European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00003.16P.0222.000
Spruch:
1. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
2. Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin begehrt mit der beim Erstgericht zur AZ 12 C 935/15p eingebrachten Klage vom Beklagten die Räumung bestimmter Liegenschaften und die Löschung von damit zusammenhängenden im Grundbuch einverleibten Rechten. In diesem Verfahren lehnte die Klägerin den zuständigen Richter als befangen ab.
Das Erstgericht „verwarf“ den Ablehnungsantrag mit Beschluss.
Das von der Klägerin angerufene Rekursgericht wies den gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs als unzulässig zurück (Spruchpunkt 1). Es wies weiters den Antrag der Klägerin auf Unterbrechung des Rekursverfahrens gemäß § 62a Abs 6 VfGG bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über eine von ihr eingebrachte Gesetzesbeschwerde zurück (Spruchpunkt 2).
Zum Spruchpunkt 1 führte das Rekursgericht aus, dass der Rekurs unzulässig sei, weil der Klägerin die Beschwer fehle: der abgelehnte Richter befinde sich seit 30. 11. 2015 im Ruhestand und sei damit für das Verfahren nicht mehr zuständig, weshalb der Rekurswerberin das rechtliche Interesse an der Entscheidung über die von ihr geltend gemachte Befangenheit fehle. Der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses sei gemäß § 50 Abs 2 ZPO bei der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nicht zu berücksichtigen. Da über die Kosten des Ablehnungsverfahrens nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden sei, sei auf die Ausführungen des Ablehnungsantrags auch inhaltlich einzugehen: Danach liege aber der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nicht vor, weil eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Rekurswerberin, die bereits in ihrem Ablehnungsantrag alle Ablehnungsgründe geltend zu machen hatte, nicht erfolgt sei. Der Vorwurf, dass der Beklagte den Richter freundlich begrüßt habe, begründe keine Befangenheit des Richters. Die Rekurswerberin begründe die Befangenheit des Richters mit dessen Verhalten in der Verhandlung vom 14. 7. 2015. Sie habe seine Befangenheit jedoch nicht in dieser Tagsatzung geltend gemacht, sondern erst mit Schriftsatz vom 7. 8. 2015, sodass die Geltendmachung der Befangenheit des abgelehnten Richters auch verspätet erfolgt sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 24 Abs 2 JN absolut unzulässig sei. Der Rekurs sei zwar zurückgewiesen worden, jedoch habe das Rekursgericht auch eine inhaltliche Überprüfung vorgenommen, sodass § 24 Abs 2 JN zur Anwendung gelange.
Zum Spruchpunkt 2 führte das Rekursgericht aus, dass die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit eines Rechtsmittels vorab vom ordentlichen Gericht und nicht vom Verfassungsgerichtshof zu prüfen seien. Sei das Rechtsmittel wie hier ungeachtet der anhängigen Gesetzesbeschwerde unzulässig, komme eine Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 62a Abs 6 VfGG nicht in Frage. Der Unterbrechungsantrag sei daher unzulässig. Ein Ausspruch über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels komme nicht in Frage, weil das Rekursgericht den Beschluss über die Zurückweisung des Unterbrechungsantrags funktionell als Erstgericht gefasst habe.
Gegen den Spruchpunkt 1 der Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin.
Gegen den Spruchpunkt 2 der Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Rekurs der Klägerin.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Wird im Ablehnungsverfahren ein Rekurs ohne meritorische Prüfung der Ablehnungsgründe aus formellen Gründen zurückgewiesen, ist der Revisionsrekurs nicht iSd § 24 Abs 2 JN jedenfalls unzulässig (RIS‑Justiz RS0044509). Das Rechtsmittelverfahren richtet sich dann nach den Vorschriften jenes Verfahrens, in welchem die Ablehnung erfolgt (RIS‑Justiz RS0006000), das wären hier die Bestimmungen der Zivilprozessordnung. Das Rekursgericht hat aber im Anlassfall den Rekurs der Klägerin auch meritorisch geprüft und im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen es die geltend gemachten Ablehnungsgründe für unberechtigt gehalten hat. In diesem Fall kommt jedoch ‑ worauf das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat ‑ ungeachtet der formal erfolgten Zurückweisung der Rechtsmittelausschluss des § 24 Abs 2 JN zum Tragen (vgl 2 Ob 176/15v mwN). Aus § 24 Abs 2 JN folgt nach ständiger Rechtsprechung, dass ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Rekursgerichts jedenfalls unzulässig ist (RIS‑Justiz RS0046010, RS0098751). Der Revisionsrekurs war daher, ohne auf seinen Inhalt einzugehen, als absolut unzulässig zurückzuweisen.
2. Der Rekurs ist unzulässig.
2.1 Das Rekursgericht hatte ‑ funktionell als Erstgericht (3 Ob 130/15m) ‑ über eine Unterbrechung (einen Stillstand) des Verfahrens gemäß § 62a Abs 6 VfGG zu entscheiden. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits ausgesprochen, dass der Rechtsmittelausschluss des § 192 Abs 2 ZPO in diesem Fall nicht zum Tragen kommt, weil die Unterbrechung (der Stillstand) des Rekursverfahrens unter den Voraussetzungen des § 62a Abs 6 VfGG zwingend vorgeschrieben ist (3 Ob 130/15m mH auf RIS‑Justiz RS0037110; RS0037034).
2.2 Im konkreten Fall fehlt der Rekurswerberin jedoch in Bezug auf die Zurückweisung des Antrags auf Unterbrechung des Rekursverfahrens die Beschwer, die Voraussetzung der Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels ist (RIS‑Justiz RS0002495 ua; E. Kodek in Rechberger 4 Vor § 461 Rz 9 mwH). Entscheidungen, die durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar sind, werden mit Zustellung formell rechtskräftig (Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² III § 411 Rz 2). Der absolut unzulässige Revisionsrekurs gegen die der Klägerin zu Handen ihres Vertreters am 16. 12. 2015 zugestellte Entscheidung des Rekursgerichts im Ablehnungsverfahren schiebt den Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung nicht auf (RIS‑Justiz RS0041838; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 523 Rz 7). Nach Beendigung des Rekursverfahrens über den Ablehnungsantrag der Klägerin fehlt es daher an einer Grundlage für den Unterbrechungsantrag, sodass der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im darüber geführten Rechtsmittelverfahren nur mehr theoretisch‑abstrakte Bedeutung zukäme. Das Rekursgericht kann infolge der Rechtskraft seiner Entscheidung im Ablehnungsverfahren nicht noch einmal über den Antrag der Klägerin auf Unterbrechung des Rekursverfahrens entscheiden.
2.3 Die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens durch Zustellung des Rekurses an den Beklagten zur Ermöglichung einer allfälligen Rekursbeantwortung war nicht erforderlich. Zwar geht die Rechtsprechung zumindest in Fällen einer zwingenden Unterbrechung wie im Anlassfall seit der Zivilverfahrens‑Novelle 2009, BGBl I 2009/30, von der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens iSd § 521a ZPO auch vor dem Obersten Gerichtshof aus (7 Ob 102/10s, 4 Ob 41/15f). Allerdings ist der Zivilprozessordnung die Beantwortung eines jedenfalls unzulässigen Rechtsmittels fremd (6 Ob 137/06z mwH; 8 ObA 5/15s mwH). Nichts anderes muss gelten, wenn ein Rechtsmittel wie hier mangels Vorliegens eines Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen ist, kann doch der Eintritt der Rechtskraft auch durch die Ergreifung eines mangels Beschwer unzulässigen Rechtsmittels nicht aufgeschoben werden (3 Ob 5/04p mwH; 1 Ob 842/52 = SZ 25/298; RIS‑Justiz RS0041838, RS0049521).
3. Das Erstgericht wird den Verfassungsgerichtshof über die rechtskräftige Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin unverzüglich in Kenntnis zu setzen haben (§ 528b Abs 2 Satz 2 ZPO; Grabenwarter/Musger, Praxisfragen der Gesetzesbeschwerde im Zivilverfahren ÖJZ 2015/75, 559).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)