BVwG W247 2178409-1

BVwGW247 2178409-112.12.2017

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W247.2178409.1.00

 

Spruch:

W247 2178409-1/7E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert-Peter HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA Algerien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2017, Zl. XXXX, sowie gegen die Anordnung der Schubhaft zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste am 28.12.2015 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag.

 

2. Vom 11.05.2016 bis 26.07.2016 saß der BF in der Justizanstalt Wien-Josefstadt und vom 26.07.2016 bis 21.10.2016 in der Justizanstalt Innsbruck in Haft. Nach seiner Entlassung war unbekannten Aufenthalts worauf am 27.12.2016 sein Asylverfahren eingestellt worden ist.

 

3. Am 22.02.2017 wurde er gemäß dem Dublin-Übereinkommen von Tschechien nach Österreich rücküberstellt. Nachdem das Asylverfahren des BF wiederaufgenommen worden war, erfolgte die schriftliche Einvernahme am 28.02.2017.

 

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) vom 01.03.2017, Zl. 1092617010-152068925, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§3 und 8 AsylG abgewiesen. Es wurde festgestellt, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zuerkannt wird und es wurde eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 FPG mit einem für die Dauer von 5 Jahren befristeten Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG erlassen. Es wurde ihm eine Zweiwochenfrist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt. Da der BF zu diesem Zeitpunkt wieder untergetaucht und abermals unbekannten Aufenthalts gewesen war, wurde der Bescheid mittels Hinterlegung im Akt rechtskräftig zugestellt und erwuchs am 17.03.2017 in Rechtskraft.

 

5. Am 14.03.2017 wurde der BF in Wien wegen Verdachtes des gewerbsmäßigen Diebstahls verhaftet und verbüßt derzeit in der Justizanstalt Leoben mit Urteil vom 14.07.2017 verhängte Freiheitsstrafe.

 

6. Am 31.03.2017 wurde vom BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, bei der algerischen Botschaft um Ausstellung eines Heimreisezertifikates angesucht und der BF im Stande der Strafhaft am 26.09.2017 zur Identitätsprüfung der algerischen Botschaft in Wien vorgeführt. Von der Botschaft wurde mitgeteilt, dass es sich beim BF um einen algerischen Staatsbürger handelt, dass aber noch Erhebungen in Algerien durchzuführen sind. Mit einem Ergebnis wäre in ca. 4 Monaten zu rechnen.

 

7. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.08.2017 wurden dem BF die weiteren fremdenrechtlichen Maßnahmen zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt. In seiner Stellungnahme vom 07.09.2017 führte der BF an, dass er aufgrund seiner Flucht aus Algerien befürchte politisch verfolgt zu werden. Darüber hinaus gab er an, dass sich sein ganzes Leben in Österreich abspiele, er mit einer EU-Bürgerin verlobt sei und er in Zukunft keine Straftaten mehr begehen werde. Er ersuche daher um eine letzte Chance.

 

8. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit Bescheid vom 17.10.2017, Zl. 1092617019-152068925, dem BF die gewährte Frist zur freiwilligen Ausreise widerrufen, sowie mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid vom 17.10.2017, über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG idgF zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet. Die Rechtsfolgen dieses Bescheides treten nach Beendigung der Gerichtshaft ein.

 

Begründend wurde im Wesentlichen zur Fluchtgefahr des BF ausgeführt, dass der BF im bisherigen Verfahren - bis auf seine Inhaftierungen - jeweils unbekannten Aufenthaltes gewesen wäre und durch sein Untertauchen die behördlichen Maßnahmen verhindert habe. Er habe sich auch nicht nur in Österreich aufgehalten, sondern sei auch in andere EU-Staaten illegal gereist, was sich durch seine Dublinüberstellung aus der Tschechei belegen lässt. Darüber hinaus sei er wiederholt straffällig geworden und es sei zu befürchten, dass er auch weiterhin seinen Lebensunterhalt durch die Begehung strafbarer Handlungen bestreiten werde. Zu seiner im Rahmen seiner Stellungnahme vom 07.09.2017 erwähnten Lebensgemeinschaft mit einer EU-Bürgerin habe er keine näheren Angaben gemacht. Die belangte Behörde gehe daher bei der fehlenden Wohn- und Familiensituation, sowie bei fehlender sozialer Verankerung des BF in Österreich davon aus, dass er sich in Kenntnis, dass für ihn ein Reisedokument ausgestellt werde, bei Belassen auf freiem Fuß erneut durch Untertauchen behördlichen Maßnahmen entziehen werde. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der BF, welcher offiziell bis 04.06.2018 in Strafhaft sitzt, bereits am 07.01.2018 bedingt entlassen werde. Gleichzeitig erscheine in casu die Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht aussichtslos, sondern es werde mit der Entscheidung der Vertretungsbehörde mit Mitte/Ende Jänner 2018 gerechnet. Darüber hinaus benötige die belangte Behörde noch einige Zeit für die Vorbereitung für die tatsächliche Außerlandesbringung (Flugbuchung, ev, Begleitung,..).

 

9. Mit Schreiben vom 28.11.2017 brachte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 17.10.2017, Zl. XXXX, sowie gegen die Anordnung der Schubhaft Beschwerde ein und schloss der Beschwerdeschrift einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe samt Vermögensbekenntnis ein.

 

Die Beschwerdeseite wandte zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Anordnung der Schubhaft und "weiteren Anhaltung in Schubhaft" ein, dass die Anordnung der Schubhaft unmittelbar im Anschluss an die Strafhaft eine Verletzung des § 80 Abs. 1 FPG darstellen würde. Des Weiteren habe die belangte Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, da sie der Partei nur ein schriftliches Parteiengehör gewährt habe und den BF nicht durch persönliche Einvernahme, etwa zur Lebensgefährtin, befragt habe. Aufgrund des nicht ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens wäre der Bescheid rechtswidrig. Darüber hinaus gehe die Beschwerdeseite davon aus, dass eine Fluchtgefahr iSd § 76 Abs. 3 FPG im vorliegenden Falle nicht vorläge und die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass das massive strafrechtliche Verhalten des BF eine Fluchtgefahr begründen würde. Weiters lägen eindeutig soziale Anknüpfungspunkte (Ehegattin und Cousin aus dem 22. Bezirk in Wien) und gewichtige private Interessen des BF in Österreich vor. Daher sei nicht davon auszugehen, dass der BF nach seiner Entlassung aus der Haft erneut untertauchen würde.

 

Schließlich wurde von Beschwerdeseite die Unverhältnismäßigkeit der Haft kritisiert bzw. die Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels. So kämen die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheitsleistung, sowie eine periodische Meldeverpflichtung in Frage. Der BF hätte die Möglichkeit bei seiner Lebensgefährtin Unterkunft zu nehmen.

 

Die Beschwerdeseite stellte folgende Anträge: 1) eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen; 2) den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte; 3) der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gem. VwG-Aufwandersatzverordnung sowie er Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, aufzuerlegen; 4) dem BF Verfahrenshilfe zu genehmigen und von der Eingabegebühr zu befreien;

 

10. Am 01.12.2017 langte der Verwaltungsakt (vollständig) beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im Rahmen der Beschwerdevorlage am 01.12.2017 verwies die belangte Behörde auf den unstrittigen Verfahrensgang und den aktuellen Verfahrensstand, die wiederholte Straffälligkeit des BF in Österreich und die Gründe der belangten Behörde für die Anordnung der Schubhaft. Beantragt wurden: 1) die Beschwerde als unbegründet abzuweisen; 2) gem. § 22 BFA-VG festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft, sowie auch die weitere Anhaltung vorliegen und 3) den Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten idHv € 426,20- zu verpflichten.

 

11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein schriftliches Parteiengehör mit folgendem Wortlaut übermittelt:

 

"Das Ergebnis der Beweisaufnahme lautet zusammengefasst:

 

1. Es wurde in der Beschwerde vom 28.11.2017 unter II.3, letzter Absatz, ausgeführt, der Beschwerdeführer (BF) verfüge nach seiner Enthaftung über die Möglichkeit bei seiner Lebensgefährtin zu wohnen und von dieser auch finanzielle Unterstützung zu erhalten.

 

2. Weiters wurde angegeben, dass der BF mit Frau XXXX, wohnhaft in XXXX, nach islamischen Ritus traditionell verheiratet sei.

 

3. Weiters enthielt die Beschwerde Angaben darüber, dass ein Cousin des BF, ein Hr. XXXX, seit sieben Jahren im 22. Bezirk aufhältig ist.

 

Der Beschwerde sind keinerlei Unterlagen angeschlossen, aus denen die Eheschließung des BF mit Fr. XXXX hervorgeht, noch sind Informationen über Zeitpunkt und Ort der Eheschließung hervorgekommen. Vielmehr wird Fr. XXXX in der Beschwerde durchgehend als Lebensgefährtin und nicht als Ehefrau des BF angeführt. Auch sind keine näheren Informationen zu Hrn. XXXX der Beschwerde angefügt worden und auch nicht dargelegt worden, inwieweit ein besonderes Naheverhältnis zu diesem Cousin besteht.

 

Es ergeht daher folgende Aufforderung:

 

Sie werden aufgefordert, spätestens bis zum Ende der u.a. Stellungnahmefrist, Unterlagen, aus denen Ort, Zeitpunkt, sowie Zeugen der Eheschließung zwischen Ihnen und Fr. XXXX, idealerweise unter Beilage von Personaldokumenten und Meldezettel Ihrer Ehegattin - zumindest in gut lesbarer Kopie-, zu übermitteln. Ebenso sind bis zum Ende der u.a. Stellungnahmefrist Personaldokumente und Meldezettel von Herrn XXXX –zumindest in gut lesbarer Kopievorzulegen und klar darzulegen, inwieweit ein besonderes Naheverhältnis des BF zu diesem Cousin besteht.

 

Sollte dies nicht erfolgen, wird der Entscheidung zugrunde gelegt, dass keinerlei substanzielle soziale Bindungen zum Bundesgebiet bestehen und es sich bei der zitierten Ausführung um eine bewusst tatsachenwidrige Behauptung im Beschwerdeverfahren handelt.

 

Möglichkeit zur Stellungnahme:

 

Zum Ergebnis der Beweisaufnahme können Sie gemäß § 45 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG bis

 

Dienstag, 05.12.2017

 

schriftlich Stellung nehmen."

 

12. Bis zum heutigen Tag ist seitens des Beschwerdeführers und seines Vertreters keine Stellungnahme übermittelt worden. Auch Ort, Zeitpunkt und Zeugen der behaupteten Eheschließung wurden nicht bekannt gegeben und auch keine Unterlagen hierzu oder zur behaupteten Ehefrau übermittelt. Ebenso wenig sind nähere Informationen zum behaupteten Cousin Hrn. XXXX vorgelegt worden, noch wurden Kopien der Personaldokumente oder des Meldezettels dieser Person übermittelt worden.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Einvernahme des Beschwerdeführers vom 28.02.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Asylverfahren, seiner schriftlichen Stellungnahme vom 07.09.2017 zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 28.08.2017, seiner Beschwerde vom 28.11.2017 gegen den angefochtenen Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2017, sowie der Einsicht in den bezughabenden Verwaltungsakt werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers

 

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX, geboren am XXXX, ist algerischer Staatsangehöriger und gehört dem muslimischen Glauben an. Er ist des Arabischen mächtig. Der Beschwerdeführer ist volljährig und kinderlos. Seine Eltern, seine vier Brüder und zwei Schwestern leben in Algerien. Eine dritte Schwester ist inzwischen verstorben. Er hält regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie über Telefon und facebook.

 

Er verfügt über keine Dokumente aus seinem Herkunftsstaat. Der BF reiste am 28.12.2015 unrechtmäßig in Österreich ein und hat nachweislich auch danach illegale Reiseunternehmungen unternommen, so etwa nach Tschechien von wo er am 22.02.2017 nach dem Dublin-Übereinkommen nach Österreich rücküberstellt worden ist. Am 28.12.2015 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom 01.03.2017 abgewiesen worden ist. Dieser Bescheid erwuchs am 17.03.2017 in Rechtskraft. Es liegt somit eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Mit Mandatsbescheid vom 17.10.2017, Zl. XXXX, wurde dem BF die gewährte Frist zur freiwilligen Ausreise widerrufen.

 

Der Beschwerdeführer verhielt sich bereits in seinem Asylverfahren unkooperativ, da er sich durch Untertauchen den Behörden und seinem Verfahren wiederholt entzog, sodass sein Asylverfahren am 27.12.2016 eingestellt werden musste und erst nach Rücküberstellung seiner Person aus Tschechien fortgesetzt werden konnte. Auch im gegenständlichen Verfahren betreffend die Schubhaftverhängung agierte der BF nicht kooperativ, da er der hg Aufforderung nach zusätzliche Informationen und Belegen zu seiner behaupteten Eheschließung und zu seinem behaupteten – in Wien ansässigen – Cousin nicht nachkam. Am 17.10.2017 ist über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt worden. Die Rechtsfolgen dieses Bescheides treten nach Beendigung der Strafhaft ein.

 

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer weder über familiäre noch substanzielle, soziale Bindungen. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass der BF verheiratet ist, noch dass er in aufrechter Beziehung in Österreich lebt. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nachgegangen.

 

Der Aufenthaltsort des BF war seit seiner Einreise nach Österreich am 28.12.2015 - bis auf die Zeiträume seiner Inhaftierungen - überwiegend unbekannt. Des Weiteren wurde der BF trotz seines laufenden Asylverfahren wiederholt in Österreich straffällig. ZINIAI weist mittlerweilen folgende Verurteilungen auf:

 

1) Landesgericht Wiener Neustadt am 8.12.2015 wegen §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten ,

 

2) Landesgericht für Strafsachen in Wien am 1.6.2016 wegen §§ 127, 129 (1) Z 1 StGB § 15 StGB, § 229 (1) StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten sowie zuletzt

 

3) Landesgericht für Strafsachen Wien vom 14.07.2017 wegen §§ 127, 129 Ab. 1 Zif. 12. Fall, 130 Abs. 1 1. Fall, 130 Abs. 2 2. Fall, 12

3. Fall und 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten und

 

4) mit diesem Urteil vom 14.07.2017 zu Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 03.10.2016 (Zahl 182 BE 130/16t) eine weitere Freiheitsstrafe von 2 Monaten und 21 Tage

 

Der BF befindet sich zurzeit in Strafhaft. Das Strafhaftende ist der 04.06.2018, eine bedingte Entlassung am 07.01.2018 kann nicht ausgeschlossen werden.

 

Es wurde bereits von Seiten der belangten Behörde am 31.03.2017 die Vertretungsbehörde des BF um Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht. Mit der Entscheidung der Vertretungsbehörde ist aller Voraussicht nach bis spätestens Ende Jänner 2018 zu rechnen.

 

Der Beschwerdeführer verfügt nach eigenen Angaben nur über geringe Barmittel in der Höhe von € 40,- pro Monat, weswegen er im gegenständlichen Verfahren einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe samt Vermögensbekenntnis abgegeben hat und ersucht von der Eingabegebühr befreit zu werden.

 

Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig.

 

Primär ist festzuhalten, dass das BFA ein durchwegs mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Dem Beschwerdeführer wurde somit ausreichend die Möglichkeit eingeräumt, seine persönlichen Umstände, seine sozialen Anknüpfungspunkte und familiären Verhältnisse in Österreich darzulegen und Gründe anzusprechen, die gegen seine Inschubhaftnahme nach Strafhaftende sprechen würden und es kann daher nicht der belangten Behörde angelastet werden, wenn der Beschwerdeführer davon nicht mit Erfolg Gebrauch gemacht haben.

 

1.3. Zur Fluchtgefahr des Beschwerdeführers, der Verhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung und der Frage nach einem gelinderen Mittel.

 

Das erkennende Gericht stellt fest, dass für den Beschwerdeführer eine konkrete Fluchtgefahr gegeben und die Verhängung der Schubhaft verhältnismäßig war. Des Weiteren kann festgestellt werden, dass der Zweck der Schubhaft im gegenständlichen Fall nicht durch ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG hätte erreicht werden können.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

 

2.2. Die Feststellungen zu Identität, Alter, Nationalität, Herkunft und Familienverhältnissen im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers gründen auf dessen insofern unbedenklichen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, sowie auf den in seiner Beschwerde gemachten Angaben. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren keine unbedenklichen Dokumente zu seiner Identität vorgelegt, weshalb die Feststellungen ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Verfahren gelten.

 

2.3. Die Feststellung zur unrechtmäßigen Einreise in Österreich stützt sich auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Umgehung der für die Einreise nach Österreich geltenden Bestimmungen am 28.12.2015 nach Österreich einreiste. Seine weitere illegale Reisetätigkeit nach Tschechien ergibt sich aus dem Umstand, dass der BF am 22.02.2017 nach dem Dublin-Übereinkommen von Tschechien nach Österreich rücküberstellt werden musste. Daher musste er zuvor illegal nach Tschechien eingereist sein. Darüber hinaus hat der BF im Rahmen seiner Befragung vor dem BFA am 28.02.2017 angegeben, im Oktober 2016 Österreich in Richtung Deutschland verlassen zu haben und dann drei bis vier Monate in Holland gelebt zu haben.

 

2.4. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nie legal in Österreich gearbeitet hat, sehr wohl aber illegalen Beschäftigungen nachgegangen ist, ergibt sich aus seinen eigenen Schilderungen vor dem BFA am 28.02.2017 im Rahmen seines Asylverfahrens.

 

2.5. Zum Vorhandensein von Bekannten oder Verwandten in Österreich hat der BF in seiner Einvernahme vom 28.02.2017 eine slowakische Freundin erwähnt, mit der er seit ca. einem Jahr zusammen sei. Genauere Angaben zu dieser Person wurden seinerzeit nicht getätigt. In seiner Stellungnahme vom 07.09.2017 sprach der BF von einer Verlobung mit einer EU-Bürgerin. Auch hier unterließ der BF nähere Angaben zur Person. Im Rahmen der Beschwerde vom 28.11.2017 gab der BF zwar an mit einer mit Frau XXXX, wohnhaft in XXXX, nach islamischen Ritus traditionell verheiratet zu sein. Der hg. Aufforderung zur Vorlage von Informationen und Belegen - die behauptete Eheschließung und die Identität der behaupteten Ehegattin betreffend - ist der BF jedoch nicht nachgekommen. Weiter habe der BF im Rahmen der Beschwerde die Verwandtschaft zu einem Hrn. XXXX behauptet, welcher Cousin des BF sein soll und seit 7 Jahren im 22. Bezirk in Wien wohne. Der hg. Aufforderung zur Vorlage von Informationen und Belegen - die Identität des behaupteten Cousins betreffend - ist der BF nicht nachgekommen. Darüber hinaus hat der BF noch im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 28.02.2017 die Frage noch explizit verneint, ob er weitere Bindungen an Österreich habe, ob er hier weitere Verwandte oder sonstige Beziehungen habe.

 

Es ist somit für das erkennende Gericht nicht glaubhaft, dass der BF über familiäre, noch über substanzielle soziale Bindungen in Österreich verfügt. Selbst bei Wahrannahme einer nach islamischen Ritus geschlossenen Ehe ist dies einerseits alleine nicht ausreichend um als Ehe nach österreichischem Recht zu gelten, andererseits wäre aufgrund der intensiven illegalen Reisetätigkeiten des BF seit Oktober 2016 und seiner derzeitigen Inhaftierung in Strafhaft von einem aufrechten Familienleben in Österreich in jedem Falle nicht auszugehen.

 

2.6. Hinweise auf schwerwiegende gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers, sowie eine mögliche Haftunfähigkeit sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen, und wurden insbesondere auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht vom BF behauptet.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

3.3. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

 

3.4. Der § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

 

"Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft

 

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

 

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

 

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

 

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

 

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

 

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

 

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

 

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

 

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

 

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

 

Zu Spruchpunkt A:

 

3.5. Der § 76 des Fremdenpolizeigesetz 2006 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

 

"Schubhaft

 

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

 

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

 

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

 

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

 

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

 

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

 

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

 

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

 

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

 

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

 

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

 

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

 

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

 

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

 

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

 

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

 

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

 

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

 

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

 

3.6. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

 

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

 

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

 

3.7. Zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sowie der Anordnung der Schubhaft

 

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

 

3.7.1. Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Der Beschwerdeführer hat sich dem Verfahren betreffend internationalen Schutz entzogen in dem er - nachweislich und vom BF auch selbst eingestanden – im Oktober 2016 das Bundesgebiet in Richtung Deutschland illegal verlassen hat, drei bis vier Monate in Holland zugebracht hat und schließlich von Tschechien aufgrund des Dublin-Übereinkommen am 22.02.2017 nach Österreich rückverbracht wurde. Sein Asylverfahren ist somit am 27.12.2016 eingestellt worden und konnte erst nach seiner Rückverbringung nach Österreich fortgesetzt werden. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde am 01.03.2017 rechtskräftig abgewiesen.

 

3.7.2. Die belangte Behörde begründete das Vorliegen einer Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der Erschwerung oder Verhinderung behördlicher Maßnahmen durch den BF (Z 1) - insbesondere dessen illegale Einreise nach Österreich, seinen unsteten Aufenthalt und sein – bis auf die Zeiten seiner Inhaftierungen - geführtes Leben im Verborgenen - , sowie mit dem geringen Grad der sozialen Verankerung des BF in Österreich (Z 9) – insbesondere dessen fehlende Wohn- und Familiensituation, auch das Fehlen einer aufrechten Meldung und somit die Verschleierung seines Aufenthaltsortes, wodurch davon auszugehen wäre, dass der BF bei Belassen auf freiem Fuß erneut untertauchen werde um die behördlichen Maßnahmen zu verhindern. Der BF sei aufgrund seiner massiven strafbaren Verhaltens und bisherigen Vorverhaltens im Verfahren aller Voraussicht nach auch künftig nicht gewillt sich an Rechtsvorschriften zu halten. Dies ist aus den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (Seiten 8-12) klar ersichtlich. Das Bundesamt stützte sich bei der Feststellung der Fluchtgefahr somit erkennbar auf die Ziffern 1 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG und prüfte auch den Grad der sozialen Verankerung des BF in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG.

 

Dem Vorliegen dieser Kriterien konnte auch in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen getreten werden. Wenn unter II.3. der Beschwerdeschrift vom 28.11.2017 behauptet wird, dass die belangte Behörde lediglich das massive strafrechtlich relevante Verhalten des BF angeführt habe, um eine Fluchtgefahr zu begründen, ist für die Beschwerdeseite dadurch nicht zu gewinnen. Zur Frage der Erschwerung oder Behinderung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch das Verhalten des Beschwerdeführers iSd. § 76 Abs. 3 Z 1 FPG ist der belangten Behörde im Ergebnis Recht zu geben, dass der Beschwerdeführer mit seinem Vorverhalten zu erkennen gegeben hat, dass er nicht gewillt ist, sich an Rechtvorschriften zu halten. Das wiederholte Untertauchen des BF im Rahmen seines Asylverfahrens, seine illegale Reisetätigkeit in andere EU-Staaten und die Verschleierung seines Aufenthaltsortes – wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt hat – hat zweifelsfrei zu einer de facto Unterbrechung des Asylverfahrens des BF zwischen 27.12.2016 und seiner Rücküberstellung nach Österreich im Feber 2017 geführt. Der BF hat somit mit seinem Verhalten an einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht nur nicht mitgewirkt, sondern dieses aktiv behindert und verschleppt. Die Erfüllung der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG im gegenständlichen Verfahren wird daher als erwiesen angenommen.

 

Der Mangel einer sozialen Verankerung des Beschwerdeführers in Österreich iSd. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG – insbesondere erwähnt seien hier das Fehlen familiärer Bindungen in Österreich, einer legalen Erwerbstätigkeit, ausreichender Existenzmittel sowie das Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes des BF in Österreich - ist im Vorliegenden Fall unstrittig (siehe Beweiswürdigung II.2) und konnte von Beschwerdeseite in keiner Weise entkräftet werden.

 

Hinsichtlich des in der Beschwerde unter II.2 vorgeworfenen mangelhaften Ermittlungsverfahrens ist anzumerken, dass die belangte Behörde einerseits auf die Angaben der Beschwerdeführers aus seinem Asylverfahren zurückgreifen konnten und andererseits dem BF im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 28.08.2017 die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt, von der dieser nachweislich auch mit Übermittlung einer eigenen Stellungnahme vom 07.09.2017 Gebrauch gemacht hat.

 

Dem Beschwerdeführer wurde somit ausreichend die Möglichkeit eingeräumt, seine persönlichen Umstände, seine sozialen Anknüpfungspunkte und familiären Verhältnisse in Österreich darzulegen und auch Gründe anzusprechen, die gegen seine Inschubhaftnahme nach Strafhaftende sprechen würden und es kann daher nicht der belangten Behörde angelastet werden, wenn die Beschwerdeführer davon nicht mit Erfolg Gebrauch gemacht haben. Darüber hinaus trifft den Beschwerdeführer aus eine Mitwirkungspflicht an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes. Über diese Mitwirkungspflicht ist der BF bereits im Rahmen seines Asylverfahrens hinreichend aufgeklärt worden.

 

Wenn die Beschwerdeseite unter II.1. der Beschwerdefrist einwendet, dass eine Anordnung der Schubhaft - unmittelbar im Anschluss an die Strafhaft - eine Verletzung der im § 80 Abs.1 FPG festgelegten Verpflichtung der belangten Behörde darstelle, auf eine möglichst kurze Schubhaftdauer hinzuwirken bzw. darauf hinzuwirken, dass eine Schubhaft überhaupt unterbleiben kann, so wird hier zur näheren Beurteilung des Vorgehens der belangten Behörde im vorliegenden Fall auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen:

 

"[ ]Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darf Schubhaft stets nur "ultima ratio" sein. [ ]Demzufolge erweist sich die Verhängung von Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung im Anschluss an eine Strafhaft regelmäßig als unverhältnismäßig, wenn die Fremdenpolizeibehörde (das BFA) auch zum absehbaren Ende einer Strafhaft hin mit der (versuchten) Beschaffung eines Heimreisezertifikates untätig bleibt. [ ]Eine sich aus (hier nicht naheliegenden) Umständen des Einzelfalles ergebende andere Sicht wäre jedenfalls nachvollziehbar zu begründen gewesen (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 2011, Zl. 2008/21/0527, vom 25. April 2014, Zl. 2013/21/0209, und vom 19. Mai 2015, Ro 2015/21/0008)[ ]".(VwGH vom 15.10.2015, Zl. Ro 2015/21/0026)

 

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegt hat, ist sie mit der (versuchten) Beschaffung des Heimreisezertifikaten (HRZ) keineswegs untätig geblieben, sondern hat vielmehr bereits am 31.03.2017 um Ausstellung eines HZR bei der Vertretungsbehörde des BF angesucht. Danach wurde der BF im Stande der Strafhaft am 26.09.2017 zur Identitätsprüfung der algerischen Botschaft in Wien vorgeführt und es wurde in Erfahrung gebracht, dass es sich bei dem BF tatsächlich um einen algerischen Staatsbürger handelt und dass mit einer Entscheidung des Vertretungsbehörde aber erst nach 4 Monaten (d.h. Mitte/ Ende Jänner 2018) zu rechnen sei. Da die belangte Behörde mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass der BF bereits Anfang Jänner 2018 (07.01.2018) bedingt entlassen werde und im Zeitraum zwischen seiner bedingten Entlassung und der zu erwartenden Ausstellung des HRZ - aufgrund des Vorverhaltens des BF - mit einem neuerlichen Untertauchen des BF zu rechnen sein wird, so ist der belangten Behörde aus Sicht des erkennenden Gericht darin recht zu geben, dass in casu die Anordnung der Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung im Anschluss an eine Strafhaft nicht als unverhältnismäßig anzusehen ist, da die vorliegende zeitliche Verzögerung (im Ausmaß von ca. 4 Monaten) bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF nicht etwa auf eine Untätigkeit der belangten Behörde zurückzuführen ist, sondern ausschließlich im Verantwortungsbereich der Vertretungsbehörde des BF zu suchen ist.

 

3.7.3. Auf Grund der klar erkennbaren, erheblichen Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:

 

Im gegenständlichen Fall folgt das erkennende Gericht der Ansicht der belangten Behörde, wonach sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen: es sind keine feststellbaren Sozialkontakte oder familiären Bindungen von hinreichender Intensität im Verfahren hervorgekommen um eine Verankerung des BF im Bundesgebiet annehmen zu können.

 

Zur finanziellen Situation des BF und die Möglichkeit einer finanziellen Sicherheitsleistung als gelinderes Mittel:

 

Wenn in der Beschwerde unter II.4. angeführt wird, dass der BF "während seiner Haft gearbeitet und einiges an Geld gespart hat" und daher eine finanzielle Sicherheitsleistung in Betracht käme, so wird vom erkennenden Gericht auf das mit dem im Rahmen der Beschwerde mitübermittelten Vermögensbekenntnis des BF verwiesen, wonach der BF über kein Einkommen, keine Sach- oder Geldmittel verfüge und lediglich € 40,- monatlich in der Haft bezieht. Solche o.a. Angaben im Rahmen einer Beschwerdeschrift bedürfen hinkünftig einer besseren Abstimmung mit der Person des Beschwerdeführers. Nach den dem erkennenden Gericht vorliegenden und aus dem Verfahren hervorgekommenen Informationen lässt die finanzielle Situation des Beschwerdeführers die Hinterlegung einer angemessenen finanziellen Sicherheit beim Bundesamt jedenfalls nicht zu.

 

Die Möglichkeit der Auferlegung von im § 77 Abs. 3 vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten erscheinen dem erkennenden Gericht vor dem Hintergrund des bereits in der Vergangenheit vom Beschwerdeführer wiederholt praktizierten Abtauchens seiner Person keine probates Sicherungsmittel zu sein. Es ist daher die Anwendung eines gelinderen Mittels iSd. § 77 FPG nicht ausreichend um den notwendigen Sicherungsbedarf zu erfüllen.

 

Unter Berücksichtigung des durch sein bisheriges Verhalten wiederholt zu Tage getretenen Unwillens des BF, sich an Rechtsvorschriften zu halten, der deutlichen Fluchtgefahr, seines massiven strafbaren Betragens in der Vergangenheit, sowie angesichts der mangelhaften Kooperation des Beschwerdeführers im Verfahren, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegen die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als "ultima-ratio"-Maßnahme notwendig.

 

3.7.4. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und gegen die Anordnung der Schubhaft abzuweisen.

 

3.8. Entfall der mündlichen Verhandlung:

 

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

 

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Das gilt insbesondere für das Vorliegen einer rechtskräftigen und durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme, die Entziehung aus dem Asylverfahren und die erfolgte illegale Ausreise Deutschland, Holland und Tschechien.

 

Als zu klärender Sachverhalt ergibt sich aus der Beschwerde lediglich die Frage des Vorliegens einer familiären und sozialen Verankerung. Ausdrücklich festzuhalten ist hier, dass der Beschwerdeführer und sein Vertreter auch auf ausdrückliche gerichtliche Aufforderung nicht bereit waren, die angeblichen sozialen Anknüpfungspunkte in irgendeiner Form zu konkretisieren und mit entsprechenden Dokumenten zu belegen. Diese unzweideutige Verweigerung jeglicher Kooperation in einem vom Beschwerdeführer selbst in das Verfahren eingebrachten Themenfeld war in das Ergebnis der Interessensabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft miteinzubeziehen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht verpflichtet, eine Verhandlung anzuberaumen um nachweislich – und insbesondere wissentlich gemachte - tatsachenwidrige oder unvollständige Angaben etwa zu Zeugen zu vervollständigen oder zu überprüfen. Diesbezüglich besteht auch eine eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Mitwirkungspflicht.

 

3.9. Kostenersatz

 

3.9.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

 

3.9.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

 

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz. Die belangte Behörde ist auf Grund der Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft in allen Punkten obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz (im beantragten Umfang) hat.

 

Kommissionsgebühren, Dolmetschergebühren und Barauslagen sind im gegenständlichen Verfahren nicht angefallen.

 

3.9.3. Die Beschwerdeseite hat im Rahmen der Beschwerde den Antrag gestellt dem BF Verfahrenshilfe zu genehmigen und von der Eingabegebühr zu befreien. Über diesen Antrag ergeht eine gesonderte Entscheidung.

 

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr spricht die gegenständliche Tatsachenlastigkeit des vorliegenden Falles gegen das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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