VfGH E4037/2020

VfGHE4037/20204.3.2021

Verletzung im Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit durch Nichterteilung einer Auskunft über Gehaltsfortzahlungen von aus dem Nationalrat ausgeschiedenen Mitgliedern an einen Journalisten nach dem AuskunftspflichtG; kein Überwiegen des persönlichen Geheimhaltungsinteresses der betroffenen ehemaligen Nationalratsabgeordneten gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit an der Information über die Fortsetzung der Bezüge

Normen

B-VG Art20 Abs3
EMRK Art8 Abs2
EMRK Art10
DSG §1 Abs1
BezBegrBVG §9
BundesbezügeG §6
AuskunftspflichtG §1, §2, §4
Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz §6
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:E4037.2020

 

Spruch:

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Präsident des Nationalrates) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist Journalist und wandte sich in dieser Eigenschaft gemäß §2 Bundesgesetz vom 15. Mai 1987 über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Änderung des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz), BGBl 287/1987 idF BGBl I 158/1998, am 14. Juli 2019 mit folgendem Auskunftsbegehren an die Parlamentsdirektion:

"Welche Abgeordneten haben in den Jahren 2017, 2018 und 2019 die Gehaltsfortzahlung nach Erledigung ihres Mandates in Anspruch genommen und für wie lange?"

Da ihm diese Auskunft unter Hinweis auf das Recht auf Datenschutz der betroffenen Personen nicht erteilt wurde, stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erlassung eines entsprechenden Bescheides nach §4 Auskunftspflichtgesetz. Daraufhin wurde das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers mit Bescheid des Präsidenten des Nationalrates vom 19. November 2019 abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wurde jedoch mitgeteilt, wie viele Bezugsfortzahlungen im betroffenen Zeitraum pro Jahr gewährt wurden und welcher Gesamtbetrag dafür pro Jahr aufgewendet wurde.

2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 1. Oktober 2020 ab. Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die Geheimhaltung der begehrten Auskunft iSd Art20 Abs3 B‑VG "im überwiegenden Interesse der Parteien", nämlich im Interesse der betroffenen ehemaligen Nationalratsabgeordneten liege. Die Abgeordneten würden "ab ihrem Ausscheiden aus dem Nationalrat nicht mehr Träger eines öffentlichen Amtes" sein und "die Gründe für eine allfällige Inanspruchnahme der Bezugsfortzahlung" würden daher "vorwiegend im privaten Bereich des jeweiligen Abgeordneten liegen". Der Fortzahlungsanspruch bestehe nämlich nur, sofern kein Anspruch auf die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit bestehe. Ob dies der Fall sei, hänge "von den persönlichen bzw privaten Umständen des jeweiligen Abgeordneten, wie beispielsweise seiner Ausbildung, beruflichen Vorerfahrungen etc. ab". Insgesamt überwiege das private Geheimhaltungsinteresse der ehemaligen Abgeordneten somit das Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers nach Art10 EMRK.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt werden. Begründend wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"3.1. Das angefochtene Erkenntnis verletzt den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleistete[n] Recht auf Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit (Art10 EMRK).

[…]

Die […] Normen des BBezG konkretisieren die verfassungsrechtlich durch Art20 Abs4 B‑VG ua für Organe des Bundes vorgezeichnete Auskunftsverpflichtung. Der Beschwerdeführer bezweifelt nicht, dass diese Normen grundsätzlich verfassungskonform sind, zumal sie im materiell-rechtlichen Gehalt den verfassungsgesetzlichen Wortlaut mehr oder minder nur wiederholen. Allerdings unterstellt das BVwG mit der oben dargestellten Auslegung den von ihm anzuwendenden Rechtsnormen einen verfassungswidrigen Inhalt. Das angefochtene Erkenntnis verletzt die Rechte des Beschwerdeführers daher in einem in die Verfassungssphäre reichenden Ausmaß. Dies wie folgt:

3.2. Nach der Rsp des EGMR garantiert das Recht auf freie Meinungsäußerung einer Person weder grundsätzlich das Recht auf Zugang zu Informationen im Besitz des Staates noch verpflichtet es die Regierung, ihr solche auszuhändigen. Allerdings kann Art10 EMRK dann ins Spiel kommen, wenn

a) eine Offenlegung der Information von einem Gericht rechtskräftig angeordnet wurde oder

b) unter Umständen, wo der Zugang zur Information für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, vor allem die Freiheit auf den Erhalt und die Weitergabe von Informationen, maßgeblich ist (zB EGMR 8.11.2016, Bsw 8.030/11).

Dies betrifft insb. den Informations- bzw Auskunftsanspruch von Journalisten. Hierzu hat der Gerichtshof zB vor etwa einem Jahr befunden, dass das Sammeln von Informationen ein wesentlicher Vorbereitungsschritt für den Journalismus ist und einen inhärenten und geschützten Teil der Pressefreiheit darstellt (EGMR 8.10.2019, Bsw 15.428/16). Die Hindernisse, die geschaffen wurden, um den Zugang zu Informationen von öffentlichem Interesse zu behindern, können diejenigen, die in den Medien oder in verwandten Bereichen arbeiten, davon abhalten, solche Angelegenheiten zu verfolgen. Infolgedessen sind sie möglicherweise nicht mehr in der Lage, ihre wichtige Rolle als 'öffentliche Wachorgane' wahrzunehmen, und ihre Fähigkeit, genaue und zuverlässige Informationen bereitzustellen, kann beeinträchtigt werden (EGMR aaO). Das bedeutet, dass für Journalisten in Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit die oben unter b) dargestellte Voraussetzung gleichsam definitionsgemäß erfüllt ist, soweit die Informationen in Erfüllung ihrer journalistischen Funktion angefragt werden.

Allerdings folgt hieraus auch für Journalisten noch kein gleichsam absoluter Informations- bzw Auskunftsanspruch. Vielmehr bestimmt sich die Reichweite des Rechts auf Zugang zu Informationen nach Zweck und Ziel des Informationsansuchens, dem Charakter der begehrten Information, der Rolle der Person oder Institution, welche um die Aushändigung von Informationen ansucht, und dem Umstand, ob diese bereitstehen und verfügbar sind (zB EGMR 8.11.2016, Bsw 18.030/11).

[…]

3.3.1. Auch das BVwG zweifelt nicht daran, dass der Beschwerdeführer die grundlegenden Voraussetzungen für einen konventions- und verfassungsrechtlich geschützten Informationsanspruch erfüllt […]. Es dürfte auch ohne ausführliche Darlegungen klar sein, dass die Weigerung, ihm die angefragten Informationen zur Verfügung zu stellen, einen Eingriff in die hieraus erfließenden grundrechtlichen Verbürgungen darstellt.

Ein solcher Eingriff ist nach dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art10 Abs2 EMRK nur zulässig, wenn er a) gesetzlich vorgesehen, b) der Erreichung eines der in der Bestimmung taxativ aufgezählten Ziele dient und c) verhältnismäßig in dem Sinn ist, dass er zur Erreichung dieses Zieles in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist […].

Es ist an dieser Stelle nicht zu bezweifeln, dass der Eingriff zumindest grundsätzlich gesetzlich vorgesehen ist, zumal in Übernahme der verfassungsgesetzlichen Vorgabe die Auskunftspflicht beschränkt wird, sofern ihr eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht (§1 Abs1 AuskunftspflichtG). Es soll auch gar nicht in Abrede gestellt sein, dass die diversen Rechtsgüter, die je nach Sachverhalt durch diesen Vorbehalt geschützt werden (Privatleben, Geschäftsgeheim[n]isse, Datenschutz usw), legitime Ziele iSd angeführten Rsp des EGMR sind. Die Frage ist aber, ob der konkret bewirkte Eingriff auch verhältnismäßig ist. Das ist zu verneinen:

3.3.2. Der Beschwerdeführer formulierte seine Auskunftsersuchen – ein gleichgerichtetes erging auch an das Bundeskanzleramt – im Juli 2019. Dies vor dem Hintergrund, dass am 28. Mai die Mitglieder der Bundesregierung nach dem Misstrauensvotum des Nationalrats von Bundespräsident Van der Bellen ihrer Ämter enthoben wurden. Die politische Landschaft in Österreich befand sich ab diesem Zeitpunkt in der Vorbereitung auf eine Nationalratswahl, die letztlich am 29.9.2019 stattfand.

Im Wahlkampf 2019 wurde von zahlreichen Minister*innen und NR‑Abgeordneten öffentlich bekundet, keine Fortzahlung ihrer Bezüge zu beziehen, d.h. es wurde mit dieser Frage auch Wahlkampf gemacht. Bekannt ist zB die – angeblich nicht so gemeinte – Ankündigung des Pressesprechers von BK Kurz, dieser wolle auf die mögliche Fortzahlung seiner Bezüge verzichten. Letztlich stellte sich aber heraus, dass ihm eine solche gar nicht zugestanden wäre, da er die Möglichkeit gehabt hätte, insb. in den Nationalrat zurückzukehren. Diesfalls ist – auch wenn auf diese Möglichkeit verzichtet wird – die Fortzahlung ausgeschlossen (§6 Abs2 Z1 iVm Abs4 Z1 BBezG). Auch der Kanzleramtsminister der Regierung Kurz 1 Gernot Blüm[e]l, der nach der Amtsenthebung wieder in seine Funktion als Wiener ÖVP-Obmann zurückgekehrt ist, gab kurz vor der Neuwahl durchaus öffentlichkeitswirksam an, über kein Arbeitseinkommen zu verfügen, weil er 'ja auf die Fortzahlung des Gehalts verzichtet habe' (APA 25.9.2019). Bei drei weiteren Ex-Ministern wurde in den Medien spekuliert, definitive Auskünfte waren aber nicht zu erlangen (siehe APA 5.7.2019). Andere Parlamentarier wurden wiederum wegen der Inanspruchnahme der Bezugsfortzahlung durchaus kritisch gewürdigt (siehe die Kolumne von ************).

[…]

Das BVwG bezweifelt nicht, dass das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegt, geht es doch bei der Bezugsfortzahlung um Mittel aus Steuergeld. An der ordnungsgemäßen Verwendung von öffentlichen Geldern besteht grundsätzlich auch ein Interesse der Gemeinschaft […]. Gleichwohl schlägt nach Ansicht des BVwG die Interessenabwägung letztlich zu Gunsten der Betroffenen aus. Begründet wird dies damit, dass die belangte Behörde ohnedies die Summen, die in den Jahren 2017 bis 2019 für die Bezugsfortzahlungen aufgewendet wurden, bekannt gegeben habe. Die namentliche Nennung der jeweils Begünstigten sei nicht erforderlich gewesen, um dem Beschwerdeführer die Erfüllung seiner Aufgabe zu ermöglichen. Diese Aufgabe erblickt das BVwG in der Kontrolle der ordnungsgemäßen Verwendung öffentlicher Gelder. Auch der VfGH habe zur Reichweite der Bekanntgabepflicht gegenüber dem Rechnungshof zum Ausdruck gebracht, dass eine namentliche Nennung nicht erforderlich sei (VfSlg 17.065/2003). Zudem sei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen (jene die die Fortzahlung in Anspruch nehmen) eben keine public figures bzw public officials mehr wären. Dies verkürzt die Problematik in einer Weise, die die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers tangiert:

Entgegen der Ansicht des BVwG ist der Beschwerdeführer und die von ihm wahrgenommene Aufgabe nicht auf eine bloße Kontrolle der Verwendung öffentlicher Mittel reduziert. Vielmehr zählt es auch zu seinen Aufgaben als Journalist, die Kohärenz zwischen politischem Agieren einerseits und tatsächlichem Handeln andererseits zu überprüfen bzw einer Analyse zu unterziehen. Das unterscheidet die Aufgabe von Journalisten auch von jener des Rechnungshofes, weshalb der Bezug auf VfSlg 17.065/2003 nicht tragfähig ist. Hier sind vielfältige Sachverhaltskonstellationen denkbar, die sich vorab ohne Kenntnis der angefragten Informationen nicht abschließend darstellen oder beurteilen lassen (zB wäre – ohne das hier jemandem, insb. nicht den oben angesprochenen Personen, unterstellen zu wollen – denkbar, dass öffentlich Freigiebigkeit zur Schau gestellt wird, obwohl tatsächlich die Fortzahlung in Anspruch genommen wird; es wäre aber auch denkbar, dass eine Fortzahlung beantragt oder gar gewährt wurde, obwohl der Anspruch – aus welchem Grund auch immer – nicht besteht; ebenfalls nicht abwegig ist der Fall, dass eine Person die Fortzahlung in Anspruch nimmt, obgleich es die 'political correctness' gebieten würde[…], hierauf zu verzichten). Nur in einem dieser drei exemplarisch angesprochenen Fälle geht es überhaupt um die korrekte Verwendung öffentlicher Gelder, während die anderen beiden Fälle die politische Bewertung eines Verhaltens betreffen. Schon dadurch, dass das BVwG die Reichweite der Aufgaben des Beschwerdeführers verkürzt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Verfassungswidrigkeit belastet. Denn es reduziert seine von Art10 EMRK geschützte journalistische Funktion auf eine von mehreren. Natürlich zählt aber nicht nur die Kontrolle der finanziellen Gebarung des Staates, sondern auch die politische oder soziale Bewertung eines Verhaltens von (unter anderem) Politikern zu den Kernaufgaben journalistischer Tätigkeit.

Hinzukommt, dass die Ansicht des BVwG, die Fortzahlung der den Amtsträgern zustehenden Bezüge betreffe den Privatbereich, nicht bzw nur in manchen Fällen zutrifft. Das BVwG begründet diese Annahme insb. mit der Ausnahmebestimmung des §6 Abs4 BBezG. Schon die Konstellation des ehemaligen Kanzleramtsministers Gernot Blümel (siehe hierzu schon oben) zeigt aber, dass durchaus – und das nicht selten – Fälle eintreten können, in denen ein Anspruch auf Bezügefortzahlung besteht, die Person aber keineswegs der Politik den Rücken kehrt oder gar die Bühne der Öffentlichkeit verlässt. Die Diskussion um einen allfälligen Fortzahlungsanspruch des damaligen und aktuellen Bundeskanzlers bestätigt dies (ebenso wie die zumindest medial aufbereitete Feststellung, dass dem ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache oder dem ehemaligen Innenminister Herbert Kickl keine Fortzahlung zustünde, weil sie in den Nationalrat zurückgekehrt sind bzw dies zumindest könnten). Sämtliche der genannten Personen waren unstrittig auch nach dem Ende der Bundesregierung Kurz 1 weiterhin public figures bzw public officials.

Das ist aber aus Sicht des Beschwerdeführers nicht entscheidend. Soweit zu sehen[,] wurde die 'Rechtsfigur' der public figures bzw public officials im Zusammenhang mit dem Schutz der Ehre entwickelt. Hierzu ist heute – ganz kurz gesagt – anerkannt, dass Personen, die Teil einer Debatte von öffentlichem Interesse sind, eine schärfere Bewertung bis hin zu Kränkungen und Herabsetzungen hinzunehmen haben. Dies betrifft insb. Politiker, aber auch Private oder Vereinigungen, die die öffentliche Bühne betreten […]. Dieser Ansatz wurde in weiterer Folge auf vergleichbare Konstellationen, zB den Schutz der Privatsphäre, den Bildnisschutz und den Geheimnisschutz usw erstreckt. Details können hier dahinstehen. Wesentlich erscheint allerdings, dass[,] soweit zu sehen[,] gar nicht angezweifelt wird, dass ein einmal begründetes Informationsinteresse, das auch eine erhöhte Eingriffsintensität legitimiert, im Regelfall nicht abrupt endet, sondern regelmäßig ein – durch die Umstände des Einzelfalls konkretisiertes – sukzessives Abnehmen eintritt. Dies ist aus der sowohl persönlichkeits- wie datenschutzrechtlich geführten Diskussion um das sog Recht auf Vergessen bekannt (siehe zur datenschutzrechtlichen Thematik grundlegend EuGH C-131/12 – Google Spain; deutlich differenzierter dann zB EuGH C-136/17 – GC ua/CNIL; zur persönlichkeitsrechtlichen Bewertung zB BVerfG 6.11.2019, 1 BvR 16/13 – Recht auf Vergessen I). Ob und wann ein solches Recht besteht wird nach einem differenzierten Abwägungsmodell beurteilt. In diesem sind vielfältige Interessen zu berücksichtigen. Neben der Art der betroffenen Information, deren Sensibilität für das Privatleben, der Rolle der Person im öffentlichen Leben usw spiel[en] insb. auch die Zeit und das zwischenzeitige Verhalten der Person eine Rolle. Denn auch bei einer ursprünglich rechtmäßigen Veröffentlichung kann die nötige Erforderlichkeit für eine weitere Verarbeitung bzw Verbreitung mit den Jahren schwinden […].

Dies ist auch im gegebenen Zusammenhang zu beachten. Denn die Bezügefortzahlung ist jedenfalls was die Anspruchsbegründung anlangt ohne öffentliche Funktion iSd §1 Abs1 BBezG nicht denkbar. Diese muss aufgrund der maximalen Fortzahlungsdauer überdies der Fortzahlung in einem engen zeitlichen Rahmen vorangehen und ist durch diesen auch begrenzt. Das bedeutet, dass die Bezügefortzahlung nicht nur ihre Grundlage in der öffentlichen Organfunktion hat, sondern mit dieser auch in einem engen zeitlichen Konnex stehen muss. Demgegenüber sind die Gründe, die einen Entfall des Anspruchs bewirken, nur zum Teil überhaupt solche, die der Privatsphäre entstammen. Es ist daher nicht so, dass das öffentliche Informationsinteresse, das letztlich die rechtspolitische Grundlage des Auskunftsanspruches ist, gleichsam in der juristischen Sekunde, in der die Organstellung endet, erlischt. Vielmehr ist die Verzahnung mit dieser Funktion derart intensiv, dass im Lichte der dargestellten Erwägungen – insb. auch aufgrund des eng begrenzten Zeitraumes – davon ausgegangen werden muss, dass das Informationsinteresse insgesamt höher zu bewerten ist, als der Geheimhaltungsanspruch des Betroffenen. Dies jedenfalls solange, als es nicht besonders sensible Umstände aus der Privatsphäre sind, die den Fortzahlungsanspruch begründen. Auch [L]etzteres rechtfertigt aber entgegen dem BVwG keinesfalls die pauschale Verweigerung der Auskunft.

Der Vollständigkeit halber sind an dieser Stelle noch zwei Überlegungen anzuführen, die ebenfalls zeigen, dass die vom BVwG vorgenommene Abwägung die verfassungsrechtliche Ausgangslage nicht hinreichend beachtet:

- Wie gezeigt entstammen die Gründe, die einen Entfall des Fortzahlungsanspruches begründen, nur zum Teil der Privatsphäre. Es kann aber nicht angenommen werden, dass der verfassungsrechtlich begründete Auskunftsanspruch schon dann verneint werden darf, wenn die allenfalls ein Geheimhaltungsinteresse begründenden Umstände mit jenen, die kein solches begründen, in einem Regelungskomplex vereint sind. Die Annahme des BVwG führt nämlich letztlich dazu, dass der Anspruch stets zu verneinen ist.

- Insb. im Zusammenhang der Umstände des Jahres 2019 lässt sich zumindest auch in einer politischen Bewertung hinterfragen, ob eine Inanspruchnahme der Fortzahlung als politisch korrekt anzusehen ist, selbst wenn im Einzelfall die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Schließlich erfolgte die Amtsenthebung aufgrund eines Misstrauensvotums des Nationalrates. Hiedurch waren dann auch die Neuwahlen bedingt. Überträgt man dies, wenngleich nicht völlig vergleichbar – was hier explizit zugestanden wird –, auf die Privatwirtschaft, würde man von einer Vertragsauflösung aus wichtige[m] Grund sprechen. Zivilrechtlich ist aber anerkannt, dass Fortzahlungsansprüche ausscheiden, wenn der Auflösungsgrund der Sphäre einer Partei zuzurechnen ist. Es soll gar nicht darüber diskutiert werden, ob für eine politische Verantwortung allenfalls andere Maßstäbe anzulegen sind. Einer journalistischen Bewertung lässt es sich allerdings wohl mit Grund zuführen, wenn der den Fortzahlungsanspruch begründende Umstand letztlich durch das (hiezu ohne Bewertung zu Grunde zu legende) Verhalten von Regierungsmitgliedern, Abgeordneten usw verursacht ist.

Auch wenn daher im manchen Konstellationen durch die Beantwortung des Auskunftsersuchens die Privat- oder Geheimnissphäre mancher Betroffener (Parteien iSd Art20 Abs3 B‑VG) tangiert sein sollte, wäre das auch nach der Rsp des EGMR zulässig. Denn dieser anerkennt, dass auch ein durch den Informationszugang ermöglichter Eingriff in das Privatleben nicht notwendig ausschließt, dass eine Verweigerung des Zugangs zur Information gerechtfertigt ist (EGMR 8.10.2019, Bsw 15.428/16). Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information und dies ist ein wesentliches Recht in einer demokratischen Gesellschaft, das sich unter bestimmten Umständen sogar auf Aspekte des Privatlebens von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens beziehen kann (EGMR 27.6.2017, Bsw 931/13). Davon zu unterscheiden sind Artikel, die nur darauf abzielen, die Neugier einer bestimmten Leserschaft bezüglich der Einzelheiten des Privatlebens einer Person zu befriedigen. Diese können, so sehr diese Person auch bekannt sein möge, nicht als Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse angesehen werden (EGMR 24.6.2004, 59.320/00 – von Hannover; EGMR 18.1.2011, 39.401/04 – MGN Limited gegen das Vereinigte Königreich). Insb. in einem solchen Fall ist zu berücksichtigen, welches Gewicht dem intendierten Bericht im Hinblick auf das öffentliche Interesse zukommt und wie intensiv der durch den Bericht verwirklichte Eingriff in die Privatsphäre ist (EGMR aaO).

Wie soeben dargelegt ist die Bezügefortzahlung kein Umstand, der sich losgelöst von einer davor liegenden öffentlichen Organfunktion einstellt. Wie schon angesprochen ist diese vielmehr anspruchsbegründende Tatsache, sie muss der Fortzahlung unmittelbar vorangehen und steht mit ihr aufgrund der maximalen Fortzahlungsdauer in einem engen zeitlichen Konnex. Dieser Zusammenhang mit der öffentlichen Funktion ist sowohl sachlich wie zeitlich derart intensiv, dass in einer Gesamtbewertung richtigerweise der Informationsanspruch höher zu bewerten ist als ein allenfalls bestehendes Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen. Dies selbst dann, wenn im Einzelfall tatsächlich die Privatsphäre tangiert sein sollte. Schließlich ist es wohl kaum negativ zu bewerten, dass – und auf den Fall der nachfolgenden Arbeitslosigkeit stellt das BVwG maßgeblich ab – ein Organträger nicht gleich unmittelbar nach seiner Funktion wieder eine Beschäftigung findet bzw in das privatwirtschaftliche Arbeitsleben zurückkehrt. Insoweit ist daher der allfällige Eingriff in die Privatsphäre auch nicht sonderlich intensiv. Hierbei ist zuletzt auch noch zu beachten, dass mit einer Erfüllung des Auskunftsersuchens noch nicht beantwortet ist, ob diese Informationen überhaupt und wenn ja zu welchen Zwecken verwendet werden dürfen. In diesem Zusammenhang bestehen in der Rechtsordnung zahlreiche weitere Schranken, die die Interessen der Betroffenen zusätzlich schützen. Auch aus diesem Grund ist es verfehlt, diese schon in jener generellen Art und Weise und Strenge in die zur Beurteilung des Auskunftsersuchens anzustellende Interessenabwägung einzubeziehen, wie es das BVwG getan hat. Vielmehr ist – gleichsam im Zweifel – dem verfassungsrechtlich verbürgten Auskunftsanspruch der Vorrang einzuräumen, um der besonderen Aufgabe der Medien zu entsprechen.

3.3.3. Selbst wenn man Obigem aber nicht folgt, ist zumindest die pauschale Verweigerung der Auskunft in einer demokratischen Gesellschaft nicht erforderlich. Da dem Beschwerdeführer diesfalls die Informationen, die erforderlich sind um zu beurteilen, ob iSd Gesagten ein nicht gedeckter Eingriff in die Privatsphäre einzelner ehemaliger Abgeordneter bzw Regierungsmitglieder vorliegt, nicht bekannt sind, wäre es an der auskunftsverpflichteten Partei gelegen gewesen, dies hinsichtlich der jeweiligen Person darzutun bzw nur hinsichtlich dieser die Auskunft zu verweigern. Jede andere Auslegung bürdet dem Beschwerdeführer zwecks Realisierung seines Auskunftsanspruches eine Beweislast auf, die er praktisch kaum jemals wird erfüllen können.

3.3.4. Im Ergebnis legt das BVwG den anzuwendenden Rechtsnormen einen verfassungswidrigen Inhalt zu Grunde. Die von ihm als gerechtfertigt erachtete Auskunftsverweigerung ist – zumindest in der vom BVwG angenommen Reichweite – in einer demokratischen Gesellschaft nicht erforderlich iSd Art10 EMRK, d.h. nicht verhältnismäßig. Indem dies nicht beachtet wurde, hat das BVwG den Bescheid des Präsidenten des Nationalrates vom 19.11.2019 mit Verfassungswidrigkeit belastet."

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

4. Der Präsident des Nationalrates und das Bundesverwaltungsgericht haben die Verwaltungs‑ bzw Gerichtsakten vorgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen. Der Präsident des Nationalrates hat eine Äußerung erstattet, in der er der Beschwerde im Wesentlichen wie folgt entgegentritt:

"Zum Vorbringen des Beschwerdeführe[r]s im Einzelnen

Der Beschwerdeführer begründet sein Vorbringen, dass ein unverhältnismäßiger Eingriff in Art10 EMRK vorliege, mit zwei Argumenten: a) mit seinen Kontrollaufgaben als Journalist, aus denen sich ein hohes Informationsinteresse ergebe, und b) mit einem nur geringen Eingriff in Art8 EMRK, da die Privatsphäre der Betroffenen nicht oder nur in untergeordnetem Ausmaß berührt sei. Dazu ist Folgendes festzuhalten:

a) Kontrollaufgaben des Beschwerdeführers als Journalist

Das BVwG kam – unter Bezugnahme auf VfSlg 17.065/2003 – zum Schluss, dass es zum Zweck der Kontrolle der Verwendung öffentlicher Mittel nicht erforderlich ist, die eine Bezugsfortzahlung in Anspruch nehmenden ehemaligen Abgeordneten des Nationalrates namentlich zu nennen. Der Beschwerdeführer tritt dem mit dem Argument entgegen, dass sich die Aufgabe von Journalist/inn/en nicht auf die Kontrolle der Verwendung öffentlicher Mittel beschränke, sondern auch 'die Kohärenz zwischen politischem Agieren einerseits und tatsächlichem Handeln andererseits' umfasse. Zur Illustrierung dieser Aufgabe werden in der Beschwerde drei konkrete Fallkonstellationen angeführt:

1) Jemand stelle 'öffentlich Freigiebigkeit zur Schau', obwohl er/sie eine Fortzahlung in Anspruch nehme. Hierzu werden in der Beschwerde konkrete Beispiele von ehemaligen Funktionsträgern genannt, die angekündigt hätten, auf ihre Fortzahlung zu verzichten.

Die genannten Beispiele beziehen sich jedoch nicht auf ehemalige Abgeordnete des Nationalrates, sondern ausschließlich auf (ehemalige) Mitglieder der Bundesregierung, deren Bezugsfortzahlung aber gerade nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist und gemäß §20 Z2 BBezG – mangels Zuständigkeit des Präsidenten des Nationalrates zur Vollziehung – auch nicht sein kann. In Bezug auf Abgeordnete des Nationalrates führt der Präsident des Nationalrates bzw die ihm gemäß Art30 Abs3 B‑VG unterstehende Parlamentsdirektion iZm der Vollziehung des BBezG aber keine Erhebungen, wer sich im Vorfeld in der Öffentlichkeit hinsichtlich einer allfälligen Bezugsfortzahlung geäußert hat, da dies für den Anspruch keinerlei Relevanz besitzt. Derartige Informationen sind daher überhaupt nicht verfügbar.

2) Jemand habe eine Fortzahlung beantragt oder gar gewährt bekommen, obwohl der Anspruch gar nicht bestehe.

Dazu ist anzumerken, dass eine nicht gewährte Bezugsfortzahlung vom Auskunftsbegehren gar nicht umfasst wäre. Sollte es aber darum gehen, ob der Präsident des Nationalrates zu Unrecht eine Bezugsfortzahlung gewährt hat, stellt sich die Frage, ob Journalist/inn/en tatsächlich – ohne dass Hinweise auf Fehlentscheidungen vorliegen – Einzelfallentscheidungen eines Verwaltungsorgans kontrollieren und dafür Anspruch auf (personenbezogene) Auskunft geltend machen können. Dies erscheint sehr weitgehend und kann aus Art10 EMRK wohl nicht abgeleitet werden. Soweit es aber um die rechtmäßige Verwendung öffentlicher Mittel geht, kann wiederum auf die der Entscheidung des BVwG zugrunde liegende VfGH-Judikatur verwiesen werden.

3) Jemand nehme die Fortzahlung in Anspruch, obwohl es die 'political correctness' gebieten würde, darauf zu verzichten.

Die Frage, ob ein/e ehemalige/r Abgeordnete/r zum Nationalrat aus Gründen der 'political correctness' auf einen Anspruch nach §6 BBezG verzichten sollte, ist für den Präsidenten des Nationalrates in Vollziehung des BBezG rechtlich unerheblich. Umso weniger kann dies in einer Angelegenheit des Auskunftspflichtgesetzes Maßstab für die Entscheidung sein, ob eine Auskunft erteilt wird oder nicht. Zu betonen ist, dass es im vorliegenden Fall nicht um politisches Handeln geht, sondern um die Inanspruchnahme eines gesetzlich gebührenden Anspruchs nach Ausscheiden aus einer Funktion. Einen Eingriff in die Rechte der betroffenen Personen damit zu rechtfertigen, dass eine rechtlich zulässige Inanspruchnahme auch moralisch bewertet werden sollte, erscheint geradezu dem Zweck des BBezG widersprechend und kann auch Art10 EMRK nicht unterstellt werden.

Zusammenfassend ist daher im vorliegenden Fall kein so gewichtiges journalistisches Kontroll- bzw Informationsinteresse zu erkennen, dass ein Eingriff in die Grundrechte der von der Auskunftserteilung betroffenen Personen gerechtfertigt erschiene.

Eine ähnliche Fragestellung wurde auch bereits vom Gericht der Europäischen Union (EuG) in diesem Sinne beantwortet (EuG 25.9.2018, T‑639/15 bis T‑666/15 , Psara ua gg. Parlament und T-94/16 , Sheridan gg. Parlament): In diesem Verfahren beantragten Journalist/inn/en Zugang zu personenbezogenen Daten von (aktiven) Abgeordneten des Europäischen Parlaments (Tagegelder, Reisekostenerstattungen und Zulagen für parlamentarische Assistenz der Abgeordneten). Nach Ansicht des Gerichts konnten die Kläger/innen nicht nachweisen, inwiefern die Übermittlung der personenbezogenen Daten notwendig wäre, um eine ausreichende Kontrolle der von den Abgeordneten getätigten Ausgaben sicherzustellen, insbesondere um die behaupteten Unzulänglichkeiten der bestehenden Mechanismen zur Kontrolle dieser Ausgaben zu beheben. Auch die Absicht, eine öffentliche Debatte einzuleiten, genügte dem Gericht nicht zum Nachweis der Notwendigkeit der Übermittlung der personenbezogenen Daten.

[…]

b) Eingriff in das Privatleben der betroffenen Personen

Der Beschwerdeführer führt aus, dass die angefragten Informationen nicht oder nur teilweise den Privatbereich betreffen würden und begründet dies wiederum mit Beispielen von ehemaligen Mitgliedern der Bundesregierung, die auch weiterhin eine öffentliche Funktion ausüben bzw in der Öffentlichkeit stehen und somit weiterhin 'public figures' bzw 'public officials' sind. Es wird mehrmals erwähnt, dass ein ehemaliges Mitglied der Bundesregierung wieder auf sein ursprüngliches Mandat im Nationalrat zurückkehren kann (und deshalb keinen Anspruch auf Bezugsfortzahlung hat). Gerade diese Fallkonstellation ist aber bei ehemaligen Abgeordneten des Nationalrates, die eine Bezugsfortzahlung in Anspruch nehmen, nicht einschlägig: Nach §6 BBezG dürfen sie ja gerade keinen Anspruch auf Geldleistungen aus einer neuerlichen/anderen Funktion oder Erwerbstätigkeit mehr haben. Üben sie nach ihrem Ausscheiden eine andere mit einem Einkommen verbundene Funktion aus, besteht kein Anspruch auf Bezugsfortzahlung, weshalb das Auskunftsbegehren diese Fälle gar nicht umfassen würde.

Die Argumentation des Beschwerdeführers, dass der Anspruch auf Bezugsfortzahlung gemäß §6 BBezG seine Grundlage in der öffentlichen Organfunktion der Betroffenen habe und die Verzahnung mit dieser Funktion so intensiv sei, dass das Informationsinteresse insgesamt höher sei als das Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen, überzeugt ebenfalls nicht: Einen Anspruch auf Bezugsfortzahlung haben gerade nicht alle ehemaligen Abgeordneten des Nationalrates, sondern nur jene, bei denen zusätzliche Aspekte aus dem Privatleben hinzutreten. Wie bereits im angefochtenen Bescheid vom 19.11.2019 ausgeführt wurde, ist Bedingung für den Anspruch auf Bezugsfortzahlung gemäß §6 BBezG, dass der/die Betroffene keinen Anspruch auf die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit nach Ende der Funktion hat und dass auch keine sonstige Erwerbstätigkeit vorliegt oder ein Pensionsanspruch besteht. Die Gründe für einen Antrag auf Bezugsfortzahlung liegen somit eindeutig im privaten Bereich der ehemaligen Abgeordneten des Nationalrates bzw lassen Rückschlüsse auf deren fehlende Erwerbstätigkeit nach ihrem Ausscheiden zu. Zudem sind von den Bezugsfortzahlungsansprüchen bestimmte Einkünfte nach dem Einkommensteuergesetz 1988 (etwa solche aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung) in Abzug zu bringen. Das bedeutet, dass durch die Erteilung einer Auskunft hinsichtlich des Anspruchs auf Bezugsfortzahlung schutzwürdige Informationen aus dem Privatleben ehemaliger Abgeordneter des Nationalrates – nämlich insb. ihre momentane Arbeitslosigkeit – offengelegt würden.

Schließlich argumentiert der Beschwerdeführer mithilfe der Judikatur des EuGH zum datenschutzrechtlichen 'Recht auf Vergessen', dass die Stellung als 'public official' über das Ende der betreffenden Funktion hinauswirkt und erst sukzessive abnimmt. Dieser Schluss erscheint aber schon deshalb ungeeignet, weil es beim 'Recht auf Vergessen' darum geht, dass ein Geheimhaltungsanspruch wieder besteht, obwohl die Bekanntgabe der Information ursprünglich zulässig war. Der genau umgekehrte Fall – ein Geheimhaltungsanspruch soll nach Ansicht des Beschwerdeführers erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen – lässt sich damit nicht begründen.

Zum (Grund-)Recht auf Datenschutz

Betrachtet man den Fall aus einer datenschutzrechtlichen Perspektive, so ist nicht nur der konventionsrechtliche Anspruch aus Art8 EMRK einschlägig, sondern es sind verfassungsrechtlich auch das Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten gemäß §1 DSG und unionsrechtlich die Bestimmungen der DSGVO zu beachten.

Gemäß §1 Abs2 DSG bedarf jeder Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz einer ausdrücklichen, hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung (vgl zB VfSlg 18.146/2007, 19.673/2012, 19.892/2014). Wie bereits im Bescheid vom 19.11.2019 dargelegt wurde, besteht jedoch keine solche gesetzliche Grundlage, die den Präsidenten des Nationalrates bzw die ihm unterstehende Parlamentsdirektion zur Weitergabe von Informationen über Bezugsfortzahlungen ermächtigen würde. Das Auskunftspflichtgesetz selbst kann – da es in seinem §1 Abs1 einen Auskunftsanspruch nur insoweit normiert, als eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht – wohl nicht als derartige, hinreichend bestimmte Eingriffsermächtigung angesehen werden.

Ähnliches gilt im Hinblick auf die DSGVO: Gemäß Art6 DSGVO ist eine Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in dieser Bestimmung aufgezählten Bedingungen erfüllt ist. Dies trifft jedoch auf keine dieser Bedingungen zu. Art6 Abs1 lite iVm Abs3 DSGVO erlaubt eine Verarbeitung, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem/der Verantwortlichen übertragen wurde. Zwar zählt die Vollziehung des BBezG zu den Aufgaben des Präsidenten des Nationalrates, es kann jedoch nicht davon gesprochen werden, dass die Erteilung personenbezogener Auskünfte über Bezugsfortzahlungen an Dritte zur Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlich wäre. Auch eine Rechtsgrundlage iSd Art6 Abs3 DSGVO liegt – wie schon oben ausgeführt – nicht vor.

Eine personenbezogene Auskunftserteilung könnte vor diesem Hintergrund lediglich direkt auf Art10 EMRK gestützt werden, soweit die Interessenabwägung nicht ohnehin – wie im vorliegenden Fall – zugunsten des Privatlebens bzw des Geheimhaltungsanspruchs der Betroffenen ausschlägt. Eine innerstaatlich hinreichend bestimmte, für die Normunterworfenen vorhersehbare Eingriffsermächtigung läge aber auch in diesem Fall nicht vor.

Abschließend ist auch der in der Beschwerde vertretenen Ansicht entgegenzutreten, 'gleichsam im Zweifel' sei dem verfassungsrechtlich verbürgten Auskunftsanspruch der Vorrang einzuräumen, um der besonderen Aufgabe der Medien zu entsprechen. Dieses Argument verkennt, dass eine unrechtmäßige Herausgabe personenbezogener Daten im Einzelfall unmittelbaren, nicht wieder gutzumachenden (materiellen oder immateriellen) Schaden anrichten kann, weshalb eine Herausgabe 'im Zweifel' – ohne entsprechende gesetzliche Grundlage – keinesfalls erfolgen kann.

Ergebnis

Bei einer Abwägung des aus Art10 EMRK abgeleiteten Informationsanspruchs des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen ehemaligen Abgeordneten zum Nationalrat (Grundrecht auf Datenschutz sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens) überwiegen insgesamt die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen. Das BVwG hat eine entsprechende Interessenabwägung vorgenommen und den anzuwendenden Rechtsvorschriften keinen die besonderen Schranken des Art10 EMRK missachtenden Inhalt unterstellt.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Bescheid vom 19.11.2019 sowie in der Stellungnahme an das BVwG vom 7.2.2020 verwiesen. Im Bescheid vom 19.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer Auskunft darüber erteilt, wie viele Bezugsfortzahlungen pro Jahr gewährt wurden und welcher Gesamtbetrag dafür jeweils aufgewendet wurde."

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 15. Mai 1987 über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Änderung des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz), BGBl 287/1987, idF BGBl I 158/1998 lauten wie folgt:

"§1. (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden.

§2. Jedermann kann schriftlich, mündlich oder telephonisch Auskunftsbegehren anbringen. Dem Auskunftswerber kann die schriftliche Ausführung eines mündlich oder telefonisch angebrachten Auskunftsbegehrens aufgetragen werden, wenn aus dem Begehren der Inhalt oder der Umfang der gewünschten Auskunft nicht ausreichend klar hervorgeht.

§3. Auskünfte sind ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen acht Wochen nach Einlangen des Auskunftsbegehrens zu erteilen. Kann aus besonderen Gründen diese Frist nicht eingehalten werden, so ist der Auskunftswerber jedenfalls zu verständigen.

§4. Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist.

[…]

§6. Soweit nach anderen Bundesgesetzen besondere Auskunftspflichten bestehen, ist dieses Bundesgesetz nicht anzuwenden."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Bezüge der obersten Organe des Bundes, der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates (Bundesbezügegesetz – BBezG), BGBl I 64/1997, idF BGBl I 4/2019 lauten auszugsweise wie folgt:

"2. Abschnitt

Bezüge und Sonderzahlungen

Ausgangsbetrag

§2. (1) Der Ausgangsbetrag für die Bezüge der Organe ist der monatliche Bezug eines Mitgliedes des Nationalrates und beträgt 7 418,62 €.

(2) Die Anpassung des Ausgangsbetrages richtet sich nach §3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, BGBl I Nr 64/1997.

Höhe der Bezüge

§3. (1) Die Bezüge betragen für

[1. bis 11. …]

12. ein Mitglied des Nationalrates 100%,

[14. bis 17. …]

des Ausgangsbetrages nach §2.

[…]

[…]

Bezugsfortzahlung

§6. (1) Haben Organe keinen Anspruch auf die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit, gebührt ihnen bei Beendigung ihrer Funktionsausübung auf Antrag eine Fortzahlung von 75% der monatlichen Bezüge unter anteilsmäßiger Berücksichtigung der Sonderzahlungen.

(1a) Bestehen Einkünfte nach §2 Abs3 Z5 bis 7 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl Nr 400/1988, bzw Ansprüche auf solche Einkünfte, ist jeweils ein Zwölftel dieser Jahreseinkünfte von den monatlichen Bezugsfortzahlungsansprüchen nach Abs1 in Abzug zu bringen.

(2) Der Anspruch auf Bezugsfortzahlung besteht nur solange, als nicht ein Anspruch auf Geldleistungen

1. für die Ausübung einer neuerlichen Funktion nach diesem Bundesgesetz, nach vergleichbaren bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften oder für eine Funktion im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften,

2. für eine sonstige Erwerbstätigkeit oder

3. aus einer Pension

besteht.

(3) Die Bezugsfortzahlung gebührt

1. Anspruchsberechtigten, die nach dem §2 des Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetzes 1983, BGBl Nr 330/1983, keinen anderen Beruf ausüben dürfen, für die Dauer von höchstens 6 Monaten,

2. sonstigen Anspruchsberechtigten für die Dauer von höchstens 3 Monaten.

(4) Der Anspruch auf Bezugsfortzahlung besteht nicht, wenn ein Anspruch

1. auf eine Geldleistung nach Abs2 Z1 bis 3 deswegen nicht besteht, weil das Organ darauf verzichtet hat, oder

2. ein Anspruch auf Pension deswegen nicht besteht, weil das Organ einen hiefür erforderlichen Antrag nicht gestellt hat.

(5) Hat ein Anspruchsberechtigter auf Grund einer früheren Tätigkeit eine dem Abs1 vergleichbare Leistung nach diesem Bundesgesetz, nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften, nach landesrechtlichen Vorschriften oder nach Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften erhalten, ist diese auf den nunmehr gebührenden Anspruch anzurechnen.

(6) Im übrigen gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes über die Bezüge auch für die Bezugsfortzahlung."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Nach Art10 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht auf Freiheit der Meinung und auf Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen, aber auch Werbemaßnahmen erfasst (VfSlg 14.218/1995, 17.568/2005, 20.014/2015 und 20.340/2019).

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl zB VfSlg 11.297/1987, 12.104/1989, 12.838/1991, 19.571/2011) auch unter Berufung auf die ältere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl EGMR 19.2.1998, Fall Guerra, Appl 14.967/89, Newsletter Menschenrechte 1998, 59) die Ansicht vertreten, dass aus Art10 Abs1 EMRK jedoch keine Verpflichtung des Staates resultiert, den Zugang zu Informationen zu gewährleisten oder selbst Informationen bereitzustellen. Dies hat der Verfassungsgerichtshof zuletzt in VfSlg 19.571/2011 ausgesprochen. In dem Fall, der dieser Entscheidung zugrunde lag, hat hingegen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Bestand eines Rechts auf Zugang zu Informationen und in weiterer Folge eine Verletzung des Art10 Abs1 EMRK angenommen (siehe EGMR 28.11.2013, Fall Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes, Appl 39.534/07, Newsletter Menschenrechte 2013, 433).

2.2. In seiner Entscheidung vom 8. November 2016 (GK), Fall Magyar Helsinki Bizottság, Appl 18.030/11, Newsletter Menschenrechte 2016, 536, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine bisherige Rechtsprechung dahingehend zusammengefasst, dass Art10 Abs1 EMRK unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Recht auf Zugang zu Informationen gewährleistet (vgl zuletzt auch EGMR 8.10.2019, Fall Szurovecz, Appl 15.428/16, Newsletter Menschenrechte 2019, 423). Dies ist einerseits dann der Fall, wenn die Offenlegung der Informationen von einem Gericht rechtskräftig angeordnet wurde. Andererseits besteht ein solches Recht, wenn der Zugang zu Informationen für die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit, insbesondere der Freiheit des Erhalts und der Weitergabe von Informationen, maßgeblich ist. Für den Bestand und die Reichweite dieses Rechts ist insbesondere von Bedeutung, ob das Sammeln der Informationen ein relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten ist, ob die Offenlegung der begehrten Informationen im öffentlichen Interesse notwendig sein kann – insbesondere weil sie für Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften und über Angelegenheiten, die für die Gesellschaft als Ganzes interessant sind, sorgt –, ob der Grundrechtsträger als Journalist oder Nichtregierungsorganisation oder in einer anderen Funktion als "public watchdog" im öffentlichen Interesse tätig wird und schließlich ob die begehrte Information bereit und verfügbar ist und daher kein weiteres Sammeln von Daten notwendig ist (vgl EGMR, Fall Magyar Helsinki Bizottság, Z149 ff.).

2.3. Daraus ergibt sich, dass Art10 Abs1 EMRK zwar keine generelle Verpflichtung des Staates begründet, Informationen bereitzustellen oder Zugang zu Informationen zu gewähren. Ein Recht auf Zugang zu Informationen kann jedoch (insofern abweichend von VfSlg 19.571/2011) nach Maßgabe der zuvor dargelegten Kriterien (siehe Punkt 2.2.) im Einzelfall bestehen.

2.4. Diese Kriterien sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Beschwerdeführer stellte sein Auskunftsbegehren erkennbar im Rahmen journalistischer Recherchen und wurde dabei in seiner Funktion als "public watchdog" tätig. Davon geht auch das Bundesverwaltungsgericht in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses aus. Die begehrte Auskunft zielt auf den Bestand und die Dauer von Fortzahlungsansprüchen von ehemaligen Nationalratsabgeordneten nach dem Bundesbezügegesetz ab. Sie dient dem vom Beschwerdeführer nachvollziehbar dargelegten Interesse an Transparenz politischer Akteure und einer Debatte um die Bezüge von Nationalratsabgeordneten. Sie ist damit jedenfalls geeignet, zu einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse beizutragen. Mangels gegenteiliger Hinweise im Verfahren ist auch nicht ersichtlich, dass die begehrten Informationen nicht bereit und verfügbar wären. Das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers ist somit vom Schutzbereich des Art10 Abs1 EMRK erfasst (vgl nochmals EGMR, Fall Magyar Helsinki Bizottság, Z149 ff.). Durch die Abweisung des Auskunftsbegehrens hat das Bundesverwaltungsgericht in das Recht des Beschwerdeführers auf Meinungsäußerungsfreiheit nach Art10 Abs1 EMRK eingegriffen.

3. Das Bundesverwaltungsgericht stützt die Abweisung des Auskunftsbegehrens des Beschwerdeführers auf §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz. Nach dieser Bestimmung haben die Organe des Bundes über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskunft zu erteilen, soweit dem keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht. Vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Bestimmung:

3.1. Im Hinblick darauf, dass Auskünfte nach §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz – wie im vorliegenden Fall – auch personenbezogene Daten betreffen können, stellt diese Bestimmung einen Eingriff in das Recht auf Datenschutz nach §1 Abs1 DSG dar. Sie stellt gleichzeitig auch einen Eingriff in Art10 Abs1 EMRK dar, weil die Anordnung, dass eine Auskunft im Fall einer entgegenstehenden Verschwiegenheitspflicht nicht zu erteilen ist, auch auf Fälle wie den vorliegenden zur Anwendung kommt, in denen nach Art10 Abs1 EMRK ein Recht auf Zugang zu Informationen besteht (siehe Punkt 2.).

3.2. Eine gesetzlich vorgesehene Beschränkung dieser Grundrechte ist nach dem jeweiligen Gesetzesvorbehalt (vgl zur Meinungsäußerungsfreiheit zB VfSlg 12.886/1991, 17.960/2006 und 20.014/2015 sowie zum Datenschutz zB VfSlg 17.940/2006, 19.892/2014 und 20.359/2019) nur zulässig, sofern sie aus einem der in Art10 Abs2 EMRK bzw §1 Abs2 DSG iVm Art8 Abs2 EMRK genannten Gründe notwendig ist. Der genannte Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit und in jenes auf Datenschutz durch §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz dient jeweils dem "Schutz der Rechte anderer" iSd Art10 Abs2 EMRK bzw §1 Abs2 DSG iVm Art8 Abs2 EMRK, nämlich dem jeweils entgegengesetzten Grundrecht. Der Eingriff verfolgt somit jedenfalls ein legitimes Ziel.

3.3. Im Hinblick auf §1 Abs2 DSG muss die gesetzliche Grundlage darüber hinaus auch ausreichend präzise sein (vgl zB VfSlg 18.643/2008, 19.886/2014, 20.359/2019). Diese Anforderung ist durch §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz – entgegen der in der Gegenschrift des Präsidenten des Nationalrates vertretenen Auffassung – im vorliegenden Fall schon deshalb erfüllt, weil diese Bestimmung die gebotene Interessenabwägung zwischen dem Grundrecht auf Information iSd Art10 Abs1 EMRK und jenem auf Datenschutz und damit einen angemessenen Ausgleich (vgl VfSlg 18.018/2006, 20.014/2015) zwischen diesen beiden Grundrechtspositionen ermöglicht. Aus dem zuletzt genannten Grund erweist sich die Regelung auch als verhältnismäßig.

4. Es bleibt damit zu klären, ob das Bundesverwaltungsgericht §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz in dem Sinn denkunmöglich angewendet hat, dass es dieser Bestimmung einen verfassungswidrigen, insbesondere Art10 Abs2 EMRK widersprechenden Inhalt unterstellt hat.

4.1. Das Bundesverwaltungsgericht begründet die Abweisung des Auskunftsbegehrens des Beschwerdeführers damit, dass der Erteilung der Auskunft eine "gesetzliche Verschwiegenheitspflicht" iSd §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz entgegenstehe. Es geht davon aus, dass die Geheimhaltung "im überwiegenden Interesse der Parteien" nach Art20 Abs3 B‑VG geboten sei. Als konkretes entgegenstehendes Interesse, welches das Bundesverwaltungsgericht mit dem Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers abwiegt, wird dabei ausschließlich das private Geheimhaltungsinteresse der betroffenen ehemaligen Nationalratsabgeordneten herangezogen.

4.2. Die vom Beschwerdeführer begehrte Auskunft betrifft die namentliche Nennung ehemaliger Nationalratsabgeordneter, die eine Bezugsfortzahlung in Anspruch genommen haben, und die Nennung der Bezugsdauer. Sie betrifft daher personenbezogene Daten. Die Erteilung dieser Auskunft würde einen Eingriff in das Recht der betroffenen Personen auf Datenschutz nach §1 Abs1 DSG darstellen. Das vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Geheimhaltungsinteresse nach Art20 Abs3 B‑VG ist im vorliegenden Fall also kein anderes als jenes der betroffenen Personen auf Wahrung ihres Rechts auf Datenschutz nach §1 Abs1 DSG.

4.3. Es ist daher zu prüfen, ob das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall die beiden kollidierenden Grundrechtspositionen – einerseits Art10 Abs1 EMRK und andererseits §1 Abs1 DSG – im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung nach §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz in einen angemessenen Ausgleich gebracht hat (siehe Punkt 3.3.).

4.3.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die konkrete Auskunft, die der Beschwerdeführer begehrt, entweder im Hinblick auf sein Informationsinteresse zu erteilen oder im Hinblick auf das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen ehemaligen Nationalratsabgeordneten geheim zu halten ist. Insofern spielt es für einen Interessenausgleich keine Rolle, dass der Beschwerdeführer bereits die Auskunft über die Gesamthöhe der im betroffenen Zeitraum pro Jahr gewährten Fortzahlungen und die jeweilige Gesamtanzahl der Empfänger dieser Leistungen erhalten hat. Sein konkretes Auskunftsbegehren, das die namentliche Nennung der betroffenen ehemaligen Nationalratsabgeordneten erfordert, wurde damit nämlich in keiner Weise erfüllt.

4.3.2. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass es sich bei den betroffenen ehemaligen Nationalratsabgeordneten nicht mehr um "public officials" handle, weil diese Eigenschaft mit dem Ausscheiden aus dem Nationalrat verloren gehe. Zudem liege der Grund für die Bezugsfortzahlung nicht ausschließlich in der politischen Tätigkeit der ehemaligen Abgeordneten. Der Bezugsfortzahlungsanspruch bestehe nämlich nur dann, wenn kein Anspruch auf Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit bestehe. Ob dies der Fall sei, hänge überwiegend von privaten Umständen, wie beispielsweise der "Ausbildung, beruflichen Vorerfahrungen etc." ab. Das Geheimhaltungsinteresse der ehemaligen Nationalratsabgeordneten sei daher keinesfalls geringer als jenes anderer Privatpersonen.

4.3.3. Es gibt keinen Zweifel daran, dass an der Tätigkeit von Nationalratsabgeordneten und damit auch an der Kenntnis ihrer Bezüge ein gewichtiges Interesse der Öffentlichkeit besteht. Das Interesse an entsprechender Transparenz zeigt sich etwa auch daran, dass Nationalratsabgeordnete nach §6 Abs2 Z1 und 2 iVm Abs4 Bundesgesetz über die Transparenz und Unvereinbarkeiten für oberste Organe und sonstige öffentliche Funktionäre (Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz), BGBl 330/1983, idF BGBl I 138/2017 sogar zur Meldung laufender privater Einkünfte verpflichtet sind, die nach §9 Abs1 Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (BezBegrBVG), BGBl I 64/1997, idF BGBl I 166/2017 in Form von Einkommenskategorien veröffentlicht werden.

Die Bezugsfortzahlungen nach §6 Bundesbezügegesetz setzen zwar tatbestandsgemäß das Ausscheiden aus dem Nationalrat und das Nichtvorliegen einer Erwerbstätigkeit (sowie das Fehlen von sonstigen Ausschlussgründen nach §6 Bundesbezügegesetz) voraus und knüpfen damit – wie in der Begründung des Bundesverwaltungsgerichts und der Gegenschrift des Präsidenten des Nationalrates betont wird – auch an private Umstände an. Sie stellen jedoch letztlich eine Fortsetzung der Bezüge der Nationalratsabgeordneten dar, die für höchstens drei (bzw in den Fällen des §6 Abs3 Z1 leg cit sechs) Monate und im Höchstausmaß von 75% der zuvor erhaltenen Bezüge nach §2 Abs1 iVm Abs3 leg cit vorgesehen ist, und können insofern nicht getrennt vom (ehemaligen) Nationalratsmandat betrachtet werden. An der Kenntnis von solchen Fortzahlungen besteht daher in gleicher Weise wie bei Bezügen amtierender Nationalratsabgeordneter ein gewichtiges Interesse der Öffentlichkeit. Das entgegengesetzte Interesse der ehemaligen Nationalratsabgeordneten an der Geheimhaltung der Information, ob (und für wie lange) sie eine solche Bezugsfortzahlung erhalten haben, tritt demgegenüber in den Hintergrund.

4.3.4. Gegen die Erteilung der begehrten Auskunft können entgegen dem Vorbringen in der Gegenschrift des Präsidenten des Nationalrates auch weder die Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 20. Mai 2003, Rs C‑465/00 , Rechnungshof, und des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2003, KR1/00, noch die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union vom 25. September 2018, Rs T‑639/15 ua, eingewendet werden. Diesen Entscheidungen liegen jeweils Konstellationen zugrunde, die sich vom vorliegenden Fall in wesentlichen Punkten unterscheiden.

4.3.5. Aus den dargelegten Gründen überwiegt das Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers nach Art10 Abs1 EMRK letztlich das Geheimhaltungsinteresse der von der begehrten Auskunft betroffenen ehemaligen Nationalratsabgeordneten nach §1 Abs1 DSG. Die Verweigerung der Auskunft stellt somit einen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art10 Abs1 EMRK gewährleistete Auskunftsrecht des Beschwerdeführers dar.

4.4. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht verkannt, indem es ein Überwiegen des persönlichen Geheimhaltungsinteresses der betroffenen ehemaligen Nationalratsabgeordneten und damit eine entgegenstehende Verschwiegenheitspflicht iSd §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz angenommen hat. Insofern hat das Bundesverwaltungsgericht dieser Bestimmung einen verfassungswidrigen, nämlich Art10 Abs2 EMRK widersprechenden Inhalt unterstellt.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

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