OGH 5Ob2248/96s

OGH5Ob2248/96s8.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Schwarz, Dr.Floßmann und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller

1.) Johanna P***** und 2.) Walter S*****, beide *****, beide vertreten durch Martin Nedwed, Funktionär der Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, wider die Antragsgegnerin W***** Gemeinnützige GmbH, *****, vertreten durch Dr.Gabriel Lansky, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 10 WGG iVm § 16 WGG, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. März 1996, GZ 40 R 18/96k-12, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 19. Oktober 1995, GZ 3 Msch 40/95d-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Das Begehren der Antragsgegnerin, den Antragstellern die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung aufzuerlegen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind Mieter von Wohnungen, die sich in einer vorwiegend aus Reihenhäusern bestehende Wohnanlage der Antragsgegnerin befinden. Insgesamt stehen 56 Reihenhäuser und ein Wohnhaus mit 5 Wohnungen auf der Liegenschaft (einem einzigen Grundbuchskörper). Der gesamte Gebäudekomplex wurde einheitlich geplant, einheitlich errichtet und einheitlich aus öffentlichen Mitteln gefördert.

Die Reihenhäuser verfügen über privat genutzte Gärten, die eine Gesamtfläche von 4.989 m**2 aufweisen, wogegen für die Allgemeinheit nur eine Gartenfläche von 935 m**2 zur Verfügung steht. In den Sommermonaten werden alle diese Flächen mit Wasser aus der öffentlichen Wasserleitung gesprengt, weil kein eigener Brunnen zur Verfügung steht. Die hierfür auflaufenden Kosten der Wasserversorgung werden nach dem Nutzflächenschlüssel auf alle Mieter der Wohnanlage aufgeteilt. Um die Kosten geringer zu halten, sucht die Antragsgegnerin regelmäßig um eine Befreiung von einem Teil der Wassergebühren an, was den Mietern eine Befreiung von den Kanalgebühren für 1.870 m3 Wasser jährlich bringt.

Für alle Wohneinheiten sind zwar eigene Wasserzähler montiert; sie werden jedoch nicht für eine individuelle Vorschreibung der Gebühren nach Maßgabe des Wasserverbrauchs genützt, weil die Eichung, Ablesung und Verrechnung erhebliche Kosten verursachen würde (das Erstgericht veranschlagte hiefür S 150,-- jährlich pro Wohneinheit, doch hielt das Rekursgericht die Auseinandersetzung mit einer diesbezüglichen Tatsachen- und Beweisrüge der Antragsteller mangels Entscheidungsrelevanz der genauen Höhe der Kosten für entbehrlich).

Die Antragsteller haben zunächst bei der zuständigen Schlichtungsstelle, dann gemäß § 40 Abs 1 MRG bei Gericht die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 1993 verlangt. Sie erachten sich durch die Vorschreibung der Wassergebühren nach dem Nutzflächenschlüssel beschwert und meinen, daß aus Billigkeitserwägungen eine - wegen der vorhandenen Subwasserzähler auch mögliche - Vorschreibung nach dem individuellen Verbrauch hätte erfolgen müssen. Allenfalls wären zwei Abrechnungseinheiten (einerseits die Reihenhäuser, andererseits das Wohnhaus mit den fünf Wohnungen) zu bilden und innerhalb dieser Einheiten der Nutzflächenschlüssel beizubehalten, was nur zwei Wasserzähler bedingen würde. Der Sachantrag der Antragsteller geht dahin, die Überschreitung der zulässigen Höhe der Betriebskostenabrechnung (gemeint ist: der vorgeschriebenen anteiligen Wassergebühren) ihnen gegenüber festzustellen und der Antragsgegnerin aufzutragen, die Überschreitungsbeträge samt gesetzlichen Zinsen zu refundieren.

Die Antragsgegnerin ist diesem Begehren mit dem Einwand entgegengetreten, daß die am individuellen Verbrauch orientierte Vorschreibung der Wassergebühren erhebliche Kosten und einen hohen zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen würde. Die gesetzeskonforme Aufteilung der Wassergebühren sei auch keineswegs unbillig, weil sie die Antragsteller nur mit S 41,-- jährlich belaste; die Ablesungs-, Wartungs- und Eichungskosten bei verbrauchsorientierter Gebührenvorschreibung wären viel höher. Die Antragsgegner beantragten daher, den Sachantrag abzuweisen.

Das Erstgericht wies den Sachantrag ab. Da § 16 WGG eine taxative Aufzählung der Möglichkeiten für eine Abänderung des Betriebskostenschlüssels enthalte, könne die zu § 17 MRG entwickelte Judikatur, wonach aus Billigkeitserwägungen in Einzelfällen auf das Verursacherprinzip abzustellen sei, nicht auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen werden. Es liege auch kein Fall vor, der ein Abgehen von der ganzen Liegenschaft (dem einheitlichen Grundbuchskörper) als Verrechnungseinheit rechtfertige. Schließlich sei es keineswegs unbillig, die Wassergebühren, wie gehandhabt, nach dem Nutzflächenschlüssel auf die Mieter der Wohnanlage aufzuteilen. Hier werde nicht von einem Mieter (etwa einem Gewerbetreibenden wie in den von den Antragstellern zitierten Judikaturbeispielen) ein unverhältnismäßig hoher Wasserverbrauch verursacht, sondern von 56 Mietern ein in etwa gleich hoher Wasserverbrauch, der durch die Sprengung der jeweils nur ca 100 m**2 großen Eigengärten bedingt sei und nur geringfügig über dem Wasserverbrauch der Mieter des Wohnhauses liege. Vom Gesetzgeber werde eine völlig exakte Aufteilung der Betriebskosten nach dem Verbraucherprinzip im Hinblick auf die Abrechnungsvereinfachung eindeutig nicht gewünscht. So sei es durchaus möglich, daß in einer Mietwohnung mehrere Personen leben, die entsprechend häufig baden, wogegen in einem Reihenhaus vielleicht nur ein einziger Mieter wohnt. Die Antragsteller würden auch übersehen, daß ihnen Allgemeingärten zur Verfügung stehen, für deren Bewässerung alle Mieter aufkommen. Es wäre zu prüfen, ob nicht diese Gärten nur oder vermehrt von den Wohnungsmietern benützt werden. Konsequenterweise müßte sogar ein eigener Verteilungsschlüssel für das Stiegenhauslicht und die Stiegenhausreinigung im Wohnhaus gefunden werden, für deren Kosten derzeit alle Mieter aufkommen. Schließlich habe das Beweisverfahren ergeben, daß die Ermittlung des individuellen Verbrauchs erhebliche Kosten verursachen würde, sodaß die derzeitige Regelung keineswegs dem Gebot der Billigkeit widerspreche.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

§ 16 WGG sehe hinsichtlich der Betriebskosten bestimmte Verteilungsschlüssel vor, wobei für Wassergebühren nur im Fall einer Vereinbarung zwischen GBV und allen Mietern bzw Nutzungsberechtigten die Kostenaufteilung nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten in Frage käme (vgl Würth/Zingher, Wohnrecht '94, Anm 10 zu § 16 WGG). Billgkeitserwägungen (gemeint ist: wie sie der Judikatur zur berichtigenden Auslegung des § 17 Abs 1 MRG zugrundeliegen) könnten zwar grundsätzlich auch hier eine Rolle spielen, seien jedoch nur dort angebracht, wo eine individuelle Sondernutzung des Mietobjektes für Zwecke des Mieters (Gewerbebetrieb) ungewöhnlich hohe Kosten verursacht. Man argumentiere in diesen Fällen damit, daß es sich bei den Mehrkosten nicht um Kosten des Betriebes der Liegenschaft (§ 16 Abs 1 WGG: Kosten des Hauses), sondern um Kosten des Betriebes des Mieters handle. Sei die unterschiedliche Verbrauchsmöglichkeit jedoch anlagebedingt (Wohnungen mit Bad, Büros ohne Bad; Hausgärten nicht bei allen Wohnungen), so träfen die aufgezeigten Billigkeitserwägungen nicht zu. Ein bloß unterschiedlicher, wenn auch nur durch die bauliche Anlage allenfalls vorgegebener Verbrauch rechtfertige keine Abweichung von Nutzflächenschlüssel.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß wegen des immer teurer werdenden Wasserverbrauchs eine Klarstellung des Obersten Gerichtshofes zu den Grenzen der von ihm entwickelten Billigkeitslösung notwendig erscheine.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs halten die Antragsteller an ihrer Rechtsansicht fest, daß der Betriebskostenschlüssel des § 16 WGG im Anlaßfall aus Gründen der Billigkeit durchbrochen werden müsse. Wenn einzelne Mieter - wie hier durch die Bewässerung ihrer Gärten - einen unverhältnismäßig hohen Anteil der Betriebskosten verursachen, sei dies dem Mehrverbrauch eines Gewerbebetriebes gleichzustellen, der in der Judikatur zu § 17 Abs 1 MRG bereits als Grund für das Abgehen von Nutzflächenschlüssel anerkannt worden sei. Jedenfalls wäre eine Betriebskostenabrechnung nach getrennten wirtschaftlichen Einheiten (Reihenhäuser und Wohnhaus) gerechtfertigt und auch geboten. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Sachbeschluß entweder iS einer vollinhaltlichen Stattgebung des Sachantrages abzuändern oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Von der Antragsgegnerin liegt dazu eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.

Der Revisionsrekurs erweist sich als unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist daran zu erinnern, daß die Antragsteller lediglich die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 1993 begehrt und insoweit eine Korrektur der Wasserversorgungskosten begehrt haben. Die Berechtigung dieses Begehrens kann, da es um eine bereits abgeschlossene Abrechnungsperiode geht, nur an Hand jener Rechtslage geprüft werden, die bis 31.12.1993 in Geltung stand. Fehlt eine anderslautende gesetzliche Rückwirkungsanordnung neuen Rechts, sind nämlich abschließend und endgültig verwirklichte Sachverhalte immer den ehemals relevanten Gesetzesbestimmungen zu unterstellen (vgl MietSlg 40/3; 5 Ob 44/92, WoBl 1995, 232/108; RdW 1996, 312; 358 ua). Die maßgeblichen Vorschriften für die Beurteilung des gegenständlichen Streitfalls finden sich demnach in den §§ 16 Abs 1 und 14 Abs 1 WGG idF vor dem 3. WÄG. Erst seit 1.1.1994 ist mit § 16 (Abs 1, 3, 5 und 6) nF WGG jene Regelung in Kraft (Art IV Abs 1 Z 11 WGG idgF) aus der die Vorinstanzen abgeleitet haben, sie sei - anders als § 17 Abs 1 MRG - einer an Billigkeitserwägungen orientierten berichtigenden Auslegung nicht zugänglich.

§ 16 Abs 1 WGG in der hier anzuwendenden Fassung entsprach (von der hier nicht erwähnten Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung abgesehen) dem heute noch geltenden § 17 Abs 1 MRG. Die Gesamtkosten des Hauses waren demnach unter Anwendung des Nutzflächenschlüssels auf alle Mieter bzw Nutzungsberechtigten des Hauses aufzuteilen. § 14 Abs 1 WGG idF vor dem 3. WÄG sah überdies noch vor, daß "bei einzelnen Betriebskostenarten die Berechnung auch nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten erfolgen kann". Ähnliches wurde zu § 17 Abs 1 MRG, der diese Möglichkeit nicht erwähnt, judiziert, um unbillige Ergebnisse bei der Aufteilung der Bewirtschaftungskosten zu vermeiden (MietSlg 38.370; MietSlg 38.372 ua), und zwar in einer durchaus verallgemeinerungsfähigen, nicht allein auf die von einem Gewerbebetrieb verursachten Mehrkosten bezogene Aussage (EWr I/17/2). Soll die damit angepeilte Einheitlichkeit der Rechtsordnung gewahrt bleiben, ist daher auch § 14 Abs 1 WGG so zu verstehen, daß eine Durchbrechung des in § 16 Abs 1 aF WGG normierten Nutzflächenschlüssels nur in besonderen Fällen der Unbilligkeit in Betracht kommt (vgl Würth in Rummel**2, Rz 5 zu § 14 WGG). Tragend sind folglich (nur) jene Teile der vorinstanzlichen Entscheidungsgründe, die sich damit beschäftigen, ob die gesetzlich vorgesehene Aufteilung der Wasserversorgungskosten im konkreten Fall tatsächlich so unbillig ist, daß sie unter Preisgabe der dem Nutzflächenschlüssel eigenen Verrechnungserleichterung korrigiert werden muß.

Eine solche Entscheidung hängt einerseits von den Umständen des Einzelfalles ab, andererseits bietet sie - bedingt durch den weiten Begriff der Billigkeit - einen Beurteilungsspielraum. Daß insoweit den Vorinstanzen eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die zur Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müßte, ist nicht erkennbar. Es sei nur daran erinnert, daß die verbrauchsorientierte Aufteilung der Wasserversorgungskosten (die wegen der verbrauchsunabhängigen Leitungskosten gar nicht in reiner Form zu verwirklichen wäre: EWr I/17/2) einen erheblichen Kostenaufwand - auch für die Antragsteller - bedingen würde. Eine iS des § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 22 Abs 4 WGG und § 37 Abs 3 Z 16 MRG) erhebliche Rechtsfrage könnte sich daher nur stellen, wenn von der Entscheidung zahlreiche Mieter betroffen oder Richtlinien für zukünftige Entscheidungen zu erwarten wären. Das trifft jedoch nicht zu, weil die Antragsteller nur eine auf sich und das Jahr 1993 bezogene Feststellung der Vorschreibung zu hoher Betriebskosten begehrt haben und das noch dazu auf einer gesetzlichen Grundlage, die - wie ausgeführt - seit 1.1.1994 nicht mehr besteht. Mit dem Inkrafttreten des § 16 nF WGG ist der von der Judikatur hergestellte Gleichklang zwischen den möglichen Aufteilungsschlüsseln für Bewirtschaftungskosten in MRG und WGG verloren gegangen (etwa durch die in § 16 Abs 3 nF WGG vorgesehene Möglichkeit der Anwendung des Nutzwertschlüssels) und - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten - § 16 nF WGG noch strikter iS einer taxativen Aufzählung möglicher Abweichungen gefaßt. Aus den hier im Lichte der Judikatur zu § 17 Abs 1 MRG auszulegenden Bestimmungen der §§ 14 Abs 1 und 16 Abs 1 WGG idF vor dem 3. WÄG läßt sich daher für zukünftige Probleme der Aufteilung von Bewirtschaftungskosten im WGG-Bereich nichts gewinnen.

Was schließlich die (auch vom Rekursgericht nicht als bedeutsam iSd § 528 Abs 1 ZPO erkannte) Frage betrifft, ob der verfahrensgegenständliche Gebäudekomplex von Gesetzes wegen in zwei selbständige Verrechnungseinheiten aufgespalten werden könnte oder müßte, ist auf die ständige Judikatur zu verweisen, wonach unter "Haus" bzw "Liegenschaft" idR alle vermietbaren Teile eines Grundbuchskörpers zu verstehen sind (vgl SZ 59/122; WoBl 1988, 44; WoBl 1989, 42; WoBl 1991, 16/12 ua). Die Antragsteller liefern - mit Ausnahme der geltend gemachten Unbilligkeit der Gleichbehandlung - keinerlei Argument, warum im konkreten Fall davon abgewichen werden sollte.

Mangels Erfüllung der in § 528 Abs 1 ZPO normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes war daher der Revisionsrekurs der Antragsteller zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 19 MRG und trägt dem Umstand Rechnung, daß die Antragsgegnerin nur die Kosten ihrer rechtsfreundlichen Vertretung verzeichnet hat. Überdies stünde gemäß §§ 40, 50 ZPO kein Kostenersatzanspruch zu, da auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen wurde.

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