BVwG W240 2254260-1

BVwGW240 2254260-16.5.2022

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §61 Abs1 Z1
FPG §61 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W240.2254260.1.00

 

Spruch:

 

 

W240 2254260-1/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2022, Zl. 1289105809/211723430, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z 1, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 12.11.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Laut dem vorliegenden EURODAC-Treffer suchte der BF am 09.07.2021 in Bulgarien um Asyl an (BG1 … vom 09.07.2021).

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.11.2021 gab der BF insbesondere an, er habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an dieser Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen könnten. Seine Exfrau lebe mit seinen beiden minderjährigen Kindern in der Türkei. Er sei gemeinsam mit seinem Vater nach Österreich eingereist. In Österreich würden sich seit 2015 seine Mutter und seine sieben Geschwister aufhalten, die über einen Asylstatus verfügen würden. Er sei bereits 2011 aus Syrien ausgereist, aber nach ein paar Monaten in der Türkei immer wieder zurückgekehrt. 2021 habe er Syrien ganz verlassen und sei nach fünf Monaten in der Türkei nach Bulgarien gegangen. Österreich sei sein Zielland gewesen, weil seine Familie hier sei. Er habe einen bulgarischen Reisepass für subsidiär Schutzberechtigte und könne eine Kopie seiner syrischen ID Karte beschaffen. Von Juni bis November 2021 habe er sich in Bulgarien aufgehalten. Am 10.11.2021 sei er aus Bulgarien über Athen und Italien, wo er sich jeweils einen Tag lang aufgehalten habe, mit dem Flugzeug ausgereist. Zu den durchreisten Ländern könne er keine Angaben machen. In Bulgarien habe er um Asyl angesucht und eine positive Entscheidung, den Fremdenpass sowie die ID Karte erhalten. Er habe keine Zukunft und Arbeit in Bulgarien und es sei ihm dort schlecht gegangen. Die Zustände dort seien miserabel. Seine Familie lebe in Österreich und er wolle hier arbeiten. Sein Heimatland habe er wegen des Krieges verlassen.

Am 23.11.2021 hat der BF freiwillig auf Leistungen der Grundversorgung verzichtet (AS 65).

Aufgrund des EURODAC-Treffer und der Angaben des BF richtete das BFA am 02.12.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Bulgarien.

Mit Schreiben vom 13.12.2021 gaben die bulgarischen Behörden bekannt, dass dem BF am 20.09.2021 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bulgarien zuerkannt worden ist, weshalb dem Wiederaufnahmegesuch nicht zugestimmt werde.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.02.2022, gab der BF an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die Befragung zu absolvieren. Er sei nicht in ärztlicher Behandlung oder Therapie und nehme keine Medikamente. Bisher habe er die Wahrheit gesagt und könne keine weiteren Beweismittel oder identitätsbezeugende Dokumente vorlegen. Ein Bruder des BF befinde sich seit fünf Monaten in Deutschland. In Österreich würden sich seine Eltern aufhalten. Sein Vater befinde sich in derselben Betreuungsstelle wie der BF, wo er sich mit ihm und einem weiteren syrischen Mitbewohner ein Zimmer teile. In Bulgarien habe er sich ca. drei Monate zwischen August und Dezember des vergangenen Jahres aufgehalten. Er sei ein Monat lang in einem geschlossenen Lager und zwei Monate in einem Flüchtlingslager untergebracht gewesen. Als er in Bulgarien festgenommen worden sei, habe man ihm gesagt, dass er seine Fingerabdrücke abgeben müsse, anderenfalls werde er ins Gefängnis kommen. Nach zwei Monaten und 20 Tagen habe er die Betreuungsstelle in Bulgarien verlassen und ein Bleiberecht erhalten, unter der Bedingung, dass er sich ein eigenes Quartier suche. Zudem gab der BF an, im Juni 2021 nach Bulgarien eingereist zu sein und sich zunächst in einem Quarantänequartier befunden zu haben. Danach sei er drei Monate lang in einer Betreuungsstelle untergebracht gewesen und ein Monat lang habe er sich auch in einem Privatquartier aufgehalten, dass er selbst bezahlt habe. Der BF habe nach Österreich kommen wollen und in Bulgarien nicht das Gefühl gehabt, dass seine persönliche Sicherheit gewährleistet sei. Eines Abends sei er beraubt worden. Seine beiden Kinder würden sich in der Türkei bei seiner geschiedenen Ehefrau aufhalten. Sozialleistungen habe er nicht erhalten; in Bulgarien sei man auch sich selbst gestellt. Die letzten zwei Tage vor seiner Ausreise habe er auf der Straße geschlafen. Von Sofia sei er nach Athen geflogen. Seine Eltern seien seit sechs Jahren in Österreich und er habe deshalb hierherkommen können. In Bulgarien habe er niemanden.

2. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2022 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 12.11.2021 gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass er sich nach Bulgarien zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und gegen sie gemäß § 61 Abs 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.).

Zur Lage in Bulgarien traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert durch das Bundesverwaltungsgericht):

 

Allgemeines zum Asylverfahren

 Letzte Änderung: 24.7.2020

 Zuständig für das erstinstanzliche Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2.2020; vgl. CoE-SG 19.4.2018, EMN 6.6.2020, SAR o.D.a, SAR o.D.b, UNHCR 9.2019, USDOS 13.3.2020).

(AIDA 2.2020; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)

 

 Die Zahl der Antragsteller ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. 2019 lag die Quote der Antragssteller, der ihr Verfahren nicht zu Ende führten, bei 72%. Davon wurde in 40% der Fälle das Asylverfahren eingestellt (discontinued) und bei 24% in Abwesenheit entschieden (AIDA 2.2020). 2020 gab es in Bulgarien bis 31.5.2020 289 Asylanträge (VB 15.7.2020).

 

 Menschenrechtsorganisationen berichteten weiterhin von weit verbreiteten sogenannten Pushbacks (AIDA 2.2020; vgl. USDOS 13.3.2020), Gewalt, Diebstählen und erniedrigenden Praktiken gegenüber Migranten und Asylwerbern an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei. Im August 2019 behaupteten Medienveröffentlichungen, die angeblich interne Quellen der europäischen Grenzkontrollagentur Frontex zitierten, dass die Grenzpolizei Migranten mit Hunden gejagt, geschlagen und über die Grenze zurückgedrängt habe. Die Vorwürfe wurden vom Innenminister dementiert und er erklärte, dass die Grenzschutzbeamten nur dann Gewalt anwenden, wenn die Situation es erfordert (USDOS 13.3.2020).

 Es gibt Vorwürfe, dass die bulgarischen Behörden Migranten, die es schaffen bulgarisches Territorium zu betreten, durch- und auch wieder ausreisen lassen, um sich der Verantwortung im Rahmen der Dublin-Verordnung oder der Rückübernahmeabkommen zu entziehen (AIDA 2.2020).

 

 Der Zugang von Asylsuchenden zum bulgarischen Hoheitsgebiet bliebt auch 2019 stark eingeschränkt. Dem Innenministerium zufolge wurden insgesamt 2.495 Drittstaatsangehörige festgenommen, darunter 2.184 neu angekommene Asylwerber. Dies entspricht einem Rückgang von 23% im Vergleich zum 2018. Seit dem 1. Jänner 2017 gibt das Innenministerium die Zahl der verweigerten Einreisen ins Land in seinen öffentlich zugänglichen Statistiken nicht mehr bekannt. 2019 haben 309 Asylsuchende an den Grenzen internationalen Schutz beantragt aber nur 2% von ihnen (d.h. 12 Personen) hatten Zugang zum Asylverfahren. Die restlichen 98% kamen in die Schubhaftzentren des Innenministeriums (AIDA 2.2020).

 

 Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten und Asylwerber in Bulgarien sind nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/oder herabwürdigender Behandlung durch die bulgarischen Sicherheitskräfte besteht laut Einschätzung des BM.I-Verbindungsbeamten jedoch nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird strikt ausgelegt, und die Täter hätten mit sofortiger Entlassung zu rechnen (VB 31.1.2017).

Quellen:

- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf , Zugriff 20.7.2020

- EMN – European Migration Network (6.6.2020): Annual Report on Migration and Asylum 2019, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/00_eu_arm2019_synthesis_report_final_en_0.pdf , Zugriff 20.7.2020

- SAR – State Agency for Refugees (o.D.a): Verfahrensschritte zur Gewährung internationalen Schutzes – Rechte und Pflichten (Етапи на производство по предоставяне на международна закрила – права и задължения), https://aref.government.bg/index.php/en/node/42 , Zugriff 20.7.2020

- SAR – State Agency for Refugees (o.D.b): Dublin-Verfahren (Производство по Дъблин), https://aref.government.bg/index.php/bg/node/43 , Zugriff 20.7.2020

- UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (9.2019): Bulgaria Factsheet, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/73117_0.pdf , Zugriff 20.7.2020

- USDOS – US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/document/2027508.html , Zugriff 20.7.2020

- VB des BM.I Bulgarien (15.7.2020): Bericht des VB, per E-Mail

- VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail

 

Non-Refoulement

 Letzte Änderung: 24.7.2020

 Schutz vor Refoulement ist eine Erwägung in der Zulässigkeitsprüfung und unerlässlich für sichere Dritt- und Herkunftsstaaten (AIDA 2.2020).

 

 Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte „Pushbacks“ an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten (AIDA 2.2020; vgl. BM 2.3.2020, USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf , Zugriff 20.7.2020

- BM – Boardermonitoring Bulgaria (2.3.2020): Bulgaria ist not changing its push-back policy at its border to Turkey, https://bulgaria.bordermonitoring.eu/ , Zugriff 20.7.2020

- USDOS – US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/document/2027508.html , Zugriff 20.7.2020

 

Versorgung

Grundversorgung

 Letzte Änderung: 24.7.2020

 Asylwerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Wenn es für Neuankömmlinge nicht genug Unterbringungsplätze geben sollte, werden in der Praxis solche ohne eigene Mittel prioritär untergebracht. Spezifische Bedürfnisse und das Armutsrisiko (finanzielle Mittel, Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitserlaubnis, Zahl der abhängigen Familienmitglieder, etc.) werden in jedem Fall bewertet. Mit Erhalt der Asylwerbekarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung, sowie auf Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und auf Krankenversicherung, medizinische Versorgung, psychologische Versorgung und Bildung gegeben. 2015 wurde die Auszahlung der Sozialhilfe für Asylwerber eingestellt. Dies wird von den Behörden damit begründet, dass sie in den Aufnahmezentren mit Lebensmitteln versorgt werden (AIDA 2.2020; vgl. UNHCR 17.12.2018). Spezielle Bedürfnisse können daher nicht mehr angemessen berücksichtigt werden, was besonders für Familien mit kleinen Kindern, chronisch kranke und ältere Menschen problematisch ist (UNHCR 17.12.2018). Um außerhalb des Aufnahmezentrums zu wohnen, müssen Asylwerber schriftlich erklären, dass sie über ausreichende Ressourcen verfügen, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, was sie automatisch vom Recht auf die monatliche finanzielle Unterstützung ausschließt (AIDA 2.2020).

 

 Folgeantragsteller erhalten keine Asylwerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Außerlandesbringung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden (AIDA 2.2020).

 

 Falls das Asylverfahren aus objektiven Umständen länger als drei Monate dauert, haben die Asylwerber noch während des Asylverfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt. 2019 wurden 101 Arbeitserlaubnisse für Asylwerber im laufenden Verfahren erteilt; 72 Personen haben danach eine Beschäftigung angenommen. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen jedoch schwierig (AIDA 2.2020).

Quellen:

- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf , Zugriff 20.7.2020

- UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2 , Zugriff 20.7.2020

 

Unterbringung

 Letzte Änderung: 24.7.2020

 Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Pastrogor sowie Harmanli, die von der Migrationsbehörde (SAR) verwaltet werden. Im Dezember 2018 wurde das Aufnahmezentrum Vrazhdebna in Sofia von der SAR geschlossen und im Mai 2019 wiedereröffnet. Vrazhdebna wurde mit EU-Mitteln vollständig renoviert (AIDA 2.2019). Die Kapazität der Unterbringungszentren betrug zwischen Ende Dezember 2019 5.330 Plätze (5.190 Plätze in Aufnahmezentren und 140 in Privatunterkünften) (AIDA 2.2020).

 

 Die Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen, einschließlich der Verpflegung für Migranten und Asylwerber sind nach wie vor inadäquat, obwohl die Zahl der nach Bulgarien einreisenden Personen deutlich zurückgegangen ist (AI 16.4.2020). Die Lebensbedingungen in den staatlichen Aufnahmezentren bis auf in Vrazhdebna und in der Sicherheitszone für unbegleitete Minderjährige in Voenna Rampa sind trotz der von der SAR regelmäßig durchgeführten Teilrenovierungen nach wie vor schlecht und liegen unter den Mindeststandards oder erfüllen diese knapp, vor allem in Bezug auf die sanitären Anlagen (AIDA 2.2019; vgl. UNHCR 9.2019). Darüber hinaus beklagten sich die Bewohner aller Aufnahmezentren außer in Vrazhdebna über die insgesamt schlechten hygienischen Umstände, insbesondere aber über Bettwanzen, die regelmäßig zu Gesundheitsproblemen führen. Wo immer möglich, erfolgt die Unterbringung von Familien ohne deren Trennung. Auf die Trennung der verschiedenen Nationalitäten wird geachtet. Asylwerber können mit Erlaubnis auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums leben, verlieren dann aber das Recht auf Unterbringung und soziale Unterstützung. Gegen Verweigerung der Unterbringung ist binnen sieben Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich (AIDA 2.2020).

 

 Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren: Busmantsi (400 Plätze) und Lyubimets (300 Plätze). Der Betrieb des geschlossenen Verteilerzentrums Elhovo wurde im Februar 2017 eingestellt. Das Aufnahmezentrum Pastrogor kann gegebenenfalls auch als geschlossenes Zentrum verwendet werden. Die Haftbedingungen werden vor allem bezüglich Hygiene kritisiert. Medizinische Versorgung ist nicht in jedem Haftzentrum täglich verfügbar. Die Sprachbarriere und Mangel an Medikamenten stehen ebenfalls unter Kritik (AIDA 2.2020), ebenso wie unter anderem unzureichende Verpflegung, zu kurzer Aufenthalt im Freien, fehlende spezielle Voraussetzungen für Familien, fehlender Zugang zu Toiletten in der Nacht und der Mangel an qualifizierten Dolmetschern (FRA 5.2019; vgl. CoE-CPT 11.7.2019).

 

 Derzeit sind in Bulgarien 798 Personen untergebracht (Stand 12.7.2020): 276 in geschlossenen Zentren (Auslastung von 39,4%), 375 in offenen Zentren (Auslastung von 7,5%), 147 privat untergebracht (auf eigene Kosten) (VB 15.7.2020).

Quellen:

- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf , Zugriff 20.7.2020

- AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf , Zugriff 20.7.2020

- AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 - Bulgiaria [EUR 01/2098/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028188.html , Zugriff 20.7.2020

- CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (11.7.2019): Report to the Bulgarian Government on the visit to Bulgaria carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 17 December 2018 [CPT/Inf (2019) 24],https://www.ecoi.net/en/file/local/2012591/2019-24-inf-eng.docx.pdf , Zugriff 20.7.2020

- FRA – European Agency for Fundamental Rights (5.2019): Migration: key fundamental rights concerns, https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2019-migration-bulletin-2_en.pdf , Zugriff 20.7.2020

- UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (9.2019): Bulgaria Factsheet, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/73117_0.pdf , Zugriff 20.7.2020

- VB des BM.I Bulgarien (15.7.2020): Bericht des VB, per E-Mail

 

Medizinische Versorgung

 Letzte Änderung: 24.7.2020

 Asylwerber in Bulgarien haben nach wie vor Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger (AIDA 2.2020; vgl. UNHCR 17.12.2018), das umfasst auch den Zugang zu psychologischer/psychiatrischer Versorgung (UNHCR 17.12.2018). Asylwerber, die sich für eine Unterkunft außerhalb der Aufnahmezentren entscheiden oder denen keine Unterkunft gewährt wird, haben keinen Zugang zu psychologischer Unterstützung. Der Zugang zu medizinischer Grundversorgung ist ansonsten gewährleistet, unabhängig vom Wohnort der Asylwerber (AIDA 2.2020).

 

 SAR ist verpflichtet Asylwerber kranken zu versichern. In der Praxis haben Asylwerber mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren (AIDA 2.2020), da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist (AIDA 2.2020; vgl. BTI 29.4.2020; OECD/EO 29.10.2019). In dieser Situation ist spezielle Betreuung für Folteropfer und Traumatisierte nicht verfügbar. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume (AIDA 2.2020).

 

 Fehlende Dolmetscher und die mangelnde Bereitschaft einiger Ärzte, Asylsuchende als Patienten zu registrieren, stellen jedoch praktische Hindernisse beim Zugang zu medizinischer Versorgung dar. Zudem umfasst die Versicherung nicht alle medizinischen Behandlungen und Medikamente. Insbesondere bei schweren und chronischen Erkrankungen können einige Behandlungen nur teilweise erstattet werden. Ohne finanzielle Unterstützung stoßen Asylsuchende auf Schwierigkeiten, diese zusätzlichen Kosten zu decken. Das Bulgarische Rote Kreuz verfügt über einen kleinen Fonds, der hauptsächlich von UNHCR finanziert wird, um die Kosten für medizinische Versorgung und Medikamente für eine begrenzte Anzahl extrem vulnerabler Asylsuchender zu decken. In der Praxis wird psychologische Unterstützung in den Aufnahmezentren von NGOs geleistet, die auf Projektbasis finanziert wird, und nicht in allen Zentren auf dem gleichen Niveau und in gleicher Häufigkeit angeboten werden kann. Die Nachhaltigkeit dieser Dienstleistungen ist entsprechend nicht gewährleistet (UNHCR 17.12.2018).

 

 MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf , Zugriff 20.7.2020

- BTI – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bulgaria,https://www.ecoi.net/en/file/local/2029432/country_report_2020_BGR.pdf , Zugriff 20.7.2020

- MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

- OECD/EO – Organisation for Economic Co-operation and Development/European Observatory on Health Systems and Policies (29.10.2019): Bulgaria: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/34781ac1-en.pdf?expires=1594814329&id=id&accname=guest&checksum=975003598D2DE0B62B342C613516F30C , Zugriff 20.7.2020

- UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2 , Zugriff 20.7.2020

- WHO – World Health Organisation (2018): Bulgaria – Health system review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/383054/HiT-Bulgaria-2018-web.pdf?ua=1 , Zugriff 20.7.2020

 

Schutzberechtigte

 Letzte Änderung: 24.7.2020

 Anerkannte Flüchtlinge erhalten ein Identitätsdokument mit fünf Jahren Gültigkeit; subsidiär (oder humanitär) Schutzberechtigte ein solches mit drei Jahren Gültigkeit. Damit sind verschiedene Rechte verbunden. Anerkannte Flüchtlinge haben mit wenigen Ausnahmen dieselben Rechte wie bulgarische Staatsbürger, subsidiär Schutzberechtigte haben dieselben Rechte wie Inhaber eines permanenten Aufenthaltstitels (AIDA 2.2020).

 

 Die bulgarische Integrationsverordnung vom 19.7.2017, die den Abschluss individueller Integrationsvereinbarungen zwischen den Schutzberechtigten und dem Bürgermeister einer Gemeinde vorsieht, wird weiterhin nicht umgesetzt, weil keine der 265 Gemeinden um Mittel für Integrationsmaßnahmen ansucht (IV 19.7.2017; vgl. AA 16.1.2019, AIDA 2.2020, Caritas 5.2019). Die einzigen Integrationsmaßnahmen bislang betrafen 13 Relocation-Fälle und wurden von der EU finanziert (AIDA 2.2020). Die Verordnung enthält keine Maßnahmen, um das anhaltende Problem sich weigernder Kommunen anzugehen oder günstigere Bedingungen für die Integration in den lokalen Gemeinden zu schaffen. Die Verordnung sieht auch keine Lösung für das Problem des mangelnden Zugangs der Flüchtlinge zu Sozialwohnungen, Familienzulagen für Kinder oder Sprachunterricht vor, wodurch die geflüchteten Menschen ihre sozialen und wirtschaftlichen Rechte nur eingeschränkt wahrnehmen konnten (AI 23.5.2018; vgl. UNHCR 24.7.2017; Caritas 5.2019). Die Tatsache, dass Betroffene seit 2014 ohne jegliche Integrationsunterstützung bleiben, führt zu einem äußerst eingeschränkten Zugang zu grundlegenden Sozial-, Arbeits- und Gesundheitsrechten und zu Minimierung der Bereitschaft der Betroffenen, sich dauerhaft in Bulgarien niederzulassen (AIDA 2.2020).

 

 Der bulgarische Staat gewährt anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten die gleichen Unterstützungsleistungen, wie sie auch bulgarische Staatsangehörige in Anspruch nehmen können. Für den Zugang zu staatlicher sozialer Unterstützung ist für Schutzberechtigte die Wohnsitzregistrierung und Meldeadresse unerlässlich. Diese wird vom Bürgermeister der Wohnsitzgemeinde vorgenommen (AIDA 2.2020; vgl. Caritas o.D.a). Betreffend Zugang zu staatlicher sozialer Unterstützung haben Schutzberechtigte die Möglichkeit sich an das zuständige Social Assistance Directorate (SAD) der Social Assistance Agency (SAA) am Ort ihrer Wohnsitzmeldung zu wenden. Es gibt dort verschiedene Formen der Unterstützung. Zum einen die monatliche bzw. einmalige oder zielgerichtete Sozialzulage (Monthly, one-off or target social allowance). Diese muss im SAD beantragt werden und ein Sozialarbeiter bewertet die Situation des Betreffenden unter seiner momentanen Adresse. Dabei werden Einkommen, Alter, Familienstand, Besitz, Gesundheitszustand usw. miteinkalkuliert. Die andere Möglichkeit sind kommunale Sozialleistungen für Anwohner (Resident-type community social services). Das umfasst auch Zugang zu temporären (Übergangs-)wohnstrukturen und Notfallzentren. Dazu muss man ebenfalls in der Wohnsitzgemeinde einen Antrag stellen. Auch hier wird die individuelle Situation bewertet und anhand dieser Bewertung vom SAD ein sogenanntes „order for accommodation“ erlassen. Eine weitere Möglichkeit sind finanzielle Leistungen für Familien (Family allowances), die unter einem bestimmten Pro-Kopf-Einkommen liegen. Auch diese müssen beantragt werden. Da die Schutzberechtigten im Gesetz über Kinderzulagen nicht explizit als Empfangsberechtigte aufgeführt sind, kann es passieren, dass ihnen diese Sozialleistungen verweigert werden. Deshalb empfiehlt die Caritas Bulgarien bei diesem Anliegen, sich an einen Sozialarbeiter bzw. das Bulgarian Helsinki Committee zu wenden (Caritas o.D.b). Zuletzt besteht rein theoretisch die Möglichkeit einen Integrationsvertrag mit der Wohnsitzgemeinde abzuschließen (siehe dazu oben, Anm.) (Caritas o.D.b; vgl. AA 16.1.2019).

 Beim Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen sind die Betroffenen in der Praxis jedoch mit diversen Sonderregelungen (z.B. Dolmetscher, soziale Vermittlung) konfrontiert. Weiters bedeuten die umfangreiche Bürokratie und weitere Formalitäten bei Einreichung des Antrags um Sozialhilfe, die selbst für Staatsangehörige schwer zu überwinden sind, weitere Probleme. Maßgeschneiderte Vermittlung und Hilfestellung kann durch NGOs von zivilgesellschaftlichen Organisationen geleistet werden, die aber nicht immer verfügbar ist (AIDA 2.2020). Die monatliche Sozialhilfe für eine Person beläuft sich auf umgerechnet 33 € pro Monat (Stand 2018). Die Bedingungen für den Bezug von Sozialhilfe sind schwer zu erfüllen (AA 18.7.2018). Laut staatlichen bulgarischen Angaben wurde 2017 lediglich in 20 Fällen Sozialhilfe an Flüchtlinge gezahlt (AA 26.4.2018).

 

 Es ist den Schutzberechtigten erlaubt für sechs Monate ab Statuszuerkennung in der Asylwerberunterkunft zu bleiben, solange die Platzverhältnisse dies zulassen (AIDA 2.2020) oder für sechs Monate eine staatliche finanzielle Unterstützung für eine Unterkunft zu erhalten (AA 16.1.2019). Ende 2019 waren 461 Schutzberechtigte in Asylwerberunterkünften untergebracht (AIDA 2.2020).

 

 Betreffend der Zugänglichkeit von Sozialwohnungen gehen die Quellen auseinander. Der Caritas zufolge besteht Zugang zu Gemeindewohnungen nur, wenn mindestens ein Familienmitglied bulgarischer Staatsbürger ist und daher haben Schutzberechtigte üblicherweise keinen Zugang zu diesen Wohnungen (Caritas o.D.a). Laut dem deutschen Auswärtigen Amt dürfen sich anerkannte Flüchtlinge ebenso wie bulgarische Staatsangehörige auf die wenigen vorhandenen Sozialwohnungen bewerben. Soweit anerkannte Schutzberechtigte keine Unterbringungsmöglichkeit in einer staatlichen Unterkunft mehr haben, müssen sie sich selbständig um Wohnraum bemühen. Dabei erhalten sie Hilfe von Nichtregierungsorganisationen. Die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen, gepaart mit einer niedrigen Anzahl von in Bulgarien verweilenden Flüchtlingen, sorgt im Ergebnis dafür, dass es kaum obdachlose Flüchtlinge gibt (AA 16.1.2019).

 

 Wohnen die Schutzberechtigten zur Miete ist das schriftliche Einverständnis der Vermieters vorzulegen. Adressänderungen sind binnen 30 Tagen zu melden (Caritas o.D.a). In der Praxis stoßen Schutzberechtigte jedoch auf Schwierigkeiten, weil für den Abschluss eines Mietvertrages ein gültiges Ausweisdokument erforderlich ist, das aber ohne Angabe der Adresse nicht ausgestellt werden kann. Die Angabe der Adresse des Unterbringungszentrums als Wohnsitz zu diesem Zweck wurde von der SAR untersagt und führte zu Korruptionspraktiken von fiktiven Mietverträgen und Wohnsitzen, damit Schutzberechtigte Ausweispapiere erhalten können (AIDA 2.2020).

 

 Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Schutzberechtigte automatisch und bedingungslos gegeben. Die Sprachbarriere und ein Mangel an adäquater staatlicher Unterstützung für Berufsausbildung sind übliche Probleme. Der Zugang zu Bildung ist für Schutzberechtigte genauso geregelt wie für Asylwerber (AIDA 2.2020; vgl. Caritas 5.2019).

 

 Ab Statuszuerkennung müssen Schutzberechtigte die Krankenversicherungsbeiträge, die bis dahin von SAR entrichtet worden sind, selbst bezahlen. Das sind mindestens BGN 44,80 (ca. EUR 22,90) monatlich für arbeitslos gemeldete Personen (AIDA 2.2020). Bei Hausärzten, Spezialisten und in Krankenhäusern ist in Bulgarien regelmäßig mit sogenannten „out of Pocket“-Zahlungen (alles was beim Arztbesuch offiziell und inoffiziell aus eigener Tasche zu bezahlen ist) zu rechnen (WHO 2018). Die Out-of-pocket-Zahlungen, 46,6% der gesamten Gesundheitsausgaben in Bulgarien im Jahr 2017, sind die höchsten in der Europäischen Union. Diese bestehen hauptsächlich aus Zuzahlungen für Medikamente und ambulante Versorgung (OECD/EO 29.10.2019). Schätzungen zufolge gibt es in Bulgarien mindestens 900.000 Menschen ohne Krankenversicherung, obwohl das System grundsätzlich alle in Bulgarien ansässigen Bürger abdecken soll. Bei diesen Personengruppen handelt es sich hauptsächlich um arme Menschen, die sich die Krankenkassenbeiträge nicht leisten können und die von dem bestehenden sozialen Sicherheitsnetz auch nicht unterstützt werden (BTI 29.4.2020). Zusammen mit den hohen „out-of-pocket“-Zahlungen gibt die hohe Anzahl der nicht versicherten Personen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung (OECD/EO 29.10.2019).

 

 Mehrere NGOs leisten in Bulgarien für Asylwerber aber auch für Schutzberechtigte Unterstützung. Das Bulgarian Red Cross (BRC) betreibt den sogenannten Refugee-Migrant Service (RMS), welcher seit 1997 in der Flüchtlingsintegration tätig ist. Die Organisation verfügt über Zweigstellen in mehreren bulgarischen Städten und bietet Asylwerbern, humanitär Aufenthaltsberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und abgelehnten Asylwerbern Geld- und Sachleistungen (BRC o.D.). Darüber hinaus führt das BRC in Zusammenarbeit u. a. mit dem UNHCR und dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union Integrationsmaßnahmen durch, welche Bulgarisch-Sprachkurse, Anmeldung zur Berufsausbildung und Kostenübernahme dieser Ausbildung, Sozialberatung, Empfehlungen für den Zugang zu einer Arbeitsstelle, Unterkunft, medizinische Versorgung und Bildung, die Weitergabe von Informationen sowie rechtliche, soziale und psychologische Beratungen umfassen. Zusätzlich stellt das BRC Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel, sozial-kulturelle Orientierungskurse, Übersetzungen von Dokumenten und Zeugnissen sowie Übersetzertätigkeiten bei Behördengängen zur Verfügung (AA 18.7.2018; vgl. BRC o.D.).

 Die Caritas Bulgarien betreibt in Sofia ein Integrationszentrum für Flüchtlinge und Migranten, das psychologische Hilfe, Bildungsservices, soziale Beratung, humanitäre Hilfe und Unterstützung bezüglich Wohnen und Arbeit bietet (Caritas o.D.c). Für anerkannte Flüchtlinge oder humanitär Schutzberechtigte betreibt die Caritas Bulgarien das sogenannte „Refugee and Migrant Integration Center Sveta Anna" in Sofia, wo soziale Beratung, psychologische Hilfe, Sprachtraining, Hilfe bei Meldeangelegenheiten, Registrierung beim praktischen Arzt, Unterstützung bezüglich Wohnen und Arbeit, ein Mentoringprogramm und weitere Integrationsmaßnahmen angeboten werden. 2018 wurden im Integrationszentrum in Sofia 229 Flüchtlinge und Asylwerber betreut (Caritas o.D.d; vgl. VN 26.4.2019; OSV 25.4.2019).

 Daneben leisten das Bulgarian Helsinki Committee, Foundation for Access to Rights und das Centre for Legal Aid „Voice in Bulgaria“ rechtliche Hilfe (RBG o.D.).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (26.4.2018): Bericht des AA an das Verwaltungsgericht Trier, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/18914234/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_26%2E04%2E2018%2C_508%2D516.80_50410.pdf?nodeid=19243017&vernum=-2 , Zugriff 20.7.2020

- AA – Auswärtiges Amt (16.1.2019): Bericht des AA an das Verwaltungsgericht Potsdam, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/20046516/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_16%2E01%2E2019%2C_508%2D516.80_51873.pdf?nodeid=20060626&vernum=-2 , Zugriff 20.7.2020

- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf , Zugriff 20.7.2020

- AI – Amnesty International (23.5.2018): Bulgarien 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bulgarien , Zugriff 20.7.2020

- BRC – Bulgarian Red Cross (o.D.): Work with refugees and asylum seekers, http://en.redcross.bg/activities/activities8/rms1 , Zugriff 20.7.2020

- BTI – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bulgaria,https://www.ecoi.net/en/file/local/2029432/country_report_2020_BGR.pdf , Zugriff 20.7.2020

- Caritas Bulgaria (5.2019): The Bulgarian Migration Paradox – Mitgration and Development in Bulgaria, https://www.caritas.eu/wordpress/wp-content/uploads/2019/06/CommonHomeBulgariaEN.pdf , Zugriff 20.7.2020

- Caritas (o.D.a): Accommodation, http://caritas.bg/en/useful-information/accommodation/ , Zugriff 20.7.2020

- Caritas (o.D.b): Social Assistance and Social Services, https://caritas.bg/en/useful-information/useful-information-refugees/social-assistance-and-social-services/ , Zugriff 20.7.2020

- Caritas (o.D.c): Bulgaria, https://www.caritas.org/where-caritas-work/europe/bulgaria/ , Zugriff 20.7.2020

- Caritas (o.D.d): Activities Refugees, https://caritas.bg/en/causes/refugees/activities-refugees/ , Zugriff 20.7.2020

- IV – Integrationsverordnung (19.7.2017): ERLASS Nr.144 vom 19. Juli 2017 über die Verabschiedung einer Verordnung über die Bedingungen und das Verfahren zum Abschluss, zur Umsetzung und Aufhebung der Vereinbarung zur Integration von Ausländern, denen Asyl oder internationaler Schutz gewährt ist (Übersetzung aus dem Bulgarischen), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/684878/684880/684924/18971283/18970840/Integrationsverordnung%2C_Erlass_Nr%2E_144%2C_19%2E07.2017.pdf?nodeid=18971397&vernum=-2 , Zugriff 20.7.2020

- OECD/EO – Organisation for Economic Co-operation and Development/European Observatory on Health Systems and Policies (29.10.2019): Bulgaria: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/34781ac1-en.pdf?expires=1594814329&id=id&accname=guest&checksum=975003598D2DE0B62B342C613516F30C , Zugriff 20.7.2020

- OSV – Our Sunday Visitor Neewsweekly (25.4.2019): Balkans visit: Pope to touch sensitive issues of ecumenism, migration, https://osvnews.com/2019/04/25/balkans-visit-pope-to-touch-sensitive-issues-of-ecumenism-migration/ , Zugriff 20.7.2020

- RBG – Refugee Bulgaria (o.D.): Non-governmental Organizations, https://refugee.bg/en/non-governmental-organizations/ , Zugriff 20.7.2020

- UNHCR Bulgaria (24.7.2017): ВКБООН приветсва новата Наредба за интеграция на бежанци, http://www.unhcr.org/bg/3272-%D0%B0%D0%B3%D0%B5%D0%BD%D1%86%D0%B8%D1%8F%D1%82%D0%B0-%D0%BD%D0%B0-%D0%BE%D0%BE%D0%BD-%D0%B7%D0%B0-%D0%B1%D0%B5%D0%B6%D0%B0%D0%BD%D1%86%D0%B8%D1%82%D0%B5-%D0%BF%D1%80%D0%B8%D0%B2%D0%B5%D1%82%D1%81.html , Zugriff 20.7.2020

- VN – Vatican News (26.4.2019): Caritas Bulgaria: „may the Pope‘s visit open our hearts“, https://www.vaticannews.va/en/church/news/2019-04/pope-visit-bulgaria-caritas-migrants-poverty-solidarity.html , Zugriff 20.7.2020

- WHO – World Health Organisation (2018): Bulgaria – Health system review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/383054/HiT-Bulgaria-2018-web.pdf?ua=1 , Zugriff 20.7.2020

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, die Identität des BF stehe aufgrund der vorgelegten Identitätsdokumente fest. Er sei gesund; psychische Störungen oder ansteckende Krankheiten hätten nicht festgestellt werden können. Der BF sei anerkannter Flüchtling (richtig: subsidiär Schutzberechtigter) in Bulgarien. Es könne nicht festgestellt werden, dass er in Bulgarien systemischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder diese dort zu erwarten hätte. Er verfüge in Österreich über seine Eltern und sieben Geschwister. Sein Vater habe ebenfalls subsidiären Schutz in Bulgarien erhalten. Seine Mutter und Geschwister würden seit 2016 internationalen Schutz in Österreich besitzen. Ein gemeinsamer Haushalt oder ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht. Eine besondere Integrationsverletzung habe nicht festgestellt werden können. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass er konkret Gefahr liefe, in Bulgarien Folter oder unmenschlicher Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, hätten nicht glaubhaft gemacht werden können. Es besteht kein Grund, daran zu zweifeln, dass Bulgarien seine Verpflichtungen gegenüber dem BF erfülle. Eine über das Maß der üblichen familiären Bindung hinausgehende Beziehung zu seinen Familienangehörigen habe er im Verfahren nicht behauptet und eine solche habe nicht festgestellt werden können. Die Außerlandesbringung des BF stelle kein Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familien- und Privatleben dar.

3. Gegen vorzitierten Bescheid richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, worin im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Familie des BF seit 2016 in Österreich lebe und anerkannte Flüchtlinge seien. Die Behörde habe jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und keine Einzelfallprüfung vorgenommen. Das Bundesamt hätte angesichts der de facto nicht existierenden Versorgungs- und Unterbringungssituation in Bulgarien prüfen müssen, ob er in einer angemessenen Unterkunft untergebracht und entsprechend versorgt werde. Die Behörde habe sich nicht mit der Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation vom 19.07.2021 zur Situation subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien auseinandergesetzt. Auch habe sich die Behörde nicht dazu geäußert, dass ein nach Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben bestehe. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass die Außerlandesbringung des BF nach Bulgarien eine Verletzung seiner durch Art. 3 und 8 EMRK gewährleisteten Rechte darstelle.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 12.11.2021 stellte der BF, ein syrischer Staatsangehöriger, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Laut dem vorliegenden EURODAC-Treffer suchte der BF am 09.07.2021 in Bulgarien um Asyl an (BG1 … vom 09.07.2021).

Mit Schreiben vom 13.12.2021 gaben die bulgarischen Behörden bekannt, dass dem BF am 20.09.2021 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bulgarien zuerkannt worden ist.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Bulgarien an. Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass der BF bei einer Überstellung nach Bulgarien als subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien in eine existenzielle Notlage geraten könnte und/oder ihm der Zugang zu medizinischer Versorgung und/oder zum Arbeitsmarkt und/oder zu einer Sozialwohnung verwehrt werden würde. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin betreffend die Lage von Schutzberechtigten den Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zu folgen.

Konkrete, in der Person des BF gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Bulgarien sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall einer Überstellung nach Bulgarien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Im Falle von Übergriffen gegen den BF – er behauptete vor der Ausreise beraubt worden zu sein – besteht unstrittig die Möglichkeit, sich an die schutzfähigen und schutzwilligen Behörden Bulgariens zu wenden.

Festgestellt wird, dass der bulgarische Staat für den BF als in Bulgarien subsidiär Schutzberechtigten hinreichende Versorgungsleistungen bietet.

Auch ist die medizinische Versorgung für subsidiär Schutzberechtigte in Bulgarien gewährleistet. Festgestellt wird, dass der BF gesund ist und an keinen körperlichen noch an psychischen Erkrankungen leidet, die einer Überstellung nach Bulgarien aus gesundheitlichen Gründen entgegenstünden.

Der BF ist gemeinsam mit seinem Vater, einem ebenfalls in Bulgarien subsidiär Schutzberechtigten, nach Österreich eingereist. Der BF und sein Vater befinden sich in einer Betreuungsstelle. Die namentlich bezeichnete Familienangehörigen – die Mutter und sieben Geschwister des BF – befinden sich seit 2016 in Österreich und sind asylberechtigt. Ein gemeinsamer Haushalt hat längstens von 23.12.2021 bis 28.12.2021 bestanden. Eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit zwischen dem BF und seiner in Österreich lebenden Mutter und seinen Geschwistern kann nicht erkannt werden.

Der BF verfügt im österreichischen Bundesgebiet über keine sonstigen Familienangehörigen oder Verwandten und es bestehen keine Anhaltspunkte für besonders ausgeprägte private oder berufliche Bindungen respektive eine fortgeschrittene Integration.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 04.05.2022, 4.154.244 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 18.183 Todesfälle; in Bulgarien wurden zu diesem Zeitpunkt 1.157.919 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 36.947 Todesfälle bestätigt (https://coronavirus.jhu.edu/map.html , Abfrage vom 04.05.2022).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass der grundsätzlich gesunde 28jährige BF einer Risikogruppe angehört.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und die Antragstellungen auf internationalen Schutz beruhen auf den Angaben des BF, der vorliegenden EURODAC-Treffermeldung und den Schreiben der bulgarischen Behörden vom 13.12.2021. Die Feststellungen zum gegenständlichen Antrag ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

Dass dem BF in Bulgarien der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich insbesondere aus dem Schreiben der bulgarischen Behörden vom 13.12.2021. Auch in der Beschwerde wurde nicht bestritten, dass dem BF in Bulgarien der Staus des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.

Die Gesamtsituation von subsidiär Schutzberechtigten und anerkannten Flüchtlingen in Bulgarien resultiert aus den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Unterbringung von Schutzberechtigten auch Feststellungen betreffend den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen und zur medizinischen Versorgung getroffen. Zudem trat der BF den Feststellungen zur Lage in Bulgarien weder vor der Verwaltungsbehörde noch im Beschwerdeverfahren in substantiierter Weise entgegen. Auf den Erhalt der Länderfeststellungen zu Bulgarien verzichtete der BF in der Einvernahme vor dem BFA am 15.02.2022.

Soweit in der Beschwerde die Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation vom 19.07.2021 zur Situation subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien zitiert wird, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich diese auf die Unterstützungs- und Unterbringungsmöglichkeiten einer fünfköpfigen Familie bezieht. Dem Inhalt der Anfragebeantwortung ist insgesamt zu entnehmen, dass Schutzberechtigte für den Erhalt von Sozialleistungen und Unterkünften über gültige Ausweisdokumente verfügen müssen, die sie wiederum nur mit aufrechter Wohnsitzmeldung erhalten. Gegenständlich verfügt der BF bereits über bulgarische Ausweisdokumente und da es sich bei dem BF um einen jungen, gesunden und alleinstehenden Mann handelt, ist auch nicht von einer besonderen Vulnerabilität, die eine andere Beurteilung der Umstände verlangen würde, auszugehen.

Dass der bulgarische Staat für den BF nicht ausreichend gesorgt hat, lässt sich den Aussagen des BF nicht in substantiierter Weise unter Berücksichtigung der Länderberichte zu Bulgarien entnehmen. Es besteht auch kein Grund an der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des bulgarischen Staates zu zweifeln.

Auch sonst wurde kein Vorbringen erstattet, das geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Dass der BF gesund ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben vor der Verwaltungsbehörde. Er behauptete keine Krankheiten oder die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung. Auch ärztliche Unterlagen oder Befunde wurden nicht vorgelegt.

Zu den von dem BF behaupteten familiären Anknüpfungspunkten in Form seiner Mutter und seiner sieben Geschwistern im österreichischen Bundesgebiet ist anzumerken, dass ein gemeinsamer Haushalt laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) nur für wenige Tage bestanden hat. Darüber hinaus wurde auch das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes nicht behauptet. Eine finanzielle oder besondere Abhängigkeit konnte nicht festgestellt werden. Nachdem der BF zunächst auf Leistungen aus der Grundversorgung verzichtete, ergibt sich aus einem aktuellen Grundversicherungsauszug, dass der BF aktiv Leistungen bezieht.

Die Mutter und Geschwister des BF befinden sich spätestens seit 2016 in Österreich und sind asylberechtigt. Bei der Einvernahme vor dem BFA gab der BF an, er habe Bulgarien wegen seiner Familie verlassen. Die Frage, ob er in einer Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft lebe, verneinte der BF in seiner Einvernahme am 15.02.2022 explizit – somit nach dem Verzicht auf Leistungen der Grundversorgung und nach jenem Zeitraum, in dem der BF bei seiner Mutter gemeldet gewesen ist. Ein weiteres Vorbringen zu seinen familiären Anknüpfungspunkten wurde seitens des BF nicht erstattet. Insbesondere brachte er nichts vor, was auf das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen ihm und seinen hier schutzberechtigten Verwandten hinweist. Nachdem sich die Familienangehörigen zumindest bereits seit 2016 in Österreich aufhalten, ist davon auszugehen, dass er vor seiner Einreise in das Bundesgebiet im November 2021 seit etwa sechs Jahren von seinen Familienangehörigen getrennt gewesen ist und in dieser Zeit in keinem gemeinsamen Haushalt mit diesen gelebt haben kann. Dass er von seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen abhängig wäre oder dass eine besonders enge Beziehung zu diesen bestehen würde, kann keinesfalls erkannt werden. Zudem steht im Falle der Rückkehr des BF nach Bulgarien nichts der Aufrechterhaltung des allfälligen Kontakts zu seiner Mutter und Geschwistern via Telefon oder Social Media entgegen. Auch wäre die Distanz zwischen Österreich und Bulgarien nicht derart groß, dass ein persönlicher Kontakt zwischen dem BF und seinen Familienangehörigen – insbesondere nach den fremdenpolizeilichen und unionsrechtlichen Vorschriften – nicht aufrechterhalten werden könnte, zumal alle Genannten über internationalen Schutz im Bereich der Mitgliedstaaten verfügen.

Dass zwischen dem BF und seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen keine finanziellen oder sonstigen Abhängigkeiten festgestellt werden konnte, ergibt sich aus dem Umstand, dass seit 28.12.2021 kein gemeinsamer Haushalt besteht und insbesondere daraus, dass der BF Anspruch auf Leistungen aus der Grundversorgung hat und diese Leistungen auch bezieht. Es kann keine existenzielle Abhängigkeit zwischen dem BF und seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen erblickt werden, die einer Überstellung des BF nach Bulgarien entgegenstehen würde, zumal zu berücksichtigen ist, dass der BF zuvor etwa sechs Jahre lang von seiner Mutter und seinen Geschwistern getrennt war.

Dass keine Anhaltspunkte für besonders ausgeprägte private oder berufliche Bindungen respektive eine fortgeschrittene Integration bestehen, ergibt sich aus den Angaben des BF. Im Übrigen ist auf die kurze Aufenthaltsdauer in Österreich seit November 2021 zu verweisen. Der BF trat auch im Rahmen der Beschwerde den Feststellungen der Verwaltungsbehörde, wonach keine weiteren wesentlichen sozialen Kontakte bestehen würden und keine besondere Integrationsverfestigung seiner Person vorliegt, nicht in substantiierter Weise entgegen.

Die Länderfeststellungen sind hinreichend aktuell, sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern und Schutzberechtigten in Bulgarien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Fall bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben bzw. keine sog. Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist festzustellen, dass Überstellungen dann durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.

Die Feststellungen zu den derzeitigen Informationen betreffend COVID-19 sind amtsbekannt und der weltweiten Gesamtberichterstattung zu entnehmen. Die Feststellungen hinsichtlich der Anzahl der erkrankten und verstorbenen Personen in Bulgarien bzw. in Österreich stammen von der John Hopkins University & Medicine (https://coronavirus.jhu.edu/map.html , abgerufen am 04.05.2022).

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lauten:

„§ 4a (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.

 

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

 

§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

…“

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

 

„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

…“

 

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

 

„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. er in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dieser Mitgliedstaat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 24/2016)“

 

Dem BF wurde in Bulgarien 20.09.2021 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. In diesem Zusammenhang ist Folgendes festzuhalten: Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 03.05.2016, Ra 2016/18/0049) hat festgehalten, dass nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG 2005 für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung zurückzuweisen ist, darauf abzustellen ist, ob dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und dieser dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Dass der Fremde dort zudem über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfügen muss, lässt sich § 4a AsylG 2005 nicht entnehmen. Weiters ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 4a AsylG 2005 - im Gegensatz zu jener in § 4 AsylG 2005 - keine Prognoseentscheidung zu treffen ist. Während nämlich gemäß § 4 AsylG 2005 eine Prognose dahingehend zu treffen ist, ob der Fremde in dem in Frage kommenden Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden kann, stellt § 4a AsylG 2005 darauf ab, ob dem Fremden von einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde. Ob der Fremde bei der Rückkehr in den nach Ansicht Österreichs zuständigen Staat eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung erlangen könnte oder diesem etwa die Aberkennung seines in der Vergangenheit zuerkannten Schutzstatus drohen könnte, ist gemäß § 4a AsylG 2005 somit nicht zu prüfen.

 

Aus dem festgestellten Sachverhalt, insbesondere aus dem Schreiben der bulgarischen Behörde vom 13.12.2021, ergibt sich zweifelsfrei, dass der BF in Bulgarien bereits über subsidiären Schutz verfügt. Aus diesem Grund gelangt gegenständlich unzweifelhaft § 4a AsylG 2005 zur Anwendung.

 

Bei einer Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 handelt es sich um eine Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereichs der Dublin-III-VO (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/19/0072).

 

Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellung, wonach der BF in Bulgarien aufgrund einer dort erfolgten Asylantragstellung bereits schutzberechtigt ist und somit in Bulgarien Schutz gefunden hat, ging das BFA zutreffend davon aus, dass sich der nunmehr in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz im Lichte des § 4a AsylG 2005 wegen Unzuständigkeit Österreichs als unzulässig erweist.

Es ist auf die kurze Aufenthaltsdauer des BF seit November 2021 in Österreich zu verwiesen. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Die Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs wäre allerdings dann unzulässig, wenn der BF dadurch in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt würde. Dies trifft allerdings gegenständlich aus den folgenden Erwägungen nicht zu:

Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes – vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK – das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat kann jedoch ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr, im Zielstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden, rechnen muss. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben.

Es entspricht ebenfalls ständiger Judikatur des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ. Es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, wofür die Behörden verantwortlich gemacht werden können (EGMR 27.05.2008 (GK), 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rz 29; 28.02.2008 (GK), 37201/06, Saadi/Italien, Rz 134).

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.9.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung in Bezug auf seine Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 9.5.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl auch 16.7.2003, 2003/01/0059). „Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist.“ (VwGH 23.1.2007, 2006/01/0949).

 

Im Urteil vom 19.03.2019 in den verbundenen Rechtssachen C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17, setzte sich der Europäische Gerichtshof mit den Lebensbedingungen von Schutzberechtigten im Hinblick auf Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auseinander und kam zum Schluss, dass Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als unzulässig im Sinne des Art. 33 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2013/32/EU (VerfahrensRL) wegen Gewährung von subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat abgelehnt werden können, wenn der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als subsidiär Schutzberechtigten erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu erfahren. Der Umstand, dass Personen, denen solch ein subsidiärer Schutz zuerkannt wird, in dem Mitgliedstaat keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch insofern anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass dieser Antragsteller dort tatsächlich einer solchen Gefahr ausgesetzt wäre, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sich dieser Antragsteller aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände.

 

Wie der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 19.03.2019, C-163/17, Jawo, ausgeführt hat, wäre diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen wird diese Schwelle nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. Jedenfalls kann der bloße Umstand, dass in dem Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist, die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als in dem bereits Schutz gewährenden Mitgliedstaat, nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende Behandlung zu erfahren.

 

Der angefochtene Bescheid enthält – wie oben dargestellt – Feststellungen zur Lage von Personen mit Schutzstatus in Bulgarien. Vor dem Hintergrund dieser Länderberichte und der erstinstanzlichen Erwägungen kann jedenfalls nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Drittstaatsangehörige, die von Österreich nach Bulgarien überstellt werden, aufgrund der bulgarieschen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“ für den Einzelnen bestehen würde.

Wie aus den Feststellungen zur Situation in Bulgarien hervorgeht, gewährleistet Bulgarien grundsätzlich ausreichend Schutz für Schutzberechtigte. Aus den Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass der BF bei einer Überstellung nach Bulgarien als subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien in eine existenzielle Notlage geraten könnte und/oder ihm der Zugang zu medizinischer Versorgung und/oder zum Arbeitsmarkt und/oder zu einer Unterkunft verwehrt werden würde. Konkrete, in der Person des BF gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Bulgarien sprechen, liegen nicht vor.

Subsidiär Schutzberechtigte in Bulgarien haben dieselben Rechte wie Inhaber eines permanenten Aufenthaltstitels. Der bulgarische Staat gewährt anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten die gleichen Unterstützungsleistungen, wie sie auch bulgarische Staatsangehörige in Anspruch nehmen können. Die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen, gepaart mit einer niedrigen Anzahl von in Bulgarien verweilenden Flüchtlingen, sorgt im Ergebnis dafür, dass es kaum obdachlose Flüchtlinge gibt. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Schutzberechtigte automatisch und bedingungslos gegeben. Das Gericht übersieht weder, dass Schutzberechtigte in Bulgarien auf bürokratische Hüden und Sprachbarrieren stoßen, noch dass in Bulgarien Aufholbedarf im Hinblick auf Integrationsunterstützung besteht. Dem BF als nicht vulnerable Person ist es jedoch zuzumuten, nach einer Rücküberstellung nach Bulgarien allfällige anfängliche Schwierigkeiten aus eigenem zu überwinden bzw. erforderlichenfalls auch auf bestehende Hilfsangebote von NGOs zurückzugreifen.

Der BF machte weder vor der Verwaltungsbehörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht systemische Mängel hinsichtlich der Lebensbedingungen für Schutzberechtigte in Bulgarien in substantiierter Weise geltend und führte auch keine konkreten Umstände hinsichtlich der dortigen Lebensbedingungen ins Treffen, die einer Rückkehr entgegenstehen würden. Soweit er vorbringt, vor seiner Ausreise aus Bulgarien für kurze Zeit obdachlos gewesen zu sein, ist anzumerken, dass seine Mittel davor sehr wohl für eine Privatunterkunft sowie für eine Flugreise nach Athen und Mailand gereicht haben. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall einer Überstellung nach Bulgarien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Zum Vorbringen des Raubes in Bulgarien – er behauptete vor der Ausreise beraubt worden zu sein – ist darauf hinzuweisen, dass es dem BF möglich ist, sich an die schutzfähigen und schutzwilligen Behörden Bulgariens zu wenden. Dass er eine Anzeige bei der örtichen Polizei erstattet hat, wurde nicht einmal behauptet.

Wie im angefochtenen Bescheid dargelegt, gewährleistet Bulgarien grundsätzlich ausreichend Schutz für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte und ist somit nicht zu erkennen, dass der BF im Falle seiner Überstellung nach Bulgarien Gefahr laufen würde, in seinen durch Art 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden. Nach den Länderberichten zu Bulgarien kann letztlich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger im Fall einer Überstellung nach Bulgarien konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden.

Jedenfalls hätte der BF die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen seiner Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Bulgarien und letztlich beim EGMR geltend zu machen.

Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Bulgarien:

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR, des VfGH sowie des VwGH zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken hat im Allgemeinen kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil desselben gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Mitgliedstaat zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet ist. Nach Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung, welche zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst, erhalten bzw. dass Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauerhaft eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia/Schweden; 27.05.2008 (GK), 26565/05, N./Vereinigtes Königreich; 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev/Schweden; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh/Schweden; 04.07.2006, 24171/05, Karim/Schweden; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy/Niederlande; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).

Der 28jährige BF ist gesund und leidet – wie festgestellt – unter keinen gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, weshalb nicht davon aufzugehen war, dass ein akutes oder schweres Leiden anzunehmen ist.

Bulgarien ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung zudem gesichert, sodass davon auszugehen ist, dass dort eine medizinische Behandlung gewährleistet ist, sollte der BF eine solche benötigen. Asylwerber haben dieselben Rechte auf Krankenversorgung wie bulgarische Staatsbürger. Vom Roten Kreuz und anderen NGOs werden Geld- und Sachleistungen bereitgestellt.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist festzuhalten, dass es sich beim BF um einen 28jährigen Mann handelt, der – wie bereits dargelegt – an keinerlei lebensbedrohlichen Erkrankungen leidet, womit er nicht unter die Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Die Infektionszahlen sind zuletzt weltweit, so auch in Europa und in Österreich, wieder signifikant gestiegen. Eine mögliche Ansteckung des BF mit dem Corona-Virus kann daher ebenso in Österreich nicht ausgeschlossen werden. Ein im Falle einer Überstellung nach Bulgarien vorliegendes individuelles „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK ist demnach auch insofern nicht erkennbar.

Auch im Übrigen konnte der BF keine auf sich selbst bezogenen konkreten Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel / Tante und Neffen / Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art 8 Abs 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR nur dann unter den Schutz des Familienlebens des Art 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 20.12.2011, 6222/10, A.H. Khan, Rn 32; 12.1.2010, 47486/06, A.W. Khan; 10.7.2003, 53441/99, Benhebba Rn 36). Auch auf die Beziehung zwischen Eltern und ihrem erwachsenen Kind wendet die Rechtsprechung des EGMR regelmäßig dieses Kriterium der zusätzlichen, über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmale der Abhängigkeit, an.

Im vorliegenden Fall hat die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung die Trennung des volljährigen BF von seiner in Österreich asylberechtigten Mutter und von sieben Geschwistern zur Folge.

Zu den familiären Anknüpfungspunkten des BF in Form seiner Mutter und Geschwister im österreichischen Bundesgebiet ist anzumerken, dass ein gemeinsamer Haushalt nur für wenige Tage bestanden hat und eine besondere Abhängigkeit nicht festgestellt werden kann. Dass der BF seit etwa sechs Jahren von seinen Familienangehörigen getrennt lebte, wurde bereits ausführlich beweiswürdigend dargelegt.

Dass er von seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen abhängig wäre oder dass eine besonders enge Beziehung zu diesen bestehen würde, kann keinesfalls erkannt werden. Dass zwischen dem BF und seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen keine finanziellen oder sonstigen Abhängigkeiten festgestellt werden konnte, ergibt sich aus dem Umstand, dass ein gemeinsamer Haushalt laut Auszug des Melderegisters nur für wenige Tage bestanden hat und insbesondere daraus, dass der BF Anspruch auf Leistungen aus der Grundversorgung hat, diese Leistungen bezieht er auch. Es kann keine existenzielle Abhängigkeit zwischen dem BF und seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen erblickt werden, die einer Überstellung des BF nach Bulgarien entgegenstehen würde, zumal zu berücksichtigen ist, dass der BF und seine Familienangehörigen zuvor etwa sechs Jahre getrennt waren.

Zu bedenken ist auch, dass es sich im vorliegenden Fall zudem um eine aufenthaltsbeendende Maßnahme innerhalb der Europäischen Union handelt, der BF selbst in Bulgarien über einen Stutzstatus verfügt und seine Familienangehörigen in Österreich asylberechtigt sind sowie jeweils über gültige Aufenthaltsberechtigungen verfügen, sodass der Kontakt zwischen ihnen durch wechselseitige Besuche in einem gewissen Ausmaß aufrechterhalten werden kann, sofern dies gewünscht ist. Im Übrigen könnte der BF den Kontakt seinen Familienangehörigen auch mittels Telefon, E-Mail oder über soziale Medien (zum Beispiel Facebook, Viper, WhatsApp, Skype) aufrechterhalten. Eine Ausreise aus dem Bundesgebiet würde daher den BF nicht zwingen, seine Bindungen zu seinen Familienangehörigen zur Gänze aufzugeben. Der Wunsch des BF, von seinen in Österreich aufhältigen Familienangehörigen nicht getrennt zu werden, stellt nach den angeführten Gründen keine derart außergewöhnliche Situation dar.

Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine fortgeschrittene Integration und es bestehen auch keine ausgeprägten privaten oder beruflichen Bindungen. Der vom BF in Österreich verbrachte relativ kurze Zeitraum seit November 2021 ist gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass einem Aufenthalt von weniger als fünf Jahren in der Regel keine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl VwGH vom 6.9.2017, Ra 2017/20/0209 und VwGH vom 25.4.2018, Ra 2018/18/0187) und etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen (vgl dazu VwGH vom 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).

Wenn es letztlich zwar auf der Hand liegt, dass für den BF sein Aufenthalt in Österreich und somit in Nähe seiner Familienangehörigen wünschenswert wäre, zeigt sich im Rahmen einer abwägenden Gesamtbetrachtung all der genannten Umstände, dass eine Überstellung des BF nach Bulgarien zulässig und der Eingriff in sein Familien- und Privatleben durch ein Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, gerechtfertigt und verhältnismäßig ist (vgl dazu auch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts W165 2121638-3 vom 31.1.2019 und W239 2174104-2 vom 30.7.2019, worin sogar eine Trennung von der Ehefrau/Lebensgefährtin samt Kind/ern im Hinblick auf Art 8 EMRK ebenso als verhältnismäßig erachtet wurde).

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass im gegenständlichen Fall eine Außerlandesbringung des BF keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK gewährleistetes Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG iVm § 61 Abs 1 Z 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zur Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf Achtung seiner Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass allenfalls temporär bestehende faktische Hindernisse bei der Überstellung des BF nach Bulgarien en in der gegenständlichen Entscheidung außer Betracht zu bleiben haben, zumal die Durchführung der Überstellung der Fremdenpolizeibehörde obliegt.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 6a iVm Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Die mit dem FRÄG 2015 eingeführte Regelung des Abs 6a leg cit indiziert, dass im Zulassungsverfahren – auch in Zusammenschau mit der Spezialnorm des § 21 Abs 3 BFA-VG – grundsätzlich weitergehende Möglichkeiten der zulässigen Abstandnahme von der Durchführung von Verhandlungen bestehen (in diesem Sinne auch VwGH 8.9.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159, vgl dazu zuletzt auch die Entscheidung des VwGH vom 5.12.2017, Ra 2017/01/0392 bis 0394). Im vorliegenden Verfahren erscheint der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Es ergaben sich keine Hinweise auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem BF zu erörtern.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten meritorischen Entscheidung entfallen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art 133 Abs 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Situation im Mitgliedstaat sowie in der Bewertung der Intensität der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR beziehungsweise auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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