BVwG W245 2245841-1

BVwGW245 2245841-131.1.2022

Auskunftspflichtgesetz §1
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art20 Abs3
B-VG Art20 Abs4
DSG §1
EMRK Art10
EMRK Art8
UG §81
UG §86
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W245.2245841.1.00

 

Spruch:

 

W245 2245841-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Studienpräses der Universität Wien vom 30.03.2021, GZ 01/01-20/21, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 30.07.2021, GZ B/13-20/21, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung wird bestätigt.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer XXXX (in der Folge auch „BF“) begehrte am 29.01.2021 Auskunft vom Rektorat der Universität Wien (Vizerektorin XXXX ) (VWA ./1, siehe Punkt II.2 sowie Punkt II.1.2).

I.2. Mit Verfügung vom 19.03.2021 wurde das Anbringen des BF gemäß § 6 AVG an das zuständige Organ, den Studienpräses der Universität Wien (in der Folge „belangte Behörde“, auch „bB“) weitergeleitet (VWA ./2, siehe Punkt II.2).

I.3. Mit Bescheid der bB vom 30.03.2021 wurde der Antrag des BF auf Beauskunftung gemäß § 1 Abs. 1 AuskunftspflichtG abgewiesen (VWA ./3, siehe Punkt II.2).

Begründend führte die bB aus, dass gemäß § 1 Abs. 1 AuskunftspflichtG die Behörde über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen habe, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegenstehe. Bei den vom BF beantragten Auskünften handle es sich um personenbezogene Daten, die dem höchstpersönlichen Lebensbereich der betroffenen Person zuzuordnen seien. Das Grundrecht auf Datenschutz sei in § 1 Datenschutzgesetz verankert und stehe im Verfassungsrang. Sofern der Betroffene (gemeint XXXX ) nicht seine ausdrückliche Einwilligung zur Datenweitergabe erteile, stehe der gewünschten Auskunft daher eine gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung entgegen.

Der Bescheid der bB wurde vom BF am 01.04.2021 übernommen (VWA ./4, siehe Punkt II.2).

I.4. Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 27.04.2021 per E-Mail fristgerecht erhobene Beschwerde (VWA ./5, siehe Punkt II.2).

In der Beschwerde führte der BF nach teilweiser Wiedergabe seines Auskunftsbegehrens vom 29.01.2021 (siehe VWA ./1 und Punkt II.1.2) und der abweisenden Begründung der bB (siehe Punkt I.3) aus, dass der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet sei. Der BF begründete dies damit, dass die Diplomarbeiten sämtlicher anderer juristischen Fakultäten in Österreich sowohl in der jeweiligen Universitätsbibliothek als auch in der Nationalbibliothek aufliegen würden. Auch mündliche Prüfungen seien gemäß § 79 Abs. 2 Universitätsgesetz öffentlich. Es sei daher unverständlich, warum gerade bei den Diplomand*innenseminararbeiten, somit den Abschlussarbeiten des Wiener Juridicums, ein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis bestehen solle, das die Verpflichtung zur Auskunftserteilung überwiegen solle.

I.5. Auf Vorschlag der Rechtsmittelkommission hat der Senat der Universität Wien in seiner Sitzung am 24.06.2021 ein Gutachten gemäß § 46 UG zur Beschwerde des BF gegen den Bescheid der bB wegen Abweisung des Antrages auf Auskunft beschlossen (VWA ./6, siehe Punkt II.2).

Nach Wiedergabe des Sachverhalts und der Rechtsgrundlagen zu § 14 Abs. 1 VwGVG, §§ 46 und 81 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, § 21 Studienplan für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften, MBl vom 02.06.2006 idgF (Diplomarbeitsmodul), § 1 Auskunftspflichtgesetz, Art 20 Abs. 3 und 4 B-VG und § 1 DSG führte der Senat der Universität Wien aus, dass gemäß § 1 Abs.1 AuskunftspflichtG die Behörde über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen habe, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensehe. Gesetzliche Verschwiegenheitspflichten, die einem Begehren nach dem AuskunftspflichtG entgegenstehen würden, seien ua in der Bundesverfassung (Art. 20 Abs. 3 und 4) geregelt. Auch das Datenschutzgesetz enthalte in seinem § 1 eine verfassungsrechtliche Bestimmung zum Schutz der personenbezogenen Daten.

Es sei nun eine Interessensabwägung zwischen dem Auskunftsrecht des BF auf der einen Seite und der Verschwiegenheitspflicht einer Behörde auf der anderen Seite vorzunehmen. Bei der begehrten Auskunft über Studienleistungen handle es sich zweifelsfrei um personenbezogene Daten. Da ein Geheimhaltungsinteresse im Hinblick auf den Schutz der personenbezogenen Daten überwiege und ein überwiegendes Interesse des Auskunftswerbers an der Auskunft nicht erkennbar sei, würden im gegenständlichen Verfahren zwei verfassungsgesetzliche Verschwiegenheitspflichten einer Auskunftserteilung entgegenstehen, weshalb das Auskunftsbegehren abzuweisen sei.

Angemerkt werde ferner, dass die in der Beschwerdeschrift angeführte Verpflichtung der Veröffentlichung von Diplomarbeiten gemäß § 86 UG mit Hinweis auf die entsprechenden Publikation der Diplomarbeiten auf der Homepage der Universität Innsbruck im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelange, weil es sich bei den an der Universität Wien zur Erlangung des akademischen Grades abzufassenden wissenschaftlichen Arbeiten nicht um Diplomarbeiten, sondern um einen anderen gleichwertigen Nachweis gemäß § 81 Abs. 1 UG handle (vgl. Studienplan Rechtswissenschaften an der Universität Wien und § 81 Abs. 1 UG). Die Regelungen über die Veröffentlichungspflicht von Diplomarbeiten seien daher für Diplomand*innenseminararbeiten nicht anzuwenden.

Auch für das Argument des BF, dass die Diplomand*innenseminararbeiten als Diplomarbeiten gleichwertige Leistungen nicht einer erhöhten Geheimhaltung als die Diplomarbeiten selbst unterstehen sollten, gebe es keine gesetzliche Grundlage.

Aus den dargelegten Gründen werde empfohlen, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Da lediglich ein nicht widersprüchlicher Sachverhalt rechtlich zu werten sei und eine Rechtsfrage zu klären sei und außerdem weder neue Tatsachen vorgebracht noch weitere Beweismittel vorgelegt worden seien, könne auf Grund des vorliegenden Akteninhaltes ohne Einräumung eines Parteiengehörs entschieden werden (vgl. VwGH 28.06.1995, 93/12/0177).

I.6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 30.07.2021 wurde die Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen (VWA ./7, siehe Punkt II.2). Die Begründung der bB stützt sich auf die im Wesentlichen wortwörtlich übernommenen Ausführungen des Gutachtens des Senates der Universität Wien (siehe dazu VWA ./6 bzw. Punkt I.5).

Die Beschwerdevorentscheidung wurde hinterlegt. Der Beginn der Abholfrist wurde mit 04.08.2021 dokumentiert (VWA ./8, siehe Punkt II.2).

I.7. Am 12.08.2021 stellte der BF mit E-Mail einen Vorlageantrag (VWA ./9, siehe Punkt II.2) und begründete diesen ident wie die erhobene Beschwerde (siehe oben Punkt I.4) damit, dass die angefochtene Beschwerdevorentscheidung mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet sei. Dazu führte er aus, dass die Diplomarbeiten sämtlicher anderer juristischen Fakultäten in Österreich sowohl in der jeweiligen Universitätsbibliothek als auch in der Nationalbibliothek aufliegen würden. Auch mündliche Prüfungen seien gemäß § 79 Abs. 2 Universitätsgesetz öffentlich. Es sei daher unverständlich, warum gerade bei den Diplomand*innenseminararbeiten, somit den Abschlussarbeiten des Wiener Juridicums, ein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis bestehen solle, das die Verpflichtung zur Auskunftserteilung überwiegen solle.

I.8. Die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung und der bezugshabende Verwaltungsakt (samt den Bestandteilen VWA ./1 bis ./9) wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch „BVwG“) am 27.08.2021 von der bB vorgelegt (OZ 1). Eine Stellungnahme zum Vorlageantrag (VWA ./9) des BF erfolgte von der bB nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

II.1.1. Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt.

II.1.2. Zum Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers:

Das Auskunftsbegehren des BF vom 29.01.2021 lautet wie folgt:

„Gemäß § 1 Abs 1 Auskunftspflichtgesetz, BGBl Nr. 287/1987 haben die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung über Angelegenheit ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht nicht entgegensteht.

Gemäß § 2 Auskunftspflichtgesetz beantrage ich höflichst die Beauskunftung folgender Fragen:

1. Was ist der Titel der ersten Diplomandenseminararbeit von XXXX ?

2. Wer war der Betreuer der ersten Diplomandenseminararbeit von XXXX ?

3. Wann wurde die ersten Diplomandenseminararbeit von XXXX approbiert?

4. Wie lautet der Volltext der ersten Diplomandenseminararbeit von XXXX ?

5. Was ist der Titel der zweiten Diplomandenseminararbeit von XXXX ?

6. Wer war der Betreuer der zweiten Diplomandenseminararbeit von XXXX ?

7. Wann wurde die zweiten Diplomandenseminararbeit von XXXX approbiert?

8. Wie lautet der Volltext der zweiten Diplomandenseminararbeit von XXXX ?

Bei den laut § 21 des Studienplans für das Studium der Rechtswissenschaften vorgesehenen Diplomandenseminararbeiten handelt es sich um einen gemäß § 81 Abs 1 UG einer Diplomarbeit gleichwertigen Nachweis. Aufgrund dieser Gleichwertigkeit ist ein gegenüber Diplomarbeiten erhöhtes Geheimhaltungsbedürfnis, deren Veröffentlichung gemäß § 86 UG sogar verpflichtend vorgesehen ist, nicht erkennbar. Eine gemäß Art 20 Abs 3 B-VG vorzunehmende Interessensabwägung schlägt somit zugunsten der Auskunftspflicht gemäß Art 20 Abs 4 B-VG aus.

Eine besondere Beeinträchtigung der Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung iSd § 2 Auskunftspflichtgesetz ist nicht zu erwarten, zumal ja sämtliche eingereichten Diplomandenseminararbeiten im StudienServiceCenter der rechtswissenschaftlichen Fakultät aufliegen.

Gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz beantrage ich für den Fall der Nichterteilung der Auskünfte bescheidmäßige Erledigung.“

II.1.3. Zum Interesse des Beschwerdeführers an der Auskunftserteilung:

Der BF begründet sein Auskunftsbegehren damit, dass es sich bei einer Diplomand*innenseminararbeiten um einen gemäß § 81 Abs. 1 UG gleichwertigen Nachweis einer Diplomarbeit handelt. Die Diplomand*innenseminararbeiten unterliegen daher keinem erhöhten Geheimhaltungsbedürfnis, da die Veröffentlichung von Diplomarbeiten nach § 86 UG verpflichtend vorgesehen ist.

Weitere Umstände für die Begründung seines Auskunftsbegehrens wurden vom BF im Verfahren nicht dargelegt.

II.1.4. Zum Auskunftsverweigerungsgrund der belangten Behörde:

Die bB begründet die Auskunftsverweigerung damit, dass die Studienleistungen (gemeint Informationen über Diplomandenseminararbeiten von XXXX ) zweifelsfrei personenbezogene Daten sind.

Weitere Umstände für die Verweigerung des Auskunftsbegehrens wurden von der bB im Verfahren nicht dargelegt.

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der bB [in der Folge kurz „VWA“ mit den Bestandteilen ./1 – Auskunftsbegehren des BF vom 29.01.2021 (siehe Punkt I.1), ./2 – Verfügung der Universität Wien vom 19.03.2021 (siehe Punkt I.2), ./3 – Bescheid der bB vom 30.03.2021 (siehe Punkt I.3), ./4 – Zustellnachweis vom 01.04.2021 (siehe Punkt I.3), ./5 – Bescheidbeschwerde des BF per E-Mail vom 27.04.2021 (siehe Punkt I.4), ./6 – Gutachten des Senats der Universität Wien vom 24.06.2021 (siehe Punkt I.5), ./7 – Beschwerdevorentscheidung der bB vom 30.07.2021 (siehe Punkt I.6), ./8 – Zustellnachweis vom 03.08.2021 (siehe Punkt I.6) und ./9 – Vorlageantrag vom 12.08.2021 (siehe Punkt I.7) ] sowie in den Gerichtsakt des BVwG (Aktenbestandteile werden mit Ordnungszahl, kurz „OZ“ gekennzeichnet).

II.2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der bB und des Gerichtsaktes des BVwG.

II.2.2. Zum Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers:

Die Feststellung ergibt sich zweifelsfrei aus dem Anbringen des BF vom 29.01.2021 (siehe VWA ./1).

II.2.3. Zum Interesse des Beschwerdeführers an der Auskunftserteilung:

Die dahingehende Feststellung beruht auf den Erwägungen (Feststellungen) der bB im Bescheid (VWA ./3, Seite 2) bzw. in der Beschwerdevorentscheidung (VWA ./7, Seite 5). Die Erwägungen (Feststellungen) der bB beruhen auf dem Auskunftspflichtbegehren (VWA ./1) und der Bescheidbeschwerde (VWA ./5) des BF. Im Vorlageantrag (VWA ./9, Seite 2) wiederholt der BF sein bisheriges Vorbringen. Sohin konnte die entsprechende Feststellung getroffen werden.

Die Ausführungen des BF, dass auch mündliche Prüfungen gemäß § 79 Abs. 2 UG öffentlich seien (VWA ./5 Seite 2 und ./9, Seite 2), kommt kein Begründungswert zu, weil eine mündliche Prüfung nicht mit einer Diplomarbeit bzw. einer Diplomand*innenseminararbeit vergleichbar ist. Eine Diplomarbeit bzw. eine Diplomand*innenseminararbeit sind als schriftliche Arbeiten reproduzierbar; es könnten grundsätzlich Abschriften hiervon erstellt werden. Dies trifft auf eine mündliche Prüfung nicht zu. Auch besteht für mündliche Prüfungen keine vergleichbare Publizitätsvorschrift gemäß § 86 UG.

Weitere Umstände für die Begründung seines Auskunftsbegehrens wurden vom BF in seinem Antrag (VWA ./1), in seiner Bescheidbeschwerde (VWA ./5) bzw. in seinem Vorlageantrag (VWA ./9) nicht dargelegt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass dem BF eine Behauptungslast zukommt: Da es nur ihm selbst bekannt sein kann, welche Interessen er mit der Auskunftserteilung verfolgt, hat er hierfür maßgebliche Aspekte im Verfahren initiativ bekanntzugeben. Sohin war die entsprechende Feststellung zu treffen.

II.2.4. Zum Auskunftsverweigerungsgrund der belangten Behörde:

Die vorliegende Feststellung ergibt sich zweifelsfrei aus dem Bescheid (VWA ./3, Seite 2) und der Beschwerdevorentscheidung (VWA ./7, Seite 6).

Im Übrigen wurden von der bB keine weiteren Gründe für die Auskunftsverweigerung im Verfahren dargelegt. Sohin war dies festzustellen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zur Zuständigkeit:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Das AuskunftspflichtG sieht keine Entscheidung durch Senate vor. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A) Zur Abweisung der Beschwerde und Bestätigung der Beschwerdevorentscheidung:

II.3.2.1. Zur Rechtslage im gegenständlichen Beschwerdeverfahren:

Art. 20 Abs. 3 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lautet:

(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.

(4) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache.

§ 1 Auskunftspflichtgesetz (AuskunftspflichtG) lautet:

(1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden.

§ 1 Abs. 1 und 2 Datenschutzgesetz (DSG) lautet:

(1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens – lautet:

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Art. 10 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – Freiheit der Meinungsäußerung – lautet:

(1) Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus, daß die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen.

(2) Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten.

§ 81 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 (UG) – Diplom- und Masterarbeiten – lautet:

Im Diplom- oder Masterstudium ist eine Diplom- oder Masterarbeit abzufassen. In besonders berufsorientierten Studien mit Ausnahme von Lehramtsstudien ist es zulässig, im Curriculum anstelle der Diplom- oder Masterarbeit einen anderen gleichwertigen Nachweis vorzusehen. Die Abfassung als Klausurarbeit ist unzulässig. Nähere Bestimmungen über Betreuung und Beurteilung von Diplom- oder Masterarbeiten sind in der Satzung, nähere Bestimmungen über das Thema der Diplom- oder Masterarbeit sind im jeweiligen Curriculum festzulegen.

§ 86 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 (UG) – Veröffentlichungspflicht – lautet:

Die Absolventin oder der Absolvent hat vor der Verleihung des akademischen Grades jeweils ein vollständiges Exemplar der positiv beurteilten wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeit oder der Dokumentation der künstlerischen Arbeit durch Übergabe an die Bibliothek der Universität, an welcher der akademische Grad verliehen wird, zu veröffentlichen. Für diese Übergabe kann in der Satzung festgelegt werden, dass diese ausschließlich in elektronischer Form zu erfolgen hat. Weiters kann in der Satzung festgelegt werden, dass die Veröffentlichung elektronisch in einem öffentlich zugänglichen Repositorium erfolgen muss.

§ 21 Studienplan für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften der Universität Wien – Diplomarbeitsmodul – lautet:

PM 15

 

Diplomarbeitsmodul (Pflichtmodul)

16 ECTS-Punkte

Teilnahmevor-aussetzung

StEOP

Modulziele

Das Modul dient der Erlangung und dem Nachweis der Befähigung, wissenschaftliche Themen selbständig sowie inhaltlich und methodisch vertretbar zu bearbeiten.

Modulstruktur

Die in diesem Modul vorgesehen Lehrveranstaltungen und Arbeiten können aus folgenden Fächern gewählt werden:

1. die Pflichtfächer, ausgenommen die Fächer des Einführungsmoduls.

2. folgende Wahlfächer: Rechtsphilosophie, -ethik und Methodenlehre, Europäische und vergleichende Rechtsgeschichte, Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte, Legal Gender Studies, Strafjustiz und Kriminalwissenschaften, Wohnrecht, Erbrecht und Vermögensnach-folge, Wirtschaftsprivatrecht (Unternehmensrecht iwS), Immaterialgüterrecht, Internationales Privatwirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung, Mediation, Bank- und Versicherungsrecht, Europarecht (vertiefend), Medizinrecht, Umweltrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Grund- und Menschenrechte, Wissenschafts- und Bildungsrecht, Technologierecht (Technik und Wirtschaft), Computer und Recht, Kulturrecht, Religionsrecht, Liegenschafts- und Baurecht, Recht der Internationalen Beziehungen (einschließlich Internationale Organisationen); Steuerrecht (vertiefend), Recht der Entwicklungszusammenarbeit.

Bei den Arbeiten sind die Grundsätze zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis einzuhalten. Nähere Regelungen über Qualitätskriterien dieser wissenschaftlichen Arbeiten sind von der Studienprogrammleitung nach Anhörung der Studienkonferenz festzulegen und auf der Website kundzumachen.

Die positiv beurteilten Arbeiten sind bei der Studienprogrammleitung einzureichen, die zu überprüfen hat, ob ein gleichwertiger Nachweis iS des § 81 UG vorliegt und bejahendenfalls die Arbeiten zu approbieren hat.

Leistungsnachweis

1. alternativ: zwei Diplomandenseminare jeweils zweistündig (je 4 ECTS) oder den Moot Court begleitende Lehrveranstaltungen (8 ECTS) oder ein Diplomandenseminar (4 ECTS) und eine den Moot Court begleitende Lehrveranstaltung (4 ECTS).

2. Auf Grund der besonderen Berufsorientierung des rechtswissenschaftlichen Studiums (§ 81 Abs. 1 UG): 2 wissenschaftliche Arbeiten (je 4 ECTS), die auf den im Rahmen der Diplomandenseminare gehaltenen Referaten oder auf dem Moot Court basieren.

   

 

§ 20 Abs. 1 Studienplan für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften der Universität Innsbruck – Diplomarbeit – lautet:

Die Diplomarbeit ist eine wissenschaftliche Arbeit, die dem Nachweis der Befähigung dient, wissenschaftliche Themen selbständig sowie inhaltlich und methodisch vertretbar zu bearbeiten. Das Thema der Diplomarbeit ist aus den Pflichtfächern gemäß § 7 Z 3 und 4 sowie § 8 Z 1 bis 11 und Wahlfächern gemäß §§ 10 und 11 Abs. 1 zu entnehmen. Das Thema der Diplomarbeit muss jedenfalls einen rechtswissenschaftlichen Bezug aufweisen.

§ 2 Abs. 2 Z. 3 Studienplan für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften der Universität Innsbruck – Diplomarbeit – lautet:

21,5 ECTS-AP auf die Diplomarbeit.

II.3.2.2. Für die gegenständliche Beschwerdesache wird auf folgende einschlägige höchstgerichtliche Rechtsprechung verwiesen:

Der in Art. 20 Abs. 4 B-VG verankerten Auskunftspflicht liegt die Einsicht zugrunde, dass in einem demokratischen Staat nicht nur die Gesetzgebung, sondern auch die Verwaltung in einem bestimmten Ausmaß der Öffentlichkeit zugänglich sein muss, weil eine sachgerechte Information der Bürger und ein transparentes Verwaltungsgeschehen unerlässliche Voraussetzungen für eine effektive Wahrnehmung der demokratischen Mitwirkungsrechte der Bürger am staatlichen Handeln sind (VwGH 13.09.2016, Ra 2015/03/0038). Der Pflicht der Behörde zur Auskunftserteilung korrespondiert ein subjektives öffentliches Recht des Auskunftswerbers (VwGH 05.10.2021, Ra 2020/03/0120; 26.03.2021, Ra 2019/03/0128). Das Auskunftsrecht fordert kein anerkanntes rechtliches Interesse des Auskunftswerbers an der Auskunftserteilung, sofern dies in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht vorgesehen ist (VwGH 29.05.2018, Ra 2017/03/0083).

Dem AuskunftspflichtG liegt ein Regel-Ausnahme-Prinzip zu Grunde: Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht grundsätzlich. Sie besteht nur insoweit nicht, als dem eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht oder durch die Auskunftserteilung die Besorgung der übrigen Aufgaben wesentlich beeinträchtigt würde. Auskunft wäre auch dann nicht zu erteilen, wenn sie offenkundig mutwillig begehrt wird. Das Gesetz verlangt daher – ausgehend vom subjektiven Anspruch des Auskunftswerbers auf Auskunftserteilung – im Fall der Verweigerung der Auskunftserteilung nachvollziehbare Feststellungen über jene Umstände, auf die sich die Verweigerung gründet, um die Verweigerung der Auskunftserteilung zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang ist nicht nur festzuhalten, dass entsprechend dem typischerweise einem Regel-Ausnahme-Verhältnis immanenten Prinzip der Bestand der Voraussetzungen für die Ausnahme streng zu prüfen ist, sondern es ist auch zu beachten, dass der Umfang des durch das AuskunftspflichtG eingeräumten subjektiven Rechts auf Auskunft ebenso wie die Reichweite der dieses Recht gegebenenfalls einschränkenden Bestimmungen verfassungskonform – im Lichte der dazu ergangenen Rechtsprechung des EGMR – auszulegen ist (VwGH 05.10.2021, Ra 2020/03/0120; VfGH 4.3.2021, E 4037/2020).

Auskunft ist nach dem Gesetz nur "soweit" nicht zu erteilen, als eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht (VwGH 29.05.2018, Ra 2017/03/0083). Als gesetzliche Verschwiegenheitspflicht kommt sowohl die in Art. 20 Abs. 3 B-VG umschriebene Amtsverschwiegenheit als auch (eigenständig) die in § 1 Abs. 1 und 2 DSG umschriebene Pflicht zur Geheimhaltung personenbezogener Daten in Betracht (VwGH 18.08.2017, Ra 2015/04/0010). Ob eine allfällige gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 EMRK entspricht, also einen legitimen Eingriffszweck im Sinne dieser Bestimmung verfolgt und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist und schließlich im Ergebnis verhältnismäßig ist, ist im Zuge einer Abwägung zu prüfen (VwGH 29.05.2018, Ra 2017/03/0083). Stehen einander die beiden Interessenlagen gleichwertig gegenüber, so steht der Auskunftserteilung keine Geheimhaltungsverpflichtung der Behörde entgegen; (nur) bei Überwiegen der Geheimhaltungsinteressen der Partei ist der Behörde eine Auskunftserteilung verwehrt (VwGH 28.01.2019, Ra 2017/01/0140).

II.3.2.3. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für die Beschwerdesache Folgendes:

§ 86 UG sieht eine Veröffentlichungspflicht für Diplomarbeiten vor. Diese Regelung kann aber nicht als lex specialis zum AuskunftspflichtG betrachtet werden, weil sich die Regelungsgegenstände der genannten Normen jeweils deutlich unterscheiden. Auch kann e contrario aus § 86 UG nicht geschlossen werden, dass eine Auskunftserteilung gemäß § 1 AuskunftspflichtG über Studienleistungen (gemeint Informationen über Diplomandenseminararbeiten von XXXX ) nicht möglich ist. Es gibt keine gesetzlichen Regelungen, welche eine Veröffentlichung von Diplomand*innenseminararbeiten vorsehen. Auch existiert keine konkrete gesetzliche Verschwiegenheitspflicht betreffend Diplomand*innenseminararbeiten. Die Zulässigkeit der Auskunftserteilung erfordert – wie in der Folge dargestellt – eine Interessensabwägung.

Für das Bestehen eines Auskunftsanspruches ist grundsätzlich ein rechtliches Interesse des Auskunftswerbers nicht erforderlich. Ergeben sich jedoch im Hinblick auf die Auskunftserteilung entgegenstehende Verschwiegenheitspflichten, so ist eine Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung des Art. 10 EMRK vorzunehmen. Im Zuge dieser Abwägung ist unter anderem zu prüfen, ob allfällige gesetzliche Verschwiegenheitspflichten dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 EMRK entsprechen, also einen legitimen Eingriffszweck im Sinne dieser Bestimmung verfolgen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind und schließlich im Ergebnis verhältnismäßig sind (VwGH 26.03.2021, Ra 2019/03/0128, mwN).

Im Hinblick darauf, dass Auskünfte nach § 1 Abs. 1 AuskunftspflichtG auch personenbezogene Daten betreffen können, stellt diese Bestimmung einerseits einen Eingriff in das Recht auf Datenschutz nach § 1 Abs. 1 DSG dar. Andererseits stellt sie hinsichtlich der Anordnung, dass eine Auskunft im Fall einer entgegenstehenden Verschwiegenheitspflicht nicht zu erteilen ist, gleichzeitig auch einen Eingriff in Art. 10 Abs. 1 EMRK dar, wonach ein Recht auf Zugang zu Informationen besteht. Eine gesetzlich vorgesehene Beschränkung dieser Grundrechte ist nach dem jeweiligen Gesetzesvorbehalt nur zulässig, sofern sie aus einem der in Art. 10 Abs. 2 EMRK bzw. § 1 Abs. 2 DSG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründe notwendig ist. Der genannte Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit und in jenes auf Datenschutz durch § 1 Abs. 1 AuskunftspflichtG dient jeweils dem "Schutz der Rechte anderer" iSd Art. 10 Abs. 2 EMRK bzw. § 1 Abs. 2 DSG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK, nämlich dem jeweils entgegengesetzten Grundrecht. Der Eingriff verfolgt somit jedenfalls ein legitimes Ziel. Im Hinblick auf § 1 Abs. 2 DSG muss die gesetzliche Grundlage darüber hinaus auch ausreichend präzise sein. Diese Anforderung ist durch § 1 Abs. 1 AuskunftspflichtG erfüllt, weil diese Bestimmung die gebotene Interessenabwägung zwischen dem Grundrecht auf Information iSd Art. 10 Abs. 1 EMRK und jenem auf Datenschutz und damit einen angemessenen Ausgleich zwischen diesen beiden Grundrechtspositionen ermöglicht (siehe dazu ausführlich VfGH 04.03.2021, E4037/2020, mwH).

Auch wenn aus Art. 10 Abs. 1 EMRK keine generelle Verpflichtung des Staates abgeleitet werden kann, Informationen bereitzustellen, so kann nach Maßgabe folgender Kriterien ein Recht auf Zugang zu Informationen bestehen: Dies ist einerseits dann der Fall, wenn die Offenlegung der Informationen von einem Gericht rechtskräftig angeordnet wurde. Andererseits besteht ein solches Recht, wenn der Zugang zu Informationen für die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit, insbesondere der Freiheit des Erhalts und der Weitergabe von Informationen, maßgeblich ist. Für den Bestand und die Reichweite dieses Rechts ist insbesondere von Bedeutung, ob das Sammeln der Informationen ein relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten ist, ob die Offenlegung der begehrten Informationen im öffentlichen Interesse notwendig sein kann – insbesondere weil sie für Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften und über Angelegenheiten, die für die Gesellschaft als Ganzes interessant sind, sorgt –, ob der Grundrechtsträger als Journalist oder Nichtregierungsorganisation oder in einer anderen Funktion als "public watchdog" im öffentlichen Interesse tätig wird und schließlich ob die begehrte Information bereit und verfügbar ist und daher kein weiteres Sammeln von Daten notwendig ist (EGMR 08.11.2016, Fall Magyar Helsinki Bizottság, Appl 18.030/11; EGMR 08.10.2019, Fall Szurovecz, Appl 15.428/16; VfGH 04.03.2021, E4037/2020).

Im Verfahren hat der BF nicht vorgebracht, dass das Sammeln der gewünschten Informationen ein relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivität ist, dass die begehrten Informationen im öffentlichen Interesse notwendig sein können oder dass er als Grundrechtsträger als Journalist/NGO oder in einer anderen Funktion als „public watchdog“ im öffentlichen Interesse tätig wird. Vor diesem Hintergrund ist eine Auskunftserteilung im verfahrensgegenständlichen Fall nicht zulässig. Der BF stützt sein Auskunftsbegehren ausschließlich auf das Argument, dass es sich bei einer Diplomand*innenseminararbeit um einen gemäß § 81 Abs. 1 UG gleichwertigen Nachweis einer Diplomarbeit handle. Die Diplomand*innenseminararbeiten würden daher keinem erhöhten Geheimhaltungsbedürfnis unterliegen, da die Veröffentlichung von Diplomarbeiten nach § 86 UG verpflichtend vorgesehen sei. Mit diesem Argument lässt sich jedoch kein Konnex zu den oben dargestellten Kriterien des EGMR bzw. VfGH herstellen.

Der Umstand, dass einer Behörde die begehrte Information zur Verfügung steht, begründet kein berechtigtes Auskunftsinteresse. Das Kriterium der Rechtsprechung des EMGR bzw. VfGH, ob die begehrte Information bereit und verfügbar ist und daher kein weiteres Sammeln von Daten notwendig ist, korrespondiert mit der Regelung in § 1 Abs. 2 AuskunftspflichtG. Diese Bestimmung regelt, ob eine Behörde die Auskunft verweigern darf, wenn eine Anfragebeantwortung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der übrigen Aufgaben der Behörde führt.

Soweit der BF im Verfahren einen Vergleich zu Diplomarbeiten anderer juristischer Fakultäten in Österreich anstellt (VWA ./5, Seite 2 und ./9, Seite 2), so berücksichtigt er nicht, dass juristische Fakultäten in Österreich den Aufbau der Diplomarbeiten bzw. den Umfang der wissenschaftlichen Arbeiten zum Teil sehr unterschiedlich regeln. So beträgt der Umfang der Diplomarbeit an der juristischen Fakultät in Innsbruck z.B. 21,5 ECTS (20 ECTS juristische Fakultät Salzburg [§ 18 Curriculum für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Salzburg], 25 ECTS juristische Fakultät Graz [§ 16 Curriculum für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Salzburg], 16 ECTS juristische Fakultät Linz [§ 10 Curriculum für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Linz, wobei bei entsprechendem akademischen Aufwand auch eine Kombination aus einem nachgestellten Gerichts- oder Behördenverfahren (Moot Court) oder einem Praktikum und einer darauf aufbauenden wissenschaftlichen Arbeit mit entsprechend geringerem Umfang zulässig ist]). Im Gegensatz dazu beträgt der Umfang einer wissenschaftlichen Arbeit im Rahmen eines Diplomand*innenseminararbeit an der juristischen Fakultät in Wien wegen einer evident anderen Strukturierung der Diplomarbeit nur 4 ECTS. Vor dem Hintergrund der evidenten unterschiedlichen Strukturierung der Diplomarbeit ist das Argument des BF zur Vergleichbarkeit einer Diplomarbeit mit einer Diplomand*innenseminararbeit nicht tragfähig.

Anzumerken ist auch, dass der BF im Verfahren nie konkret ein öffentliches Interesse dahingehend begründet hat, dass er eine Auskunft von Informationen einer Person begehrt, welche eine „public figure“ bzw. „public official“ ist. Soweit der BF Informationen von XXXX begehrt, welcher mehrere politische Funktionen ( XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , siehe dazu auch https://de.wikipedia.org/wiki/ XXXX , zuletzt abgefragt am 14.01.2022) bekleidete, kann zweifellos davon ausgegangen werden, dass dieser eine „public figure“ bzw. „public official“ darstellt. Entsprechend der Rechtsprechung des EGMR kann es durchaus zulässig sein, dass aufgrund einer Beantwortung eines Auskunftsersuchens die Privat- oder Geheimnissphäre einer Person tangiert sein kann (EGMR 08.10.2019, Fall Szurovecz, Appl 15.428/16). Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information und dies ist ein wesentliches Recht in einer demokratischen Gesellschaft, das sich unter bestimmten Umständen sogar auf Aspekte des Privatlebens von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens beziehen kann (EGMR 27.6.2017, Fall Satakunnan Markkinapörssi Oy/Satamedia, Appl 931/13). Als Beispiel lassen sich Informationen des Privatlebens anführen, die im Zusammenhang mit der politischen Funktion stehen, wie der Bezugsfortzahlungsanspruch ehemaliger Nationalratsabgeordneten (VfGH 04.03.2021, E4037/2020). Davon zu unterscheiden sind Informationen, die nur darauf abzielen, die Neugier einer bestimmten Leserschaft (Personen) bezüglich der Einzelheiten des Privatlebens einer Person zu befriedigen. Diese können, so sehr diese Person auch bekannt sein möge, nicht als Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse angesehen werden (EGMR 24.6.2004, Fall von Hannover, Appl. 59.320/00). In einem solchen Fall ist zu prüfen, welches Gewicht der begehrten Informationen (dem Bericht) im Hinblick auf das öffentliche Interesse zukommt und wie intensiv der durch den Bericht verwirklichte Eingriff in die Privatsphäre der betroffenen Person ist. Im gegenständlichen Fall begehrt der BF Informationen über Diplomandenseminararbeiten von XXXX . Ein maßgeblicher Zusammenhang zwischen der politischen Funktion bzw. der politischen Tätigkeiten und den Informationen über Diplomandenseminararbeiten von XXXX ist jedoch nicht erkennbar und wurde auch vom BF im Verfahren in keiner Weise schlüssig dargelegt. Auch vor diesem Hintergrund wäre das Auskunftsbegehren des BF abzulehnen.

Im Ergebnis konnte der BF unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des VfGH und der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 08.11.2016, Fall Magyar Helsinki Bizottság, Appl 18.030/11; EGMR 08.10.2019, Fall Szurovecz, Appl 15.428/16; VfGH 04.03.2021, E4037/2020) kein rechtlich relevantes Auskunftsinteresse aufzeigen. Vor diesem Hintergrund überwiegt jedenfalls das rechtliche Interesse am Datenschutz an den personenbezogenen Daten (Informationen über Diplomandenseminararbeiten von XXXX ). Unabhängig davon, beträgt, aufgrund des Aufbaus des Diplomarbeitsmoduls der rechtswissenschaftlichen Fakultät Wien, der Umfang einer wissenschaftlichen Arbeit (Diplomand*innenseminararbeit) nur 4 ECTS. Der Umfang der wissenschaftlichen Arbeit ist im Vergleich zu anderen juristischen Fakultäten in Österreich wesentlich geringer (z.B. Innsbruck 21, 5 ECTS). Schließlich ergibt sich auch aus der Bezeichnung der Arbeit als „…seminararbeit“, dass diese nicht mit wissenschaftlichen Arbeiten („Diplomarbeit“) anderer österreichischen Fakultäten gleichzusetzen ist. Aufgrund des eher geringen wissenschaftlichen Umfangs einer Diplomand*innenseminararbeit überwiegt auch in dieser Hinsicht das rechtliche Interesse am Datenschutz an personenbezogenen Daten (Informationen über Diplomandenseminararbeiten von XXXX ).

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

II.3.3. Zum Entfall der Verhandlung:

II.3.3.1. Zur Rechtslage im gegenständlichen Beschwerdeverfahren:

§ 24 Abs. 1 bis 4 VwGVG – Verhandlung – lautet:

(1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).

II.3.3.2. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für die Beschwerdesache Folgendes:

Der maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde (VWA ./5) bzw. im Vorlageantrag (VWA ./9) wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH vom 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Somit konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

II.3.4. Zu Spruchpunkt B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist zulässig, weil es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage fehlt, ob Universitäten hinsichtlich Studienleistungen (wie zB Diplomand*innenseminararbeiten) von Student/innen, welche nicht von der Publizitätsverpflichtung gemäß § 86 Abs. 1 UG erfasst sind, Auskunft gemäß § 1 AuskunftspflichtG zu erteilen haben bzw. ob Universitäten eine Auskunftserteilung gemäß § 1 AuskunftspflichtG zum Schutz von personenbezogenen Daten von Student/innen gemäß § 1 DSG verweigern können.

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