European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:0100OB00024.09S.0622.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Begründung:
Die Beklagte hat auf der Liegenschaft EZ 2641 GB ***** an der Adresse ***** eine Reihenhausanlage mit insgesamt 10 Reihenhäusern errichtet. Die Kläger gaben gegenüber der Beklagten jeweils ein Anbot zum Ankauf eines „Reihenhauses“ auf dieser Liegenschaft ab, und zwar die Erstklägerin hinsichtlich des Hauses Nr 9, ***** und die Zweit‑ und Drittkläger hinsichtlich des Hauses Nr 10, *****. Die Beklagte hat die jeweiligen Objekte am 28. 6. 2002 an die Kläger übergeben. Mit Beschluss des Bezirksgerichts K***** vom 16. 11. 2005 wurde im Eigentumsblatt der genannten Liegenschaft das Eigentumsrecht zu einem 272/3074‑Anteil samt Wohnungseigentum am Haus Nr 9 für die Erstklägerin sowie jeweils zu 138/3074‑Anteilen samt gemeinsamen Wohnungseigentum am Haus Nr 10 für die Zweit‑ und Drittkläger einverleibt.
Mit der am 30. 9. 2005 eingebrachten Klage begehren die Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, den mangelhaften Schallschutz zwischen den Reihenhäusern der Kläger „entsprechend den baurechtlichen Vorschriften und gemäß dem Stand der Technik“ binnen angemessener Frist iSd § 409 Abs 2 ZPO zu sanieren, und zwar
- durch Herstellung einer zweischaligen Trennwand zwischen den Reihenhäusern Nr 9 und 10 im gesamten einander angrenzenden Bereich der beiden Gebäude;
- in eventu durch Herstellung einer Vorsatzschale in beiden Reihenhäusern an sämtlichen, dem jeweils anderen Reihenhaus zugewandten Wänden sowie zur Trennung von Schallbrücken, die eine direkte Schallübertragung begünstigen, durch Unterbrechung derselben im Bereich aller in dem jeweils anderen Reihenhaus zugewandten Wänden einmündenden Schallbrücken wie insbesondere Decken, Deckenteilen und Treppen;
- in eventu durch Neuherstellung oder Sanierung des dem Stand der Technik und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Tritt‑ und Luftschallschutzes zwischen den Reihenhäusern Nr 9 und 10 durch andere, bautechnisch mögliche Maßnahmen.
Die Kläger brachten dazu - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - vor, der für die Reihenhäuser vorgeschriebene (Minimal‑)Wert der ÖNORM B 8115‑2 vom 1. 10. 1998 mit einer zumindest erforderlichen Schallpegeldifferenz von 60 dB sei bei weitem verfehlt. Die von der Beklagten vorgeschlagene Verbesserung durch Aufbringung einer weiteren Vorsatzschale sei zur Behebung des Mangels untauglich, weil sie nur zu einer Verbesserung um 3 dB führen würde. Die Mängel seien wesentlich und behebbar. Die in der nö BTV (Bautechnikverordnung) vorgeschriebenen Schallschutzwerte seien nach dem Wortlaut nur auf Ein‑ und Zweifamilienhäuser, nicht aber auf Reihenhäuser anzuwenden. Dass diese Verordnung und nicht die ÖNORM zur Beurteilung des Schallschutzes heranzuziehen sei, werde bestritten. Außerdem würden auch die in der nö BTV vorgeschriebenen Werte nicht erreicht, weil der Luftschallübergang 55,1 dB (Wohnzimmer) bzw 53,5 dB (Schlafraum) betrage. Es seien keine Sonderwünsche beauftragt und ausgeführt worden, die auf den Luft‑ und Trittschallschutz Einfluss hätten.
Die Beklagte wendete - zusammengefasst - ein, die Reihenhäuser seien nicht mangelhaft. Für das Bauvorhaben seien die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Kaufanwartschaftsverträge gültige ÖNORM B 8115‑2 (Ausgabe: 1. 10. 1998) sowie die nö BTV anzuwenden. Letztere enthalte in § 48 Bestimmungen über Schall‑ und Erschütterungsschutz, insbesondere genaue Werte für die Luftschall‑ und Trittschalldämmung, welche auch auf Reihenhäuser anzuwenden seien. Der erforderliche Mindestschallschutz sei aber auch nach der ÖNORM mit 55 dB und nicht mit 60 dB einzuhalten, weil es sich bei den Reihenhäusern der Kläger um keine aneinandergrenzenden eigenständigen Gebäude, sondern um Wohneinheiten innerhalb einer gemeinsamen Außenwand handle. Betreffend Luftschallschutz sei ein Wert von 55 dB vereinbart worden. Der standardmäßig vorgegebene Stiegenhausbereich im Haus des Zweitklägers und der Drittklägerin sei in einen Wohnraum umgestaltet worden, weshalb die Schallschutzwerte der nö BTV zwischen Aufenthaltsräumen nicht erreicht werden könnten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf detaillierte - gegenteilige - Feststellungen zu der von den Klägern im Revisionsverfahren nicht mehr aufrecht erhaltenen Behauptung, mit der Beklagten sei vereinbart gewesen, Reihenhäuser mit zweischaligen Trennmauern zu errichten. Im Einzelnen festgestellt wurden auch die jeweiligen Sonderwünsche der Kläger und der Ist-Zustand der hergestellten Schallisolierung:
Demnach besteht die Trennwand zwischen den Wohnzimmern im Erdgeschoß der Häuser der Kläger aus 1,5 cm Gipskartonplatte und 4,5 bis 5 cm Mineralwolleinlage (was zusammen eine Vorsatzschale ergibt), 25 cm Wienerberger Schallschutzziegel SSZ 25 sowie 1 cm Innenputz, wobei die Vorsatzschalen nur auf der Seite des Hauses Nr 9 montiert wurden; dies auch im Bereich des Wohnzimmers, nicht jedoch im Stiegenhaus.
Die Trennwand zwischen den Schlafzimmern im Obergeschoß der Häuser der Kläger besteht aus 1,5 cm Gipskartonplatten, 4,5 cm Mineralwolleinlage, 25 cm Wienerberger Schallschutzziegel SSZ 25, weiteren 4,5 cm Mineralwolleinlage sowie 1,5 cm Gipskartonplatten, sodass hier auf beiden Seiten der Häuser der Kläger Vorsatzschalen angebracht sind.
Der Stiegenaufbau zwischen Erd‑ und Obergeschoß besteht in den Häusern der Kläger jeweils aus einem MABA Fertigteilstiegenlauf sowie 2 bis 3 cm dicken Massivholztrittstufen; die Lagerung der Stiege in der Trennwand erfolgte jeweils mittels Trittschalldorn bestehend aus Querkraftdorn und Lagerhülse mit Elastomereinlage. Beim Stiegenaufbau zwischen Keller und Erdgeschoß der Häuser erfolgte demgegenüber die Lagerung in der Trennwand mittels Winkeleisen und Klebeanker und es wurden keine Holztrittstufen eingebaut.
Die am 17. 7. 2006 herrschenden Schallpegeldifferenzen zwischen den Häusern Nr 9 und 10 wurden wie folgt festgestellt:
- die bewertete Schallpegeldifferenz vom Wohnzimmer des Hauses Nr 9 in das Wohnzimmer des Hauses Nr 10 betrug 56 dB
- die bewertete Schallpegeldifferenz vom nordseitigen Schlafzimmer im Obergeschoß des Hauses Nr 9 und das nordseitige Schlafzimmer im Obergeschoß des Hauses Nr 10 betrug 54 dB
- der Trittschallübergang der Stiege zwischen Erdgeschoß und Obergeschoß des Hauses Nr 9 in das Wohnzimmer im Erdgeschoß des Hauses Nr 10 ergab den bewerteten Trittschallpegel von 39 dB
- der Trittschallübergang der Stiege zwischen Kellergeschoß und Erdgeschoß des Hauses Nr 10 in das Wohnzimmer im Erdgeschoß des Hauses Nr 9 ergab den bewerteten Trittschallpegel von 41 dB
- das bewertete Bauschalldämmmaß (Rw) der Trennwand zwischen den Erdgeschoßen der Häuser Nr 9 und 10 ergab 65 dB
- das bewertete Bauschalldämmmaß (Rw) der Trennwand zwischen den Obergeschoßen der Häuser Nr 9 und 10 ergab 67 dB.
Bei den Messergebnissen ist jeweils aufgrund von Messunsicherheiten von einem Schwankungsbereich von plus/minus 1 bis 2 dB als Messtoleranz auszugehen, sodass Grenzwertverfehlungen in diesem Bereich als „unter Berücksichtigung der Messunsicherheit noch entsprechend“ zu qualifizieren sind.
Nach den weiteren Feststellungen sind zur Verbesserung des Luftschallschutzes der Häuser der Kläger folgende Maßnahmen möglich:
- hinsichtlich der Trennwand im Erdgeschoß: Einbau einer Vorsatzschale im Haus Nr 10 des Zweit‑ und der Drittklägerin mit 7,5 cm Mineralfaser und 1,5 cm Gipskartonplatte, wodurch eine raumbezogene Verbesserung von bis zu 3 dB erreicht werden kann;
- hinsichtlich der Trennwand im Obergeschoß: Umbau einer Vorsatzschale von bisher 4,5 cm auf 7 cm Mineralfaser, wodurch eine raumbezogene Verbesserung von bis zu 2 dB möglich ist;
- durch das Befestigen jeweils einer zusätzlichen Gipskartonplatte auf die bestehenden bzw anzubringenden Vorsatzschalen kann eine weitere raumbezogene Verbesserung von bis zu 1 dB erreicht werden;
- durch eine völlige schalltechnische Trennung der flankierenden Innenwand von der Trennwand mittels Unterbringung vorhandener Schallnebenwege durch weiche Zwischeneinlagen ist eine weitere raumbezogene Verbesserung von maximal 1 bis 2 dB möglich.
Die Sonderwünsche der Kläger führten zu keinen schalltechnischen Auswirkungen. Allerdings wird durch die ausgeführten Sonderwünsche des Zweit‑ und der Drittklägerin der subjektive Empfangspegel erhöht, da durch die Eingliederung der Stiege in das Wohnzimmer der Stiegenbereich von einem Nebenraum zu einem Wohnraum wurde.
Fest steht weiters, dass die in den Verträgen zwischen den Streitteilen nicht vereinbarte ÖNORM B 8115‑2 vom 1. 10. 1998 „Schallschutz und Raumakustik im Hochbau“ in den Tabellen 5 und 7 folgende Anforderungen an die Luft- bzw Trittschalldämmung „in Gebäuden“ festlegt (Beil ./J):
„ Die mindesterforderliche bewertete Standard‑Schallpegeldifferenz (DnT,w) hinsichtlich der Luftschalldämmung zwischen Räumen ohne Verbindung beträgt zwischen aneinandergrenzenden Gebäuden , zB Reihenhäusern [= Tabelle 5 erste Zeile] 60 dB
und zwischen Aufenthaltsräumen von Wohneinheiten [= Tabelle 5 zweite Zeile] 55 dB.
Der höchstzulässige bewertete Standard‑Trittschallpegel (LnT,w) hinsichtlich der Trittschallübertragung zu Aufenthaltsräumen beträgt aus angrenzenden Gebäuden , zB Reihenhäusern 46 dB
aus Räumen in Wohngebäuden 48 dB
und aus Stiegenhäusern 50 dB ,
wobei für Nebenräume um 5 dB höhere bewertete Standard‑Trittschallpegel zulässig sind.“
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, gemäß § 43 Abs 1 Z 5 nö BauO müsse ein Bauwerk betreffend Schallschutz derart geplant und ausgeführt sein, dass der von den Benutzern oder von in der Nähe befindlichen Personen wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten werde, der nicht gesundheitsgefährdend sei und bei dem zufriedenstellende Nachtruhe‑, Freizeit‑ und Arbeitsbedingungen sichergestellt seien. Nach Abs 3 leg cit habe die Landesregierung die Anforderungen an Bauwerke und Bauteile nach Abs 1 mit Verordnung näher zu bestimmen. Die nö BTV (Bautechnikverordnung) schreibe dementsprechend konkrete Schalldämmmaße vor, sodass die Erfordernisse des Schallschutzes nicht mehr anhand der unverbindlichen ÖNORM B 8115-2 zu konkretisieren seien (vgl Hauer/Zaussinger NÖ Baurecht 6 , Anm 1 zu § 7 nö BTV). Insofern sei die nö BTV lex specialis gegenüber der nicht verbindlichen ÖNORM B 8115-2 vom 1. 10. 1998, weshalb zur Beurteilung des gegenständlichen Falls die Schallschutzanforderungen der nö BTV heranzuziehen seien. Nach der Legaldefinition von Reihenhäusern in § 1 nö BTV werde nicht unterschieden, ob die reihenartig angeordneten Wohnungen durch ein‑ oder zweischalige Trennwände voneinander getrennt seien. Es handle sich daher auch im vorliegenden Fall um Reihenhäuser, wobei die Beklagte die Trennwände zwischen den Reihenhäusern entsprechend ihren Angaben im Prospekt und ihren Mitteilungen gegenüber den Käufern als einschalige Mauer ausgeführt habe. Zweischalige Trennwände seien nicht vereinbart und von der Beklagten auch nicht geschuldet. Im dritten Teil der nö BTV werde in § 48 unter der Überschrift „andere Gebäude und Bauwerke“ folgender Schall‑ und Erschütterungsschutz normiert:
1. für Wohnungen gelten folgende Anforderungen:
2. Luftschalldämmung von Trennbauteilen: bewertetes Schalldämmmaß Rw mindestens
a) Wohnungstrennwände und Wohnungsdecken 57 dB
3. Trittschalldämmung bewerteter Normtrittschallpegel Ln, T, w, höchstens
a) Wohnungstrenndecken und Decken gegen Wohnungen 48 dB
d) Stiegen und andere Podeste, sofern sie mit Wohnungstrennwänden und gegen Wohnräume verbunden sind 50 dB.
Wenn auch § 48 nö BTV lediglich die Formulierung „Schallschutz und Erschütterungsschutz für Wohnungen“ verwende, so sei diese Bestimmung gemäß § 113 Abs 2 nö BTV mangels Sondervorschriften im vierten Teil dieses Gesetzes ausdrücklich auch auf Reihenhäuser anzuwenden. Nach Auslegung der in § 48 nö BTV verwendeten Begriffe stelle dabei der Grenzwert für die bewertete Standard‑Schallpegeldifferenz ein Minimum dar, das eingehalten oder überschritten werden müsse, während der Grenzwert für den bewerteten Trittschallpegel ein Maximum darstelle, das eingehalten oder unterschritten werden müsse. Der in den Bestimmungen geforderte Trittschallschutz für Stiegen und deren Podeste gegen Wohnungen ziele auf allgemeine Stiegenhäuser ab, sodass die Anforderungen geringer seien, als bei Wohnungstrenndecken. Bei der Stiege innerhalb einer Wohneinheit seien daher aufgrund deren häufigerer Benützung die Anforderung wie bei Wohnungstrenndecken anzusetzen. Nach den Feststellungen betrage das bewertete Schalldämmmaß (Rw) der Trennwand zwischen den Häusern der Kläger 65 dB im Erdgeschoß und 67 dB im Obergeschoß, bei einem von der nö BTV geforderten Grenzwert für den Luftschallschutz von 57 dB. Hinsichtlich des Trittschallschutzes betrage der festgestellte bewertete Normtrittschallpegel (LnTw) der Stiege zwischen Erd‑ und Obergeschoß 39 LnTw, bei einem geforderten Grenzwert von 48 LnTw; bei der Stiege zwischen Keller und Erdgeschoß betrage der festgestellte bewertete Normtrittschallpegel 41 LnTw, bei einem geforderten Grenzwert von 50 LnTw. Nach den Feststellungen ergebe sich daher eindeutig, dass die in § 48 nö BTV aufgestellten Grenzwerte für Luft‑ und Trittschallschutz in den Reihenhäusern der Kläger eingehalten seien. Die Klage sei daher abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an. § 43 Abs 3 nö BauO normiere, dass die Landesregierung die Anforderung an Bauwerke und Bauteile nach Abs 1 mit Verordnung näher zu bestimmen habe. Der Verweis auf Abs 1 umfasse auch dessen Z 5. Die nö BTV gelte als Verordnung aufgrund des § 43 Abs 3 nö BauO. Wenn Hauer/Zaussinger in der Anm 2 zu § 7 nö BTV ausführten, dass die nö BauO 1976 in mehreren Paragrafen nur einen „entsprechenden“ Schallschutz vorgeschrieben habe, der jeweils anhand der ÖNORM zu konkretisieren sei, schreibe die nö BTV - der Anforderung in § 43 Abs 1 Z 5 nö BauO entsprechend - konkrete Schalldämmmaße vor, wobei die „hiebei verwendeten Maßeinheiten (bewertetes Schalldämmmaß Rw, resultierendes Schalldämmmaß und bewerteter Normtrittschallpegel LnTw) der vorgenannten ÖNORM entnommen seien. Zu Recht gehe daher das Erstgericht davon aus, dass die nö BTV die lex specialis zur ÖNORM darstelle. Auf die spekulativen Ausführungen der Berufung, es könnten sich bei nachfolgenden Messungen „katastrophale und allenfalls sogar gesundheitsgefährdende Schallpegel herausstellen“, brauche ebenso wenig eingegangen zu werden, wie auf die zur stillschweigenden Vereinbarung der ÖNORM. Da die Luft- und Trittschallmessungen der nö BTV entsprechende Werte ergeben hätten, sei der Berufung nicht Folge zu geben.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung entschieden habe und die Auslegung der im Einzelfall zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO darstelle.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Berufungsgericht bzw dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen; hilfsweise wird eine Abänderung im klagsstattgebenden Sinn angestrebt.
Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; in eventu sie als unberechtigt abzuweisen und die Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.
Die außerordentliche Revision der Kläger wendet sich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, das von einem „Spezialitätsverhältnis“ der nö BTV zur ÖNORM B 8115‑2 ausgegangen sei, sodass bei der gegebenen Erreichung der in der nö BTV enthaltenen Grenzwerte keine Gewährleistungsansprüche der Kläger bestünden, obwohl die Grenzwerte der ÖNORM [Anm: teilweise] nicht erreicht würden. Die Rechtsmittelwerber berufen sich auf die mangelnde Vergleichbarkeit der in diesen „Normen“ festgelegten jeweiligen Schallschutz-Grenzwerte und machen im Ergebnis geltend, dass die in der nö BTV enthaltenen Grenzwerte nicht dem Stand der Technik entsprächen. Sie vertreten den Standpunkt, die genannte Verordnung lege die technischen Anforderungen an Bauwerke lediglich für den öffentlich rechtlichen Bereich fest, während die ÖNORM auf private Verträge anzuwenden sei. Die in der nö BTV vorgesehenen Werte seien - entgegen der Rechtsmeinung der Vorinstanzen - keine Konkretisierung der in der ÖNORM festgelegten Werte. Es müsse auf den in § 43 Abs 2 nö BauO normierten allgemeinen Grundsatz abgestellt werden, wonach „diese“ (in § 43 Abs 1 nö BauO näher definierten) wesentlichen Anforderungen nach dem Stand der Technik entsprechend zu erfüllen seien. Dies sei jedenfalls anzunehmen, wenn harmonisierte Normen oder europäische technische Zulassungen eingehalten würden. Es könne daher sein, dass in concreto das in der nö BTV enthaltene bewertete Schalldämmmaß Rw für den Bauteil erreicht werde; entscheidend iSd § 43 Abs 2 nö BauO und damit in gewährleistungsrechtlicher Hinsicht sei jedoch, ob der geschuldete Erfolg bei Übergabe der Sache eingetreten sei, was sich nach den Regeln der Technik richte, nämlich danach, ob die von den Bewohnern eines Reihenhauses wahrgenommene mindesterforderliche bewertete Standard‑Schallpegeldifferenz DnTw von 60 dB erreicht werde. Dementsprechend habe der Sachverständige auch auf S 24 seines Gutachtens ausgeführt, dass die Grenzwerte für den Luftschallschutz gemäß ÖNORM B 8115‑2 nicht eingehalten würden, wenn die Anlage als Reihenhausanlage zu qualifizieren sei. Die Vorinstanzen hätten daher aufgrund der verfehlten Rechtsmeinung wesentliche Feststellungen insbesondere im Zusammenhang mit der Behebbarkeit des Mangels nicht getroffen, weil nur fest stehe, dass einzelne (im Urteil angeführte) Maßnahmen zur Verbesserung des Schallschutzes „möglich“ seien. Das Urteil leide daher an sekundären Feststellungsmängeln.
Demgegenüber verweist die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung zum einen auf die einhellige Lehre und Rechtsprechung, wonach einer generell verbindlichen Rechtsnorm (hier: der nö BTV) der Vorzug gegenüber einer privaten technischen Regel mit Empfehlungscharakter (hier: der ÖNORM B 8115‑2) zukomme; zum anderen macht die Beklagte geltend, die Kläger hätten zur Tatfrage, ob die zitierten Bestimmungen den Regeln der Technik entsprechen, im Verfahren erster Instanz keine Behauptungen aufgestellt und es lägen dazu auch keine Beweisergebnisse vor, sodass dies im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden könne. Letztlich wäre für die Kläger aber auch daraus nichts zu gewinnen: Bei Anwendung der ÖNORM B 8115‑2 (Stand 1. 10. 1998) sei nämlich der ohnehin eingehaltene Grenzwert von 55 dB laut Zeile 2 der Tabelle 5 maßgebend und nicht jener für „aneinandergrenzende Gebäude“ (in der Zeile 1), weil sich Letzterer nur auf selbständige Gebäude mit eigenständigen Außenwänden beziehe, nicht hingegen auf durch eine gemeinsame Trennwand unterteilte Wohneinheiten.
Dazu wurde erwogen:
1. Die Kläger berufen sich im Revisionsverfahren - wie bereits in erster Instanz im Haupt- und im zweiten Eventualbegehren (arg: „gemäß/entsprechend dem Stand der Technik“) - ausdrücklich darauf, es richte sich, entgegen der Ansicht der Vorinstanzen, „nach den Regeln der Technik“, ob der geschuldete Erfolg bei Übergabe der Sache „in gewährleistungsrechtlicher Hinsicht eingetreten“ sei.
1.1. Dem ist zunächst - mit der Beklagten - zu erwidern, dass sich im Privatrechtsbereich keine gesetzlichen Bestimmungen finden, die ausdrücklich auf die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ (im Folgenden kurz: Regeln) oder eine „höhere Sprosse“ („Stand der Technik“ oder „Stand von Wissenschaft und Technik“) verweisen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Regeln wie Verkehrssitten (§ 863 ABGB) oder Gebräuche im Geschäftsverkehr (§ 346 UGB) zu beurteilen sind; die Rechtsprechung hat dies bejaht: Sind die Regeln schon ex definitione allgemein gebräuchliche Regeln, so muss ihnen auch die Qualität einer Verkehrssitte bzw von Gebräuchen im Geschäftsverkehr zugebilligt werden ( Horst Schlosser ua, Die allgemein anerkannten Regeln der Technik, ÖJZ 2009/8, 58 ff [60] mwN).
1.2. Auch ÖNORMEN stellen nach herrschender Auffassung zwar eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen an den Werkunternehmer dar (RIS‑Justiz RS0022153), sie sind aber bloß Richtlinien, die als Vertragsbestandteile gelten sollen (1 Ob 262/00m mwN). Demgemäß kommt ihnen, soweit sie - wie hier - nicht durch konkrete Rechtsvorschriften im Sinn einer Anordnung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber (§ 5 NormenG 1971 BGBl 1971/240) für verbindlich erklärt wurden (RIS-Justiz RS0062077), nur unter folgenden Umständen Bedeutung zu:
1.3. Soweit sie kraft Vereinbarung (auch konkludent) zum Gegenstand von Verträgen gemacht wurden (RIS-Justiz RS0038622) oder wenn sie durch tatsächliche Übung der beteiligten Verkehrskreise zum Handelsbrauch oder zur Verkehrssitte erstarken und daher zur ergänzenden Vertragsauslegung heranzuziehen sind (1 Ob 262/00m mwN; RIS-Justiz RS0038609; RS0062063; RS0062077 [T6]; vgl auch RS0038615 und RS0070842 [zum Schallschutz nach der ÖNORM 8115]).
2. Wurde die Art und Weise der Werkerstellung im Bau- oder im sonstigen Werkvertrag nicht ausdrücklich anders festgelegt, so hat der Auftragnehmer das Werk dessen Art entsprechend so zu erstellen, wie es die Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) erfordert und für ein solches Werk ortsüblich und angemessen ist; dabei sind auch die jeweils anerkannten Regeln des für diese Werkerstellung maßgebenden Fachs anzuwenden: Im Bereich der Bauwirtschaft sind das die allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik und Baukunst.
2.1. Sind in den Werkvertrag die einschlägigen ÖNORMEN einbezogen, so ist die Einhaltung der Regeln ohnedies ausdrücklich vereinbart. Aber auch ohne deren Einbeziehung gilt nichts anderes: Dann sind die Regeln als Verkehrssitte oder Gebräuche im Geschäftsverkehr zu beachten. In diesem Zusammenhang kann auch § 922 ABGB ins Treffen geführt werden, soweit dort darauf verwiesen wird, was im redlichen Verkehr üblicherweise unter den jeweils gegebenen Umständen erwartet werden kann ( Schlosser , ÖJZ 2009, 60).
2.2. Im vorliegenden Fall sind gemäß § 43 Abs 2 nö BauO die in Abs 1 leg cit genannten wesentlichen Anforderungen „ dem Stand der Technik entsprechend “ zu erfüllen; die Anforderungen des § 43 Abs 1 Z 5 nö BauO werden in der nö BTV (offenbar unter Bedachtnahme auf die ÖNORM B 8115-2 [vgl Hauer/Zaussinger , NÖ Baurecht 7 , Anm 1 zu § 7 NÖ BTV]) entsprechend konkretisiert. Dies schließt - aus den dargelegten Gründen und entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - aber nicht von vornherein aus, dass neben dem („in concreto“ erreichten [Seite 2 der Revision]) in der nö BTV normierten Schalldämm-Maß (vgl 5 Ob 195/09a) auch die Standard-Schallpegeldifferenz laut ÖNORM B 8115-2 hergestellt werden musste.
3. Die Regeln (die hier dem „Stand der Technik“ iSd § 43 nö BauO zugrunde liegen) sind jedoch - wie bereits ausgeführt - keine Rechtsnormen. Sie gehören vielmehr ausschließlich dem Tatsachenbereich an (1 Ob 564/95; 1 Ob 262/00m). Daher sind auch die für die Gebräuche im Geschäftsverkehr aufgestellten Grundsätze, vor allem, dass es sich bei den Fragen nach ihrer Geltung und ihrem Inhalt ausschließlich um - vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare - Tatfragen handelt, auch auf die Regeln und die daraus abgeleiteten Verkehrsauffassungen anzuwenden, und es sind zu diesen (Tat-)Fragen auch ein oder gegebenenfalls mehrere einschlägig bewanderte Sachverständige zu hören ( Schlosser, ÖJZ 2009/8, 59; 1 Ob 564/95 mwN).
3.1. Da Revision und Revisionsbeantwortung in diesem Zusammenhang völlig unterschiedliche Auffassungen zu den für die Wohneinheiten der Kläger maßgebenden Schallschutz-Grenzwerten der ÖNORM B 8115-2 vertreten (vgl S 4 bis 13 der Revision und S 7 bis 8 der Revisionsbeantwortung), ist hier vorerst zur angesprochenen Behauptungs- und Beweislastverteilung in Bezug auf die jeweils anzuwendenden Regeln und die ÖNORMEN Stellung zu nehmen:
3.2. Technische Normen (vor allem ÖNORMEN) dürfen den Regeln nicht gleichgesetzt werden, weil sie diese zwar wiedergeben, aber auch hinter ihnen zurückbleiben können. Es kann aber fürs Erste davon ausgegangen werden, dass die einschlägigen Normen die Voraussetzungen von Regeln erfüllen, sodass der Auftragnehmer mit der Erbringung des Beweises, die einschlägigen Normen beachtet zu haben, dem ersten Anschein nach ( prima facie ) auch beweist, dass er damit auch die Regeln eingehalten hat. Es liegt dann am Auftraggeber, die ernsthafte Möglichkeit darzutun, dass die Norm - atypischerweise - hinter den Regeln zurückgeblieben ist, weil sich diese seit der Ausgabe der Norm weiterentwickelt haben.
3.3. Dieser „Erschütterungsbeweis“ wird um so schwieriger sein, je geringer der zeitliche Abstand der Ausführungsarbeiten zur (letzten) Normausgabe ist. Nur wenn dem Auftraggeber dieser „Erschütterungsbeweis“ gelingt, hat der Auftragnehmer den vollen Beweis dafür anzutreten, dass das von ihm erstellte Werk nicht bloß normgerecht ist, sondern auch den Regeln entspricht. Um so mehr obliegt dem Auftragnehmer der volle Beweis für die Einhaltung der Regeln, wenn schon feststeht, dass das Werk nicht einmal den einschlägigen, dem (Bau-)Werkvertrag zugrunde gelegten technischen Normen entsprechend erstellt wurde ( Schlosser ua, Regeln der Technik, ÖJZ 2009/8, 58 ff [66] mwN).
4. In Anwendung der dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann der Beurteilung der Vorinstanzen nicht beigetreten werden: Sie haben die Klagebegehren nämlich schon deshalb abgewiesen, weil die in § 48 nö BTV (Bautechnikverordnung) festgelegten Grenzwerte für Luft- und Trittschallschutz in den Reihenhäusern eingehalten wurden und die nö BTV als „lex specialis“ zur ÖNORM B 8115-2 zu beurteilen sei, weshalb die Schallschutzwerte dieser ÖNORM nicht (mehr) relevant seien.
4.1. Die Beklagte hat sich aber - zu Recht - auch zuletzt (in der Revisionsbeantwortung) gar nicht darauf beschränkt, einzuwenden, dass die ÖNORM B 8115‑2 nicht anwendbar sei. Sie beruft sich vielmehr - weiterhin (ON 2) - ausdrücklich darauf, dass die Reihenhäuser jedenfalls nicht mangelhaft seien, weil selbst der nach der ÖNORM B 8115-2 maßgebende Grenzwert (von 55 dB) erreicht werde, und diese Tatfrage - mangels Vorbringens der Kläger und infolge Fehlens diesbezüglicher Feststellungen - im Revisionsverfahren gar nicht mehr zu prüfen sei.
4.2. Dem Neuerungseinwand der Beklagten steht allerdings entgegen, dass sowohl das Hauptbegehren als auch das zweite Eventualbegehren der Kläger bereits in erster Instanz jeweils ausdrücklich darauf gerichtet war, den Beklagten zu einer „dem Stand der Technik“ und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Mängelbehebung (durch die Herstellung eines solchen Tritt- und Luftschallschutzes zwischen den beiden Reihenhäusern) zu verpflichten.
4.3. Aufgrund dieser Begehren wäre nicht nur auf die Einhaltung der Grenzwerte nach der nö BTV, sondern auch darauf einzugehen gewesen, ob die maßgebenden Grenzwerte der ÖNORM B 8115-2 erfüllt sind.
5. Nach § 1 nö BTV gilt als „Reihenhaus“ im Sinn dieser Verordnung ein Wohngebäude mit
- reihenartig, nicht übereinander angeordneten Wohnungen (einschließlich Keller und Dachboden),
- höchstens drei Geschossen mit Aufenthaltsräumen über dem anschließenden Gelände und
- jeweils eigenen Wohnungseingängen unmittelbar vom Freien.
5.1. Demnach ist der Baukörper mit dem Objekt der Kläger ein Reihenhaus iSd § 1 nö BTV. Dieses Begriffsverständnis entspricht sowohl der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 5 Ob 591/89; 5 Ob 65/02y) als auch der eindeutigen Definition in § 1 nö BTV. Aus Ziffer 1 dieser Begriffsbestimmung folgt weiters zweifelsfrei, dass das Objekt der Kläger - für den Anwendungsbereich der nö BTV und unabhängig von der Beschreibung in den Vertragsunterlagen - als „Wohnung“ zu qualifizieren ist. Dies führt, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, zur Geltung des § 48 nö BTV, wonach Grenzwerte beim Luftschall von mindestens 57 dB und beim Trittschall von höchstens 48 dB einzuhalten sind.
5.2. Von der zu Punkt 4. bis 4.3. dargelegten, vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Beurteilung ausgehend, haben die Vorinstanzen jedoch verabsäumt, auf die weitere - sachverständig zu beantwortende - Tatfrage einzugehen, ob das hier zu beurteilende Objekt schallschutztechnisch darüber hinaus (auch) den dafür maßgebenden Grenzwerten der ÖNORM B 8115-2 entspricht.
5.3. Dementsprechend wird die Beklagte im fortgesetzten Verfahren unter Beweis zu stellen und die Tatsacheninstanzen werden noch zu klären haben, ob auch der für den Luftschallschutz (hinsichtlich des Trittschallschutzes sind ja ohnehin alle Grenzwerte erfüllt) in „Reihenhäusern“ der hier zu beurteilenden Bauart (keine zweischaligen Trennmauern - sondern nur jeweils eine gemeinsame Trennwand) maßgebende Grenzwert der ÖNORM B 8115-2 erfüllt ist. Sollte der Beklagten dieser Nachweis nicht gelingen, wird sich das Erstgericht noch mit den weiteren, bisher nicht behandelten Einwänden gegen das Verbesserungsbegehren zu befassen haben.
Der Revision der Kläger ist daher mit ihrem Aufhebungsantrag Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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