OGH 10Ob57/06i

OGH10Ob57/06i24.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga K*****, Pflegehelferin, *****, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. W***** Rechtsanwälte OEG, *****, vertreten durch Dr. Regina Mayrhauser, Rechtsanwältin in Wien, 2. Dr. Regina M*****, Rechtsanwältin, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, und 3. Mag. Thomas S*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Mag. Dr. Kurt Schick, Rechtsanwalt in Mistelbach, wegen EUR 84.000,-- s.A. und Feststellung (EUR 10.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 2. Mai 2006, GZ 15 R 67/06t-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Jänner 2006, GZ 57 Cg 58/05a-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin wurde am 10. 12. 1998 im Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus M***** (AÖKH M*****) zwecks Entfernung eines Knotens in der linken Brust von Primar Dr. Georg R***** operiert. Obwohl nach Auffassung der Klägerin mit Primar Dr. R***** vor der Operation zumindest primär nur die Entfernung des Knotens in der linken Brust vereinbart worden war, wurden ihr im Wege einer Radikaloperation die linke Brust und die Lymphknoten im Bereich der linken Achselhöhle entfernt. Sie war nach der Operation der Meinung, dass diese Maßnahmen nicht von ihrer Einwilligung gedeckt gewesen seien und sie vor dem gegenständlichen Eingriff nur unzureichend über Risiken, Folgen und Komplikationen der Operation sowie bestehende Alternativmöglichkeiten aufgeklärt worden sei, weshalb es sich ihrer Meinung nach um einen unzulässigen rechtswidrigen Eingriff in ihre körperliche Integrität gehandelt habe. Sie beabsichtigte aus diesem Grund Schadenersatzansprüche (insbesondere Schmerzengeld und Verdienstentgangsentschädigung) gegenüber dem AÖKH M***** bzw Primar Dr. R***** geltend zu machen.

Anfang Dezember 2001 beauftragte sie zunächst den drittbeklagten Rechtsanwalt mit der Geltendmachung ihrer Schadenersatzansprüche. Bei einer Besprechung am 6. Dezember 2001 in dessen Kanzlei wurde die Klägerin informiert, dass im Hinblick auf den Operationstermin 10. 12. 1998 ihre Schadenersatzansprüche mit 10. 12. 2001 verjähren würden, dass sich der Drittbeklagte jedoch bemühen werde, einen Verjährungsverzicht des Krankenhauses M***** zu erhalten; dann würde ein Verfahren vor der Schiedsstelle der Ärztekammer für Niederösterreich eingeleitet.

Am 10.12.2001 übermittelte der Drittbeklagte dem AÖKH M*****

nachstehendes Schreiben:

„Sehr geehrter Herr Direktor!

In oben bezeichneter Rechtssache nehme ich Bezug auf das mit ihnen geführte Telefonat vom 10. 12. 2001. In Vertretung von Helga K***** wurde meine Kanzlei beauftragt, Schadenersatzansprüche gegenüber dem Krankenhaus M***** geltend zu machen. Zumal die Verjährung droht, wäre meine Kanzlei genötigt gewesen, gerichtliche Schritte noch am heutigen Tag einzuleiten um sämtliche Fristen wahren zu können. Vereinbarungsgemäß wird seitens des AÖKH M***** Schwerpunktkrankenhaus N***** auf den Einwand der Verjährung bis einschließlich 15. 3. 2002 verzichtet, um die Angelegenheit unter Umständen außergerichtlich bereinigen zu können.

Als Zeichen ihrer Zustimmung ersuche ich dieses Schreiben an der unten angeführten Stelle zu unterfertigen und meiner Kanzlei zu retournieren.

Für ihr Verständnis dankend verbleibe ich .....

Mit Verjährungsverzicht bis einschließlich 15. 3. 2002

einverstanden:"

Diese vorformulierte „Verjährungsverzichtserklärung" wurde vom Direktor des AÖKH M***** am 10. 12. 2001 unterfertigt und noch am selben Tag mittels Fax an den Drittbeklagten retourniert. Durch Absenden eines entsprechenden Antrages an die Schiedsstelle der Ärztekammer für Niederösterreich am 18. 12. 2001 (dort eingelangt am 27. 12. 2001) leitete der Drittbeklagte ein Schlichtungsverfahren ein. Am 31. 1. 2002 erklärte Primar Dr. R*****, dass er für die Dauer des Schlichtungsverfahrens bei der Schiedsstelle der Ärztekammer für Niederösterreich auf den Einwand der Verjährung verzichte. Am 4. 6. 2002 fand vor der Schiedsstelle der Ärztekammer für Niederösterreich eine so genannte Aussprache statt, in der die Ansprüche der Klägerin vor einer Kommission der Ärztekammer erörtert wurden. Über diese Verhandlung wurde ein Kurzprotokoll verfasst, in dem am Ende Folgendes festgehalten wird:

„Der Vorsitzende Hofrat Dr. L***** meint abschließend, trotz des fehlenden Aufklärungsbogens in der Krankengeschichte kann kein Schadenersatzanspruch daraus abgeleitet werden, da im Operationsbericht das Aufklärungsgespräch festgehalten ist, weshalb keine Empfehlung an die Versicherung gegeben werden kann."

Dieses Protokoll wurde der Klägerin im Wege des Drittbeklagten am 4. 7. 2002 zugestellt.

Das Schiedsverfahren war mit der Verhandlung am 4. 6. 2002 beendet. Aufgrund des Ergebnisses dieser Verhandlung musste allen Beteiligten klar sein, dass die Vergleichsverhandlungen als gescheitert zu betrachten waren. Weitere schriftliche Erklärungen über den Ausgang des Schiedsverfahrens erfolgten nicht.

Anfang November 2002 kündigte die Klägerin dem Drittbeklagten die Vollmacht und beauftragte die erstbeklagte Rechtsanwälte OEG mit ihrer weiteren rechtsfreundlichen Vertretung in dieser Angelegenheit. Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der erstbeklagten Partei und war die für die Bearbeitung des Falles zuständige Rechtsanwältin.

Die erstbeklagte Partei und die Zweitbeklagte wurden erstmals am 11. 11. 2002 durch den Erhalt eines Schreibens der Rechtsschutzversicherung der Klägerin mit der Sache befasst. Mit Schreiben vom 19. 11. 2002 (eingelangt am 25. 11. 2002) übermittelte der Drittbeklagte der erst- und der zweitbeklagten Partei sämtliche bezughabenden Aktenunterlagen, beinhaltend unter anderem die Verjährungsverzichtserklärung des AÖKH M***** sowie jene des Primars Dr. R*****, den Antrag auf Einleitung des Schlichtungsverfahrens sowie das Kurzprotokoll über das Verfahren vor der Schiedsstelle der Ärztekammer für Niederösterreich vom 4. 6. 2002.

Nach Einsicht in diese Unterlagen teilte die Zweitbeklagte der Klägerin im Namen der erstbeklagten Partei mit Schreiben vom 18. 12. 2002 mit, dass Schadenersatzansprüche gegenüber dem AÖKH M***** sowie gegenüber Primar Dr. R***** bereits verjährt seien. Aufgrund dieser Auskunft leitete die Klägerin zunächst keine weiteren Schritte zur Geltendmachung ihrer Schadenersatzansprüche in die Wege. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die Zahlung von EUR 84.000,-- s.A. und die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle Schäden, die der Klägerin im Zusammenhang mit der Operation vom 10. 12. 1998 im AÖKH M***** und der mangelnden bzw unrichtigen Belehrung über die Verjährung ihrer diesbezüglichen Ansprüche betreffend, erwachsen. Die Klage wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass die beklagten Parteien, insbesondere die erst- und zweitbeklagte Partei die Klägerin bezüglich des Eintritts der Verjährung falsch informiert hätten. Wie die Klägerin im August 2003 erfahren habe, sei die Verjährung der Schadenersatzansprüche gegenüber dem AÖKH M***** bzw Primar Dr. R***** (im Hinblick auf die Einleitung des Schiedsverfahrens am 18. 12. 2001) tatsächlich erst am 18. 6. 2003 eingetreten. Eine schriftliche Erklärung über das Scheitern des Schiedsverfahrens sei nie abgegeben worden sei. Bei entsprechend richtiger Information durch die erst- und zweitbeklagte Partei hätten die Schadenersatzansprüche jedenfalls fristgerecht klageweise geltend gemacht werden können. Der der Klägerin durch die Fehlinformation entstandene Schaden setze sich aus einem entgangenen Schmerzengeldbetrag in Höhe von EUR 70.000,-- und einer Verdienstentgangsentschädigung in Höhe von EUR 14.000,-- zusammen. Die erstbeklagte und die zweitbeklagte Partei wandten im Wesentlichen ein, dass die Schadenersatzansprüche der Klägerin bereits vor ihrer Befassung mit der Angelegenheit am 11. 11. 2002 verjährt gewesen seien und die diesbezüglich erteilte Information richtig gewesen sei. Ausgehend vom Operationstermin am 10. 12. 1998 sei die Verjährungsfrist bei Anrufung der Schiedsstelle mit Antrag vom 18. 12. 2001 bereits abgelaufen gewesen, sodass sie nicht mehr gehemmt werden habe können. Die erstbeklagte Partei brachte noch vor, dass selbst dann, wenn § 58a ÄrzteG anzuwenden wäre, die Hemmung spätestens mit Zustellung des Kurzprotokolls der Ärztekammer am 4. 7. 2002 geendet habe, weil dort abschließend festgehalten worden sei, dass kein Schadenersatzanspruch aus dem Sachverhalt abgeleitet werden könne. Diese Erklärung sei der Bekanntgabe gleichzuhalten, dass die Vergleichsverhandlungen als gescheitert anzusehen seien. Im Übrigen stünden der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auch deshalb nicht zu, weil weder ein ärztlicher Kunstfehler noch ein Aufklärungsfehler vorgelegen sei.

Mit Teilurteil vom 4. 1. 2006 wies das Erstgericht das Klagebegehren gegenüber der erstbeklagten und der zweitbeklagten Partei ab. Da der Klägerin bereits unmittelbar nach der (angeblich ohne ihre Einwilligung vorgenommenen) Operation sowohl der Schaden als auch der Schädiger dem Grunde nach bekannt gewesen seien, sei der Beginn der Verjährungsfrist mit dem Operationstermin am 10. 12. 1998 anzusetzen. Davon ausgehend wären die Schadenersatzansprüche der Klägerin mit Ablauf des 10. 12. 2001 verjährt. Weder am 10. 12. 2001 noch davor seien zwischen der Geschädigten und den Ersatzpflichtigen Vergleichsverhandlungen geführt worden. Der (allenfalls) eine Hemmung des Ablaufs der Verjährung bewirkende Antrag auf Einleitung des Schiedsverfahrens sei erst am 27. 12. 2001 bei der Schlichtungsstelle eingebracht worden, also erst nach der bereits am 11. 12. 2001 abgelaufenen Verjährungsfrist. Im Übrigen habe die Klägerin vor dem 11. 12. 2001 keine näher spezifizierte Schadenersatzforderung gegenüber dem Krankenhaus M***** oder Primar Dr. R***** erhoben. Zu dem Zeitpunkt, als die erst- und die zweitbeklagte Partei mit der Rechtsvertretung der Klägerin betraut worden seien, nämlich am 11. 11. 2002, sei eine gerichtliche Durchsetzung der Schadenersatzansprüche infolge eingetretener Verjährung bereits nicht mehr möglich gewesen, weshalb die erst- und die zweitbeklagte Partei kein „Verschulden" an einem der Klägerin dadurch allenfalls entstandenen Schaden treffe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Entscheidend sei, ob die Auskunft der erst- und der zweitbeklagten Partei vom November 2002, dass die von der Klägerin behaupteten Schadenersatzansprüche gegenüber dem Rechtsträger des AÖKH und Dr. R***** bereits verjährt gewesen wären, einen ihre Haftung begründenden Beratungsfehler darstelle.

Das in seiner Gesamtheit zu betrachtende Schreiben des Drittbeklagten vom 10. 12. 2001 stelle einerseits die schriftliche Erhebung eines Schadenersatzanspruches durch die Klägerin dar und enthalte andererseits gleichzeitig die Antwort. Aus dem Zusammenhang ergebe sich, dass der „Verjährungsverzicht" abgegeben worden sei, um die Angelegenheit unter Umständen außergerichtlich bereinigen zu können. Damit liege eine schriftliche Erklärung iSd - auf eine noch nicht abgelaufene Verjährungsfrist bereits anwendbaren - § 58a Abs 1 ÄrzteG vor, zur Verhandlung über eine außergerichtliche Regelung der Angelegenheit bereit zu sein; dadurch könne eine Ablaufhemmung der Verjährungsfrist erreicht werden.

Die Operation der Klägerin habe am 10. 12. 1998 stattgefunden, sodass die Erklärung vom 10. 12. 2001 jedenfalls noch innerhalb der Verjährungsfrist abgegeben worden sei und diese gemäß § 58a ÄrzteG gehemmt habe, zumal auch zu bedenken sei, dass sich die Klägerin einer nicht einfachen Operation unterzogen und sie eine gewisse Zeit benötigt habe, um aus der Narkose zu erwachen und die Folgen der Operation zu realisieren. Ob darüber hinaus das Telefonat und das Schreiben vom 10. 12. 2001 Vergleichsverhandlungen eingeleitet hätten und ob die Einleitung des Schiedsverfahrens noch innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt sei, sei im Hinblick darauf, dass die Verjährungsfrist bereits gemäß § 58a Abs 1 ÄrzteG gehemmt gewesen sei, nicht zu klären.

Die Verjährung trete nach der höchstgerichtlichen Judikatur aber nur dann nicht ein, wenn nach Wegfall des Hemmungsgrundes unverzüglich die Klage eingebracht werde, wobei bei Verstreichenlassen von drei Monaten nach der Judikatur keine unverzügliche Geltendmachung vorliege. Im vorliegenden Fall habe der Vorsitzende der Kommission anlässlich der Aussprache vor der Schlichtungsstelle der Ärztekammer für Niederösterreich abschließend festgehalten, dass keine Grundlage für einen Schadenersatzanspruch der Klägerin gesehen und keine Empfehlung an die Versicherung abgegeben werden könne. Das Protokoll sei der Klägerin im Wege des Drittbeklagten am 4. 7. 2002 zugestellt worden.

Die Hemmung des Laufes der Verjährungsfrist ende unter anderem mit dem Tag, an dem die befasste ärztliche Schlichtungsstelle eine schriftliche Erklärung abgebe, dass die Vergleichsverhandlungen als gescheitert angesehen werden. Sinn dieser Bestimmung, insbesondere durch die Anordnung der schriftlichen Erklärungsabgabe über das Scheitern der Vergleichsverhandlungen, sei es, dem angeblich Geschädigten die Notwendigkeit der unverzüglichen Klagseinbringung zur Vermeidung des Verjährungseintritts vor Augen zu führen. Dieser Zweck sei durch die Zusendung des schriftlichen Protokolls über die Aussprache vor der ärztlichen Schiedsstelle erfüllt, aus der unzweideutig die Ablehnung der von der Klägerin behaupteten Schadenersatzforderungen hervorgehe. Die Zustellung des schriftlichen Protokolls stelle daher im vorliegenden Fall die in § 58a Abs 1 ÄrzteG für die Beendigung der Hemmung des Laufes der Verjährungsfrist geforderte Voraussetzung der schriftlichen Erklärung der Schlichtungsstelle, dass die Vergleichsverhandlungen als gescheitert angesehen werden, dar. Die Hemmung des Laufes der Verjährungsfrist gemäß § 58a Abs 1 ÄrzteG habe demnach am 4. 7. 2002 geendet. Damit sei auch das Schlichtungsstellenverfahren beendet gewesen. Die erstbeklagte und die zweitbeklagte Partei seien erstmals am 11. 11. 2002 und somit über vier Monate nach Wegfall des Hemmungsgrundes des § 58a Abs 1 ÄrzteG mit der Sache befasst worden. Im Hinblick auf die Judikatur, wonach das Verstreichenlassen von drei Monaten keine unverzügliche Geltendmachung darstelle und Verjährung eintrete, stelle sich die Auskunft der erst- und der zweitbeklagten Partei, dass die Ansprüche der Klägerin verjährt gewesen seien, als zutreffend dar. Eine aus einem Beratungsfehler resultierende Haftung der erstbeklagten und der zweitbeklagten Partei scheide somit aus. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zu den Fragen vorliege, ob im Aufforderungsschreiben nach § 58a Abs 1 ÄrzteG eine Bezifferung des Anspruches vorgenommen werden müsse, ob § 58a Abs 1 ÄrzteG eine Ablaufhemmung anordne und ob die Zustellung des Protokolls der ärztlichen Schiedsstelle, aus dem sich die Ablehnung der Schadenersatzansprüche ergebe, die schriftliche Erklärung der Schlichtungsstelle, dass die Vergleichsverhandlungen als gescheitert angesehen werden, darstelle.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die erstbeklagte Partei und die zweitbeklagte Partei beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angegebenen Gründen zulässig; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Die dreijährige Frist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt zu laufen, wenn dem Geschädigten der Schade und die Person des Beschädigers bekannt geworden sind. Lehre und Rechtsprechung legen diese Bestimmung dahin aus, dass die Verjährung beginnt, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten so weit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann (8 Ob 53/67 = SZ 40/40 uva; RIS-Justiz RS0034524; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1489 Rz 3; Mader/Janisch in Schwimann, ABGB3 VI § 1489 Rz 9). Diese Regel gilt auch für den Fall, dass Schadensursache ein - auch kunstgerechter - Eingriff des Arztes ist, dem eine wirksame, rechtfertigende Einwilligung des Patienten fehlt (4 Ob 131/00v).

Zutreffend hat das Berufungsgericht dargestellt, dass die „Verjährungverzichtserklärung" vom 10. 12. 2001 unter Bedachtnahme auf die am 10. 12. 1998 stattgefundene Operation jedenfalls noch innerhalb der Verjährungsfrist abgegeben worden ist. Die Klägerin stützt ihr Vorbringen darauf, dass dieser Erklärung gemäß § 58a ÄrzteG die Wirkung zukomme, dass der Lauf der Verjährungsfrist gehemmt wurde.

§ 58a ÄrzteG wurde mit der 2. Ärztegesetz-Novelle, BGBl I 2001/110 (ausgegeben am 10. August 2001), in das Ärztegesetz 1998 eingefügt.

Die Bestimmung hat in ihrem Abs 1 folgenden Wortlaut:

„(1) Hat eine Person, die behauptet, durch Verschulden eines Arztes bei dessen Beratung, Untersuchung oder Behandlung geschädigt worden zu sein, schriftlich eine Schadenersatzforderung erhoben, so ist der Lauf der Verjährungsfrist gehemmt, von dem Tag, an welchem der bezeichnete Schädiger, sein bevollmächtigter Vertreter oder sein Haftpflichtversicherer oder der Rechtsträger jener Krankenanstalt, in welcher der genannte Arzt tätig war, schriftlich erklärt hat, zur Verhandlung über eine außergerichtliche Regelung der Angelegenheit bereit zu sein. Diese Hemmung tritt auch ein, wenn ein Patientenanwalt oder eine ärztliche Schlichtungsstelle vom angeblich Geschädigten oder vom angeblichen Schädiger oder von einem ihrer bevollmächtigten Vertreter schriftlich um Vermittlung ersucht wird, in welchem Falle die Hemmung an jenem Tag beginnt, an welchem dieses Ersuchen beim Patientenanwalt oder bei der ärztlichen Schlichtungsstelle einlangt. Die Hemmung des Laufes der Verjährungsfrist endet mit dem Tag, an welchem entweder der angeblich Geschädigte oder der bezeichnete Schädiger oder einer ihrer bevollmächtigten Vertreter schriftlich erklärt hat, dass er die Vergleichsverhandlungen als gescheitert ansieht oder durch den angerufenen Patientenanwalt oder die befasste ärztliche Schlichtungsstelle eine gleiche Erklärung schriftlich abgegeben wird, spätestens aber 18 Monate nach Beginn des Laufes dieser Hemmungsfrist."

Die Bestimmung hat den Zweck, dass nach Behandlungsfehlern geführte Vergleichsgespräche vor ärztlichen Schlichtungsstellen oder vergleichbaren Einrichtungen den „Ablauf" der Verjährung hemmen (AB 689 BlgNR 21. GP 2). In den Gesetzesmaterialien (RV 629 BlgNR 21. GP 56) heißt es dazu: „Im Sinne des Abs. 1 sollen Vergleichsgespräche vor ärztlichen Schlichtungsstellen oder vergleichbaren Einrichtungen, wie etwa Schlichtungsstellen bei Patientenanwälten, den Ablauf der Verjährung bis zum Verstreichen einer Frist von 18 Monaten hemmen, dh. der Beginn oder die Fortsetzung der begonnenen Verjährung wird hinausgeschoben. Nach dem Wortlaut sind generell alle Schlichtungsstellen auf dem Gebiet der Medizin, die im Rahmen der Durchsetzung eines Schadenersatzanspruches denkbar sind, angesprochen. Dies gilt auch für Schlichtungsstellen nach behaupteten Behandlungsfehlern in Krankenanstalten."

Ungeachtet der Verwendung des Begriffes „Ablauf" wird in den Gesetzesmaterialien inhaltlich eine Fortlaufshemmung normiert (siehe auch Mader/Janisch in Schwimann, ABGB3 VI Vor §§ 1494-1496 Rz 1 und 8). Der im letzten Satz genannte 18-Monats-Zeitraum „nach Beginn des Laufes dieser Hemmungsfrist" ist im Zusammenhang mit dem ersten Teil des Satzes offenbar so zu verstehen, dass die Hemmung ab ihrem Eintritt höchstens 18 Monate dauern darf.

§ 58a ÄrzteG ist gemäß § 49 Abs 1 B-VG am 11. 8. 2001 in Kraft getreten, also noch vor der Korrespondenz vom 10. 12. 2001. Spezielle Übergangsbestimmungen für die Regelung sind in der 2. Ärztegesetz-Novelle nicht enthalten. Daraus ist zu schließen, dass die Hemmung gemäß § 58a ÄrzteG bei einer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung noch nicht abgelaufenen Verjährungsfrist eintreten kann. Wohl können die Wirkungen einer Gesetzesänderung nicht Tatbestände ergreifen, die vor dem Inkrafttreten eines neuen Gesetzes abschließend und endgültig verwirklicht wurden (5 Ob 2248/96s = WoBl 1998/54; 5 Ob 2339/96y = SZ 69/251; RIS-Justiz RS0008694). Dieser zeitliche Geltungsbereich ist aber nur für einmalige oder jene mehrgliedrigen oder dauernden Sachverhalte abgrenzbar, die zur Gänze in die Geltungszeit des alten oder des neuen Gesetzes fallen. Andernfalls gelten für den Dauersachverhalt die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes ab seinem Inkrafttreten (1 Ob 9/96 = SZ 69/186 ua; RIS-Justiz RS0008715). Diese Grundsätze sind in Ermangelung einer anderen Anordnung des Gesetzgebers maßgeblich, welche hier jedoch nach den Übergangsbestimmungen nicht vorliegt. Auch wenn im vorliegenden Fall ein Sachverhaltselement (Operation, aus der der Schadenersatzanspruch abgeleitet wird) bereits Jahre vor der Gesetzesänderung verwirklicht wurde, hat sich (zumindest in Bezug auf die Verjährung) der Gesamttatbestand erst mit dem Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist vollständig verwirklicht. Das Datum des schädigenden Ereignisses hätte im Übrigen auch auf eine Hemmung aufgrund von Vergleichsverhandlungen außerhalb der Anwendbarkeit des § 58a ÄrzteG keinen Einfluss.

Die Hemmung tritt nach § 58a Abs 1 Satz 1 ÄrzteG mit dem Tag ein, an dem „der bezeichnete Schädiger, sein bevollmächtigter Vertreter oder sein Haftpflichtversicherer oder der Rechtsträger jener Krankenanstalt, in welcher der genannte Arzt tätig war, schriftlich erklärt hat, zur Verhandlung über eine außergerichtliche Regelung der Angelegenheit bereit zu sein". Im vorliegenden Fall war dies unter Bedachtnahme auf den Inhalt der - unter Einbeziehung des Textes des Schreibens des Drittbeklagten (als Vertreters der Klägerin) zu lesenden - Erklärung des AÖKH M***** vom 10. 12. 2001 an eben diesem Tag der Fall. Die in dem Schreiben enthaltene zeitliche Limitierung des Verzichts auf die Erhebung des Verjährungseinwands mit 15. 3. 2002 ist schon insofern ohne weitere Bedeutung, als durch die Erklärung des AÖKH M***** der Fortlauf der Verjährung jedenfalls bis 15. 3. 2002 verhindert wurde; am 31. 1. 2002 hat dann eine weitere in § 58a Abs 1 Satz 1 ÄrzteG genannte Person, nämlich Primar Dr. R***** erklärt, für die Dauer des Schlichtungsverfahrens bei der Schiedsstelle der Ärztekammer für Niederösterreich auf den Einwand der Verjährung zu verzichten, was - so wie beim Krankenhaus - nur als Bereitschaft zur Verhandlung über eine außergerichtliche Regelung der Angelegenheit gedeutet werden kann. Damit ist den Anforderungen des § 58a Abs 1 Satz 1 ÄrzteG, der erkennbar auf die Erklärung der Verhandlungsbereitschaft durch alternativ angeführte Personen (mit Wirkung jeweils auch für die sonstigen Betroffenen) abstellt, Genüge getan.

Abgesehen von der hier nicht relevanten 18-Monats-Frist endet die Hemmung des Laufes der Verjährungsfrist nach § 58a Abs 1 Satz 3 ÄrzteG „mit dem Tag, an welchem entweder der angeblich Geschädigte oder der bezeichnete Schädiger oder einer ihrer bevollmächtigten Vertreter schriftlich erklärt hat, dass er die Vergleichsverhandlungen als gescheitert ansieht oder durch den angerufenen Patientenanwalt oder die befasste ärztliche Schlichtungsstelle eine gleiche Erklärung schriftlich abgegeben wird". Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass eine diesen Anforderungen eindeutig entsprechende schriftliche Erklärung nicht vorliegt. Das Erstgericht stellt ausdrücklich fest, dass das Schiedsverfahren mit der Verhandlung am 4. 6. 2002 beendet war; „aufgrund des Ergebnisses dieser Verhandlung musste allen Beteiligten klar sein, dass die Vergleichsverhandlungen als gescheitert zu betrachten waren". Auch in der Beweiswürdigung wird darauf hingewiesen, dass die Vergleichsverhandlungen „nach dem 4. 6. 2002 als gescheitert zu betrachten waren".

Nach der Rechtsprechung hat der Schadenersatzgläubiger nach dem Scheitern von Verhandlungen, etwa aufgrund einer endgültig ablehnenden Stellungnahme des Schuldners oder dem Abbruch von Verhandlungen binnen angemessener Frist Klage einzubringen (1 Ob 564/94 = SZ 67/101; RIS-Justiz RS0034501 [T2]). § 58a Abs 1 Satz 3 ÄrzteG sieht jedoch für diese Konstellation eine Sonderregelung in der Form vor, dass (ua) die befasste ärztliche Schlichtungsstelle eine schriftliche Erklärung abzugeben hat, dass sie die Vergleichsverhandlungen als gescheitert ansieht. Dem genügt eine (bloß) vom Vorsitzenden der Schlichtungsstelle geäußerte und in dieser Form in einem Protokoll festgehaltene Meinung, dass kein Schadenersatzanspruch bestehe und „keine Empfehlung an die Versicherung gegeben werden" könne, nicht. In diesem Fall hört die Hemmung der Verjährung 18 Monate nach Beginn der Hemmung auf (§ 58a Abs 1 letzter Satz ÄrzteG).

Damit ist dem Standpunkt der Klägerin zu folgen, dass zum Zeitpunkt des Beratungsgespräches der Zweitbeklagten noch keine Verjährung eingetreten war. Der von den Vorinstanzen herangezogene Abweisungsgrund, dass die Zweitbeklagte keine falsche Information gegeben habe, liegt demnach nicht vor. Mag die von ihr gegebene Rechtsauskunft auch nicht unvertretbar gewesen sein, so hätte sie der Klägerin doch die Möglichkeit offen legen müssen, dass die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen sein könnte. Die erst- und zweitbeklagten Parteien haben sich in diesem Zusammenhang allerdings nur darauf berufen, dass die von der Zweitbeklagten gegenüber der Klägerin geäußerte Rechtsansicht zur Verjährung richtig gewesen sei. Aus diesem Grund sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und es ist vom Erstgericht über das weitere Parteienvorbringen zu verhandeln und zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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