BVwG W249 2237294-1

BVwGW249 2237294-122.11.2021

AVG §68 Abs6
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W249.2237294.1.00

 

Spruch:

 

W249 2237294-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid der Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH (Austro Control) vom XXXX , GZ. XXXX , zu Recht (Pkt. A) I.) und beschließt (Pkt. A) II.):

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der mit der Beschwerde gestellte Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge das Schriftstück der Austro Control XXXX , mit dem ein Verstoß der Stufe 2 gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 (d) festgestellt wurde, für rechtswidrig erklären, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. VERFAHRENSGANG

1. Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom XXXX , GZ. XXXX widerrief die Austro Control (im Folgenden: „belangte Behörde“) gemäß § 68 Abs. 6 AVG iVm VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 (d) (3) iVm (1) die an die XXXX (im Folgenden: „Beschwerdeführerin“) mit Bescheid vom XXXX , GZ. XXXX , erteilte Genehmigung der Verwendung von alternativen Nachweisverfahren zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen ohne anwesenden Gesprächspartner. In Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides schloss die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aus.

1.1. Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass ein Pilot, der sich um einen Sprachenvermerk bewerbe, gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) nachweisen müsse, dass er in der Lage sei, effektiv zu kommunizieren, sowohl bei rein akustischem Kontakt, als auch mit einem anwesenden Gesprächspartner. Die European Aviation Safety Agency (kurz: „EASA“) habe gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.120 (a) annehmbare Nachweisverfahren („Acceptable Means of Compliance“, kurz: „AMC“) ausgearbeitet, die zur Einhaltung der VO (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen verwendet werden könnten. Würden die AMC erfüllt werden, seien auch die damit zusammenhängenden Anforderungen der Durchführungsbestimmungen erfüllt.

Während gemäß AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) idF des Anhanges zur Entscheidung des Exekutivdirektors der EASA 2011/016/R eine Bewertung entweder bei rein akustischem Kontakt („voice-only“), oder mit anwesendem Gesprächspartner („face-to-face“) erfolgen habe könne, sei nunmehr gemäß AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) idF des Anhanges zur Entscheidung des Exekutivdirektors der EASA 2020/005/R eine Bewertung bei rein akustischem Kontakt und mit anwesendem Gesprächspartner vorzunehmen.

Gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.120 (b) könnten alternative Nachweisverfahren verwendet werden, um die Einhaltung der Durchführungsbestimmungen zu erreichen. Hierbei überprüfe die zuständige Behörde gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.120 (c) die vorgeschlagenen Nachweisverfahren mittels einer Analyse der von einer Organisation vorgelegten Unterlagen und, falls dies für notwendig erachtet werde, einer Inspektion der Organisation.

Bei Beanstandungen bzw. Verstößen sehe VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 ein zweistufiges Verfahren vor, das bis zur Einschränkung, Aussetzung oder zum Widerruf einer Zulassung führen könne.

1.2. Am XXXX habe die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Genehmigung zur Verwendung eines alternativen Nachweisverfahrens zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen erteilt, das – als wesentlichsten Unterschied zum davor verwendeten Testverfahren – lediglich eine Bewertung bei rein akustischem Kontakt beinhaltet habe. Nachdem AMC1 FCL.055 (l) (2) (i) zum Zeitpunkt dieser Entscheidung eine Wahlmöglichkeit zwischen einer Bewertung bei rein akustischem Kontakt und einer Bewertung mit anwesendem Gesprächspartner enthalten habe, habe das beantragte alternative Nachweisverfahren in dem Punkt der rein akustischen Bewertung dem annehmbaren Nachweisverfahren entsprochen, weshalb die belangte Behörde gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.120 (a) davon ausgegangen sei, dass bei Erfüllung der AMC auch VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) Genüge getan worden sei.

1.3. Am XXXX sei mit der Entscheidung 2020/005/R des Exekutivdirektors der EASA eine Änderung des annehmbaren Nachweisverfahrens erfolgt, die in dem für die Genehmigung des alternativen Nachweisverfahrens ausschlaggebenden Punkt von den zum Zeitpunkt der Entscheidung gültigen annehmbaren Nachweisverfahren abgewichen sei; so sei nunmehr eine Bewertung mit anwesendem Gesprächspartner für notwendig erachtet worden.

Mit Schreiben vom XXXX habe die EASA eine offizielle Feststellung an die belangte Behörde übermittelt, dass das von der belangten Behörde genehmigte alternative Nachweisverfahren nicht VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) entspreche und die belangte Behörde aufgefordert, den rechtskonformen Zustand wiederherzustellen.

1.4. Die Rechtsmeinung der EASA sei der Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom XXXX mitgeteilt und diese aufgefordert worden, die Nichteinhaltung von VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) binnen 14 Tagen ab Erhalt der Mitteilung abzustellen. Vor Ablauf dieser Frist habe die Beschwerdeführerin am XXXX eine Stellungnahme mit rechtlichen Ausführungen zu der von der belangten Behörde erhobenen Beanstandung und am XXXX einen Abhilfeplan („Corrective Action Plan“) übermittelt. Letzterer habe jedoch bis auf die stichprobenartige Einführung von „face-to-face“-Gesprächen bei Kandidaten nach Abschluss des Online-Tests (zur Beurteilung, ob diese das Testergebnis beeinflusst hätten, und zur fortlaufenden Beobachtung/Statistik) keine Abänderung des Verfahrens im Sinne eines Tests mit anwesendem Gesprächspartner beinhaltet.

1.5. Nachdem VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) bezwecke, dass behördlich sichergestellt werde, dass sich Inhaber einer Lizenz gemäß dieser Verordnung effektiv verständigen können, verfolge sie, wie sämtliche sonstigen Bestimmungen dieser Verordnung, den Zweck, die Flugsicherheit zu wahren. Eine Nichteinhaltung dieser Bestimmung sei somit im Sinne der VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 jedenfalls geeignet, die Flugsicherheit zu gefährden bzw. zumindest den Sicherheitsstatus zu senken. Es komme nicht darauf an, dass eine konkrete Sicherheitsbeeinträchtigung vorliege, weil nach dem Wortlaut der Bestimmung („[...] den Sicherheitsstatus senken oder die Flugsicherheit gefährden könnte.“) bereits die abstrakte Möglichkeit einer solchen ausreiche, die sich dadurch ergebe, dass VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) nicht eingehalten werde.

1.6. Gemäß § 68 Abs. 6 AVG könne vom Gesetzgeber des jeweiligen Materiengesetzes vorgesehen werden, dass eine erteilte Berechtigung auch außerhalb des Berufungsverfahrens wieder zurückgenommen oder abgeändert werden könne. Vorliegend sei dies die Bestimmung VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 (d) (1), die die zuständige Behörde ermächtige, „das Zeugnis oder bestimmte Zulassungen“ zu widerrufen oder „einzuschränken“, wenn ein Verstoß der Stufe 1 („Level 1 Finding“) vorliege. Nachdem diese Zulassungen nicht ex lege be-/entstehen würden, sondern, wie die gegenständliche Genehmigung der Verwendung des Testverfahrens als alternatives Nachweisverfahren, per Bescheid erteilt werden würden, könnten diese Bescheide unter den in VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 genannten Voraussetzungen auch widerrufen werden.

Da der von der Beschwerdeführerin vorgelegte Abhilfeplan die Beanstandung in Bezug auf einen zwingend bei jedem Sprachkompetenzprüfungsverfahren miteinzubeziehenden anwesenden Gesprächspartner nicht bzw. nicht zur Gänze behebe, habe die belangte Behörde gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 (d) (2) (ii) iVm (1) die Genehmigung vom XXXX der Verwendung von alternativen Nachweisverfahren zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen ohne anwesenden Gesprächspartner einzuschränken, auszusetzen oder zu widerrufen. Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgend sei dabei das gelindeste, aber dennoch den Zweck der Behebung der Beanstandung erfüllende Mittel zu wählen. Da im konkreten Fall weder eine Aussetzung, noch eine Einschränkung zielführend sei, sei nur der Widerruf der Genehmigung des Testverfahrens möglich, um die Beanstandung gänzlich zu beheben.

2. Mit am XXXX erhobener Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin, das Bundesverwaltungsgericht möge „1.) dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung gegen den Beschied vom XXXX mit der Geschäftszahl XXXX zuerkennen, 2.) den angefochtenen Bescheid XXXX mit der Geschäftszahl XXXX ersatzlos aufheben sowie 3.) das Schriftstück der Austro Control GmbH vom XXXX (Beilage .D), mit dem ein ‚Verstoß der Stufe 2‘ gemäß VO (EU) 1178/2011 , Anhang VI ARA.GEN.350 (d) festgestellt wurde für rechtswidrig erklären.“ Weiters wurde ein Antrag auf Aufhebung der nationalen Verordnung ZPH-GEN 1 vom 04.05.2018, XXXX , beim Verfassungsgerichtshof und ein Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung der VO (EU) Nr. 1178/2011 unter Anführung konkreter Fragen beim Europäischen Gerichtshof angeregt.

2.1. Im Wesentlichen führte die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde aus, dass das verfahrensgegenständliche Sprachprüfungsverfahren „ XXXX “ durch die belangte Behörde eingehend untersucht und beurteilt worden sei. Dass dieses Prüfungsverfahren in Form eines ausschließlich semi-direkten konzipiert sein würde, sei von Anfang an festgestanden. Die prinzipielle Zulässigkeit eines rein semi-direkten Tests sei dabei bereits in einem sehr frühen Entwicklungsstadium als gegeben erachtet worden, basierend darauf, dass die Entwicklung eines alternativen Nachweisverfahrens gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.120 immer möglich sei, VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 nicht vorschreibe, dass ein Gesprächsteil mit einem Prüfer stattzufinden habe und sich außerdem auch aus den internationalen Standards in ICAO Doc 9835 („Manual on the Implementation of ICAO Language Proficiency Requirements“) und ICAO Circ 318 („Language Testing Criteria for Global Harmonization“) ableiten lasse, dass rein semi-direkte Tests zulässig seien.

Die belangte Behörde sei als nationale Luftfahrtbehörde gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.120 (d) (2) dazu verpflichtet, sämtliche alternativen Nachweisverfahren, die sie genehmigt habe, an die EASA weiterzuleiten, der diesbezüglich jedoch keine exekutiven Kompetenzen zukommen würden. Nach Rechtsansicht der EASA liege jedoch ein Verstoß gegen VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) vor, weil ein Sprachkompetenztest zwingend ein Gespräch mit einem Prüfer beinhalten müsse.

2.2. Die Beschwerdeführerin machte folgende Beschwerdegründe geltend:

2.2.1. Materiell-rechtliche Fehlinterpretation von VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1)

Der Wortlaut von VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) bis (5) entstamme Anhang 1 zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt; nach den Materialien der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (kurz: „ICAO“) seien diese Bestimmungen als Referenzrahmen für die Bewertung der Fähigkeiten eines Kandidaten zu sehen. Konkrete Anforderungen an die Gestaltung von Sprachkompetenztests würden sich hingegen in ICAO Doc 9835 und ICAO Circ 318 finden, die semi-direkte, als auch direkte Tests zulassen würden. Diese Anforderung sei also systematisch unabhängig davon, dass Tests prüfen müssten, ob Fähigkeiten in „voice-only“-Situationen, als auch „face-to-face“-Situationen vorliegen würden.

Die belangte Behörde berufe sich auf annehmbare Nachweisverfahren, die von der EASA erarbeitet worden seien. Die AMC seien jedoch gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Artikel 2 Z 14 nicht rechtsverbindlich, im Ergebnis – weil diese in einem Konsultationsverfahren erstellt sowie geändert werden würden – eher als politischer Konsens zu sehen und würden nicht dem fachlichen Niveau einer von Sachverständigen ausgearbeiteten „best practice“-Empfehlung entsprechen. Darüber hinaus treffe AMC1 FCL.055 (l) (2) (i) keine andere Aussage als VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1); dass ein „face-to-face“-Gespräch mit einem Prüfer stattzufinden habe, sei daraus nicht zu entnehmen. Die Änderung von AMC1 FCL.055 (l) (2) (i) sei zudem deshalb erfolgt, um einen bis dahin offenen Widerspruch zu VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) zu beseitigen. Eine neuerliche Genehmigungspflicht könne auch nur dann ausgelöst werden, wenn sich die Bestimmung der EU-Verordnung, auf die sich das genehmigte alternative Nachweisverfahren beziehe, in einem genehmigungsrelevanten Punkt geändert habe; im vorliegenden Fall habe sich nur ein nicht rechtsverbindliches Dokument geändert. Als einziges Beweismittel für ihre neue Interpretation führe die belangte Behörde lediglich ein E-Mail der EASA vom XXXX ins Treffen, das nicht kritisch gewürdigt worden sei.

2.2.2. Einmischung durch eine unzuständige Behörde

Die EASA habe, obwohl sie – wie sie selbst zu erkennen gegeben habe – keinerlei Entscheidungsgewalt im Bereich „Aircrew“ besitze, die belangte Behörde unter Androhung von Konsequenzen aufgefordert, eine Entscheidung in ihrem Sinne zu treffen. Diese Weisung, die offensichtlich der durch VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VII ORA.GEN.105 (a) (1) (i) verbindlich festgelegten Kompetenzverteilung zwischen der EASA und den nationalen Luftfahrtbehörden widerspreche, hätte von den Organen der belangten Behörde gemäß Art. 20 Abs. 1 B-VG abgelehnt werden müssen; die belangte Behörde habe aber geradezu um eine Weisung zur Handlung ersucht.

2.2.3. Verletzung des Parteiengehörs und der Begründungspflicht

Die Beschwerdeführerin habe erst am XXXX von den Rechtshandlungen der EASA hinsichtlich des Prüfungssystems „ XXXX “ erfahren und sei nie als Partei oder zumindest in irgendeiner anderen Form diesem Verfahren beigezogen worden. Auch seien keine Informationen, Stellungnahmen und Beweismittel, die den haltlosen Anschuldigungen der EASA entgegenzusetzen gewesen wären, von der belangten Behörde an die EASA übermittelt worden. Weiters habe die belangte Behörde den Widerrufsbescheid nicht ausreichend begründet, als auf die Argumente der Beschwerdeführerin, weshalb die rechtliche Beurteilung durch die EASA eindeutig falsch sei, nicht eingegangen worden sei.

2.2.4. Fehlerhafte Bewertung als Verstoß der Stufe 2

(i) Fehlende Sicherheitsbeurteilung

Es sei die für einen Verstoß der Stufe 2 geforderte „Sicherheitsbeeinträchtigung oder mögliche Gefährdung der Flugsicherheit“ nicht gegeben: Es müsse zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich aus dem behaupteten Verstoß eine sicherheitsgefährdende Folge ergebe. Konkret gehe es darum, welche „Art der Durchführung“ einer XXXX prüfung für Piloten geboten sei. Die „Art der Durchführung“ habe jedoch keine direkten Auswirkungen auf die Flugsicherheit. Erst wenn ein Prüfungsmodus eine verlässliche Ergebnisfeststellung nicht mehr ermögliche und sich dadurch eine Wahrscheinlichkeit einer „Fehlbewertung“ von Kandidaten ergebe, sei in weiterer Folge ein (auch nur potenzielles) Risiko denkbar, wenn die Fähigkeiten des Piloten zusätzlich unter dem geforderten Niveau lägen, sich dieser Pilot in einem freigabepflichtigen ausländischen Luftraum bewege und Missverständnisse aufträten. Es müsste damit eine Vielzahl an Faktoren zusammentreffen.

Die Kausalkette sei im vorliegenden Fall jedoch unterbrochen. Es gebe keine Fehlergebnisse, die durch „ XXXX “- Prüfungen aufgrund der semi-direkten Ausgestaltung bedingt seien:

 Die belangte Behörde selbst habe bei Überprüfungen alle Ergebnisse bestätigt.

 Die Beschwerdeführerin habe bereits im Genehmigungsprozess nachgewiesen, dass der Umstand, ob ein Gespräch mit einem Prüfer geführt werde, in knapp XXXX Prüfungen in den Jahren XXXX keinen Einfluss auf das Ergebnis der Prüfung gehabt habe.

 Die Beschwerdeführerin habe auch im laufenden Verfahren nachgewiesen, dass die Prüfungsergebnisse durch die „ XXXX “-Prüfungen statistisch genau jener Verteilung entsprechen würden, die auch die belangte Behörde erwarte.

Wenn keine Fehlergebnisse vorlägen, gebe es auch keine (nicht einmal eine hypothetische) Gefahr für die Flugsicherheit.

Grundsätzlich sei festzuhalten, dass Piloten mit mangelnden XXXX enntnissen eine potenzielle Gefahr für den Luftverkehr darstellen könnten. Doch selbst diese Gefahr sei in der Vergangenheit von der belangten Behörde nicht als besonders besorgniserregend eingestuft worden, weil es bis zum XXXX in Österreich generell keine Verpflichtung für Piloten, eine XXXX prüfung abzulegen, gegeben sowie ein hoher Prozentsatz der österreichischen Piloten ihre Prüfung in einem Übergangs- und Einführungszeitraum abgelegt habe, in dem keine Verwendung eines Prüfungssystems, keine Bewertung durch zwei unabhängige Bewerter, keine Qualitätskontrolle durch ein „Language Assessment Body“ und keine behördliche Aufsicht bestanden habe.

Berufe sich die belangte Behörde also auf den äußerst hypothetischen Kausalverlauf, dass ein Pilot, dessen XXXX prüfung nicht der „Art der Durchführung“ entsprochen habe (wie sie nach vermeintlicher Auslegung der EASA von FCL.055 (b) (1) gefordert sei) eine Gefährdung darstelle, so sei an dieser Stelle anzumerken, dass die belangte Behörde nicht einmal in jenen Fällen Maßnahmen eingeleitet habe, in denen es offensichtlich sei, dass Fehlergebnisse vorliegen würden.

(ii) Gelindere Mittel

Der belangten Behörde seien gelindere Mittel als ein Verstoß der Stufe 2 zur Verfügung gestanden. So finde sich in § 169 Abs. 1 Z 3 lit. g LFG eine nahtlose Fortsetzung der Rechtsmittel, bei denen es nicht einmal darauf ankomme, dass eine Mindestschwelle an „potenzieller Fluchtsicherheitsgefährdung“ vorliege. Des Weiteren habe die belangte Behörde aus den drei gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 zur Wahl stehenden Mitteln (Aussetzung, Einschränkung und Widerruf) nicht das gelindeste gewählt; es wäre die Genehmigung bis zu Entscheidung eines Gerichtes auszusetzen gewesen.

 

2.2.5. Unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides

Es sei keine Tatbestandsalternative des § 68 AVG Abs. 2 bis 4 gegeben. Auch § 68 Abs. 6 AVG iVm VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 stelle keine zulässige Befugnis zur Zurücknahme der Berechtigung dar, weil einerseits keine ausreichende Begründung für einen Verstoß der Stufe 2 vorliege (vgl. Pkt. I.2.2.4. oben), andererseits eine geänderte Rechtsauslegung alleine kein Grund sei, der betroffenen Organisation einen Verstoß vorzuwerfen; es sei zu keiner Änderung der anzuwendenden Rechtslage gekommen. Auch der Europäische Gerichtshof bekenne sich zur Bestandskraft von individuellen Verwaltungsentscheidungen. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Durchbrechung der Rechtskraft (EuGH 13.01.2004, C-453/00, Kühne & Heitz) würden allesamt nicht vorliegen.

2.2.6. Fehlende Rechtsschutzmöglichkeiten im Verfahren

Die Beschwerdeführerin kritisierte, dass VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 nur unter sehr erschwerten Bedingungen eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen festgestellte Verstöße der Stufe 2 biete. Es sei eine bewusste „Eskalation“ herbeizuführen, damit es zu einem Hochstufen auf einen Verstoß der Stufe 1 komme und die behördliche Feststellung gerichtlich überprüft werden könne.

2.2.7. Gesetzwidrigkeit der Verpflichtung zur Einhaltung von AMC der EASA

In der nationalen Verordnung ZPH-GEN 1 ordne die belangte Behörde an, dass alle annehmbaren Nachweisverfahren der EASA in Österreich anzuwenden seien. Diese Anordnung verstoße in mehrfacher Weise gegen bewährte Prinzipien (unzulässiger dynamischer Verweis, Sprache, Widerspruch zum EU-Recht etc.).

3. Die Beschwerdevorlage und der Verwaltungsakt langten am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

4. Mit Teilerkenntnis vom 18.11.2020, W249 2236725-1/4E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab und gab dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht statt.

5. Da die belangte Behörde in der Beschwerdevorlage nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgesehen hatte, stellte das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde die Akten des Verfahrens mit Schreiben vom XXXX gemäß § 13 VwGVG zurück. Die belangte Behörde legte die Verfahrensakten mit Schriftsatz vom XXXX , hg. eingelangt am XXXX , unter Absehung von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung erneut vor.

6. Die Behandlung der von der Beschwerdeführerin gegen W249 2236725-1/4E erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 18.01.2021, E 33/2021-5, abgelehnt. Der Verwaltungsgerichtshof wies die daraufhin erhobene außerordentliche Revision der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 17.03.2021, Ra 2021/03/0035-4, zurück.

II. DAS BUNDESVERWALTUNGSGERICHT HAT ERWOGEN:

1. FESTSTELLUNGEN

1.1. Mit Bescheid vom XXXX , GZ. XXXX , erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin eine Genehmigung für die Verwendung eines alternativen Nachweisverfahrens zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen ohne anwesenden Gesprächspartner. Dabei handelt es sich um das Sprachprüfungsverfahren „ XXXX “, einen ausschließlich semi-direkten Test, der lediglich eine Bewertung bei rein akustischem Kontakt beinhaltet.

1.2. Nachdem AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) mit der Entscheidung des Exekutivdirektors der EASA vom XXXX , 2020/005/R, abgeändert wurde und die EASA mit Schreiben vom XXXX eine offizielle Feststellung an die belangte Behörde übermittelte, dass das von der belangten Behörde genehmigte alternative Nachweisverfahren nicht VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) entspreche, sowie der belangten Behörde empfahl, das von ihr genehmigte alternative Nachweisverfahren nochmals zu überprüfen, forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom XXXX auf, die Nichteinhaltung von VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) binnen 14 Tagen ab Erhalt der Mitteilung abzustellen.

1.3. Am XXXX übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme mit rechtlichen Ausführungen zu der von der belangten Behörde erhobenen Beanstandung und am XXXX einen Abhilfeplan, der bis auf die stichprobenartige Einführung von „face-to-face“-Gesprächen bei Kandidaten nach Abschluss des Online-Tests (zur Beurteilung, ob diese das Testergebnis beeinflusst haben, und zur fortlaufenden Beobachtung/Statistik) keine Abänderung des Verfahrens im Sinne eines Tests mit anwesendem Gesprächspartner beinhaltete.

1.4. Mit Bescheid vom XXXX , GZ. XXXX , widerrief die belangte Behörde die unter Pkt. II.1.1. dargestellte Genehmigung und schloss die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid aus.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom XXXX Beschwerde und stellte die Anträge, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Schriftstück der belangten Behörde vom XXXX mit dem ein Verstoß der Stufe 2 gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 (d) festgestellt wurde, für rechtswidrig zu erklären.

1.6. Mit Teilerkenntnis vom 18.11.2020, W249 2236725-1/4E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab und gab dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht statt; den dagegen erhobenen Rechtsmitteln wurde höchstgerichtlich nicht stattgegeben.

2. BEWEISWÜRDIGUNG

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, insbesondere dem angefochtenen Bescheid und der verfahrensgegenständlichen Beschwerde, sowie dem Gerichtsakt zu W249 2236725-1; beide Akten sind unstrittig.

3. RECHTLICHE BEURTEILUNG

ZU A)

3.1. RECHTSGRUNDLAGEN

3.1.1. AVG

Die im vorliegenden Fall relevante Regelung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. 51/1991 idF BGBl. I 33/2013, lautet auszugsweise:

„Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.

(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid

1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,

2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,

3. tatsächlich undurchführbar ist oder

4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

[…]

(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.

[…]“

3.1.2. VO (EU) Nr. 1178/2011

Die im vorliegenden Fall relevanten Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 03.11.2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates idF Verordnung (EU) Nr. 2021/1310 der Kommission vom 06.08.2021 lauten auszugsweise:

„DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION –

[…]

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit, zur Aufhebung der Richtlinie 91/670/EWG des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1592/2002 und der Richtlinie 2004/36/EG (1), insbesondere auf Artikel 7 Absatz 6, Artikel 8 Absatz 5 und Artikel 10 Absatz 5,

in Erwägung nachstehender Gründe:

[…]

(11) Um einen reibungslosen Übergang und ein hohes einheitliches Sicherheitsniveau der zivilen Luftfahrt in der Europäischen Union zu gewährleisten, sollten die Durchführungsmaßnahmen dem Stand der Technik, einschließlich bewährter Praktiken, sowie dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt im Bereich der Pilotenausbildung und der flugmedizinischen Tauglichkeit des fliegenden Personals entsprechen. Dementsprechend sollten technische Anforderungen und Verwaltungsverfahren, die von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) und bis 30. Juni 2009 von den Gemeinsamen Luftfahrtbehörden (Joint Aviation Authorities, JAA) beschlossen wurden, sowie bestehende Rechtsvorschriften zu einem spezifischen einzelstaatlichen Umfeld Berücksichtigung finden.

[…]

Artikel 12

Inkrafttreten und Anwendung

[…]

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

[…]

ANHANG I

[TEIL-FCL][…]

FCL.055 Sprachkenntnisse

[…]

b) Bewerber um einen Sprachenvermerk müssen mindestens Sprachkenntnisse sowohl auf der Ebene der Einsatzfähigkeit für den Gebrauch der Sprechgruppen als auch für den Gebrauch normaler Sprache gegenüber einem Prüfer nachweisen, der von der zuständigen Behörde bzw. einer von der zuständigen Behörde genehmigten Sprachprüfstelle zugelassen ist. Hierzu muss der Bewerber die Fähigkeit zu Folgendem nachweisen:

(1) effektiv zu kommunizieren sowohl bei rein akustischem Kontakt als auch mit einem anwesenden Gesprächspartner;

[…]ANHANG VI

ANFORDERUNGEN AN BEHÖRDEN BEZÜGLICH DES FLIEGENDEN PERSONALS

[TEIL-ARA]

[…]

ARA.GEN.120 Nachweisverfahren

a) Die Agentur erarbeitet annehmbare Nachweisverfahren (Acceptable Means of Compliance, AMC), die zur Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen verwendet werden können. Wenn die AMC erfüllt werden, sind auch die damit zusammenhängenden Anforderungen der Durchführungsbestimmungen erfüllt.

b) Es können alternative Nachweisverfahren verwendet werden, um die Einhaltung der Durchführungsbestimmungen zu erreichen.

c) Die zuständige Behörde richtet ein System zur laufenden Überprüfung ein, ob die alternativen Nachweisverfahren, die sie selbst oder Organisationen und Personen, die ihrer Aufsicht unterliegen, verwenden, die Feststellung der Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen ermöglichen.

d) Die zuständige Behörde überprüft alle alternativen Nachweisverfahren, die von einer Organisation vorgeschlagen werden, gemäß ORA.GEN.120 mittels einer Analyse der vorgelegten Unterlagen und, falls dies für notwendig erachtet wird, einer Inspektion der Organisation.

Stellt die zuständige Behörde fest, dass die alternativen Nachweisverfahren den Durchführungsbestimmungen entsprechen, wird sie unverzüglich:

[…]

2. die Agentur unter Beifügung von Kopien aller einschlägigen Unterlagen über deren Inhalt informieren und

[…]

ARA.GEN.300 Aufsicht

a) Die zuständige Behörde überprüft Folgendes:

[…]

2. Die laufende Einhaltung der Anforderungen, die für Inhaber von Lizenzen, Berechtigungen und Zeugnissen, für die von ihr zertifizierten Organisationen, die Inhaber einer FSTD-Qualifikationsbescheinigung und Organisationen gelten, die ihr eine Erklärung vorgelegt haben;

[…]

b) Diese Überprüfung:

[…]

4. liefert der zuständigen Behörde die erforderlichen Nachweise, falls weitere Maßnahmen, einschließlich der in ARA.GEN.350 und ARA.GEN.355 vorgesehenen Maßnahmen, erforderlich sind.

[…]

ARA.GEN.350 Beanstandungen und Abhilfemaßnahmen – Organisationen

a) Die für die Aufsicht gemäß ARA.GEN.300 Buchstabe a zuständige Behörde verfügt über ein System für die Analyse von Beanstandungen hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Sicherheit.

b) Ein Verstoß der Stufe 1 (‚Level 1 Finding‘) wird durch die zuständige Behörde beanstandet, wenn eine wesentliche Nichteinhaltung der einschlägigen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen, der Verfahren und Handbücher der Organisation oder der Bedingungen einer Zulassung oder eines Zeugnisses festgestellt wird, die den Sicherheitsstatus senkt oder die Flugsicherheit schwerwiegend gefährdet.

Verstöße der Stufe 1 (‚Level 1 Findings‘) schließen ein:

1. Nichtgewährung des Zutritts der zuständigen Behörde zu Einrichtungen der Organisation, wie in ORA.GEN.140 definiert, während der normalen Betriebszeiten und nach zweimaliger schriftlicher Aufforderung;

2. Erlangung oder Aufrechterhaltung der Gültigkeit des Zeugnisses als Organisation durch Fälschung eingereichter Nachweise;

3. festgestellte missbräuchliche oder betrügerische Verwendung des Zeugnisses als Organisation und

4. Fehlen eines verantwortlichen Betriebsleiters.

c) Ein Verstoß der Stufe 2 (‚Level 2 Finding‘) wird durch die zuständige Behörde beanstandet, wenn eine Nichteinhaltung der einschlägigen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen, der Verfahren und Handbücher der Organisation oder der Bedingungen einer Zulassung oder eines Zeugnisses festgestellt wird, die den Sicherheitsstatus senken oder die Flugsicherheit gefährden könnte.

d) Liegt eine Beanstandung im Rahmen der Aufsicht oder auf sonstige Weise vor, teilt die zuständige Behörde, unbeschadet erforderlicher zusätzlicher Maßnahmen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihren Durchführungsbestimmungen, der Organisation die Feststellung schriftlich mit und verlangt Abhilfemaßnahmen bezüglich der festgestellten Nichteinhaltung(en). Gegebenenfalls informiert die zuständige Behörde das Land, in dem das Luftfahrzeug registriert ist.

1. Bei Verstößen der Stufe 1 (‚Level 1 Findings‘) ergreift die zuständige Behörde sofortige und angemessene Maßnahmen, um Tätigkeiten einzuschränken oder zu verbieten, und ergreift, falls angemessen, Maßnahmen zum Widerruf des Zeugnisses oder bestimmter Zulassungen oder schränkt diese ganz oder teilweise ein oder setzt sie aus, je nach Ausmaß des Verstoßes der Stufe 1 (‚Level 1 Finding‘), bis die Organisation erfolgreiche Abhilfemaßnahmen durchgeführt hat.

2. Bei Verstößen der Stufe 2 (‚Level 2 Findings‘):

i) räumt die zuständige Behörde der Organisation eine Frist für die Durchführung von Abhilfemaßnahmen ein, die der Art des Verstoßes angemessen ist, anfänglich jedoch nicht mehr als 3 Monate beträgt. Am Ende dieser Frist und unter Berücksichtigung der Art des Verstoßes kann die zuständige Behörde die Frist von 3 Monaten verlängern, wenn ihr ein zufrieden stellender Abhilfeplan vorgelegt und dieser von ihr genehmigt wird, und

ii) bewertet die zuständige Behörde die Abhilfemaßnahmen und den von der Organisation vorgeschlagenen Umsetzungsplan und akzeptiert diese, wenn sie bei der Beurteilung zu dem Ergebnis kommt, dass sie ausreichen, um der Nichteinhaltung abzuhelfen.

3. Legt eine Organisation keinen akzeptablen Abhilfeplan vor oder führt sie innerhalb der von der zuständigen Behörde akzeptierten oder verlängerten Frist die Abhilfemaßnahmen nicht durch, wird die Beanstandung auf einen Verstoß der Stufe 1 (‚Level 1 Finding‘) hochgestuft und werden die unter Buchstabe d Absatz 1 festgelegten Maßnahmen ergriffen.

4. Die zuständige Behörde führt Aufzeichnungen über alle festgestellten oder ihr angezeigten Beanstandungen und, falls zutreffend, die von ihr angewandten Durchsetzungsmaßnahmen sowie alle Abhilfemaßnahmen und Fristen für den Abschluss von Maßnahmen bezüglich der Beanstandungen.

[…]“

3.1.3. VO (EU) 2018/1139

Die im vorliegenden Fall relevanten Regelungen der Verordnung (EU) 2018/1139 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2018 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit sowie zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2111/2005, (EG) Nr. 1008/2008, (EU) Nr. 996/2010, (EU) Nr. 376/2014 und der Richtlinien 2014/30/EU und 2014/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 552/2004 und (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 des Rates lauten auszugsweise:

„DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION –

[…]

in Erwägung nachstehender Gründe:

[…]

(35) Die Kommission, die Agentur und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sollten ein einheitliches europäisches System für die Flugsicherheit bilden, auf dessen Grundlage sie die Ressourcen gemeinsam nutzen und zusammenarbeiten, um so die Ziele dieser Verordnung zu erreichen. Die Agentur sollte aktiv eine gemeinsame Zertifizierungs- und Aufsichtskultur und den Austausch bewährter Verwaltungspraxis fördern, etwa durch die Erleichterung des Personalaustauschs zwischen den zuständigen Behörden, um einen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung zu leisten, wobei die Stellungnahmen der Interessenträger zu berücksichtigen sind. Die Überwachungstätigkeiten der Agentur in Bezug auf die Anwendung dieser Verordnung durch die Mitgliedstaaten sollte auch darauf abzielen, die Fähigkeiten der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Bezug auf die Zertifizierung und Aufsicht zu stärken und Wissen zwischen diesen Behörden weiterzugeben.

[…]

Artikel 4

Grundsätze für Maßnahmen im Rahmen dieser Verordnung

(1) Die Kommission, die Agentur und die Mitgliedstaaten müssen, wenn sie Maßnahmen im Rahmen dieser Verordnung treffen,

a) den Stand der Technik und bewährte Verfahren in der Luftfahrt berücksichtigen und den weltweiten Erfahrungen in der Luftfahrt sowie dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt auf den jeweiligen Gebieten Rechnung tragen;

b) sich auf die besten verfügbaren Nachweise und Analysen stützen;

c) eine unmittelbare Reaktion auf ermittelte Ursachen von Unfällen, schweren Störungen und absichtlichen Verstößen gegen Sicherheitsbestimmungen ermöglichen;

d) Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Bereichen der Flugsicherheit sowie zwischen der Flugsicherheit, der Cybersicherheit und anderen technischen Gebieten der Luftfahrtregulierung berücksichtigen;

e) soweit möglich, Anforderungen und Verfahren auf eine leistungsbezogene Weise festlegen, die auf die zu erreichenden Ziele ausgerichtet ist und es ermöglicht, diese leistungsbezogenen Ziele auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen;

f) die Zusammenarbeit und eine effiziente Ressourcennutzung durch die Behörden auf Unionsebene und der Ebene der Mitgliedstaaten fördern;

g) soweit möglich, rechtlich nicht bindende Maßnahmen treffen, einschließlich Aktionen zur Förderung der Sicherheit;

h) die internationalen Rechte und Pflichten der Union und der Mitgliedstaaten im Bereich der Zivilluftfahrt einschließlich der Rechte und Pflichten im Rahmen des Abkommens von Chicago berücksichtigen.

[…]

Artikel 75

Errichtung und Funktionen der Agentur

[…]

(2) Um die ordnungsgemäße Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Zivilluftfahrt im Einklang mit den Zielen nach Artikel 1 zu gewährleisten, erfüllt die Agentur folgende Funktionen:

a) Sie nimmt alle unter diese Verordnung fallenden Aufgaben wahr und gibt Stellungnahmen zu allen einschlägigen Angelegenheiten ab;

b) sie unterstützt die Kommission durch die Ausarbeitung von Maßnahmen, die im Rahmen dieser Verordnung zu treffen sind. Handelt es sich hierbei um technische Vorschriften, darf die Kommission deren Inhalt nicht ohne vorherige Koordinierung mit der Agentur ändern;

[…]

e) sie führt die Inspektionen, anderen Überwachungstätigkeiten und Untersuchungen durch, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dieser Verordnung erforderlich sind oder um die sie die Kommission ersucht hat;

[…]

Artikel 76

Maßnahmen der Agentur

[…]

(1) Die Agentur unterstützt im Einklang mit den in Artikel 4 festgelegten Grundsätzen die Kommission auf Ersuchen bei der Ausarbeitung von Vorschlägen für Änderungen der Verordnung und der auf der Grundlage dieser Verordnung zu erlassenden delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte. Zu diesem Zweck legt die Agentur der Kommission schriftliche Stellungnahmen vor.

[…]

(3) Im Einklang mit Artikel 115 und den anwendbaren, auf der Grundlage dieser Verordnung erlassenen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten erarbeitet die Agentur Zertifizierungsspezifikationen und andere Einzelspezifikationen, annehmbare Nachweisverfahren sowie Anleitungen für die Anwendung dieser Verordnung und der auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte.

[…]

Artikel 85

Überwachung der Mitgliedstaaten

(1) Die Agentur unterstützt die Kommission bei der Überwachung der Anwendung dieser Verordnung und der auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte durch die Mitgliedstaaten und führt dazu Inspektionen und sonstige Überwachungstätigkeiten durch. Diese Inspektionen und sonstigen Überwachungstätigkeiten sollen die Mitgliedstaaten auch bei der Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung dieser Verordnung und der auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte und beim Austausch bewährter Verfahren unterstützen.

Die Agentur legt der Kommission Berichte über die gemäß diesem Absatz durchgeführten Inspektionen und sonstigen Überwachungstätigkeiten vor.

(2) Für die Zwecke der Durchführung der in Absatz 1 genannten Inspektionen und sonstigen Überwachungstätigkeiten wird die Agentur ermächtigt,

a) von den zuständigen nationalen Behörden sowie den natürlichen und juristischen Personen, die dieser Verordnung unterliegen, zu verlangen, der Agentur alle erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen;

b) von diesen Behörden und Personen die Abgabe mündlicher Erklärungen zu Tatsachen, Dokumenten, Gegenständen, Verfahren oder sonstigen Sachverhalten zu verlangen, die für die Feststellung relevant sind, ob ein Mitgliedstaat diese Verordnung und die auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte erfüllt;

c) alle relevanten Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel dieser Behörden und Personen zu betreten;

d) alle einschlägigen Unterlagen, Aufzeichnungen oder Daten, die sich im Besitz dieser Behörden und Personen befinden oder ihnen zugänglich sind, zu prüfen, zu kopieren oder Auszüge daraus anzufertigen, unabhängig von dem Medium, auf dem die Informationen gespeichert sind.

Soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob ein Mitgliedstaat diese Verordnung und die auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte erfüllt, wird die Agentur auch ermächtigt, die Befugnisse nach Unterabsatz 1 in Bezug auf jede andere juristische oder natürliche Person auszuüben, die nach vernünftigem Ermessen über für diese Zwecke relevante Informationen verfügt oder Zugang zu solchen Informationen hat.

Die Befugnisse nach diesem Absatz werden unter Wahrung der Rechte und berechtigten Interessen der betroffenen Behörden und Personen und in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang mit dem nationalen Recht des Mitgliedstaats ausgeübt, in dem die Inspektionen oder sonstige Überwachungstätigkeiten durchgeführt werden. Wenn nach dem geltenden nationalen Recht eine vorherige Genehmigung der zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats erforderlich ist, um Zugang zu den relevanten Räumlichkeiten, Grundstücken und Transportmitteln gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe c zu erhalten, werden diese Befugnisse erst nach vorheriger Einholung einer solchen Genehmigung ausgeübt.

[…]

Artikel 139

Aufhebung

[…]

(1) Die Verordnung (EG) Nr. 216/2008 wird mit Wirkung vom 11. September 2018 aufgehoben.

[…]

(4) Bezugnahmen auf die aufgehobenen Verordnungen gemäß den Absätzen 1, 2 und 3 gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind gegebenenfalls gemäß der Entsprechungstabelle in Anhang X zu lesen.

Artikel 140

Übergangsbestimmungen

[…]

(2) Die auf der Grundlage der Verordnungen (EG) Nr. 216/2008 und (EG) Nr. 552/2004 erlassenen Durchführungsbestimmungen werden spätestens bis zum 12. September 2023 an die Bestimmungen der vorliegenden Verordnung angepasst.

[…]“

3.1.4. AMC

Die im vorliegenden Fall relevante Regelung der Acceptable Means of Compliance – AMC (diese werden ausschließlich in englischer Sprache veröffentlicht und nicht in die Amtssprachen der EU übersetzt, da die englische Sprache die für das gesamte Luftfahrtpersonal gängige Sprache darstellt) lautet auszugsweise:

idF des Anhanges zur Entscheidung des Exekutivdirektors der EASA 2011/016/R

idF des Anhanges zur Entscheidung des Exekutivdirektors der EASA 2020/005/R

„AMC1 FCL.055 Language proficiency

[…]

BASIC ASSESSMENT REQUIREMENTS

(l) The aim of the assessment is to determine the ability of an applicant for a pilot licence or a licence holder to speak and understand the language used for R/T communications.

[…]

(2) The assessment should include:

(i) voice-only or face-to-face situations; […]

(6) When the assessment is not conducted in a face-to-face-situation, it should use appropriate technologies for the assessment of the applicant’s abilities in listening and speaking, and for enabling interactions (for example: simulated pilot and controller communication).

[…]“

„AMC1 FCL.055 Language proficiency

[…]

BASIC ASSESSMENT REQUIREMENTS

(l) The aim of the assessment is to determine the ability of an applicant for a pilot licence or a licence holder to speak and understand the language used for R/T communications.

[…]

(2) The assessment should include:

(i) voice-only and face-to-face situations;

[…]

(6) When the assessment is not conducted in a face-to-face-situation, it should use appropriate technologies for the assessment of the applicant’s abilities in listening and speaking, and for enabling interactions (for example: simulated pilot and controller communication).

[…]“

  

3.2. ZU SPRUCHPUNKT A) I.

3.2.1. Die Beschwerdeführerin beantragt in ihrem Rechtsmittel, „den angefochtenen Bescheid vom XXXX mit der Geschäftszahl XXXX ersatzlos auf[zu]heben“. Während das Bundesverwaltungsgericht der Behebung von Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides nicht nachkam (vgl. Pkt. I.4. oben), bedarf es im Folgenden noch einer Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich der Beseitigung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides.

3.2.2. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides behandelt den Widerruf der an die Beschwerdeführerin am XXXX erteilten Genehmigung zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen auf Basis eines alternativen Nachweisverfahrens. Dabei stützt sich die belangte Behörde auf die Rechtsgrundlage § 68 Abs. 6 AVG iVm VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 (d) (3) iVm (1).

§ 68 AVG, der die „Abänderung und Behebung von Amts wegen“ regelt, ordnet in seinem Abs. 6 an, dass die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens unberührt bleiben. Das AVG trifft demnach keine abschließende Regelung über die amtswegige Abänderung, Aufhebung oder Nichtigerklärung von der Beschwerde nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden, sondern stellt es dem Materiengesetzgeber anheim, über § 68 (und §§ 69 ff) AVG hinaus weitere Fälle vorzusehen, in denen Bescheide außerhalb eines ordentlichen Rechtsmittelverfahrens von der Behörde wieder abgeändert oder aufgehoben bzw. für nichtig erklärt werden können (Hengstschläger/Leeb, AVG2, § 68 AVG, Rz 54).

VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 – überschrieben mit „Beanstandungen und Abhilfemaßnahmen – Organisationen“ – stellt eine solche eigenständige Verfahrensnorm des Unionsrechts dar, mit der bei (wesentlicher) Nichteinhaltung der Anforderungen der VO (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen, der Verfahren und Handbücher der Organisation oder der Bedingungen einer Zulassung oder eines Zeugnisses eine bereits rechtskräftige verwaltungsbehördliche Entscheidung eingeschränkt, ausgesetzt oder widerrufen werden kann (bei einem Verstoß der Stufe 1 bzw. bei einem Verstoß der Stufe 2, der nach Nicht-Durchführung der Abhilfemaßnahmen innerhalb der gesetzten Frist oder nach einem inakzeptablen Abhilfeplan auf einen Verstoß der Stufe 1 hochgestuft wurde). Die einschlägige Rechtsvorschrift ist, da die VO (EU) Nr. 1178/2011 gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Art. 12 in all ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt, verbindlich und unmittelbar anwendbar.

Gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.300 (a) (2) ist die belangte Behörde zuständig für die Überprüfung der laufenden Einhaltung der Anforderungen, die für Inhaber von Lizenzen, Berechtigungen und Zeugnissen, für die von ihr zertifizierten Organisationen, die Inhaber einer FSTD Qualifikationsbescheinigung und Organisationen gelten, die ihr eine Erklärung vorgelegt haben. Aus VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.120 (c) ergibt sich eine Kompetenz zur Errichtung eines Systems zur laufenden Überprüfung, ob die alternativen Nachweisverfahren, die die belangte Behörde selbst oder Organisationen und Personen, die ihrer Aufsicht unterliegen, verwenden, die Feststellung der Einhaltung der VO (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen ermöglichen.

Gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 (d) ist, wenn eine Beanstandung im Rahmen der Aufsicht oder auf sonstige Weise vorliegt, der Organisation die Feststellung schriftlich von der belangten Behörde mitzuteilen und sind Abhilfemaßnahmen bezüglich der festgestellten Nichteinhaltung(en) zu verlangen (für Ausführungen zum behördlichen Schreiben vom XXXX vgl. Pkt. II.3.3. unten).

3.2.3. Im Beschwerdefall ist zunächst strittig, ob die Sprachkompetenztests der Beschwerdeführerin, die ohne anwesenden Gesprächspartner stattfinden, tatsächlich nicht mehr mit AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) im Einklang stehen bzw. dem fast wortgleichen VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) zuwiderlaufen. Es ist daher das Tatbestandsmerkmal „wesentliche Nichteinhaltung der einschlägigen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen, der Verfahren und Handbücher der Organisation oder der Bedingungen einer Zulassung oder eines Zeugnisses“ näher zu beleuchten.

3.2.4. Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde mit Bescheid vom XXXX der Beschwerdeführerin eine Genehmigung der Verwendung eines alternativen Nachweisverfahrens zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen ohne anwesenden Gesprächspartner erteilte, da nach Beurteilung der belangten Behörde das beantragte alternative Nachweisverfahren in dem Punkt der rein akustischen Bewertung dem annehmbaren Nachweisverfahren AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) idF des Anhangs zur Entscheidung des Exekutivdirektors der EASA 2011/016/R entsprach („The assessment should include […] voice-only or face-to-face situations“) und ein AMC-konformes Verhalten gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.120 (a) als in Übereinstimmung mit den Anforderungen der Durchführungsbestimmungen stehend angesehen wurde.

Nachdem AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) am XXXX durch die Entscheidung 2020/005/R des Exekutivdirektors der EASA abgeändert wurde („The assessment should include […] voice-only and face-to-face situations“; Ziel war die Harmonisierung des Wortlautes mit VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1): „[…] the applicant shall demonstrate the ability to […] communicate effectively in voice-only and in face-to-face situations“), vgl. Explanatory Note to Decision 2020/005/R: https://www.easa.europa.eu/sites/default/files/dfu/Explanatory%20Note%20to%20%20ED%20Decision%202020-005-R.pdf ), widerrief die belangte Behörde die von ihr erteilte Genehmigung; es sei keine Übereinstimmung mehr mit den AMC gegeben (damit existiere auch die Rechtsvermutung, die Anforderungen der Durchführungsbestimmungen würden als erfüllt gelten, nicht mehr) und werde VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) ohne anwesenden Gesprächspartner bei der Sprachenkompetenzprüfung nicht eingehalten.

Im Ergebnis nimmt die belangte Behörde an, dass die in VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) erwähnte Fähigkeit eines Piloten, effektiv in Situationen mit einem anwesenden Gesprächspartner kommunizieren zu können, in einem eigenen Gesprächsteil mit einem präsenten Prüfer zu demonstrieren sei. Sprachkompetenzprüfungen dürften also nicht ausschließlich semi-direkt ausgestaltet sein.

Darin ortet die Beschwerdeführerin jedoch eine Unvereinbarkeit mit anderen Bestimmungen, weshalb aus ihrer Sicht die Interpretation der belangten Behörde zu VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) – möge diese vom Wortlaut zwar nicht denkunmöglich erscheinen – abzulehnen sei.

3.2.5. Der Beschwerdeführerin ist beizupflichten, dass der Wortlaut des VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 grundsätzlich dem ICAO Annex 1 zum ratifizierten Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt vom 07.12.1944 Anhang 1 2. („Proficient speakers shall […] communicate effectively in voice-only (telephone/radiotelephone) and in face-to-face situations“) bzw. dem Anhang 1 zu JAR-FCL 1.010 2 a)/Anhang 1 zu JAR-FCL 2.010 2 a) („[…] an applicant for a licence or a licence holder shall demonstrate, in a manner acceptable to the Authority, the ability to: […] communicate effectively in voice-only (telephone/radiotelephone) and in face-to-face situations“) entstammt. Die Übernahme dieser Textbausteine lässt sich mit Erwägungsgrund (11) der VO (EU) Nr. 1178/2011 begründen: Um einen reibungslosen Übergang und ein hohes einheitliches Sicherheitsniveau der zivilen Luftfahrt in der Europäischen Union zu gewährleisten, sollten die technischen Anforderungen und Verwaltungsverfahren, die von der ICAO und bis 30.06.2009 von den Gemeinsamen Luftfahrtbehörden („Joint Aviation Authorities“) beschlossen wurden, sowie bestehende Rechtsvorschriften zu einem spezifischen einzelstaatlichen Umfeld Berücksichtigung finden.

Es ist der Beschwerdeführerin überdies zuzustimmen, dass dieser „Holistic Descriptor“ (= eine sprachliche Fähigkeit, die ein kompetenter Sprecher aufweisen muss, vgl. ICAO Doc 9835 4.5.1) im ICAO Doc 9835, das sich konkret mit den Anforderungen an die Sprachkompetenz beschäftigt und auf das AMC 1 FCL.055 für weitere Anleitungen verweist, wiederholt (vgl. ICAO Doc 9835 4.5.3: „Proficient speakers shall communicate effectively in voice-only [telephone/radiotelephone] and in face-to-face situations“) und näher erklärt wird („[…] This holistic descriptor draws attention to the need for training and testing to provide voice-only settings to exercise or demonstrate language proficiency, as well as face-to-face settings that allow broader uses of language.“). Mehrere Bestimmungen in dieser Unterlage bringen auch tatsächlich zum Ausdruck, dass Sprachtests direkt und/oder semi-direkt konzipiert sein dürfen (vgl. ICAO Doc 9835 6.2.6 [= ICAO Circ 318 3.6], 6.2.7 [= ICAO Circ 318 3.6 Direct testing/Semi-direct testing/Overall], ICAO Doc 9835 6.3.2 [= ICAO Circ 318 1.]).

Letzterer Umstand spricht jedoch nicht gegen das Verständnis der belangten Behörde hinsichtlich VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1), wonach eine hinreichende und missverständnisfreie Kommunikation eines Piloten nicht durch eine Sprachprüfung ohne eine „face-to-face“-Interaktion garantiert werden könne, als auch die EASA ihre seit 2020 beinahe gleichlautenden AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) derart verstanden wissen will.

Die von der EASA geschaffenen AMC bilden (im Gegensatz zum zuletzt im Jahr 2010 überarbeiteten ICAO Doc 9835) den aktuellen Stand der Technik sowie die bestbewährten Verfahren in der Luftfahrt ab und tragen den weltweiten Erfahrungen in der Luftfahrt sowie dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt auf den jeweiligen Gebieten Rechnung (vgl. dazu VO (EU) 2018/1139 Art. 4 (1)). Wenn die neuesten Erkenntnisse aus der Luftfahrt zeigen, dass zusätzliche Prüfelemente zu einer Steigerung der Flugsicherheit beitragen (dies ist nicht abwegig, zumal damit eine umfassendere Beurteilung der Sprachkompetenz möglich ist), ist den AMC Vorrang zu geben. Im Übrigen wird auch in der völkerrechtlichen Vorschrift zu einer Mischform angeraten (vgl. ICAO Doc 9835 6.3.2: „An appropriate strategy may be to incorporate both direct and semi-direct methods in a single testing system.“).

Des Weiteren übersieht die Beschwerdeführerin, dass der Verfassungsgerichtshof den AMC in seinem Beschluss vom 02.10.2013, V 42/2013, einen verbindlichen Charakter zuschrieb sowie diese in den Status von unmittelbar anwendbarem sekundären Unionsrecht erhob (VO (EU) Nr. 1178/2011 Art. 2 (14) wurde zwar erst mit der VO (EU) 2018/1119 der Kommission vom 31.07.2018 ergänzt, und auch in der Entscheidung 2018/009/R des Exekutivdirektors der EASA vom 09.10.2019 wurde erstmals darauf hingewiesen, dass die AMC unverbindliche Standards darstellen, jedoch besteht seit dem 30.03.2012 VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.105 (1)). Folglich ist auch die Auslegung der EASA zu AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) bzw. zum fast identen VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) rechtsverbindlich.

Da im verfahrensgegenständlichen Prüfungsverfahren der Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt ein präsenter Prüfer mit den Kandidaten interagiert, sind die geltenden Bedingungen von VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) nicht erfüllt und ist der angefochtene Bescheid dahingehend nicht zu beanstanden.

Vollständigkeitshalber wird noch angemerkt, dass selbst bei der Annahme, dass es sich beim AMC-Text um keinen bindenden Rechtsakt handelt, die Empfehlungen der EASA bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen wären (VwGH 28.02.2007, 2004/03/0210, mit Hinweis auf EuGH 13.12.1989, Rs C-322/88, Grimaldi). Hinzu tritt, dass die VO (EU) Nr. 1178/2011 samt ihren Anhängen auf einem Vorschlag der EASA basieren (vgl. Opinion 4/2010 – Explanatory Note: https://www.easa.europa.eu/downloads/9678/de ; vorgelegter Entwurf: https://www.easa.europa.eu/downloads/9797/de ); der für den Beschwerdefall maßgebliche VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) wurde von der Kommission unverändert beschlossen.

3.2.6. Dass die EASA unerlaubterweise in einen nationalen Genehmigungsvorgang eingriffen habe, wie die Beschwerdeführerin vorbrachte, und das Parteiengehör der Beschwerdeführerin im Rahmen des Austausches zwischen der EASA und der belangten Behörde missachtet worden sei, kann vom Bundesverwaltungsgericht nicht ersehen werden:

Die belangte Behörde meldete der EASA entsprechend VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.120 (d) (2) das am XXXX genehmigte alternativen Nachweisverfahren, das anschließend von dieser im Rahmen der Überwachungsbefugnis gemäß VO (EU) 2018/1139 Art. 85 ausgewertet wurde. Die Überwachungstätigkeit der EASA im Namen der Kommission soll gemäß VO (EU) 2018/1139 Art. 85 (1) die Mitgliedstaaten bei der Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung dieser Verordnung und der auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte und beim Austausch bewährter Verfahren unterstützen. Im Zuge der Durchführung ist die EASA – wie sich aus VO (EU) 2018/1139 Art. 85 (2) ergibt – nicht verpflichtet, mit natürlichen und juristischen Personen, die dieser Verordnung unterliegen, vor der Feststellung, ob ein Mitgliedstaat diese Verordnung und die auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte erfüllt, Rücksprache zu halten, sodass das Parteiengehör der Beschwerdeführerin nicht verletzt werden konnte.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich zwar der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass der EASA in Verfahren im Bereich „Aircrew“ keine Kompetenz zukommt (vgl. dazu VO (EU) 2018/1139 Art. 75), sondern die belangte Behörde alleine für derartige Entscheidungen und damit für die Auslegung der entsprechenden Verordnung verantwortlich ist, jedoch war diese fallbezogen im Wege der oben zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes an die Interpretation der EASA gebunden. Darüber hinaus kann das Bundesverwaltungsgericht in den Mitteilungen der EASA (E-Mail vom XXXX und Schreiben vom XXXX ) keine „Weisung“ an die belangte Behörde feststellen; die EASA listet darin lediglich ihre Bedenken auf und legt der belangten Behörde eine nochmalige Überprüfung des alternativen Nachweisverfahrens unter Berücksichtigung ihrer Vorbehalte nahe.

3.2.7. Soweit die Beschwerdeführerin in Bezug auf VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 bestreitet, dass der festgestellte Verstoß nicht geeignet sei, den „Sicherheitsstatus [zu] senken oder die Flugsicherheit [zu] gefährden“, wird dem der Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 17.03.2021, Ra 2021/03/0035, entgegengehalten, mit dem das Höchstgericht die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, das eine konkrete Gefahr im vorliegenden Fall bejahte, als nicht unschlüssig beurteilte.

3.2.8. Auch der Einwand, die Beschwerdeführerin hätte vorrangig nach § 169 LFG bestraft werden sollen, als dass ihr die Genehmigung gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 hätte entzogen werden dürfen, weil die Rechtsmittel unterhalb des Verstoßes der Stufe 2 noch nicht ausgeschöpft worden seien, ist nicht erfolgreich. Gegen diese Argumentation spricht schon grundlegend, dass beide Verfahren unterschiedliche Zwecke verfolgen sowie verschiedene Konsequenzen nach sich ziehen und damit – im Gegenteil – voneinander getrennt zu halten sind: Während ein Verstoß gegen § 169 LFG in einem Verwaltungsstrafverfahren mündet, in dem eine Geldstrafe wegen des Zuwiderhandelns gegen unionsrechtliche Verordnungen verhängt wird, ist das Beanstandungsverfahren nach VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 ein Mittel, um bei einem Zuwiderhandeln gegen unionsrechtliche Vorgaben bereits rechtskräftige verwaltungsbehördliche Entscheidungen einschränken, aussetzen oder widerrufen zu können; damit soll eine gegenwärtige Gefahr für die Flugsicherheit (sofort) abgestellt werden können.

3.2.9. Die belangte Behörde hat im Verfahren nach VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 die Wahl zwischen drei Aufsichtsmitteln (Einschränkung, Aussetzung oder Widerruf) und dementsprechend in einer Ermessensabwägung genau zu begründen, warum sie sich für eine der drei möglichen Vorgehensweisen entscheidet. Von den vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten stellt der Widerruf dabei das schärfste Mittel dar (vgl. in diesem Zusammenhang das Judikat VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0017, das zu VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.355 [„Beanstandungen und Durchsetzungsmaßnahmen – Personen“] erging).

Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde nachvollziehbar und zutreffend aus, warum ein Widerruf die einzige Möglichkeit war, den angezeigten Verstoß gänzlich zu beheben: Eine Einschränkung der Genehmigung wurde als nicht zielführend erachtet, da der Mangel des Testverfahrens „ XXXX “ auch dann bestehe, wenn das Verfahren nur eingeschränkt zur Anwendung gelange. Auch eine Aussetzung der Genehmigung sei nicht zielführend, da „ XXXX “ als gänzlich online basierte Prüfung angeboten werde (vgl. dazu auch den Abhilfeplan vom XXXX , Seite 2) und daher nicht davon auszugehen sei, dass sich die Umstände, die zur Beanstandung geführt hätten, künftig ändern würden.

3.2.10. Aus den dargestellten Gründen ist der Widerruf der erteilten Genehmigung vom XXXX in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom XXXX daher nicht rechtswidrig. Dementsprechend war dieser Spruchpunkt vom Bundesverwaltungsgericht zu bestätigen und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2.11. Eine Befassung des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Verfassungskonformität der nationalen Verordnung ZPH-GEN 1 vom 04.05.2018, XXXX , kann unterbleiben, da diese im vorliegenden Verfahren gar nicht zur Anwendung gelangt.

Zur Anregung, dem Europäischen Gerichtshof eine Reihe von Fragen zur Auslegung der VO (EU) Nr. 1178/2011 vorzulegen, ist auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht die aufgeworfenen Fragen der Beschwerdeführerin nicht teilt und es sich beim Bundesverwaltungsgericht darüber hinaus nicht um ein letztinstanzliches, vorlagepflichtiges Gericht handelt (VwGH 21.06.2021, Ra 2018/04/0078).

3.3. ZU SPRUCHPUNKT A) II.

3.3.1. Die Beschwerdeführerin stellt im Beschwerdeschriftsatz vom XXXX gegen den angefochtenen Bescheid vom XXXX den Antrag, „das Schriftstück der Austro Control GmbH vom XXXX (Beilage .D), mit dem ein ‚Verstoß der Stufe 2‘ gemäß VO (EU) 1178/2011 , Anhang VI ARA.GEN.350 (d) festgestellt wurde[,] für rechtswidrig [zu] erklären“.

3.3.2. Hierzu ist eingangs in rechtlicher Hinsicht klarzustellen, dass es sich beim Schreiben der belangten Behörde vom XXXX um eine Verfahrensanordnung handelt. Das Wesen einer Verfahrensordnung nach VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang VI ARA.GEN.350 (d) erschöpft sich bei Verstößen der Stufe 2 in der Bekanntgabe der Rechtsansicht der Behörde über die Nichteinhaltung der einschlägigen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen, der Verfahren und Handbücher der Organisation oder der Bedingungen einer Zulassung oder eines Zeugnisses, verbunden mit der nicht weiter sanktionierten Aufforderung, innerhalb einer gesetzten Frist Abhilfemaßnahmen durchzuführen. Wenn die gesetzte Frist ohne Durchführung der Abhilfemaßnahmen verstreicht oder die Organisation keinen akzeptablen Abhilfeplan vorlegt, hat die belangte Behörde die Beanstandung auf einen Verstoß der Stufe 1 hochzustufen und bis zur Durchführung erfolgreicher Abhilfemaßnahmen die jeweils notwendigen Maßnahmen (mit Bescheid) zu verfügen.

Gegen Verfahrensanordnungen im Verwaltungsverfahren ist gemäß § 7 VwGVG eine abgesonderte Beschwerde unzulässig. Ihre Rechtswidrigkeit kann erst mit dem Rechtsmittel gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid geltend gemacht werden.

Im vorliegenden Fall richtet sich die Beschwerde ausdrücklich gegen den Widerrufsbescheid vom XXXX und wird in dessen Rahmen die mangelnde Begründetheit des Schreibens der belangten Behörde vom XXXX vorgebracht (dieses Vorbringen ist im Übrigen unbeachtlich, da Verfahrensanordnungen keiner Begründung bedürfen; VwGH 17.07.2017, Ra 2017/11/0156). Der Antrag der Beschwerdeführerin kann daher nur so verstanden werden, dass zusätzlich zur Aufhebung des verfahrensbeendenden Bescheides die zu seiner Erlassung notwendige Verfahrensanordnung „für rechtswidrig erklärt“ werden soll. Da eine Verfahrensanordnung ohnehin das rechtliche Schicksal des in der Sache ergangenen und das Verfahren abschließenden Bescheides teilt (VwGH 23.04.1991, 90/04/0286; 24.05.2006, 2006/04/0033), ist ein darauf gerichtetes Ersuchen ausgeschlossen und daher zurückzuweisen.

3.4. ABSEHEN VON DER DURCHFÜHRUNG EINER MÜNDLICHEN VERHANDLUNG

Das Bundesverwaltungsgericht kann im vorliegenden Fall von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen, weil die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Der Sachverhalt ist aufgrund der Aktenlage zweifelsfrei geklärt und nicht ergänzungsbedürftig. Von der Beschwerdeführerin werden in der Beschwerde zudem ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, die im konkreten Fall keiner Klärung oder Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen. Es liegt weiters kein entsprechender Parteienantrag vor.

ZU B)

3.5. UNZULÄSSIGKEIT DER REVISION

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die unter A) zitierte Judikatur stützen bzw. ist die Rechtslage so klar, dass keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung vorliegen; dies gilt auch für den Fall, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt (VwGH 23.05.2017, Ra 2017/05/0086; 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Frage, ob der Widerruf im konkreten Fall rechtmäßig war, hat ferner keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung (VwGH 24.04.2014, Ra 2014/01/0010).

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