abs 2 Z 3 B-VG beschlossen, dass das Übereinkommen durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist (BGBl III 2008/155). Es bedarf also der Erlassung von Transformationsnormen, um dem Übereinkommen auch innerstaatlich zur Wirksamkeit zu verhelfen (siehe etwa Schauer, Das UN-Übereinkommen über die Behindertenrechte und das österreichische Sachwalterrecht. Auswirkungen und punktueller Anpassungsbedarf, iFamZ 2011, 258). Die von der Betroffenen im Rechtsmittel vertretene Ansicht (ebenso etwa Buchner, „Meine Wünsche sollen ernstgenommen werden!“, iFamZ 2009, 120 [122 f]), das Übereinkommen schließe laut seinem Art 12 jegliche Vertretung von Menschen mit Behinderung aus, hat sich im Übrigen nicht durchgesetzt (siehe bspw Ganner/Barth, Die Auswirkungen der UN‑Behindertenrechtskonvention auf das österreichische Sachwalterrecht, BtPrax 2010, 204 [206]).

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs der Betroffenen zurückzuweisen.

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