BVwG W196 2129965-1

BVwGW196 2129965-124.1.2017

AsylG 2005 §10 Abs4
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
AsylG 2005 §10 Abs4
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W196.2129965.1.00

 

Spruch:

W196 2129965-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.04.2016, Zl. 742107500 – 160010553 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.12.2016 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1 und 8 Abs. 1 Z 2, §§ 10 Abs. 1 Z 4, 55 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt lautet:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige, zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Zugehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, stellte durch seine gesetzliche Vertreterin am 14.10.2004 einen Asylantrag gemäß § 3 AsylG 1997 (idF BGBl I Nr. 101/2003).

Nachdem den gesetzlichen Vertretern des Beschwerdeführers (Eltern) mit Bescheiden des Bundesasylamtes jeweils vom 03.06.2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde und die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Kernfamilie festgestellt wurde, ist dem Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.06.2005, Zl. 0421.075-BAG, gemäß § 7 AsylG 1997 stattgegeben und dem Beschwerdeführer Asyl in Österreich gewährt worden. Gemäß § 12 AsylG 1997 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Im Zuge des bisherigen Aufenthaltes in Österreich wurde der Beschwerdeführer wegen folgender Strafdelikte rechtskräftig verurteilt:

* Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 151 HV 49/2009X, vom 06.08.2009 wegen § 142 Abs. 1 iVm § 15 StGB sowie §§ 105, 106 Abs. 1Z 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und unter Anordnung der Bewährungshilfe;

* Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 154 HV 111/2009M, vom 15.02.2010 wegen §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB sowie §§ 105, 106 Abs. 1Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten sowie der Verhängung einer Zusatzstrafe - unter Bedachtnahme auf das Urteil 151 HV 49/2009X vom 06.08.2009 - gemäß §§ 31 und 40 StGB;

* Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 142 HV 47/2011i, vom 21.09.2011 wegen § 142 Abs. 1 iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren und sechs Monaten;

* Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 033 HV 31/2016t, vom 10.03.2016 wegen §§ 15, 127, 229 Abs. 1 StGB, § 50 Abs. 1 Z 2 u 3 WaffG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Monaten

Mit Schreiben der Vollzugsstelle der Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf vom 29.04.2015, GZ: 97576, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darüber informiert, dass das Verhalten des Beschwerdeführers während seiner Haft als befriedigend bezeichnet werden könne, wobei mitgeteilt wurde, dass der Beschwerdeführer im Zuge mehrerer Ordnungsstrafverfahren wegen folgender Ordnungswidrigkeiten für schuldig erkannt wurde:

* Am 10.07.2011 wegen unerlaubten Gewahrsame;

* Am 16.08.2011 Verweis wegen Verstoß gegen allgemeine Pflichten, indem der Beschwerdeführer einen Mitgefangengen misshandelte;

* Am 17.08.2011 wegen unerlaubter Gewahrsame

Der Beschwerdeführer wurde, nachdem er einen Teil seiner mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, GZ. 142 HV 47/2011i, vom 21.09.2011, verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren und sechs Monaten verbüßte, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren am 27.09.2012 bedingt entlassen. Die vorzeitige Entlassung wurde aufgrund der Anhörung des Beschwerdeführers, wobei er angegeben habe, dass er seine Tat bereue, er die Haft sinnvoll genutzt habe und sich künftig arbeitsam und rechtstreu verhalte wolle, veranlasst. Er akzeptiere die Bewährungshilfe und Therapieweisung und sei sein Empfangsraum in Freiheit gesichert.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 11.11.2015 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um Überprüfung und um eventuelle Einleitung eines Asylaberkennungsverfahrens ersucht.

Am 13.11.2015 langte eine Verständigung der Landespolizeidirektion Wien über ein Straferkenntnis gegen den Beschwerdeführer vom 29.09.2015 - wegen einer Fahrgeschwindigkeitsübertretung, fehlenden Lenkberechtigung sowie fehlende Zulassung im Sinne des KFG (bundesweit) – beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

Aufgrund der Verurteilungen leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das gegenständliche Aberkennungsverfahren ein und wurde der Beschwerdeführer dazu am 03.03.2016 vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien von einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen. Eingangs seiner Befragung gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm gut gehe und er gesund sei, wobei er seit 06.08.2014 bis zu seiner Verhaftung heroinsüchtig gewesen sei. Derzeit nehme er ein Medikament namens "Tramal" und wisse er den Namen des anderen Medikaments nicht. Zu seinen strafrechtlichen Verurteilungen in Österreich befragt, erklärte der Beschwerdeführer, dass es ihm leid tue und begründete er sein Verhalten damit, dass er noch jung und im falschen Freundeskreis gewesen sei. Die Psyche habe dabei eine große Rolle gespielt, zumal er aus einem Kriegsgebiet komme, er als Kind blutende und verletzte Leute in Grosny gesehen habe und hätte ihn diese Erinnerungen in der Pubertät wieder eingeholt. Daraufhin sei es zu seiner ersten Straftat, Raub, gekommen. Er sei in Österreich, obwohl er kein Deutsch konnte, zur Schule gegangen und sei er von Schulkollegen provoziert worden. Im Zuge eines Handgemenges sei das Mobiletelefon eines Schulkollegens zu Boden gefallen und habe er das Telefon an sich genommen, um nicht mehr provoziert zu werden. Der Schulkollege, dessen Mutter Polizistin gewesen sei, habe den Beschwerdeführer beschimpft und ausgelacht und sei in weiterer Folge die Polizei gekommen. Der Beschwerdeführer sei daraufhin wegen Raubes angezeigt worden. Die nächste Tat sei bei einem McDonalds Restaurant verübt worden. Der Beschwerdeführer sei mit einer Gruppe unterwegs gewesen und sei es erneut zu einem Raub eines Mobiltelefons gekommen, wobei er diese Tat nicht begangen habe. Dies sei ihm im Rahmen der polizeilichen Aussage in die Schuhe geschoben worden. Über Vorhalt, dass jeder Flüchtling gemäß Art. 2 der GFK gegenüber dem Lande, wo er sich aufhalte, insbesondere die Pflicht darin bestehe, dass er sich dessen Gesetzen und Verordnungen sowie den Maßnahmen, die zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung getroffen wurden, zu unterwerfen habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass er zur Zeit seiner strafbaren Handlungen nichts von Verboten gewusst habe. Er habe die Gesetze nicht gekannt und sei er sich über deren Bedeutung nicht im Klaren gewesen.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er an, dass er zwei Jahr in Grosny und zwei Jahr in Klagenfurt die Volksschule besucht habe. Er habe Lehren als Metallbearbeitungstechniker, Tischler und Kfz-Techniker begonnen, jedoch war es ihm aufgrund seiner Haft nicht möglich die Lehre als Kfz-Techniker abzuschließen. Er habe keinen Beruf ausgeübt, jedoch AMS Kurse besucht und abgeschlossen. Er habe ein Berufsorientierungschoaching (6 Wochen) sowie zwei Kurse vom Bfi absolviert (6 Monate und 3 Monate). Den Kursnamen könne er nicht nennen. Zudem habe er den Hauptschulabschluss nachgeholt. Auf die Frage, wie er seinen Lebensunterhalt finanziere, erklärte er von seinen Eltern finanziert worden zu sein und habe er auch Kursnebenkosten erhalten. Mit seiner Volljährigkeit habe er zuerst Arbeitslosengeld und später Notstandshilfe bezogen. Er sei ledig, habe keine Obsorgeverpflichtungen und wohne er bei seinen Eltern. Auch habe er eine Freundin.

Weiters erklärte der Beschwerdeführer, dass er in Österreich arbeiten und eine eigene Wohnung wolle. Er habe bereits 2014 eingesehen, dass seine Straftaten falsch gewesen seien, jedoch habe er im Zuge seiner Haft mit süchtigen Straftätern zu tun gehabt und sei er in Berührung mit Drogen gekommen. Seither habe auch er Drogen (Heroin) genommen. Zu Beginn habe er seine Drogen selbst finanzieren können, auch habe er von seinen Eltern, die von seiner Sucht anfangs nichts gewusst hätten, Geld erhalten. Zu seiner Integration befragt, gab er an, sich in Österreich integriert zu fühlen, zumal er in Tschetschenien keine Verwandten mehr habe. Diese würden sich alle in Europa aufhalten. Er spreche hauptsächlich Deutsch und kaum mehr Tschetschenisch. Zudem habe er auch keine Sehnsucht nach Tschetschenien. Die Hälfte seines Freundeskreises bestehe aus Österreichern. Auch seine Freundin, wobei der Beschwerdeführer den Nachnamen seiner Freundin nicht mit Sicherheit angeben konnte, habe den Beschwerdeführer in Haft besucht. In Klagenfurt sei er in einem Boxverein gegangen und habe er bislang weder Tschetschenien noch Russland besucht. Er habe das Bundesgebiet lediglich zwei Mal verlassen. So sei er nach Frankreich gefahren, als sein Onkel verstorben sei und habe er in Deutschland Urlaub gemacht. Im Fall der Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, dass er es in Tschetschenien schwer haben würde, da er in Österreich als Flüchtling anerkannt wurde und Österreich gegen Präsidenten Kadyrov ein Einreiseverbot verhängt habe. Zudem sei in Tschetschenien, entgegen der Medienberichte, nicht alles gut und in Ordnung. Er bereue seine Taten bereue und seien ihm die Konsequenzen zum Zeitpunkt seiner Tat nicht bewusst gewesen. Befragt, erklärte der Beschwerdeführer, dass er derzeit wegen versuchten Diebstahls in Untersuchungshaft sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.04.2016, Zl. 742107500 – 160010553, erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den mit Bescheid vom 03.06.2005 zuerkannten Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Ferner wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer gesund sei und bis vor seiner Inhaftierung Suchtmittelabhängig gewesen sei. Gegen die Schmerzen nehme er das Medikament "Tramal". Bezüglich der Aberkennung des Status des Asylberechtigten verwies die Behörde auf vier strafrechtliche Verurteilungen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat einer unmenschlichen Behandlung oder einem diesem gleichkommenden Zustand ausgesetzt wäre. Zu seinem Privat- und Familienleben und seinem Aufenthalt in Österreich stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer seit spätestens 14.10.2004 im Bundesgebiet aufhältig sei. In Österreich würden Familienangehörige des Beschwerdeführers leben und habe er keine familiären Kontakte zu Personen im Herkunftsland. Der Beschwerdeführer sei ledig, habe keine Sorgepflichten und sei er in Österreich weder sozial noch beruflich verankert. Er besuchte die Hauptschule in Österreich im Zuge des zweiten Bildungsweges, jedoch habe er keine Berufsausbildung absolviert und sei der Beschwerdeführer kaum berufstätig gewesen. Zudem sei der Beschwerdeführer im Bundesgebiet bereits vier Mal rechtskräftig verurteilt worden und habe er einen Teil seines Aufenthalts in Strafhaft verbracht.

Das Bundesamt traf auf den Seiten 9 bis 39 des angefochtenen Bescheides Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass die Identität aus dem Akteninhalt IFA 742107500 sowie aus der Einvernahme vom 03.03.2016 hervorgehe. Die Feststellung zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten basiere auf der durchgeführten Strafregisteranfrage, wonach der Beschwerdeführer bereist vier Mal wegen eines Verbrechens verurteilt worden sei. Ferner verwies die Behörde auf die rechtlich vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale, welche für eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten, vorliegen müssten. Bei Straftaten, die mit lebenslanger bzw. mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, handle es sich um Schwerkriminalität. Dazu führte die Behörde aus, dass gegen den Beschwerdeführer vier rechtskräftige Verurteilungen vorliegen würden, darunter drei wegen Raubes, schweren Raubes, sowie schwerer Nötigung und Erpressung. Zuletzt sei er mit Urteil vom 10.03.2016 wegen unbefugtem und verbotenem Besitz von Waffen und Munition, Urkundenunterdrückung und Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Bereits zuvor habe er einschlägige Vorstrafen aufgewiesen. Aufgrund der mehrmaligen und noch dazu einschlägigen Straffälligkeit sei der Beschwerdeführer als gemeingefährlicher Täter anzusehen. Im Zuge der Einvernahme am 03.03.2016 habe der Beschwerdeführer zwar angegeben, reumütig zu sein, diese Angabe seien jedoch als bloße Schutzbehauptung zu werten, zumal das immer wieder kehrende kriminelle Verhalten des Beschwerdeführers ein anders Bild zeige. In diesem Zusammenhang wurde auf das Verhalten des Beschwerdeführers während seiner Haft hingewiesen, wonach sich der Beschwerdeführer aggressiv verhalten und andere Insassen drangsaliert habe. Auch nachdem der Beschwerdeführer seine erste Haftstrafe verbüßt habe, habe er sein Verhalten nicht geändert und setzte er seine kriminellen Handlungen fort, sodass er bereist insgesamt vier Mal rechtskräftig verurteilt werden musste. Offensichtlich habe das Interesse des Beschwerdeführers an kriminellen Handlungen gegenüber dem Interesse an einer Resozialisierung überwogen und könne daher keine positive Zukunftsprognose abgegeben werden. Bestärkt werde diese Schlussfolgerungen aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Privatleben, wonach er weder eine Ausbildung, eine geregelte Arbeit oder Einkommen vorweisen könne. Bisher habe der Beschwerdeführer vornehmlich von den Zuwendungen seiner Eltern und von staatlicher Unterstützung gelebt. Im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation ergäben sich keine Gründe für eine asylrelevante Verfolgung noch habe der dies behauptet. Aufgrund des Familienverfahrens sei dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden. Weder seine gesetzliche Vertreterin noch der Beschwerdeführer selbst habe im Zuge der Antragstellung eigene Fluchtgründe vorgebracht und habe er sich im Zuge der Einvernahme am 03.03.2016 lediglich auf seinen bereits über zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet berufen.

In rechtlicher Hinsicht wies die belangte Behörde auf das wiederkehrende kriminelle Verhalten sowie die Missachtung der österreichischen Gesetze durch den Beschwerdeführer hin und merkte an, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich darstelle. Daher könne keine positive Zukunftsprognose erstellt werden und war dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 abzuerkennen. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass weder unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage in der Russische Föderation noch unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ausgegangen werden könne, welche für den Fall einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würden oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Sonstige Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat mit einer Verletzung von Rechten gemäß Art. 3 EMRK zu rechnen habe, hätten sich nicht ergeben. Auch sei es dem Beschwerdeführer zumutbar durch eigene und notfalls auch durch wenig attraktive Arbeit das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige zu erlangen, zumal es sich beim Beschwerdeführer um einen erwachsenen, arbeitsfähigen Mann handle. In rechtlicher Hinsicht wurde zu Spruchpunkt III. ausgeführt, dass die Ausweisung weder einen Eingriff in sein Recht auf Familienleben darstelle noch objektive Gründe ersichtlich seien, die einer Ausweisung entgegenstünden. Zum Privat- und Familienleben wurde angemerkt, dass die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers in Österreich leben. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe er keine Obsorgeverpflichtungen. Zudem gehe der Beschwerdeführer keiner legalen Tätigkeit nach. Im Bundesgebiet sei er nicht beruflich verankert und weise er vier rechtskräftige Verurteilungen auf. Seit 2004 halte sich der Beschwerdeführer im österreichischen Bundesgebiet auf. Er habe die Chance sich beruflich zu integrieren ungenützt verstreichen lassen und habe er die österreichische Gesetzesordnung missachtet, indem er die Verbrechen des Raubes, der schweren Nötigung und Erpressung begangen habe. Er sei von österreichischen Gerichten bereits vier Mal rechtskräftig verurteilt worden und habe er dennoch sein kriminelles Verhalten fortgesetzt. Der Beschwerdeführer sei der russischen Sprache mächtig und bestehe weiterhin eine Bindung zum Herkunftsland. Daher überwiege jedenfalls das öffentliche Interesse an seiner Außerlandesbringung. Auch komme die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht in Betracht. Da dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, sei diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Da keine Gründe gemäß § 50 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG ersichtlich seien, sei auszusprechen, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung sei der Beschwerdeführer binnen 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise verpflichtet (Spruchpunkt IV.).

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2016 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 03.06.2016 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt, indem es die herangezogenen Länderfeststellungen sehr allgemein gehalten habe. Auch habe eine Verletzung des Parteiengehörs stattgefunden und stünden die Feststellungen der Behörde auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung. Auch sei es zu einer unrichtigen Beurteilung gekommen. Begründend wurde darüber hinaus ausgeführt, dass es die Behörde unterlassen habe, eine mangelfreie Zukunftsprognose anzustellen. Auch würde das öffentliche Interesse am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

Am 07.12.2016 langte folgende Unterlage des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein:

* Teilnahmebestätigung und Perspektivenplan ausgestellt von VHS Coaching

Am 13.12.2016 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht am Landesgericht Wien unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch statt, an der der Beschwerdeführer sowie seine Rechtsvertreterin teilnahmen. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich mit Eingabe 27.10.2016 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt. Bereits mit der Ladung wurden der Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zur aktuellen Situation in der Russischen Föderation, einschließlich der Lage in Tschetschenien, zur Kenntnis gebracht.

Eingangs der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er sich körperlich und geistig in der Lage fühle, der heutigen Verhandlung zu folgen. Befragt gab er an, dass es ihm sehr gut gehe. Befragt, was im Falle der Rückkehr passieren könnte, zumal der Beschwerdeführer damals als zehnjähriges Kind mit seinen Eltern nach Österreich gekommen sei, erklärte er, dass er glaube im Herkunftsland nichts zu befürchten zu haben. Er habe insofern Angst in sein Herkunftsland zurückzukehren, da er seit seinem zehnten Lebensjahr das Land verlassen habe. An die Zeit in Tschetschenien könne er sich nicht erinnern. Aufgrund des Krieges seien der Beschwerdeführer und dessen Familie geflüchtet. Im Falle der Rückkehr wisse er nicht, wohin er gehen solle. Über Vorhalt, warum der Beschwerdeführer, nachdem er in den Jahren 2009 bis 2011 dreimal verurteil worden sei, im Jahr 2016 erneut straffällig wurde, meinte er, dass er das nicht wisse. Zu seinen strafrechtlichen Verurteilungen befragt, gab er an, dass er in der Schule gemobbt worden sei, deshalb sei es immer wieder zu Streitereien gekommen und habe er nicht sonderlich gut Deutsch gesprochen, wobei er bereits einen Freundkreis, insbesondere mit österreichischen Kindern hatte. Die Mitschüler hätten ihn jedoch unterdrücken wollen und habe er sich gewehrt, da er nicht als Verlierer dastehen wollte. Er habe darüber nachgedacht, jedoch sei es erneut zu einem Streit gekommen und hätten sie ihn verhaftet. Zu den näheren Umständen betreffend die strafrechtliche Verurteilung im Jahr 2016 befragt, erklärte er, dass er verurteilt worden sei, obwohl nicht er, sondern sein Freund etwas in einem Geschäft stehlen wollte. Er habe davon gewusst, dass sein Freund einen Diebstahl begehen wollte. Der Beschwerdeführer wurde auch nach § 50 Waffengesetz verurteilt und gab er diesbezüglich an, dass er den Schlagring von einem Freund zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Zudem erklärte er, ein Auto gekauft zu haben, jedoch sei das Autokennzeichen gestohlen gewesen. Das Auto habe weder ein Pickerl noch ein Gutachten gehabt. Daher habe er es nicht anmelden können. Er sei von einem Händler, dessen Namen er nicht mehr wisse, kontaktiert worden, dass er das Kennzeichen eines abgemeldeten Autos habe und sei er mit diesem Kennzeichnen herumgefahren. Die Zukunftsprognose in Österreich betreffend meinte er, dass er vor habe Lehrer zu werden. Falls er wieder gemobbt würde, werde er nicht mehr gewalttätig reagieren, zumal er kein Jugendlicher mehr sei. Dazu merkte die Richterin an, dass der Beschwerdeführer bei Verwirklichung seiner Straftaten bereits ein Alter von 13 beziehungsweise 15 Jahre aufwies und daher nicht gesagt werden könne, dass der Beschwerdeführer nicht gewusst habe, was er getan hatte. Zudem erwähnte die erkennende Richterin einen Vorfall, dass der Beschwerdeführer verdächtigt worden sei einen Polizisten im Jahr 2016 bedroht (diesen niederhauen zu wollen bis er nicht mehr aufstehe) zu haben. Zu seiner Integration in Österreich brachte der Beschwerdeführer vor, dass er sich mittlerweile als Österreicher fühle. Er spreche Tschetschenisch und Deutsch, wobei ihm Deutsch lieber sei. Mit seinen Geschwistern unterhalte er sich auf Deutsch und mit seinen Eltern spreche er Tschetschenisch. In Tschetschenien habe er zwei Jahre die Schule besucht. Er habe in Klagenfurt sowie in Wien im 11. Bezirk die Schule besucht und könne er einen sehr guten Pflichtschulabschluss vorweisen, wobei der Beschwerdeführer aufgefordert wurde diese Unterlagen nachzureichen. Seine Eltern würden ihn finanziell unterstützen und würden sie ihn in Haft besuchen. Sein Vater arbeite am Flughafen als Taxifahrer. Aufgrund des guten Verhältnisses des Vaters und dessen Chef bestehe die Möglichkeit ebenfalls bei diesem Unternehmen -wie sein Vater- zu arbeiten, sobald er einen Führerschein habe. Er habe unterschiedliche Lehren als KFZ-Mechaniker, als Schlosser, als Metallverarbeitungstechniker begonnen, wobei er die Lehre als KFZ-Mechaniker in der Justizanstalt Gerasdorf absolvierte, jedoch habe er nach seiner Haftentlassung in Wien keine Stelle bekommen. Daraufhin habe er im Jahr 2014 begonnen als Schlosser zu arbeiten bis er im Jahr 2016 wegen Raub, Erpressung und Schlägereien verhaftet worden sei. Er sei er unschuldig verhaftet worden. Aufgrund dessen habe er seine Arbeit als Schlosser nicht weiterführen können, da er sich geschämt habe zum Chef zu gehen. Er sei vorbestraft. Derzeit sei er mit einem Österreicher in einer Zelle. Er habe Österreicher und Tschetschenen in seinem Freundeskreis, die er im Zuge der Schule, seiner Lehre und aus der Nachbarschaft kennengelernt habe. Sein Verhalten in der Justizanstalt sei, entgegen seiner Haft in Jugendzeiten, wo sein Verhalten als befriedigend eingestuft wurde, mittlerweile sehr gut und er bereue seine Taten. Er wolle sein Leben nicht in einer Zelle verbringen, sondern heiraten und eine Familie gründen. Zu seiner Drogensucht befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er im Zuge seiner Haft im Jahr 2014 mit zwei drogenabhängigen Mithäftlingen in die Zelle gekommen sei. Nach einem Monat habe er ebenfalls begonnen Heroin zu konsumieren und habe dies letztlich dazu geführt, dass er nach seiner Entlassung im Jahr 2014 erneut straffällig geworden sei. Er habe eigenständig einen Entzug gemacht und sei er zwischenzeitig nicht mehr heroinabhängig. Aus Überzeugung und aufgrund seines moslemischen Glaubens trinke er keinen Alkohol, wobei er über Vorhalt angibt, dass Moslems auch keine Drogen nehmen würden. Zudem erklärte der Beschwerdeführer seit 19.02.2016 keine Probleme mehr zu haben. Letztlich erklärte die rechtliche Vertreterin, dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Aberkennung nicht vorlägen und sei dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zu gewähren. Zudem wäre auch in jedem Fall ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu gewähren, da der Beschwerdeführer seit seinem zehnten Lebensjahr in Österreich lebe, die Schule abgeschlossen habe und seine ganze Familie hier lebe.

Am 28.10.2016 langten folgende Unterlagen des Beschwerdeführers beim Bundesveraltungsgericht ein:

* Externistenprüfungszeugnis über die achte Schulstufe vom 22.01.2014

* OCG Typing Certificate Standard vom 06.06.2014

* Kursbestätigung – EDCL Computerführerschein vom 27.06.2014

* EDCL Standard Certificate ausgestellt von der österreichischen Computergesellschaft vom 17.07.2014

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Seine Identität steht fest. Er gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und bekennt sich zum moslemischen Glauben.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist und stellte er am 14.10.2004 im Wege seiner gesetzlichen Vertreterin (Mutter) einen Asylantrag und wurde dem Antrag im Zuge des Familienverfahrens stattgegeben und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Eltern und vier Geschwister des Beschwerdeführers leben als anerkannte Flüchtlinge in Österreich.

Der Beschwerdeführer wurde viermal in Österreich rechtskräftig strafrechtlich verurteilt und zwar mit:

* Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 151 HV 49/2009X, vom 06.08.2009 wegen § 142 Abs. 1 iVm § 15 StGB sowie §§ 105, 106 Abs. 1Z 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und unter Anordnung der Bewährungshilfe;

* Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 154 HV 111/2009M, vom 15.02.2010 wegen §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB sowie §§ 105, 106 Abs. 1Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten sowie der Verhängung einer Zusatzstrafe - unter Bedachtnahme auf das Urteil 151 HV 49/2009X vom 06.08.2009 - gemäß §§ 31 und 40 StGB;

* Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 142 HV 47/2011i, vom 21.09.2011 wegen § 142 Abs. 1 iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren und sechs Monaten;

* Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 033 HV 31/2016t, vom 10.03.2016 wegen §§ 15, 127, 229 Abs. 1 StGB, § 50 Abs. 1 Z 2 u 3 WaffG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Monaten

Der Beschwerdeführer befand sich von 27.04.2011 bis 27.09.2012 und von 07.05.2014 bis 17.09.2014 in Haft. Seit 26.04.2016 befindet sich der Beschwerdeführer erneut in Haft.

Während seiner Haft hat der Beschwerdeführer Ordnungsstrafen wegen folgender Ordnungswidrigkeiten erhalten:

* wegen der unerlaubten Gewahrsam, am 10.07.2011;

* wegen Verstoß gegen allgemeine Pflichten – Verweis, am 16.08.2011,

* wegen unerlaubter Gewahrsame, am 17.08.2011

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer – auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens, wonach er ein Medikament gegen Schmerzen auf Grund seiner ehemaligen Heroinabhängigkeit einnimmt – an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet, welche eine Rückkehr in die Russische Föderation iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden. Eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers wurde jedenfalls nicht vorgebracht.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Be-schwerdeführers in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder inner-staatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer Tschetschenisch und Deutsch spricht. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und hat keine Obsorgeverpflichtungen. Bis zu seiner Ausreise im Jahr 2004 hat der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation gelebt. Er hat zwei Jahre die Volksschule in Tschetschenien, zwei Jahre die Volksschule in Klagenfurt und vier Jahre die Hauptschule besucht. Der Beschwerdeführer verfügt über einen Pflichtschulabschluss. Er hat mehrere Lehren begonnen (KFZ-Mechaniker, als Schlosser, als Metallverarbeitungstechniker). Im Jahr 2014 hat er – bis zu seiner Haft im Jahr 2016 - begonnen als Schlosser zu arbeiten. Zudem hat der Beschwerdeführer ein Zertifikat - Europäischer Computer Führerschein - erworben.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in Österreich eine Lebensgemeinschaft bzw. eine eheähnliche Beziehung führt. Die soziale Integration des Beschwerdeführers beschränkt sich derzeit im Wesentlichen auf die Mithäftlinge in den Justizanstalten.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Russland gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

Zur Situation in Tschetschenien / in der Russischen Föderation wird festgestellt:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 20.6.2014, vgl. GIZ 2.2015c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12.6.1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12.12.1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7.5.2012 Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er wurde am 4.3.2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident; zuvor war er auch 1999-2000 und 2008-2012 Ministerpräsident. Dmitri Anatoljewitsch Medwedew, seinerseits Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8.5.2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Bei der letzten Dumawahl im Dezember 2011 hat die auf Putin ausgerichtete Partei "Einiges Russland" ihre bisherige Zweidrittelmehrheit in der Staatsduma verloren, konnte jedoch eine absolute Mehrheit bewahren. Die drei weiteren in der Duma vertretenen Parteien (Kommunistische Partei, "Gerechtes Russland" und Liberal-Demokratische Partei Russlands) konnten ihre Stimmenanteile ausbauen. Wahlfälschungsvorwürfe bei diesen Dumawahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste im Dezember 2011 und Anfang 2012. Seit Mai 2012 wird eine stete Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden im Sommer 2012 das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, 2013 ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen. Im Februar 2014 wurde die Extremismus-Gesetzgebung verschärft, sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, was die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zu Nichte macht (AA 11 .2014a).

Russland ist eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum. In zahlreichen russischen Regionen fanden zuletzt am 14.9.2014 Gouverneurs- und Kommunalwahlen statt. In der Praxis kam es dabei wie schon im Vorjahr zur Bevorzugung regierungsnaher und Behinderung oppositioneller Kandidaten. Wie bereits 2013 war die Wahlbeteiligung zum Teil sehr niedrig, in Moskau nur bei rund 21% (AA 11 .2014a). Am einheitlichen Wahltag 14.9.2014 fanden in Russland laut der Zentralen Wahlkommission mehr als 6.000 Wahlen unter Teilnahme von 63 Parteien auf regionaler und kommunaler Ebene statt. Die Regierungspartei "Einiges Russland" hat bei den Regionalwahlen fast überall ihre Spitzenposition gefestigt. Auf der Halbinsel Krim holte sie laut der Wahlleitung mehr als 70% der Stimmen. Bei den Gouverneurswahlen in 30 Föderationssubjekten wurden alle Kandidaten von "Einiges Russland" sowie von der Partei unterstützte Kandidaten gewählt. Die Partei gewann auch alle drei Bürgermeisterwahlen in den regionalen Hauptstädten und erzielte die Mehrheit in 14 Regionalparlamenten und 6 Stadtparlamenten regionaler Hauptstädte. Zwar konnten bei den Regionalwahlen mit der Senkung der Sperrklausel von sieben auf fünf Prozent auch den demokratischen Wettbewerb stärkende Entwicklungen festgestellt werden, allerdings wurden gleichzeitig das Verhältnis- zugunsten des Mehrheitswahlrechts geschwächt und die Registrierungsvorschriften verschärft. In Moskau, wo das Wahlrecht auf ein reines Mehrheitswahlsystem geändert wurde, gewannen "Einiges Russland" und die von ihr unterstützten Kandidaten bei einer Wahlbeteiligung von 21% 38 von 45 Sitzen der Stadtduma. Die Wahlrechtsassoziation "Golos" meldete einzelne Wahlverstöße, z. B. den Ausschluss unabhängiger Wahlbeobachter aus Wahllokalen und sagte die Wahlbeobachtung im Gebiet Tjumen nach Drohungen durch Polizei und Justiz ab (GIZ 3.2015a).

Quellen:

* AA – Auswärtiges Amt (11.2014a): Russische Föderation – Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 2.4.2015

* CIA – Central Intelligence Agency (20.6.2014): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html , Zugriff 2.4.2015

* GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2015a): Russland, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/russland/geschichte-staat/#c17900 , Zugriff 2.4.2015

* GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2015c): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/russland/gesellschaft/ , Zugriff 2.4.2015

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl – 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) – ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Gemäß der letzten offiziellen Volkszählung 2010 hat Tschetschenien 1,27 Millionen Einwohner/innen. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russ/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015). Die Macht von Ramsan Kadyrow ist in Tschetschenien unumstritten. Kadyrow versucht durch Förderung einer moderaten islamischen Identität einen gemeinsamen Nenner für die fragmentierte, tribalistische Bevölkerung zu schaffen. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig, da er alle potentiellen Rivalen ausgeschalten habe und über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Präsident Putin verfüge (ÖB Moskau 10.2014).

Sowohl bei den gesamtrussischen Duma-Wahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zur russischen Präsidentschaft im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen (Welt 5.3.2012, Ria Novosti 5.12.2012, vgl. auch ICG 6.9.2013).

Quellen:

* BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

* ICG – International Crisis Group (6.9.2013): The North Caucasus:

The Challenges of Integration (III), Governance, Elections, Rule of Law,

http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1379094096_the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-226-the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-governance-elections-rule-of-law.pdf , Zugriff 1.4.2015

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

* RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2015): The Unstoppable Rise Of Ramzan Kadyrov, http://www.rferl.org/content/profile-ramzan-kadyrov-chechnya-russia-putin/26802368.html , Zugriff 1.4.2015

* Ria Novosti (5.12.2012): United Russia gets over 99 percent of votes in Chechnya,

http://en.rian.ru/society/20111205/169358392.html , Zugriff 1.4.2015

* Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/laenderinformation/laenderinformation_russiche_foederationtschetschenische_republik/ , Zugriff 1.4.2015

* Die Welt (5.3.2012): In Tschetschenien stimmen 99,76 Prozent für Putin,

http://www.welt.de/politik/ausland/article13903750/In-Tschetschenien-stimmen-99-76-Prozent-fuer-Putin.html , Zugriff 1.4.2015

Sicherheitslage

Russische Behörden gehen weiterhin von einer terroristischen Gefahr auch außerhalb des Nordkaukasus aus (SFH 25.7.2014, vgl. AA 1.4.2015b). Aus Sicht der Behörden versuchen die Aufständischen nicht nur den Nordkaukasus zu destabilisieren, sondern auch Terroranschläge in anderen Regionen Russlands zu verüben. Nach Angaben russischer Experten spiegelt die Wahl von Alaiskhab Kebekov als neuem Führer des kaukasischen Emirats, die Tatsache wider, dass mittlerweile Dagestan und nicht mehr Tschetschenien das Zentrum des Aufstands ist (SFH 25.7.2014).

Die Terroranschläge auf den zwischen Moskau und St. Petersburg verkehrenden Newski Express Ende November 2009 (28 Todesopfer), die beiden Anschläge in der Moskauer U-Bahn am 29.3.2010 (40 Todesopfer), der Anschlag auf den Moskauer Flughafen Domodedowo am 24.1.2011 (37 Todesopfer darunter zwei österreichische Staatsbürger) sowie zwei Selbstmordanschläge auf den Bahnhof bzw. einen Trolley-Bus in Wolgograd Ende Dezember 2013 (33 Todesopfer) (ÖB Moskau 10.2014, vgl. AA 1.4.2015b) scheinen von Tätern aus dem Nordkaukasus verübt worden zu sein, um somit zu zeigen, dass die Unruhe im Nord-Kaukasus auch auf das russische Kernland ausstrahlt. Zuletzt häuften sich Berichte, wonach zahlreiche Personen aus dem Nordkaukasus sich an Kämpfen in Syrien und zuletzt auch dem Irak auf Seiten radikalislamischer Gruppierungen und Organisationen (IS, Al Nusra-Front, ) beteiligen sollen. Die diesbezüglichen Angaben schwanken: von offizieller Seite werden die russisch-stämmigen Kämpfer auf einige Hundert geschätzt. Experten gehen hingegen von bis zu 2.000 Kämpfern mit russ. Staatsbürgerschaft aus (davon 1500 aus Tschetschenien, 200 aus Dagestan, der Rest aus anderen Gebieten). Auch in Österreich wurden Fälle bekannt, in denen Personen tschetschenischer Herkunft sich an Kämpfen in Syrien beteiligt bzw. dies zumindest ernsthaft versucht haben sollen oder andere Personen als Kämpfer für den Nahen Osten angeworben haben.

Beobachter sehen dies als neues Phänomen an: bis vor kurzem hätten Tschetschenen und andere Kaukasier fast ausschließlich in ihrer Heimatregion gekämpft, um diese von der russischen Herrschaft zu befreien. Der Bürgerkrieg in Syrien zeige insofern eine Neuausrichtung des bisher stark nationalistischen Jihadismus der Kaukasier hin zu mehr Integration in die transnationale Szene. In Syrien sollen Kaukasier mittlerweile die größte nicht-arabische Gruppe unter den ausländischen Kämpfern darstellen und zugleich auch aufgrund ihrer Kampferfahrung und Homogenität eine der effektivsten Gruppierungen sein. Russische Offizielle warnten wiederholt vor den Gefahren, die für Russland (und andere Staaten) entstünden, wenn diese Personen mit der gesammelten Kampferfahrung in ihre Heimat zurückkehren. Berichten russischer Zeitungen zu Folge werden aus Syrien zurückkehrende Kämpfer bei ihrer Rückkehr nach Russland in der Regel umgehend verhaftet und vor Gericht gestellt (ÖB Moskau 10.2014).

Quellen:

* AA – Auswärtiges Amt (1.4.2015b): Russische Föderation – Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html , Zugriff 1.4.2015

* SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (25.7.2014): Russland:

Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger außerhalb Dagestans,

http://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/europa/russland/russland-verfolgung-von-verwandten-dagestanischer-terrorverdaechtiger-ausserhalb-dagestans.pdf , Zugriff 1.4.2015

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

Tschetschenien

In Tschetschenien ist es seit 2010 zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt (teilweise bewirkte dies ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien). Als besonders unruhig gilt die an die Nachbarrepublik Dagestan angrenzende Region (ÖB Moskau 10.2014).

2014 gab es in Tschetschenien 117 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 52 Tote und 65 Verwundete. Dies bedeutet einen Anstieg um 15,8% im Vergleich zu 2013 (39 Tote, 62 Verwundete). Tschetschenien ist die einzige Region im Nordkaukasus in der die Opferzahlen 2014 im Vergleich zu 2013 anstiegen (Caucasian Knot 31.1.2015). Tschetschenien ist von den schwersten Gefechten zwischen islamistischen Kämpfern und Sicherheitskräften seit Jahren erschüttert worden. Dabei wurden am Donnerstag, den 4.12.2014, in der Hauptstadt Grosny mindestens 10 Angreifer und 10 Beamte getötet sowie 20 weitere Personen verletzt (NZZ 4.12.2014). Zu der Attacke soll sich in einem Video das Kaukasus Emirat bekannt haben. Ob das Material und die Angaben authentisch sind, wird genauso kontrovers diskutiert wie die Frage, wie stark die Gruppe der Angreifer war. Die Zahlen reichen von 10 bis über 200 Bewaffneten. Moskau und das Oberhaupt Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, gehen dagegen von einem internationalen Hintergrund aus und stellen die Attacke in Verbindung mit Vorgängen innerhalb der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien. Nach einem Schusswechsel mit Polizisten an einem Kontrollposten teilten sich die Angreifer, in mehrere Gruppen auf. Eine davon verschanzte sich im "Haus der Presse". Die Sicherheitsbehörden umstellten das Gebäude und nahmen es unter Feuer. In den oberen Stockwerken brachen Brände aus, es kam zu Explosionen. Ein anderer Teil der Angreifer setzte sich nur einige Straßen weiter in einer Schule fest. Andere Personen sollen sich nicht darin befunden haben. Die Feuergefechte hielten bis zum Donnerstagnachmittag an. Am selben Tag hielt Putin seine Rede zur Lage der Nation. In letzter Zeit nahmen die Aktivitäten des als zersplittert und geschwächt eingeschätzten islamistischen Untergrunds wieder etwas zu. Im Oktober 2014 sprengte sich in Grosny ein Selbstmordattentäter in die Luft und riss fünf Personen mit in den Tod. Hinter dem 19-jährigen Täter aus Grosny wird allerdings eher eine autonom agierende Splittergruppe vermutet. Zu vergleichen sind die beiden Vorfälle ohnehin nicht. Die Attacke am 4.12.2014 glich einer komplexen militärischen Operation. Dafür bedarf es Planung, Erfahrung und Geld. Dass die russischen Behörden dabei eine Verbindung ins Ausland vermuten, überrascht nicht. In den Reihen des IS stehen auch Extremisten mit nordkaukasischen Wurzeln, von einigen hundert ist die Rede. Schon mehrmals in diesem Jahr stießen Fraktionen der Terrormiliz Drohungen gegen Russland aus. Die Gefahr für Russland geht laut Experten dabei jedoch mehr von Rückkehrern aus Syrien oder dem Irak aus, als dass die Strategen des IS den Nordkaukasus als neues Kampffeld für ihren Jihad auserkoren hätten (NZZ 4.12.2014, vgl. Die Presse 4.12.2014).

Quellen:

* Caucasian Knot (31.1.2015): In 2014, there were 525 victims of armed conflict in Northern Caucasus, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/30689/ , Zugriff 19.3.2015

* NZZ – Neue Zürcher Zeitung (4.12.2014): Tote bei Gefechten in Grosny,

http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/tote-bei-gefechten-in-grosny-1.18438064 , Zugriff 19.3.2015

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

* Die Presse (4.12.2014): Tschetschenien: Gefechte mit Islamisten im Zentrum Grosnys,

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4612135/Tschetschenien_Gefechte-mit-Islamisten-im-Zentrum-Grosnys?from=gl.home_politik , Zugriff 19.3.2015

Rechtsschutz/Justizwesen

Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig; allerdings haben sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der russische Ombudsmann als auch russische NGOs wiederholt Missstände im russischen Justizwesen kritisiert: Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten zu Freisprüchen: Lediglich 1,1% der eingeleiteten Strafverfahren enden mit Freispruch des Angeklagten. Das geringe Vertrauen der russischen Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Justiz wird durch Umfragen belegt: einer im Juli 2013 veröffentlichten Umfrage des Lewada-Zentrums zu Folge glauben nur 27% der Bevölkerung an die Unabhängigkeit der russischen Justiz. Der Europarat empfahl Russland im November 2013 substantielle Reformen zur Beseitigung systemischer Defizite in der Justizverwaltung und zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz. Großes auch internationales Aufsehen erregten zuletzt etwa die Verurteilung des Oppositionellen Alexej Nawalny am 18.7.2013 zu 5 Jahren Haft wegen Unterschlagung (wurde in eine bedingte Strafe umgewandelt). Zudem wurden zahlreiche Personen im Zusammenhang mit Ausschreitungen bei einer großen regierungskritischen Demonstration auf dem Bolotnaja-Platz am 6.5.2012 wegen Teilnahme an "Massenunruhen" und Gewalt gegen Staatsbeamte zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Amnesty International betrachtet die Verurteilten als gewaltlose politische Gefangene. Während seiner Präsidentschaft hatte der nunmehrige Premierminister Medwedjew versucht, Reformen des Justizwesens zu initiieren, etwa durch die Möglichkeit einer Kaution anstelle von Untersuchungshaft bei Wirtschaftsdelikten oder die Förderung von Geldstrafen und anderen alternativen Strafformen. Diese werden in der Praxis jedoch nach wie vor kaum angewandt. Anfang Juli 2013 wurde auf Initiative des russischen Unternehmens-Ombudsmanns eine Amnestie für Personen verfügt, die wegen bestimmten Wirtschaftsdelikten inhaftiert sind. Die Amnestie soll für jene gelten, die zum ersten Mal wegen Wirtschaftsdelikten verurteilt wurden und entweder den Schaden bereits gut gemacht haben oder dazu bereit sind. Experten gehen davon aus, dass bis zu 13.000 Personen von der Amnestie profitieren könnten (bis zum 28.8.2013 kamen offiziellen Angaben zu Folge effektiv 143 Personen frei). Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Annahme der russischen Verfassung im Jahr 1993, wurde im Dezember 2013 eine umfassendere Amnestie für Straftäter erlassen. Der russischen Strafvollzugsbehörde zu Folge sollen 22.700 von der Amnestie profitiert haben; knapp über 1.000 Personen sollen enthaftet worden sein. Für Aufregung sorgte auch die Erweiterung des strafrechtlichen Begriffes "Hochverrat", der nunmehr jede finanzielle, materielle oder beratende Unterstützung für einen anderen Staat oder internationale Organisation beinhaltet, wenn diese Tätigkeit eine Gefahr für die Sicherheit Russlands darstellt. Kontakte mit zivilen ausländischen Organisationen können als Straftat gewertet werden, wenn nachgewiesen wird, dass diese Organisationen gegen Russland agieren. Vor dem Sommer 2012 wurde zudem "Verleumdung" erneut als Tatbestand in das russische Strafgesetzbuch aufgenommen, nachdem dies erst im Vorjahr auf Initiative des damaligen Präsidenten Medwedjews gestrichen worden war. Der Strafrahmen wurde von früher umgerechnet 75 auf bis zu 125.000 Euro erhöht. Kritiker befürchten, dass Oppositionelle mit dem verschärften Gesetz mundtot gemacht und insbesondere kritische Journalisten eingeschüchtert werden sollen. Das in Russland geltende Anti-Extremismusgesetz sollte ursprünglich insbesondere helfen, rassistische Straftaten im Land einzudämmen. Es sind jedoch auch schon mehrere Fälle einer fragwürdigen Anwendung bekannt. Auch gegen religiöse Gruppen wie die Zeugen Jehovas, Scientology oder Falun Gong wird mit Hilfe des Anti-Extremismusgesetzes vorgegangen (Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, teilweise auch vorübergehende Festnahmen). Die Parlamentarische Versammlung des Europarates drückte im Februar 2012 in einer Resolution "tiefe Besorgnis" über die missbräuchliche Anwendung des Extremismusgesetzes gegen die Zeugen Jehovas und Falun Gong aus. Verhängte Sanktionen bestehen zumeist in (niedrigen) Geldstrafen, alternativen Strafformen (soziale Arbeit) oder Bewährungsstrafen. Nach der Krim-Annexion im März 2014 ist verstärkt zu beobachten, dass die russischen Behörden unter dem Deckmantel des Extremismus-Gesetzes gegen kritische Vertreter der Krim-Tataren vorgehen. Politisch tätige und aus dem Ausland finanzierte NGOs müssen sich seit einer Novellierung des NGO-Gesetzes als "ausländische Agenten" deklarieren und sind einer strikten behördlichen Kontrolle unterworfen. Anfang September 2014 waren 13 NGOs beim russischen Justizministerium als "ausländische Agenten" registriert. Mehrere Organisationen und Einzelpersonen, welche eine solche Registrierung verweigerten, wurden bereits zu Geldstrafen bzw. zur vorübergehenden Schließung verurteilt (etwa die auf Wahlbeobachtung spezialisierte NGO "Golos"). Im Zuge einer Verschärfung des NGO-Gesetzes im Juni 2014 erhielt das Justizministerium das Recht, NGOs eigenständig in das Register der ausländischen Agenten einzutragen (ÖB Moskau 10.2014, vgl. US DOS 27.2.2014).

Von einer Amnestie im Dezember 2013 konnten mehrere tausend Personen profitieren (u.a. die Aktivistinnen von "Pussy Riot"), zudem begnadigte Staatspräsident Putin den seit fast zehn Jahren inhaftierten Michail Chodorkowskij. Der Druck auf andere Regimekritiker bzw. Teilnehmer von Protestaktionen hingegen nimmt zu, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen (AA 11 .2014a, vgl. GIZ 2.2015a, ÖB Moskau 10.2014).

Im November 2013 ist in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, mit denen man die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreichen wolle und die darauf abzielen würden, die "harte Form" des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus bereits angewendet (CACI 11.12.2013, vgl. US DOS 27.2.2014).

Quellen:

* AA – Auswärtiges Amt (11.2014a): Russische Föderation – Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 2.4.2015

* CACI Analyst – Central Asia-Caucasus Institute (11.12.2013): New Anti-Terrorism Law to Target Families of North Caucasus Insurgents, http://www.cacianalyst.org/publications/analytical-articles/item/12876-new-anti-terrorism-law-to-target-families-of-north-caucasus-insurgents.html , Zugriff 2.4.2015

* GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2015a): Russland, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/russland/geschichte-staat/#c17900 , Zugriff 2.4.2015

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

* U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 2.4.2015

Tschetschenien

Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation einschließlich Tschetscheniens. Neben dem russischen föderalen Recht spielen sowohl Adat als auch Scharia eine wichtige Rolle in Tschetschenien. Präsident Ramsan Kadyrow unterstreicht die Bedeutung, die der Einhaltung des russischen Rechts zukommt, verweist zugleich aber auch auf den Stellenwert des Islam und der tschetschenischen Tradition. Das Adat ist eine Art Gewohnheitsrecht, das soziale Normen und Regeln festschreibt. Dem Adat-Recht kommt in Zusammenhang mit der tschetschenischen Lebensweise eine maßgebliche Rolle zu. Allgemein gilt, dass das Adat für alle Tschetschenen gilt, unabhängig von ihrer Klanzugehörigkeit. Das Adat deckt nahezu alle gesellschaftlichen Verhältnisse in Tschetschenien ab und regelt die Beziehungen zwischen den Menschen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese Alltagsregeln von einer Generation an die nächste weitergegeben. Adat ist in Tschetschenien in Ermangelung einer Zentralregierung bzw. einer funktionierenden Gesetzgebung erstarkt. Die Religion fasste in Tschetschenien aus den verschiedensten Gründen nicht Fuß. Daher dient das Adat als Rahmen für die gesellschaftlichen Beziehungen. In der tschetschenischen Gesellschaft ist jedoch auch die Scharia von Bedeutung. Die meisten Tschetschenen sind sunnitische Muslime und gehören der sufistischen Glaubensrichtung des sunnitischen Islams an [für Informationen bezüglich Sufismus vgl.: ÖIF Monographien (2013): Glaubensrichtungen im Islam]. Der Sufismus enthält u. a. auch Elemente der Mystik. Eine sehr kleine Minderheit der Tschetschenen sind Salafisten. Formal gesehen hat das russische föderale Recht Vorrang vor Adat und Scharia, doch sind sowohl das Adat als auch die Scharia in Tschetschenien genauso wichtig wie die russischen Rechtsvorschriften. Iwona Kaliszewska, Assistenzprofessorin am Institut für Ethnologie und Anthropologie der Universität Warschau, führt an, dass sich die Republik Tschetschenien in Wirklichkeit außerhalb der Gerichtsbarkeit des russischen Rechtssystems bewegt, auch wenn sie theoretisch darunter fällt. Dies legt den Schluss nahe, dass sowohl Scharia als auch Adat zur Anwendung kommen und es unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Frage gibt, welches der beiden Rechte einen stärkeren Einfluss auf die Gesellschaft ausübt (EASO 9.2014a, S. 9).

Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen ist weiterhin verbreitet, trotz der rund 200 diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR. Diese Verletzungen beziehen sich auf ungerechtfertigte Gewaltanwendung, rechtswidrige Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Folter und Misshandlungen, die Unterlassung effektiver Untersuchungen dieser Verbrechen und das Fehlen eines effektiven Rechtmittels, Versagen in der Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof und unrechtmäßige Durchsuchungen, Festnahmen und Zerstörung von Eigentum (CoE 12.11.2013). Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist in Tschetschenien völlig unzureichend. Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen (AA 10.6.2013).

Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen – sei es mit Lebensmitteln, Kleidung oder Unterschlupf für Rebellen oder sei es durch Waffen – in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können, ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug (BAA/Staatendokumentation 20.4.2011).

In Bezug auf Vorladungen von der Polizei in Tschetschenien ist zu sagen, dass solche nicht an Personen verschickt werden, die man verdächtigt, Kontakt mit dem islamistischen Widerstand zu haben. Solche Verdächtige würden ohne Vorwarnung von der Polizei mitgenommen, ansonsten wären sie gewarnt und hätten Zeit zu verschwinden (DIS 1.2015).

Quellen:

Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst FSB und die Generalstaatsanwaltschaft sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Gegenspionage und des Antiterrorismus betraut, aber auch mit Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung. Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt. Nach dem Gesetz können Personen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Zustimmung inhaftiert werden, wenn sie am Schauplatz eines Verbrechens verhaftet werden, vorausgesetzt es gibt Beweise oder Zeugen. Ansonsten ist ein Haftbefehl notwendig. Verhaftete müssen von der Polizei über ihre Rechte aufgeklärt werden und die Polizei muss die Gründe für die Festnahme dokumentieren. Der Verhaftete muss innerhalb von 24 Stunden einvernommen werden, davor hat er das Recht, für zwei Stunden einen Anwalt zu treffen. Im Allgemeinen werden die rechtlichen Einschränkungen betreffend Inhaftierungen eingehalten, mit Ausnahme des Nordkaukasus. Die Regierung verabsäumte es angemessene Schritte zu setzen um die meisten Behördenvertreter welche Missbräuche begingen, zu verfolgen oder zu bestrafen, wodurch ein Klima der Straffreiheit entstand. Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungstruppen, Aufständischen, islamischen Militanten und Kriminellen zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen führt, einschließlich Morde, Folter, körperliche Misshandlung und politisch motivierte Entführungen (USDOS 27.2.2014).

Die russische Polizei genießt in der Bevölkerung wenig Ansehen und steht im Ruf, oft selbst in Kriminalität und Korruption verwickelt zu sein. Vielfach wird von Misshandlungen von Personen in Polizeigewahrsam berichtet, meist um Geständnisse zu erzwingen, die häufig die Hauptgrundlage für russ. Gerichtsurteile darstellen. Im März 2011 trat ein neues russ. Polizeigesetz in Kraft. Neben der Namensänderung ("Polizei" statt wie bisher "Miliz") sollten damit die Bürgerrechte gestärkt werden. Für die Reform des Innenministeriums hatte die russische Regierung in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 7,9 Mrd. Euro zusätzlich im Budget eingeplant. In dieser Summe sind auch höhere Gehälter enthalten, die Polizisten korruptionsresistenter machen sollen. Im selben Zeitraum sollte die Zahl der Beamten um ca. ein Drittel reduziert werden. Ein großer Teil der beim EGMR eingehenden Beschwerden gegen die Russische Föderation betreffen das Exekutiv- und Strafvollzugssystem (ÖB Moskau 10.2014).

Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert (BAMF 10.2013). Von russischer Seite werden die meisten Operationen im Nordkaukasus gegen Terroristen heute nicht mehr vom Militär, sondern von Einheiten des Innenministeriums und des Geheimdienstes durchgeführt. Diese sind zwar nicht weniger schwer bewaffnet, nur soll so der Eindruck eines Krieges vermieden werden. Insgesamt ist der sicherheitspolitische Aufwand für Russland im Nordkaukasus gewaltig, und die Verluste sind hoch (Zenithonline 10.2.2014). Der Großteil der Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus wird Sicherheitskräften zugeschrieben. In Tschetschenien sind sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Letztere werden bezeichnender Weise oft Kadyrowzy genannt, nicht zuletzt, da in der Praxis fast alle tschetschenischen Sicherheitskräfte unter der Kontrolle Ramsan Kadyrows stehen dürften (Rüdisser 11.2012).

Quellen:

* BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

* Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/laenderinformation/laenderinformation_russiche_foederationtschetschenische_republik/ , Zugriff 2.4.2015

* U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 2.4.2015

* Zenithonline (10.2.2014): Speznaz, Spiele und Korruption, http://www.zenithonline.de/deutsch/politik/a/artikel/speznaz-spiele-und-korruption-004017/ , Zugriff 2.4.2015

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Es gibt jedoch zahlreiche glaubwürdige Berichte, dass Exekutivbeamte in Fälle von Folter, Misshandlung und Gewaltanwendung zum Erzwingen von Geständnissen verwickelt sind, und es gab Vorwürfe, dass die Regierung Beschuldigte nicht konsequent zur Verantwortung zieht. Folter ist nicht gesetzlich definiert, daher können verdächtigte Polizisten von der Staatsanwaltschaft nur aufgrund von Machtmissbrauch oder einfacher Körperverletzung angeklagt werden. In den Nordkaukasuskonflikt involvierte Regierungsbeamte foltern und misshandeln Berichten zufolge Zivilisten und Konfliktteilnehmer. Physische Misshandlung von Verdächtigen durch Polizisten geschieht für gewöhnlich in den ersten Stunden oder Tagen nach der Inhaftierung. Streitkräfte und Polizeieinheiten misshandeln sowohl Rebellen als auch Zivilisten in Anhaltezentren.

Menschenrechtsgruppen weisen darauf hin, dass die körperliche Misshandlung von Frauen in der Region Nordkaukasus zunimmt. Das Niederbrennen von Häusern mutmaßlicher Rebellen wird Berichten zufolge fortgesetzt. Im Nordkaukasus wird von Folterungen sowohl durch lokale Sicherheitsorganisationen als auch durch Föderale Sicherheitsdienste berichtet (USDOS 27.2.2014).

Ein Drittel der beim Ombudsmann für Menschenrechte eingehenden Beschwerden beziehen sich auf polizeiliche Gewalt bzw. Willkür gegenüber Verdächtigen. Exekutivpersonal greift manchmal auf Misshandlungs- und Folterpraktiken zurück, um Geständnisse zu erzwingen. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen oft nur auf Geständnisse der Beschuldigten basieren, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Exekutivbeamte werden oft nicht untersucht. Besonders oft wird Folter offenbar im Nordkaukasus angewendet (ÖB Moskau 10.2014, vgl. DIS 1.2015).

2014 gingen weiterhin Berichte über Folterungen und andere Misshandlungen aus dem ganzen Land ein. Opfer, die ihr Recht auf Entschädigung geltend machen wollten, wurden häufig unter Druck gesetzt, um sie zu einer Rücknahme ihrer Klage zu bewegen. Untersuchungen von Foltervorwürfen blieben fast immer folgenlos. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel anerkannt. Nur in einigen wenigen Fällen, in denen sich in der Regel Menschenrechtsorganisationen eingeschaltet hatten, wurde Anklage gegen die an der Folter beteiligten Staatsbediensteten erhoben (AI 25.2.2015).

Medien und NGOs berichten über Exekutivkräfte und Gefängnispersonal, die in Folter verwickelt sind. Missbrauch und exzessive Gewaltanwendung sind verbreitet und lassen darauf schließen, dass dies vor allem im Strafsystem regelmäßig vorkommt. Schlechte Ausbildung und eine Kultur der Straffreiheit tragen zu dieser Situation bei. Die russische NGO Committee Against Torture zeigt Folter durch Exekutivkräfte im Nordkaukasus auf und arbeitet daran, dass diese für ihre Vergehen bestraft werden (UK FCO 12.3.2015).

Quellen:

* AI – Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation,

https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/russische-foederation , Zugriff 9.3.2015

* DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf , Zugriff 2.4.2015

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

* UK FCO – UK Foreign and Commonwealth Office (12.3.2015): Human Rights and Democracy Report 2014 - Section XII: Human Rights in Countries of Concern – Russia,

https://www.gov.uk/government/publications/russia-country-of-concern--2/russia-country-of-concern#conflict-and-protection-of-civilians , Zugriff 26.3.2015

* U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 11.3.2015

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Nach einer Novellierung des NGO-Gesetzes werden politisch tätige und aus dem Ausland finanzierte NGOs als "ausländische Agenten" deklariert und einer strikten behördlichen Kontrolle unterworfen. Mehrere Organisationen und Einzelpersonen, welche eine solche Registrierung verweigerten, wurden bereits zu Geldstrafen bzw. zur vorübergehenden Schließung verurteilt (ÖB Moskau 10.2014).

Auch Zivilgesellschaftlich engagierte Bürgerinnen und Bürger mussten 2014 weiterhin mit Schikanen, öffentlichen Angriffen, Verleumdungen und in einigen Fällen auch mit Strafverfolgung rechnen. Das gesamte Jahr über wurden unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen mit Hilfe des sogenannten Agentengesetzes unter Druck gesetzt. Das 2012 eingeführte Gesetz verpflichtet NGOs, die Gelder aus dem Ausland erhalten und nicht näher definierten "politischen Aktivitäten" nachgehen, sich als "ausländische Agenten" zu registrieren und ihre Publikationen dementsprechend zu kennzeichnen. 2013 und 2014 mussten Hunderte von NGOs unangekündigte offizielle "Inspektionen" über sich ergehen lassen, Dutzende sahen sich zu langwierigen Gerichtsverfahren gezwungen, um sich gegen die Registrierung zur Wehr zu setzen (AI 25.2.2015). Im Mai 2014 wurde das Gesetz dahingehend geändert, dass das Justizministerium NGOs auch ohne ihre Zustimmung als "ausländische Agenten" registrieren kann (AI 25.2.2015, vgl. Gannuschkina 3.12.2014). Bis Ende 2014 waren 29 NGOs auf diese Weise registriert worden, darunter mehrere führende Menschenrechtsorganisationen. Mindestens fünf NGOs beschlossen aufgrund dieser Schikanen, sich aufzulösen. Mitglieder der NGO Ekovakhta (Umweltwacht Nordkaukasus), die Umweltschäden im Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen in Sotschi dokumentierten, wurden im Vorfeld des Sportereignisses unentwegt von Sicherheitsbeamten schikaniert. Die beiden Mitglieder Jewgeni Witischko und Igor Chartschenko wurden wegen haltloser Vorwürfe festgenommen und während der Eröffnung der Spiele in Gewahrsam gehalten. Jewgeni Witischko verlor während seiner Haft ein Berufungsverfahren, bei dem es um unverhältnismäßige Anklagen ging, die ihn und seine NGO zum Schweigen bringen sollten. Er wurde zur Verbüßung einer dreijährigen Freiheitsstrafe umgehend in eine Strafkolonie verbracht. Im März 2014 musste Ekovakhta auf Anweisung eines Gerichts alle Tätigkeiten vorübergehend einstellen. Im November verfügte eine weitere Gerichtsentscheidung die Auflösung der NGO wegen eines geringfügigen formalen Verstoßes. Das Justizministerium beantragte vor Gericht die Schließung der Organisation Memorial Russland, die als Dachorganisation für die russischen Gesellschaften von Memorial fungiert. Beanstandet wurden vermeintlich fehlerhafte Registrierungen. Die Anhörung wurde verschoben, weil sich die NGO um eine Berichtigung der Registrierung bemühte (AI 25.2.2015).

Menschenrechtler beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sind autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten. Jedoch entstehen an vielen Orten neue Formen zivilgesellschaftlichen Agierens: Autofahrer protestieren gegen die Willkür der Verkehrspolizei, Strategie 31 setzt sich für die Versammlungsfreiheit ein, Umweltschützer verhindern Atommülltransporte, die Künstlergruppe Wojna setzt auf spektakuläre Protestaktionen. Die Verbindungen zwischen diesen "Initiativen von unten" und den etablierten russischen NGOs sind aber noch gering (GIZ 3.2015a).

Quellen:

* AI – Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation,

https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/russische-foederation , Zugriff 2.4.2015

* Gannuschkina, Swetlana (3.12.2014): UNHCR Veranstaltung "Informationsaustausch über die Lage in der Russischen Föderation/ Nordkaukasus" im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

* GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2015a): Russland, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/russland/geschichte-staat/#c17900 , Zugriff 2.4.2015

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

Allgemeine Menschenrechtslage

Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich zwar immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten, es mangelt aber an der praktischen Umsetzung. Trotz vermehrter Reformbemühungen, insbesondere im Strafvollzugsbereich, hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann die im fünfstelligen Bereich liegenden ausständigen Verfahren gegen Russland kaum bewältigen; Russland sperrt sich gegen eine Verstärkung des Gerichtshofs. Menschenrechtler beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sind autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten. Jedoch entstehen an vielen Orten neue Formen zivilgesellschaftlichen Agierens: Autofahrer protestieren gegen die Willkür der Verkehrspolizei, Strategie 31 setzt sich für die Versammlungsfreiheit ein, Umweltschützer verhindern Atommülltransporte, die Art-Gruppe Wojna setzt auf spektakuläre Protestaktionen. Die Verbindungen zwischen diesen "Initiativen von unten" und den etablierten russischen NGOs sind aber noch gering (GIZ 3.2015a).

Menschenrechtsverteidiger beklagen zum Teil erhebliche Defizite bei der Umsetzung der in der Verfassung verankerten Rechte. Beklagt werden die mangelhafte Unabhängigkeit von Justiz und Gerichten, die weiterhin verbreitete Korruption sowie der gestiegene Druck auf die kritische Zivilgesellschaft und Opposition. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen werden aus dem Nordkaukasus gemeldet (AA 11 .2014a).

In einigen Bereichen gibt die Menschenrechtslage in Russland weiterhin Anlass zu Kritik. Grundlegende Rechte wie Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit werden nicht immer in vollem Umfang gewährt; Journalisten und Menschenrechtsverteidiger haben mit Behinderungen bei ihrer Arbeit zu kämpfen und sind in manchen Fällen sogar Bedrohungen an Leib und Leben ausgesetzt. Während es zahlreiche unabhängige Radiosender, Printmedien, Online-Portale und Buchverlage gibt, übt der Staat besonders auf das am weitesten verbreitete Medium Fernsehen beträchtlichen Einfluss aus. Zudem haben staatliche Stellen in der Vergangenheit wiederholt Gesetze gegen Extremismus, zur Regulierung von NGOs und allgemeine Steuergesetze angewendet, um Druck auf unabhängige Medien auszuüben. In der Folge von teils gewalttätigen Protesten im Mai 2012 wurden eine Reihe legislativer Maßnahmen, durch welche die Tätigkeit der politischen Opposition erschwert wird, angenommen. Anfang Juni 2012 unterzeichnete Präsident Putin eine Gesetzesnovelle zur deutlichen Verschärfung des russischen Versammlungsrechts. Das neue Gesetz sieht u.a. eine drastische Erhöhung der Geldstrafen für die Organisation und Teilnahme an nicht genehmigten Kundgebungen vor, enthält ein Vermummungsverbot und andere Einschränkungen (ÖB Moskau 10.2014).

Quellen:

* AA – Auswärtiges Amt (11.2014a): Russische Föderation – Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 2.4.2015

* GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2015a): Russland, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/russland/geschichte-staat/#c17900 , Zugriff 2.4.2015

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

Tschetschenien

Bei Operationen von Sicherheitskräften u.a. in Dagestan, Kabardino-Balkarien und Tschetschenien kam es zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen wie rechtswidrigen Festnahmen, Folter und anderen Misshandlungen, Verschwindenlassen und außergerichtlichen Hinrichtungen (AI 25.2.2015, vgl. HRW 29.1.2015). Am 4.12.2014 griffen bewaffnete Kämpfer in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny mehrere Regierungsgebäude an und töteten dabei mindestens einen Zivilisten und 14 Polizeibeamte. Am nächsten Tag kündigte der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow öffentlich an, man werde die Angehörigen der bewaffneten Männer des Landes verweisen und ihre Häuser zerstören. Mindestens 15 Häuser mit Dutzenden von Bewohnern, darunter kleinen Kindern, wurden niedergebrannt oder zerstört. Als Menschenrechtsverteidiger am 11.12.2014 in einer Pressekonferenz in Moskau dieses Vorgehen verurteilten und eine Untersuchung forderten, wurden sie mit Eiern beworfen. Über soziale Medien warf Ramsan Kadyrow dem Leiter der Menschenrechtsorganisation Joint Mobile Group, Igor Kalyapin vor, er unterstütze Terroristen. Am Abend des 13.12.2014 wurde bei einem mutmaßlich durch Brandstiftung verursachten Feuer das Büro der Organisation in Grosny zerstört. Am Tag danach hielten Polizisten zwei Mitarbeiter ohne Erklärung mehrere Stunden lang fest, führten Leibesvisitationen durch und konfiszierten ihre Mobiltelefone sowie mehrere Fotoapparate und Computer. Den Opfern von Menschenrechtsverletzungen standen nach wie vor praktisch keinerlei Rechtsmittel zur Verfügung, da die Strafjustiz weiterhin nicht effektiv arbeitete und von höchster politischer Stelle - zumeist heimlich - unter Druck gesetzt wurde. Präsident Kadyrow übte jedoch auch offen Kritik an tschetschenischen Richtern und Geschworenen, wenn sie in Strafverfahren Urteile verhängten, die seiner Ansicht nach zu mild ausfielen. Über Menschenrechtsverletzungen zu berichten, war weiterhin schwierig und gefährlich. Man geht davon aus, dass viele Vorfälle nie öffentlich gemacht wurden. Menschenrechtsverteidiger, unabhängige Journalisten und Rechtsanwälte, die sich mit Menschenrechtsverletzungen befassten, wurden häufig von Polizeikräften oder unbekannten Personen bedroht und schikaniert (AI 25.2.2015).

Seit 2002 sind in Tschetschenien über 2000 Personen entführt worden, von denen über die Hälfte bis zum heutigen Tage verschwunden bleibt. Auch heute noch wird von Fällen illegaler Festnahmen und Folter von Verdächtigen berichtet. Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. In einigen Fällen wurden Opponenten und Kritiker Kadyrows in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland durch Auftragsmörder getötet (darunter Mord an Umar Israilow in Wien im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden (ÖB Moskau 10.2014).

Quellen:

* AI – Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation,

https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/russische-foederation , Zugriff 31.3.2015

* HRW – Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/295447/430479_de.html , Zugriff 31.3.2015

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

Rebellentätigkeit / Unterstützung von Rebellen

Die Anzahl der Rebellen in Tschetschenien ist schwer zu konkretisieren, Schätzungen gehen von einem Dutzend bis ca. 120 Personen aus. Die Anzahl der tschetschenischen Rebellen ist sicherlich geringer, als jene z.B. in Dagestan, wo der islamistische Widerstand seinen Hotspot hat. Sie verstecken sich in den bergigen und bewaldeten Gebieten Tschetscheniens. Sie bewegen sich hauptsächlich zwischen Tschetschenien und Dagestan, weniger oft auch zwischen Tschetschenien und Inguschetien. Der islamistische Widerstand in Tschetschenien ist in drei Gruppen geteilt. Eine versteckt sich an der Grenze zu Inguschetien, wird vom Emir Khamzat kommandiert und in diesem Gebiet konnte sich der frühere Emir des Kaukasus Emirates Dokku Umarow sieben Jahre lang verstecken. Er soll das Gebiet nie verlassen haben. Die zweite Gruppe versteckt sich im Vedenskiy Distrikt und wurde von den Brüdern Muslim und Hussein Gakajew angeführt, die im Jänner 2013 bei einer Militäroperation getötet wurden. Neuer Kommandant ist Amir Mahran. Momentan gibt es zu dieser Gruppe keine Informationen, außer dass sie existiert. Sie hat in letzter Zeit keine Aktionen ausgeführt. Die dritte Gruppe versteckt sich in den bergigen Wäldern an der Grenze zu Dagestan. Emir Aslanbek ist ihr Kommandant. Er nahm schon am Ersten Tschetschenienkrieg teil und ist ein sehr erfahrener Kämpfer. Diese Gruppe operiert in Dagestan und untersteht dem Emir von Dagestan. Neben diesen drei Gruppen, die das tschetschenische Vilayat bilden, gibt es kleine Gruppen junger Männer, die zwar behaupten, Teil der jihadistischen Struktur zu sein und dem Emir Tschetscheniens zu unterstehen, was aber nicht stimmt. Diese kleinen Gruppierungen und weitere Individuen, deren Motivation die jihadistische Ideologie ist, sind fähig, Schießereien oder kleinere Bomben zu legen. Sie wenden sich – wie auch die jihadistischen Kämpfer des Emirates hauptsächlich gegen Polizisten, Mullahs und Beamte und nicht gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung. Kidnappings werden von tschetschenischen Sicherheitskräften begangen. In Tschetschenien selbst ist also der Widerstand nicht sehr aktiv, sondern hauptsächlich in Dagestan und auch in Inguschetien. Die Kämpfer würden auch nie einen Fremden um Vorräte, Nahrung, Medizin oder Unterstützung im Allgemeinen bitten, sondern immer nur Personen fragen, denen sie auch wirklich vertrauen, so beispielsweise Verwandte, Freunde oder Bekannte (DIS 1.2015).

Im November 2013 wurden in Russland neue Gesetze verabschiedet, welche die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen vorsehen. Sie legalisieren Kollektivbestrafungen, welche bereits in mehreren Republiken des Nordkaukasus als Form des Kampfs gegen den Aufstand praktiziert werden. Die Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, welche durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Das Gesetz sieht vor, dass Familienangehörige und Verwandte von Terrorverdächtigen belegen müssen, dass ihre Vermögenswerte, Immobilien und weitere Besitztümer nicht durch "terroristische Aktivitäten" erworben wurden. Wenn nicht bewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte legal erworben wurden, kann der Staat sie beschlagnahmen. Auch Personen, welche Terrorverdächtigen nahestehen, können mit dem Gesetz belangt werden. Nach Einschätzung von Experten wird das Gesetz weitgehend zur Diskriminierung der Angehörigen Terrorismusverdächtiger führen. Weiter kritisieren Experten, dass das Gesetz durch die unklare Verwendung der Begriffe "Verwandte" und "nahestehende Personen" sich gegen ganze Familienclans in den muslimischen Republiken des Nordkaukasus richten könne. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina werden Familienangehörige von Terrorverdächtigen oft beschuldigt, sie unterstützten auch illegale bewaffnete Gruppierungen auf verschiedenste Art und Weise. Insbesondere kritisiert die Menschenrechtsaktivistin, dass bereits der bloße Verdacht für eine Anschuldigung reiche und kein Beweis notwendig sei. Die Verfolgung von Verwandten und Freunden von Aufständischen ist seit 2008 im Nordkaukasus weit verbreitet und geht oft mit der Zerstörung des Besitzes und Hauses einher. Nach übereinstimmenden Angaben verschiedener Quellen kommt es zu Übergriffen und Kollektivstrafen durch Sicherheitskräfte, die gegen Familien von vermuteten Terroristen gerichtet sind (SFH 25.7.2014).

Kollektivstrafen wie das Niederbrennen von Häusern von Personen, die man verdächtigt, Kontakte zum terroristischen Widerstand zu haben, werden weitergeführt (Caucasian Knot 9.12.2014). Nach der Terrorattacke auf Grosny am 4.12.2014, bei der 14 Polizisten ums Leben kamen, hat Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow die Verwandten der Attentäter in Sippenhaft genommen. Kadyrow verlautbarte auf Instagram kurz nach der Tat, dass wenn ein Kämpfer in Tschetschenien einen Mitarbeiter der Polizei oder einen anderen Menschen töte, die Familie des Kämpfers sofort ohne Rückkehrrecht aus Tschetschenien ausgewiesen werde. Ihr Haus werde zugleich bis auf das Fundament abgerissen. Tatsächlich beklagte einige Tage später der Leiter der tschetschenischen Filiale des "Komitees gegen Folter" Igor Kaljapin, dass den Angehörigen der mutmaßlichen Täter die Häuser niedergebrannt worden seien (Standard 14.12.2014).

Quellen:

* Caucasian Knot (9.12.2014): "Memorial" confirmed information of "Caucasian Knot" about burnt-down houses of relatives of militants killed in attack on Grozny,

http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/30180/ , Zugriff 26.3.2015

* DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf , Zugriff 26.3.2015

* SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (25.7.2014): Russland:

Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger außerhalb Dagestans,

http://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/europa/russland/russland-verfolgung-von-verwandten-dagestanischer-terrorverdaechtiger-ausserhalb-dagestans.pdf , Zugriff 26.3.2015

* Der Standard (14.12.2014): Tschetschenien: NGO-Büro in Grosny angezündet,

http://derstandard.at/2000009372041/Tschetschenien-NGO-Buero-in-Grosny-abgefackelt , Zugriff 26.3.2015

Haftbedingungen

Die Bedingungen in den Haftanstalten haben sich seit Ende der 1990er Jahre langsam aber kontinuierlich verbessert. Die Regierung hat in die Renovierung der oft arg heruntergekommenen Gefängnisse investiert und durch Amnestien die Zahl der Insassen der bislang meist total überfüllten Gefängnisse reduziert (im Juni 2014 befanden sich offiziellen Daten zu Folge in Russland 676.000 Personen in Haft – im Jänner 2011 waren es noch knapp 750.000). Allerdings entsprechen die Haftbedingungen im Hinblick auf Verpflegung und medizinische Versorgung der Häftlinge sowie hygienische Einrichtungen nicht immer allgemein anerkannten Mindeststandards. In Jugendhaftanstalten und in Untersuchungsgefängnissen sind die Haftbedingungen besonders harsch. Weder während noch nach der Haft gibt es Rehabilitierungsprogramme, so dass die Rückfallquote von Straftätern im internationalen Vergleich hoch ist. NGOs kritisieren, dass Besuche internationaler Beobachter nur in ausgewählten Gefängnissen zugelassen werden, die insgesamt nicht repräsentativ seien. Offiziellen Angaben zu Folge kamen 2012 in russischen Gefängnissen insgesamt 4.121 Gefangene ums Leben. Gelegentlich werden Vorfälle bekannt, in denen Häftlinge angesichts schlechter Haftbedingungen revoltieren (im Juni 2013 kam es im Rahmen eines Protestes zur kollektiven Selbstverletzung von ca. 40 Häftlingen in einer Strafkolonie in Irkutsk; im März 2014 schnitten sich 30 Häftlinge in einem Gefängnis im Gebiet Bryansk die Pulsadern auf) (ÖB Moskau 10.2014).

Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel anerkannt. Nur in einigen wenigen Fällen, in denen sich in der Regel Menschenrechtsorganisationen eingeschaltet hatten, wurde Anklage gegen die an der Folter beteiligten Staatsbediensteten erhoben. Eine unabhängige Kontrollkommission dokumentierte wiederholt Hinweise auf Folter und andere Misshandlungen von Häftlingen in der auch als Untersuchungsgefängnis dienenden Gefängniskolonie IK-5 in der Region Swerdlowsk. Im Juli 2014 forderten Kommissionsmitglieder die Behörden auf, Foltervorwürfen nachzugehen, die der Untersuchungshäftling E. G. erhoben hatte, und legten als Beweismittel Fotos seiner Verletzungen vor. In einer schriftlichen Antwort teilte die Staatsanwaltschaft mit, eine Befragung des Personals von IK-5 und eine Durchsicht der Verwaltungsunterlagen habe ergeben, dass in der Gefängniskolonie keine Gewalt gegen E. G. angewendet worden sei und die Verletzungen aus der Zeit vor seiner dortigen Inhaftierung stammten. Weitere Ermittlungen wurden nicht eingeleitet (AI 25.2.2015).

Exekutivpersonal greift manchmal auf Misshandlungs- und Folterpraktiken zurück, um Geständnisse zu erzwingen. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen oft nur auf Geständnissen der Beschuldigten aufbauen, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Exekutivbeamte werden oft nicht untersucht. Besonders oft wird Folter offenbar im Nordkaukasus angewendet (ÖB Moskau 10.2014, vgl. DIS 1.2015, CPT 24.1.2013). Medien und NGOs berichten über Exekutivkräfte und Gefängnispersonal, die in Folter verwickelt sind. Missbrauch und exzessive Gewaltanwendung sind verbreitet und lassen darauf schließen, dass dies vor allem im Strafsystem regelmäßig vorkommt. Schlechte Ausbildung und eine Kultur der Straffreiheit tragen zu dieser Situation bei. Die russische NGO Committee Against Torture zeigt Folter durch Exekutivkräfte im Nordkaukasus auf und arbeitet daran, dass diese für ihre Vergehen bestraft werden (UK FCO 12.3.2015).

Quellen:

* AI – Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation,

https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/russische-foederation , Zugriff 1.4.2015

* CPT - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (24.1.2013): Report to the Russian Government on the visit to the North Caucasian region of the Russian Federation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1359457756_2013-01-inf-eng-northcaucasus-rep.pdf , Zugriff 1.4.2015

* DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf , Zugriff 1.4.2015

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

* UK FCO – UK Foreign and Commonwealth Office (12.3.2015): Human Rights and Democracy Report 2014 - Section XII: Human Rights in Countries of Concern – Russia,

https://www.gov.uk/government/publications/russia-country-of-concern--2/russia-country-of-concern#conflict-and-protection-of-civilians , Zugriff 1.4.2015

Religion in Tschetschenien

Die Bevölkerung gehört der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an, wobei traditionell eine mystische Form des Islam, der Sufismus, vorherrschend ist (BAMF 10.2013). Beim Sufismus handelt es sich um eine weit verbreitete und zudem äußerst facettenreiche Glaubenspraxis innerhalb des Islam. Heutzutage sind Sufis sowohl innerhalb des Schiitentums als auch unter Sunniten verbreitet (ÖIF 2013). Gegenwärtig ist eine Zunahme der Anhänger des Salafismus/Wahabismus, eine strenge, radikale Form des Islam, zu verzeichnen (BAMF 10.2013).

Kadyrow billigt oder leitet Massenverstöße gegen die Menschenrechte, darunter gegen die Religionsfreiheit. Er verfälschte tschetschenische Sufi-Traditionen, errichtete auf Grundlage seiner religiösen Ansichten einen repressiven Staat und zwingt Frauen, islamische Kopftücher zu tragen (USCIRF 30.4.2014). Kadyrow nutzt den traditionellen Sufismus politisch und als Instrument seines Antiterrorkampfes, um mit dem "guten" sufistischen Islam dem von weiten Teilen der heute in der Republik aktiven Rebellen propagierten "schlechten" fundamentalistischen Islam, dem oft auch Wahhabismus genannten Salafismus, entgegenzuwirken. Diese Strategie hatte bereits sein Vater unter Maschadow – relativ erfolglos – anzuwenden versucht. Diese politische Nutzung der Religion führt aus mehreren Gründen zu heftiger Kritik: Durch die kadyrowsche Islamisierung werden zunehmend Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte, beschnitten. Innerhalb der tschetschenischen Bevölkerung empfinden viele die von Kadyrow angeordneten Verhaltensnormen als nicht gerechtfertigten (und schon gar nicht durch tschetschenische Tradition zu rechtfertigenden) Eingriff in ihr Privatleben. Einige der aufgrund der (Re‑)Islamisierung erfolgten Erlässe und Aussagen des Republikoberhauptes, wie etwa die Kopftuchpflicht für Frauen in öffentlichen Gebäuden oder seine Aussprache für Polygamie, widersprechen zudem russischem Recht. Beobachter der Lage sind sich gemeinhin einig, dass all dies von föderaler Seite geduldet wird, weil und solange es Kadyrow gelingt, die relativ stabile Sicherheitslage zu erhalten (BAA Staatendokumentation 19.5.2011).

Im Jänner 2014 berichtete Caucasian Knot, dass durch Sicherheitskräfte in Tschetschenien junge Menschen auf der Straße angehalten und einvernommen wurden. Die Sicherheitskräfte sollen hier auf Männer mit Bärten und Frauen in Hidschab abgezielt haben, da diese als dem radikalen Islam zugehörig angesehen werden. Die Sicherheitskräfte sagten, dass dies als präventive Maßnahme zu sehen sei. Nicht nur in Grosny, auch in anderen Städten Tschetscheniens unternahmen Sicherheitskräfte "Anti-Wahabismus Razzien" und kontrollierten Handys von jungen Männern und Frauen. Menschenrechtsorganisationen haben keine Beschwerden über gesetzwidrige Handlungen in diesem Zusammenhang erhalten (Caucasian Knot 16.1.2014, vgl. DIS 1.2015, ACCORD 1.7.2014).

Als Salafisten werden unterschiedliche religiöse und politische Bewegungen bezeichnet, die sich etwa seit Beginn des letzten Jahrhunderts an einem idealisierten Bild der Frühzeit des Islam (arab. "Salaf" steht für "Ahnen", "Vorfahren") orientieren. Der Begriff Salafismus dagegen steht heute für eine Strömung des Islamismus. Ihre Anhänger werden als Salafisten bezeichnet. Sie behaupten, besonders eng dem Wortlaut des Korans und den Überlieferungen über das Leben des Propheten (sunna) zu folgen. Das gilt insbesondere auch für Äußerlichkeiten wie Bekleidungsvorschriften. Viele Salafisten tragen deshalb lange Bärte, weite Gewänder und Kopfbedeckungen. Frauen, die kein Kopftuch tragen, begehen nach Überzeugung von Salafisten eine schwere Sünde (GfbV o.D.). Das Tragen eines Bartes ohne Schnurrbart oder hochgekrempelte Hosen, würden einen Grund für die Festnahme oder Kontrolle einer Person darstellen (Kaliszewska 2010). Unterschiedliche Personengruppen können Opfer von Verschwindenlassen werden: Männer, die verdächtigt werden, dem bewaffneten Untergrund anzugehören oder ihn zu unterstützen, bzw. Salafisten zu sein. Auch Rückkehrer nach Tschetschenien, die von den Behörden verdächtigt werden, zurückgekehrt zu sein, um den bewaffneten Untergrund zu unterstützen, können entführt werden (GfbV o.D.). Entführungen werden heute hauptsächlich von regierungsnahen Personen verübt und treffen vor allem Personen, die als Salafisten angesehen werden. Dies führt jedoch dazu, dass die Salafisten noch anti-russischer werden und die Behörden selbst die Anzahl der Anhänger der radikalen Bewegungen in der Region und unter Muslimen in der ganzen Russischen Föderation erhöhen (Jamestown 19.6.2014).

Quellen:

* ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (1.7.2014): Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Tschetschenien: Situation von Personen, die Anhänger eines strengen sunnitischen Islams (keine Sufis) sind [a-8725-1], http://www.ecoi.net/local_link/280443/397328_en.html , Zugriff 26.3.2015

* BAA Staatendokumentation (19.5.2011): Analyse zu Russland:

Religion in der Republik Tschetschenien: Sufismus

* BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

* Caucasian Knot (16.1.2014): In Chechnya, law enforcers detain young people because of their appearance, local residents report, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/26983/ , Zugriff 26.3.2015

* DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf , Zugriff 26.3.2015

* GfbV – Gesellschaft für bedrohte Völker (o.D.): Tschetschenien unter Despot Kadyrow: Alltag in Angst, http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=2319 , Zugriff 26.3.2015

* Jamestown Foundation (19.6.2014): Virtually All Abductions in North Caucasus Carried out by Authorities, Eurasia Daily Monitor Volume 11, Issue 111,

http://www.jamestown.org/programs/edm/single/?tx_ttnews [tt_news]=42525&tx_ttnews[backPid]=756&no_cache=1, Zugriff 26.3.2015

* Kaliszewska, Iwona: Everyday Life In North Caucasus, 2010, http://www.udsc.gov.pl/files/WIKP/info_pdf/Binder1_Kaukaz_ang.pdf , in ACCORD (1.7.2014): Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation:

Tschetschenien: Situation von Personen, die Anhänger eines strengen sunnitischen Islams (keine Sufis) sind [a-8725?1], http://www.ecoi.net/local_link/280443/397328_en.html , Zugriff 26.3.2015

* ÖIF Monographien (2013): Glaubensrichtungen im Islam, S. 111-113

* USCIRF – U.S. Commission on International Religious Freedom (30.4.2014): Annual Report of the United States Commission on International Religious Freedom, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/Russia 2014.pdf, Zugriff 26.3.2015

Bewegungsfreiheit

Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung sind gesetzlich gewährleistet und gelten für alle Staatsbürger der Russischen Föderation einschließlich, Tschetschenen, Dagestaner, Inguschen etc. Alle erwachsenen Staatsbürger müssen bei Inlandsreisen behördlich ausgestellte "Inlandspässe" mit sich führen und müssen sich nach ihrer Ankunft bei den lokalen Behörden registrieren. Personen ohne Inlandspass oder ohne ordentliche Registrierung werden von Behörden oft staatliche Dienste verwehrt. Viele regionale Regierungen schränken das Recht durch Regelungen für die Registrierung des Wohnsitzes, die an Sowjetzeiten erinnerten, ein. Personen mit dunklerer Hautfarbe aus dem Kaukasus oder afrikanischer oder asiatischer Herkunft werden oft zur Überprüfung ihrer Dokumente herausgegriffen. Es gab glaubhafte Berichte, dass die Polizei nicht registrierte Personen willkürlich und über das gesetzlich vorgesehene Maß hinaus strafte oder Bestechungsgelder verlangte (US DOS 27.2.2014, vgl. AA Bericht 10.6.2013, FH 28.1.2015).

Bei der Einreise werden die international üblichen Pass- und Zollkontrollen durchgeführt. Personen ohne reguläre Ausweisdokumente wird in aller Regel die Einreise verweigert. Russische Staatsangehörige können grundsätzlich nicht ohne Vorlage eines russischen Reisepasses wieder in die Russische Föderation einreisen. Russische Staatsangehörige, die kein gültiges Personaldokument vorweisen können, müssen eine Geldstrafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen. Der Inlandspass ermöglicht die Abholung der Pension vom Postamt, die Arbeitsaufnahme, die Eröffnung eines Bankkontos, aber auch den Kauf von Bahn- und Flugtickets (AA 10.6.2013).

Quellen:

* AA – Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

* FH – Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/295274/430281_de.html , Zugriff 31.3.2015

* U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 31.3.2015

Meldewesen

Eine dauerhafte Registrierung wird durch einen Stempel im Inlandspass vermerkt, eine temporäre Registrierung durch einen in den Inlandspass eingelegten Zettel. Für einen Aufenthalt bis zu 90 Tage ist keine Registrierung verpflichtend, jedoch kann es notwendig werden bei einer Dokumentenkontrolle nachzuweisen, dass man sich noch nicht länger als 90 Tage in dem Gebiet aufhält, beispielsweise durch Vorweisen der Busfahrkarte. Wenn jemand ausreist um im Ausland zu leben, so wird dies registriert und in seinem Reisepass vermerkt. Umgangssprachlich wird die Registrierung nach wie vor so genannt, wie das Meldesystem zu Sowjetzeiten: "Propiska" (Russisch:

?????????). Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und ein nachweisbarer Wohnraum (ggf. Bescheinigung des Vermieters). Eine Arbeitsstelle oder Einkommen müssen nicht nachgewiesen werden. Die Registrierung und damit einhergehende Aufgaben fallen in den Zuständigkeitsbereich des Föderalen Migrationsdienstes (FMS), seiner territorialen Behörden (UFMS) und weiterer Behörden für innere Angelegenheiten. 2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere für temporäre Registrierungen. Für eine solche muss man nunmehr lediglich einen Brief an die lokale Stelle des FMS, also den jeweiligen UFMS, schicken, in dem die vorübergehende Adresse angegeben wird. Man muss nicht mehr persönlich beim UFMS erscheinen. Eine Registrierung ist wie ausgeführt für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar. Diese ermöglicht außerdem den Zugang zu Sozialhilfe und staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem, sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Beim FMS in Moskau wurde bestätigt, dass alle Staatsbürger der Russischen Föderation, auch Rückkehrer, am Aufenthaltsort registriert werden. Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Registrierung ab Einlangen der Unterlagen bei der zuständigen Behörde drei Tage dauert. Staatsbürger können bei Verwandten unterkommen oder selbstständig einen Wohnraum organisieren. Die föderal-gesetzlichen Regeln für die Registrierung gelten in der gesamten Russischen Föderation einheitlich, werden jedoch regional unterschiedlich angewendet. Korruption soll auch im Bereich der Registrierung in nicht unbeträchtlichem Ausmaß vorkommen, insbesondere in der Hauptstadt Moskau (BAA 12 .2011, vgl. AA 10.6.2013).

Laut einer westlichen Botschaft ist eine Registrierung für alle Personen in Moskau und St. Petersburg im Vergleich zu anderen russischen Städten am schwierigsten zu erlangen. Auch die Korruptionszahlungen sind in Moskau höher. Ebenso ist es in Moskau schwieriger, eine Wohnung zu mieten, die Mieten sind zudem hoch. Auch UNHCR geht davon aus, dass die Registrierung in Moskau für jeden schwierig ist, nicht nur für Tschetschenen. In Mietanzeigen werden Zimmer oft nur für Slawen angeboten. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence ist es für Tschetschenen leichter, in kleineren Orten als Moskau und St. Petersburg zu leben, jedoch ist es in großen Städten leichter, unterzutauchen. Personen, die Kadyrow fürchten, würden ihren Aufenthalt nicht registrieren lassen. Auch in St. Petersburg werden in Mietanzeigen Wohnungen oft nur für Russen angeboten. Tschetschenen nutzen aber ihre Netzwerke, um Wohnungen zu finden. Einer internationalen Organisation zufolge ist es für jemanden, der einen Machtmissbrauch von lokalen Behörden in einem Föderationssubjekt fürchtet schwierig, einen sicheren Ort in einer anderen Region in Russland zu finden. Ist die Person registriert, ist es für die Behörden leichter, sie zu finden. Laut einem Vertreter des Committee Against Torture sind tschetschenische Familien, die in andere Regionen Russlands kommen, nicht automatisch schweren Rechtsverletzungen ausgesetzt. Öffentlich Bedienstete haben kein Recht, einem Tschetschenen die Registrierung zu verweigern, weshalb im Endeffekt jeder registriert wird. Tschetschenen könnten Diskriminierung durch die Behörden ausgesetzt sein, nicht aber Gewalt. Laut einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence und einer westlichen Botschaft zufolge könnten aber temporäre Registrierungen nur für drei Monate anstatt für ein Jahr ausgestellt werden, weshalb dann die betroffene Person öfter zum Amt kommen muss. Memorial geht davon aus, dass der FMS die Polizei über die Registrierung eines Tschetschenen informieren muss. Zudem verheimlichen Tschetschenen oft ihre Volksgruppenzugehörigkeit, da Annoncen Zimmer oft nur für Russen und Slawen anbieten. Mehrere Quellen gaben an, dass im Zuge der Registrierung vermutlich Bestechungsgeld zu zahlen ist. Es kann vorkommen, dass Personen aus dem Nordkaukasus eine höhere Summe zu zahlen angehalten werden (DIS 8.2012). Im aktuellen FFM Bericht des Danish Immigration Service vom Jänner 2015 wird berichtet, dass es keine größeren Änderungen in Bezug auf die Registrierung gibt. Es gibt eine Neuheit, nämlich dass eine Person in dem Apartment wohnen muss, wo sie registriert ist. Wenn die Person woanders wohnt, könnte der/die Eigentümer/in bestraft werden. Aufgrund dessen könnte es schwieriger sein, den Wohnort zu registrieren. Einige Vermieter möchten auch keine Mieter registrieren, da sie Steuerabgaben vermeiden wollen (DIS 1.2015).

Quellen:

* AA – Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

* BAA Staatendokumentation (12.2011): Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation. Bericht zum Forschungsaufenthalt Russische Föderation – Republik Tschetschenien

* DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf , Zugriff 31.3.2015

Lage von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb der Republik Tschetschenien

Gemäß Einschätzung verschiedener NGOs greifen Strafverfolgungsbehörden oft auf ein ethnisches "Profiling" zurück. Dieses richte sich besonders gegen Personen aus dem Kaukasus und Zentralasien. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina beschuldigen russische Behörden Personen aus dem Nordkaukasus oft willkürlich für Straftaten, die sie nicht begangen, die sich aber tatsächlich ereignet hätten. Die Ermittler würden eine Straftat so darstellen, dass die Mitschuld der betroffenen Person aus dem Nordkaukasus als erwiesen erscheine. Nach Angaben von Gannuschkina würden dabei auch Geständnisse mittels Folter (Schläge, Elektroschocks, Vergewaltigung oder die Androhung von Vergewaltigung) erpresst. Staatsanwälte unterstützten in der Regel diese Untersuchungen. Die Gerichte würden die Mängel der Untersuchung ignorieren und oft eine unbedingte Strafe verhängen. Laut Gannuschkina versuchen Polizeivertreter, die Zahl von aus dem Nordkaukasus stammenden Personen in ihren jeweiligen Zuständigkeitsgebieten zu verringern. Die polizeilichen Führungskräfte würden diese Maßnahmen unterstützen. Nach Angaben einer westlichen Botschaft in Moskau aus dem Jahr 2012 kommen fingierte Strafverfahren vor, jedoch nicht in systematischer Weise. Es gebe Berichte, dass insbesondere junge muslimische Personen aus dem Nordkaukasus Opfer solcher Praktiken werden können. Auch die norwegische Landinfo kommt im März 2014 zum Schluss, dass es weiterhin fingierte Strafverfahren gegen Personen aus dem Nordkaukasus und Tschetschenien gebe (SFH 25.7.2014).

Laut UNHCR in Moskau gibt es in der gesamten Russischen Föderation tschetschenische Communities. Die größten befinden sich in Moskau, der Region Moskau und in St. Petersburg. Hauptsächlich arbeiten Tschetschenen im Baugewerbe und im Taxibusiness. In der Region Volgograd leben ca. 20.000 Tschetschenen. Einige von ihnen leben dort schon seit 30 Jahren. Viele flohen aus Tschetschenien während der beiden Kriege. Mittlerweile sind die Zahlen von ankommenden Tschetschenen geringer geworden. 2013 kamen weniger als 500 Tschetschenen in die Region. Die meisten Tschetschenen verlassen die Republik aufgrund der sehr bescheidenen sozio-ökonomischen Aussichten in ihrer Heimatrepublik. Laut Memorial Volgograd gibt es keine Beschwerden von Tschetschenen in der Region aufgrund von Rassismus oder Diskriminierung. Tschetschenen haben denselben Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem wie alle anderen russischen Staatsbürger. Heutzutage kommen Tschetschenen hauptsächlich zum Zwecke eines Studiums nach Volgograd. Mittlerweile sind die Lebensbedingungen in Volgograd nicht so gut wie in Tschetschenien. Dies liegt an den föderalen Fördermittel, die Tschetschenien erhält. Die Bevölkerung in Volgograd sinkt, während jene in Tschetschenien steigt (DIS 1.2015).

Beträchtliche tschetschenische Gemeinschaften gibt es auch in den Städten und Regionen im südlichen Russland, darunter in Volgograd, Saratov, Samara und Astrachan. Von den rund 100.000 Tschetschenen, die 1996 nach Moskau flohen, halten sich heutzutage noch rund 25.000 in der Region Moskau auf. Diese haben dort eine dauerhafte Registrierung. Zusätzlich lebt eine große Gruppe von Tschetschenen in Moskau und der Region Moskau, die nicht registriert ist, oder nur vorübergehend registriert ist. Ein großer Anteil der außerhalb Tschetscheniens lebenden Tschetschenen hätte keine Registrierung und arbeitet im Handel, auf Märkten und in Cafes. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence umfasst die tschetschenische Gemeinde in der Region St. Petersburg 20.000 bis 30.000 Personen. Viele würden auch zu Besuchen oder um Schulen oder Universitäten zu besuchen nach St. Petersburg kommen. Obwohl Rassismus gegenüber Kaukasiern in St. Petersburg vorkomme, ist dieser "nicht unerträglich". Ein ethnischer Tschetschene in St. Petersburg schätzte die Anzahl der Tschetschenen in St. Petersburg selbst auf 13.000. Ein anderer Tschetschene in Moskau gab an, dass die sozioökonomische Lage in Moskau zwar besser sei als in Tschetschenien, aber dass viele Tschetschenen es dennoch schwer hätten, Arbeit zu finden. Einem Vertreter einer NGO zufolge könnte es für einen Tschetschenen schwer sein, in einen anderen Teil der Russischen Föderation zu ziehen, wenn man dort keinerlei Verwandte hat. Jedoch gibt es Tschetschenen in fast allen Regionen Russlands. Das Bestehen einer tschetschenischen Gemeinschaft in einer Region kann Neuankömmlingen zur Unterstützung oder zum Schutz gereichen, es sei denn, es handelt sich um einen Clan-Konflikt. Laut SOVA leben viele Tschetschenen in der Region Stavropol, es gibt viele tschetschenische Studenten an der Universität der Stadt Stavropol. Dies führte bereits zu kleineren Spannungen im Süden der Region. Betreffend rassistisch motivierter Gewalt gibt es keine allein Tschetschenen betreffenden Daten, Tschetschenen gehören hier zur Gruppe der Kaukasier. Es gibt keine Hinweise, dass Tschetschenen mehr als andere ethnische Gruppen aus dem Kaukasus Hassverbrechen zum Opfer fallen. Untererfassung von Hassverbrechen ist gemäß SOVA ein Thema und dürfte im Steigen begriffen sein. Im Verlauf der letzten 10 Jahre konzentrierten sich ultranationalistische Banden bei rassistisch motivierter Gewalt immer mehr auf Zentralasiaten, nicht zuletzt weil sich Kaukasier dieser Gewalt zunehmend widersetzten. IOM bestätigte, dass die Grenze zwischen Tschetschenien und dem restliche Russland völlig offen ist. Zudem gab IOM an, dass es in Russland einen politischen Willen zur Bekämpfung von Hassverbrechen, Diskriminierung und Korruption zu geben scheint. Einer westlichen Botschaft zufolge schenken Strafgerichte heutzutage Hassverbrechen mehr Aufmerksamkeit. Swetlana Gannuschkina und Oleg Orlov (Memorial) gehen davon aus, dass Tschetschenen in andere Regionen Russlands ziehen können, und einige tun dies auch. Ist eine Person nicht offenkundig kritisch gegenüber Kadyrow, so kann diese überall in der Russischen Föderation leben, ohne Angst haben zu müssen getötet oder in die Republik Tschetschenien zurückgeschickt zu werden. Wird eine Person aber tatsächlich von Kadyrow gesucht, so könnte jener die Person überall in der Welt, auch in Kopenhagen, Wien, Dubai oder Moskau finden. Laut einem Anwalt von Memorial könnten Personen in Verbindung mit Oppositionsführern mit hohem Bekanntheitsgrad, aktive Rebellenkämpfer oder bekannte und tatverdächtige Terroristen der Bedrohung einer Entführung oder Tötung durch tschetschenische Behörden ausgesetzt sein. Ein Vertreter der Chechen Social and Cultural Association betrachtet es als unmöglich für die tschetschenischen Behörden, einen low-profile-Unterstützer der Rebellen in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zu finden (DIS 11.10.2011).

Im Mai/Juni 2012 schätzte eine westliche Botschaft die Anzahl der Tschetschenen in Moskau auf Hunderttausende. Außerhalb Tschetscheniens leben die meisten Tschetschenen in Moskau und der Region Stawropol, eine größere Anzahl an Tschetschenen kann in St. Petersburg, Jaroslawl, Wolgograd und Astrachan gefunden werden. SK-Strategy schätzt die Zahl der in Moskau lebenden Tschetschenen auf 100.000 bis 200.000, rund 70.000 Tschetschenen seien in Moskau registriert, rund 50.000 in Jaroslawl. Die NGO Vainakh Congress schätzt die Zahl der Tschetschenen in der Region St. Petersburg auf 20.000 bis 30.000. SOVA gab an, dass die Haltung gegenüber Personen aus dem Nordkaukasus negativer wird. Russen haben verschiedene Gründe, warum ihnen Personen aus dem Nordkaukasus unbehaglich seien:

Diese werden als anders oder als gewalttätig betrachtet, oder man hat Angst vor terroristischen Aktivitäten. In großen Städten werden sie zudem als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt betrachtet. Gemäß SOVA gab es seit 2008 einen Rückgang rassistisch motivierter Übergriffe. 2008 fielen 116 Personen rassistisch motivierten Morden zum Opfer, 2011 waren es 23. 2007 hatte es 623 Berichte über rassistisch motivierte Übergriffe gegeben, 2011 waren es 183. Die meisten Opfer stammten aus Zentralasien, Personen aus dem Kaukasus lagen bei den Opferzahlen an zweiter Stelle. Wenngleich die Berichterstattung über solche Verbrechen lückenhaft ist, kann dennoch aufgrund der von der Organisation gesammelten Information von einem tatsächlichen Rückgang von Hassverbrechen ausgegangen werden. Der Rückgang der Zahlen liegt gemäß SOVA daran, dass der Druck der Behörden auf Neonazi-Gruppen erhöht wurde und dass diese Gruppen nunmehr eher auf politischer Ebene partizipieren. 2011 wurden 189 Personen für gewalttätige Hassverbrechen verurteilt (2010: 297, 2009: 130). Gemäß der Chechen Social and Cultural Association ist die negative Stimmung nicht nur gegen Tschetschenen, sondern gegen Personen aus dem Kaukasus insgesamt gerichtet. Eine zunehmende Anzahl von jungen Kaukasiern studiert an Universitäten in Moskau, diese würden ihre ethnische Zugehörigkeit und Kultur offen zur Schau stellen; gelegentlich käme es zu (auch physischen) Auseinandersetzungen. Einer internationalen Organisation zufolge sind Moskau und St. Petersburg nicht mit anderen Städten Russlands vergleichbar, da dort die Menschen mehr Vorurteile gegenüber Migranten haben. Nicht nur Tschetschenen sind in den großen Städten Diskriminierung ausgesetzt. Die internationale Organisation geht jedoch nicht davon aus, dass im Allgemeinen diese Diskriminierung eine Verfolgung darstellt. Laut einem Vertreter des Committee Against Torture ist Diskriminierung von Tschetschenen durch Behörden (etwa Polizisten) nicht auf einen Erlass oder Befehl der Regierung zurückzuführen, sondern auf persönliche Vorurteile und das Misstrauen einzelner. Mehrere Quellen gaben an, dass Tschetschenen heutzutage weniger oft für Personenkontrollen herausgegriffen werden, als etwa Zentralasiaten. Zumindest gelegentlich kommt es nach Aussage mehrerer Quellen vor, dass Tschetschenen Drogen oder Waffen untergeschoben werden, um einen Strafrechtsfall zu fabrizieren. Jedoch kommen solche Fälle falscher Anschuldigungen weniger oft vor als vor einigen Jahren und sind nicht systematisch; betroffen von solchen Praktiken sind nicht nur Tschetschenen. Mehreren Quellen zufolge finden nur sehr wenige Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst und bei der Polizei (DIS 8.2012).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützer und Familienmitglieder einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen und/oder finden würden, was aber bei einzelnen bekannten oder hochrangigen Kämpfern sehr wohl der Fall sein kann (BAA Staatendokumentation 20.4.2011).

Quellen:

* BAA Staatendokumentation (20.4.2011): Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien

* DIS – Danish Immigration Service (11.10.2011): Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/6EC0730B-9F8E-436F-B44F-A21BE67BDF2B/0/ChechensintheRussianFederationFINAL.pdf , Zugriff 31.3.2015

* DIS – Danish Immigration Service (8.2012): Chechens in the Russian Federation – residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases,

http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/01750EB0-C5B1-425C-90A7-3CE3B580EEAA/0/chechens_in_the_russian_federation.pdf , Zugriff 31.3.2015

* DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf , Zugriff 31.3.2015

* SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (25.7.2014): Russland:

Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger außerhalb Dagestans,

http://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/europa/russland/russland-verfolgung-von-verwandten-dagestanischer-terrorverdaechtiger-ausserhalb-dagestans.pdf , Zugriff 10.3.2015

Gefälschte Dokumente

In Russland kann man jegliche Art von Dokumenten kaufen. Auslandsreisepässe sind schwieriger zu bekommen, aber man kann auch diese kaufen. Es handelt sich bei den Dokumenten oft um echte Dokumente mit echten Stempeln und Unterschriften, aber mit falschem Inhalt. Die Art der Dokumente hierbei können z.B. medizinische Protokolle (medical journals), Führerscheine, Geburtsurkunden oder Identitätsdokumente sein. Ebenso ist es möglich, echte Dokumente mit echtem Inhalt zu kaufen, bei der die Transaktion der illegale Teil ist. Für viele Menschen ist es einfacher, schneller und angenehmer, ein Dokument zu kaufen, um einem zeitaufwändigem Kontakt mit der russischen Bürokratie zu vermeiden. Es soll auch gefälschte "Vorladungen" zur Polizei geben (DIS 1.2015).

Quellen:

* DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf , Zugriff 31.3.2015

Grundversorgung/Wirtschaft

Der Anteil der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung entsprach zuletzt 75,7 Millionen Menschen bzw. etwa 53% der Gesamtbevölkerung des Landes. Der vorwiegende Teil der arbeitenden Bevölkerung ist in großen und mittelständischen Unternehmen beschäftigt, die nicht dem Kleinunternehmertum zugerechnet werden. Das höchste monatliche Durchschnittseinkommen wird in Moskau (RUB 58.400 / USD 1702) und in den erdöl-und erdgasfördernden autonomen Gebieten registriert: in Nenetz und Jamalo-Nenetz (RUB 64.600 / USD 1884), Autonomes Gebiet Chanty-Mansijskij (RUB 55.400 / USD 1615), die Republik Sacha (Jakutien) (RUB 45600 / USD 1330), die autonome Region der Tschuktschen (RUB 50.800 / USD 1481, Sankt Petersburg (40.500 RUB / USD 1180) und die Region Moskau (35.700 RUB / 1040 USD). Die niedrigsten Durchschnittseinkommen werden in den südlichen Bundes-Distrikten (einschließlich Adygea, Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Karachaevo-Tscherkessien, Nord-Ossetien-Alania, Tschetschenien und Stavropol Krai etc.) verzeichnet (17.900 / USD 522) (IOM 6.2014).

Die hohen internationalen Energiepreise sorgten 2012 für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. Die Industrieproduktion stieg, allerdings lag der Zuwachs unter den Vorjahreswerten. Die Arbeitslosenrate sank zwischen 2010 und 2012 von 7,2% auf 5,4% und die Durchschnittslöhne lagen 2011 und 2012 deutlich höher als vor der Finanzkrise 2008/9. Während 2012 für Russland insgesamt also zufriedenstellend verlief, war 2013 wegen der Konjunkturschwäche im Euro-Raum und der weltweit gesunkenen Rohstoffpreise schwach. Nach einem Plus von 3,4% im Jahr 2012, kam es für 2013 nur noch zu einem leichten Wachstum von 1,3%. Das Land ist in eine Phase anhaltender wirtschaftlicher Stagnation getreten. Gleichzeitig stieg Russland im Ranking von "Doing Business" von Platz 112 in 2012 über Platz 92 in 2013 und Platz 64 in 2014 auf Platz 62 in 2015. Die Staatsverschuldung in Russland ist mit rund 10% des BIP weiterhin vergleichsweise moderat. Sowohl hohe Gold- und Währungsreserven als auch die beiden durch Rohstoffeinnahmen gespeisten staatlichen Reservefonds stellen eine Absicherung des Landes dar. Strukturdefizite, Finanzierungsprobleme und Handelseinschränkungen durch Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU bremsten das Wirtschaftswachstum 2014. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche verstärken diesen Trend. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, dass Projekte vorerst verschoben werden. Wirtschaftlich nähert sich Russland der VR China an (GIZ 2.2015b).

Quellen:

* GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2015b): Russland, Wirtschaft und Entwicklung, http://liportal.giz.de/russland/wirtschaft-entwicklung/#c17548 , 3.4.2015

* IOM – International Organisation of Migration (6.2014):

Länderinformationsblatt Russische Föderation

Sozialbeihilfen

Das soziale Sicherungssystem wird von vier Institutionen getragen:

dem Rentenfonds, dem Sozialversicherungsfonds, dem Fonds für obligatorische Krankenversicherung und dem Staatlichen Beschäftigungsfonds. Aus dem 1992 gegründeten Rentenfonds werden Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten gezahlt. Das Rentenalter wird mit 60 Jahren bei Männern und bei 55 Jahren bei Frauen erreicht. Die Rentenreform sieht die Gründung der nichtstaatlichen Rentenfonds vor, die neben der Grundversicherung einen zusätzlichen privaten Teil der Rente ermöglichen. Der Sozialversicherungsfonds finanziert das Mutterschaftsgeld (bis zu 18 Wochen), Kinder- und Krankengeld. Das Krankenversicherungssystem umfasst eine garantierte staatliche Minimalversorgung, eine Pflichtversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung. Vom staatlichen Beschäftigungsfonds wird das Arbeitslosengeld (maximal ein Jahr lang) ausgezahlt. Alle Sozialleistungen liegen auf einem niedrigen Niveau. Renten- und Krankenversicherungsbeiträge wurden 2011 angehoben (GIZ 2.2015c).

Das Ministerium für Gesundheit und Soziales setzt die staatliche Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen in der Praxis um. Vor allem die soziale Fürsorge für Familien, alte Menschen, Invaliden und Waisen soll gefördert werden. Personen, die soziale Unterstützung erhalten können:

Es gibt weitere Kategorien, die auf verschiedenen Rechtsgrundlagen oder unter bestimmten Programmen, die von regionalen Behörden geleitet werden, anspruchsberechtigt sind. Personen der o.g. Kategorien erhalten eine monatliche Zahlung und soziale Beihilfe, einschließlich:

Invaliden zahlen nur die Hälfte der öffentlichen Nebenkosten und haben die Möglichkeit, in besonderen Ausbildungseinrichtungen zu lernen. Um die oben aufgeführten Leistungen erhalten zu können, müssen Personen, die den genannten Kategorien angehören, Dokumente vorlegen, die die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe offiziell bestätigen (IOM 6.2014).

Renten

In der Russischen Föderation leben 37,8 Millionen Rentner (28% der Gesamtbevölkerung). Ihr hauptsächliches Einkommen besteht in einer Altersrente. Alle russischen Staatsbürger, die in Besitz einer Rentenversicherung sind, haben einen staatlich garantierten Anspruch auf den Erhalt einer Rente. Es gibt verschiedene Rentenformen:

Die derzeitige Rente besteht aus einem Basisanteil von 3.910,34 RUB/Monat (ca. 115 USD). Für Rentner, die älter als 80 Jahre sind, in den nördlichen Regionen Russlands gearbeitet haben und einige andere Kategorien gibt es einen etwas erhöhten Basisanteil. Zusätzlich gibt es auch einen Versicherungsanteil und einen Akkumulationsanteil. In manchen Regionen, die über ausreichende Finanzmittel verfügen, gibt es zusätzliche Unterstützung, so z.B. in Moskau. Manche Regionen bieten in Form von Dienstleistungen zusätzliche Hilfe an (z.B. kostenfreie Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs am Wohnort, Steuervergünstigungen, Vergünstigungen auf Medikamente sowie medizinische und orthopädische Dienstleistungen und anderes). Im Regelfall entrichten die Arbeitgeber den Beitrag an die Rentenversicherung für den jeweiligen Arbeitnehmer. Die Höhe des o. g. Basisanteils und des Versicherungsanteils wird staatlich festgelegt; der Akkumulationsanteil obliegt der Kontrolle durch den Rentenversicherten. Der Akkumulationsanteil wurde im Jahr 2002 eingeführt und spielt lediglich für Staatsbürger eine Rolle, die 1967 oder später geboren wurden. Am 1. April 2014 betrug die durchschnittliche Altersrente 11.600 RUB (ca. 388 USD) in ganz Russland. Eine Altersrente kann gewährt werden, wenn die betreffende Person mindestens 5 Jahre durchgehend versicherungspflichtig gearbeitet hat (IOM 6.2014).

Wohnungswesen

Die Wohnsituation in der Russischen Föderation ist im Allgemeinen als schwierig zu bezeichnen. Die durchschnittliche Wohnfläche in einem Haus oder einer Wohnung liegt bei 19-20 m² pro Person (2-3mal weniger als in entwickelten europäischen Ländern). Diese Art der Unterkunft steht Statistiken zufolge jedoch weniger als 50% der Bevölkerung zur Verfügung. 2,5 Millionen Familien warten gegenwärtig auf eine staatliche Unterbringung in neuen größeren Unterkünften. Es wird darauf hingewiesen, dass die Wartezeiten bis zum Erhalt einer Unterkunft im Rahmen eines Sozialprogramms bei 15-20 Jahren liegen können. Anspruchsberechtigt sind Personen mit bestimmten Erkrankungen, Personen, die auf weniger als 10m² leben (die Größe kann von Region zu Region variieren), Familien mit 4 und mehr Kindern etc. (IOM 6.2014).

In der Russischen Föderation wird die Idee des Sozialwohnungswesens verfolgt:

Aufgrund schnell steigender Wohnraumpreise hat die breite Öffentlichkeit Schwierigkeiten, die Kosten mit dem durchschnittlichen Einkommen zu decken. Je nach Region variieren die Wohnraumpreise erheblich. Die teuerste Region ist die Stadt Moskau, gefolgt von St. Petersburg, Jekaterinburg, Sotschi und weiteren Städten mit gutem Wirtschaftsklima und guten Arbeitsmöglichkeiten (IOM 6.2014).

Arbeitslosigkeit

Jeder Arbeitslose (außer Schülern, Studenten und Rentnern) kann einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellen. Um die Arbeitslosenhilfe zu erhalten, müssen russische Staatsbürger bei den Beschäftigungszentren des Bundesarbeits- und Beschäftigtendienstes ("Rostrud") an ihrem Wohnort (entsprechend dem Meldestempel im Pass) gemeldet sein. Die Arbeitsagentur wird dem Arbeitsuchenden innerhalb von 10 Tagen nach der Übermittlung seiner Dokumente entsprechende Stellen anbieten. Nimmt der Arbeitsuchende keine der angebotenen Stellen an, erhält er den Arbeitslosen-Status und die Arbeitslosenhilfe wird für ihn berechnet. Die Beihilfe wird auf Basis des Durchschnitts-Einkommens berechnet, das die Person während der letzten Beschäftigung bezogen hat; die Beihilfe ist jedoch begrenzt durch ein Minimum und ein Maximum, das durch die Russische Gesetzgebung festgelegt wurde. Seit 2009 liegt die minimale Beihilfe bei RUB 850 (25 USD) im Monat und das Maximum bei RUB 4.900 (143 USD). Die Beihilfe wird monatlich gezahlt, vom ersten Tag der offiziellen Anerkennung der Arbeitslosigkeit (IOM 6.2014).

Quellen:

* GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2015c): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/russland/gesellschaft/ , Zugriff 3.4.2015

* IOM – International Organisation of Migration (6.2014):

Länderinformationsblatt Russische Föderation

Krankenversicherung

Seit dem 1. Januar 2011 gibt es ein neues Gesetz über die Krankenpflichtversicherung. Vor dem 1. Mai 2011 gab es in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Krankenversicherungen, danach traten neue Regeln für den Abschluss einer universellen Krankenversicherung in Kraft. Die Änderung der Krankenversicherungen tritt nach und nach in den einzelnen Regionen in Kraft. Die versicherten Personen sollen medizinische Versorgung in Gesundheitszentren kostenfrei erhalten mit sowohl den alten als auch den neuen Krankenversicherungen. Die alten Krankenversicherungen bleiben so lange in Kraft, bis sie durch die neue Versicherung ersetzt werden, egal welche Gültigkeitsdauer auf der alten Krankenversicherung angegeben ist. Es gibt keine Richtlinie, die die Dauer des Austausches der Krankenversicherungen festlegt. Wenn jetzt ein Versicherungsnehmer seinen Job wechselt oder verlässt, bleibt die Versicherung gültig und es ist nicht notwendig, eine neue Versicherung abzuschließen. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen, die durch staatliche Finanzmittel, Versicherungsbeiträge und andere Quellen finanziert wird (IOM 6.2014).

Die kostenlose Versorgung soll folgende Bereiche abdecken:

Jede OMS-registrierte Person hat eine Krankenversicherung mit einer individuellen Nummer, wodurch ihnen der Zugang zur kostenfreien medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation garantiert wird; unabhängig von ihrem Wohnort. Bei der Anmeldung in einer Klinik muss zunächst die Versicherungsbescheinigung vorgelegt werden, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Die Notfallbehandlung kann von allen russischen Staatsbürgern kostenlos in Anspruch genommen werden, unabhängig davon ob sie krankenversichert sind oder nicht. Um eine Krankenversicherung zu erhalten, müssen die Bürger an eine der Krankenversicherungen einen Antrag stellen und die folgenden Dokumente vorlegen: Antrag, Identifikationsdokument (für Erwachsene über 14 Jahre ein Reisepass oder vorläufiger Ausweis, für Kinder die Geburtsurkunde und den Pass bzw. vorläufigen Ausweis des Erziehungsberechtigten) und u.U. die Versicherungspolice der Rentenpflichtversicherung. Die Aufnahme in die Krankenversicherung sowie die Erneuerung sind kostenfrei. Für Kinder bis einschließlich 14 Jahren existiert ein gesondertes System der kostenlosen medizinischen Versorgung, sofern eine Registrierung in der Krankenpflichtversicherung (OMS) vorliegt. Kinder, die älter als 14 sind werden in der Regel in medizinischen Einrichtungen für Erwachsene behandelt. Einige Kliniken (staatliche und private) bieten kostenlose medizinische Konsultationen über das Internet an. Ausländische Staatsbürger haben in Russland nur Zugang zur medizinischen Grundversorgung, d.h. zur notfallmedizinischen Behandlung. Darüber hinausgehende Behandlungen werden in Rechnung gestellt und sind entweder durch direkte Zahlung an die jeweilige Klinik oder gegebenenfalls über die Krankenversicherung des Ausländers zu begleichen. Medizinische Versorgung gegen Bezahlung wird von privaten Gesundheitseinrichtungen unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit angeboten. Umfragen zufolge haben 35% der Bevölkerung eine medizinische Serviceleistung gegen Bezahlung bereits in Anspruch genommen. Aufgrund der hohen Kosten kann der Großteil der Bevölkerung von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch machen. Neben der geschilderten Krankenpflichtversicherung können sowohl russische Staatsbürger als auch Ausländer gegen Bezahlung eine Freiwillige Krankenversicherung (DMS) abschließen, die immer weiter verbreitet ist. Ein Netz von Versicherungsgesellschaften bietet die entsprechenden Dienstleistungen an, wobei die Kosten für eine Versicherung - je nach Ruf der Versicherung und des gebotenen Servicepakets - zwischen 400 und mehreren tausend USD liegen können. Die meisten Versicherungsgesellschaften bevorzugen die Zusammenarbeit mit juristischen Personen. In den vergangenen zehn Jahren sind jedoch zunehmend Versicherungsprogramme für Privatpersonen aufgelegt worden (IOM 6.2014).

Quellen:

* IOM – International Organisation of Migration (6.2014):

Länderinformationsblatt Russische Föderation

Medizinische Versorgung

Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert. Russland weist zwar im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl der Ärzte und der Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung auf, das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt aber ineffektiv (GIZ 2.2015c). Die Einkommen des medizinischen Personals sind noch immer vergleichsweise niedrig. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und insbesondere HIV/AIDS, breiten sich weiter aus. In die Modernisierung des Gesundheitswesens werden erhebliche Geldmittel investiert. Ziel ist es, die staatliche Gesundheitsversorgung technisch und verwaltungsmäßig so effizient zu machen, dass sie ab 2015 weitgehend durch die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden kann (AA 11 .2014a, vgl. GIZ 2.2015c). In Moskau, St. Petersburg und einigen anderen Großstädten gibt es einige meist private Krankenhäuser, die hinsichtlich der Unterbringung und der technischen und fachlichen Ausstattung auch höheren Ansprüchen gerecht werden. Notfallbehandlungen in staatlichen Kliniken sind laut Gesetz grundsätzlich kostenlos. Die Apotheken in den großen Städten der Russischen Föderation haben ein gutes Sortiment, wichtige Standardmedikamente sind vorhanden. Medikamentenfälschungen mit unsicherem Inhalt kommen allerdings vor (AA 1.4.2015b).

Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Serviceleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist. Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Das territoriale Prinzip sieht vor, dass die Zuordnung zu einer medizinischen Anstalt anhand des Wohn-, Arbeits-, oder Ausbildungsorts erfolgt. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen, als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen, als dem "zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. Selbstbehalte sind nicht vorgesehen. Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung, sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise durchaus erwartet wird (ÖB Moskau 10.2014).

Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit 7 föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und 12 Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert (GIZ 2.2015c).

Quellen:

* AA – Auswärtiges Amt (11.2014a): Russische Föderation – Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 1.4.2015

* AA – Auswärtiges Amt (1.4.2015b): Russische Föderation – Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html , Zugriff 1.4.2015

* GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2015c): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/russland/gesellschaft/ , Zugriff 1.4.2015

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

Tschetschenien

Angaben liegen nur für die tschetschenische Hauptstadt vor: Im Rahmen der Durchführung des vorrangigen nationalen Projekts "Gesundheitswesen" finden in fast allen medizinischen Einrichtungen der im Krieg zerstörten Stadt Grosny Wiederaufbauarbeiten statt. Bereits 27 medizinische Einrichtungen sind wieder an die Wasserversorgung angeschlossen. Renovierungs- und Bauarbeiten werden in den städtischen Krankenhäusern Nr.1 und Nr.5, in dem Kinderheim Nr.1, in dem Kinderkrankenhaus Nr.2, im Geburtskrankenhaus Nr.2 und den Kinderpolykliniken Nr.1 und Nr. 5 durchgeführt. Aus Mitteln des republikanischen Haushalts werden die Wiederaufbaumaßnahmen im Klinischen Krankenhaus Nr.3 und in den Polykliniken Nr.1, 3, 4 und 5 finanziert (IOM 6.2014).

Das Gesundheitssystem in Tschetschenien wurde seit den zwei Kriegen großteils wieder aufgebaut. Die Krankenhäuser sind neu und die Ausrüstung modern, jedoch ist die Qualität der Leistungen nicht sehr hoch, aufgrund des Mangels an qualifiziertem Personal (Landinfo 26.6.2012). Es ist sowohl primäre, als auch spezialisierte Gesundheitsversorgung verfügbar. Die Krankenhäuser sind in einem besseren Zustand, als in den Nachbarrepubliken, da viele erst vor kurzem erbaut worden sind. Natürlich ist die Gesundheitsversorgung noch nicht auf europäischem Niveau, aber es wird intensiv daran gearbeitet, zumindest die Standards der Russischen Föderation zu erreichen. Laut föderalem Gesetz werden bestimmte Medikamente kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes. Auch gibt es bestimmte Personengruppen, die bestimmte Medikamente kostenfrei erhalten. Dazu gehören Kinder unter drei Jahren, Kriegsveteranen, schwangere Frauen und Onkologie- und HIV-Patienten. Verschriebene Medikamente werden in staatlich lizensierten Apotheken kostenfrei gegen Vorlage des Rezeptes abgegeben (DIS 1.2015, vgl. hierzu auch Kapitel 24.6 Medikamente). Auf die faktische Zuzahlung durch die Patienten muss hingewiesen werden (AA 11 .2014a).

Falls z.B. innerhalb der Familie nicht genügend Geld für eine teure Operation vorhanden ist, kann man sich an eine in der Clanstruktur höher stehende Person wenden. Aufgrund bestehender Clanstrukturen sind die Familien in Tschetschenien finanziell besser abgesichert als in anderen Teilen Russlands (BAMF 10.2013).

Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land, ist es – wie für alle Bürger der Russischen Föderation – auch für Tschetschenen möglich, bei Krankheiten, die in Tschetschenien nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (vgl. dazu Kapitel 21. Bewegungsfreiheit/Meldewesen und folgende Quellen: AA Bericht 10.6.2013, US DOS 27.2.2014, FH 28.1.2015). Krebsbehandlung wurde zum größten Teil außerhalb der Republik Tschetschenien gemacht, jedoch wurde kürzlich ein onkologisches Krankenhaus fertiggestellt mit dem man bald Chemotherapie, Strahlentherapie und Operationen durchführen möchte. Im letzten Jahr wurden insgesamt ca. 3.000 Patienten zu unterschiedlichen Behandlungen in Krankenhäuser in anderen Republiken geschickt (DIS 1.2015).

Quellen:

* Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

* AA – Auswärtiges Amt (11.2014a): Russische Föderation – Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 31.3.2015

* BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

* DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf , Zugriff 31.3.2015

* IOM – International Organisation of Migration (6.2014):

Länderinformationsblatt Russische Föderation

* Landinfo (26.6.2012): Chechnya and Ingushetia: Health services, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1363793751_2322-1landinfo.pdf , Zugriff 31.3.2015

* U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 31.3.2015

Behandlungsmöglichkeiten PTBS

Posttraumatische Belastungsstörung ist in der Russischen Föderation behandelbar. Z.B. im Alexeevskaya (Kacshenko) hospital, Zagorodnoye shosse 2, Moscow (International SOS 7.11.2014). Dies gilt unter anderem auch für Tschetschenien z.B. im Republican Psychoneurological Dispenser, Verkhoyanskaya Str. 10, Grosny (International SOS 11.3.2015) und Dagestan z.B. im Republican Psychiatric Dispancery, Shota Rustaveli Str. 57B, Machatschkala (International SOS 12.1.2012).

In der Republik Inguschetien gibt es keine psychiatrischen Kliniken (mit Betten). Es gibt aber eine psychoneurologische Poliklinik in Nazran, wo die Registrierung von Patienten mit psychischen Erkrankungen begrenzt ist. In der Regel gibt es an den örtlichen Polikliniken nur wenige Psychologen / Psychiater. Die Qualität der Dienstleistungen wird als zweifelhaft beschrieben. Junge qualifizierte Ärzte wollen in der Psychiatrie aufgrund der niedrigen Löhne nicht praktizieren und wählen deshalb besser bezahlte Arbeitsplätze. Aufgrund dessen werden die Patienten von älteren Ärzten mit veraltetem, bzw. überholtem Wissen behandelt (Landinfo 26.6.2012).

Quellen:

* International SOS via MedCOI (11.3.2015): BMA-6551

* International SOS via MedCOI (7.11.2014): BMA-6051

* International SOS via MedCOI (12.1.2012): BMA-3804

* Landinfo (26.6.2012): Chechnya and Ingushetia: Health services, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1363793751_2322-1landinfo.pdf , Zugriff 18.3.2015

Medikamente

Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt:

a) In ambulanten Kliniken, städtischen und Gebietskrankenhäusern sowie im Falle einer Behandlung zu Hause, auf Kosten des Patienten; ausgenommen sind Personen, die einer der Kategorien angehören, die einen Anspruch auf staatlich finanzierte Medikamente haben.

b) In 24-Stunden-Krankenhäusern und Tageskliniken werden die Ausgaben von der staatlichen Krankenversicherung (OMS) und den lokalen Budgets gedeckt. Dies bedeutet, dass Medikamente kostenlos an entsprechend pflichtversicherte Patienten herausgegeben werden.

c) im Rahmen einer Notfallversorgung sind die benötigten Medikamente kostenlos; nicht nur innerhalb einer Klinik, sondern auch außerhalb (IOM 6.2014).

Im Allgemeinen gilt, dass alle russischen Staatsbürger - sowohl im Rahmen einer Krankenpflichtversicherung als auch anderweitig versicherte - für etwaige Medikamentenkosten selbst aufkommen. Ausnahmen von dieser Regelung gelten nur für besondere Personengruppen, die an bestimmten Erkrankungen leiden und denen staatliche Unterstützung zuerkannt worden ist (einschließlich kostenloser Medikation, Sanatoriumsbehandlung und Transport (Nahverkehr und regionale Züge). Die Behandlung und die Medikamente für einige Krankheiten werden auch aus regionalen Budgets bestritten. Die Liste von Erkrankungen, die Patienten berechtigen, Medikamente kostenlos zu erhalten, wird vom Ministerium für Gesundheit erstellt. Sie umfasst: Makrogenitosomie, multiple Sklerose, Myasthenie, Myopathie, zerebrale Ataxie, Parkinson, Glaukom, geistige Erkrankungen, adrenokortikale Insuffizienz, AIDS/HIV, Schizophrenie und Epilepsie, systemisch chronische Hauterkrankungen, Bronchialasthma, Rheumatismus, rheumatische Gicht, Lupus Erythematosus, Morbus Bechterew, Diabetes, Hypophysen-Syndrom, zerebral-spastische Kinderlähmung, fortschreitende zerebrale Pseudosklerose, Phenylketonurie, intermittierende Porphyrie, hämatologische Erkrankungen, Strahlenkrankheit, Lepra, Tuberkulose, akute Brucellose, chronisch-urologische Erkrankungen, Syphillis, Herzinfarktnachsorge (6 Monate nach dem Infarkt), Aorten- und Mitralklappenersatz, Organtransplantationen, Mukoviszidose bei Kindern, Kinder unter 3 Jahren, Kinder unter 6 Jahren aus sehr kinderreichen Familien, im Falle bettlägeriger Patienten erhält ein Angehöriger oder Sozialarbeiter die Medikamente gegen Verschreibung (IOM 6.2014). Die Medikamentenpreise sind von Region zu Region und, teilweise auch in Abhängigkeit von der Lage einer Apotheke unterschiedlich, da es in der Russischen Föderation keine Fixpreise für Medikamente gibt. Die Preise für Aspirin-Tabletten in Moskauer Apotheken liegen beispielsweise zwischen 40 (ca. 1,28 USD) und 180 RUB (ca. 5,80 USD) (IOM 6.2014).

Quellen:

* IOM – International Organisation of Migration (6.2014):

Länderinformationsblatt Russische Föderation

Behandlung nach Rückkehr

Die Abschiebung von russischen Staatsangehörigen aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (im Folgenden: Rückübernahmeabkommen). Der Abschiebung geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rückübernahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Personen von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Gemäß Rückübernahmeabkommen muss die Rückstellung 10 Tage vor Ankunft in der Russischen Föderation den russischen Behörden mitgeteilt werden. Wenn die rück zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rückübernahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation wird den Abgeschobenen von einem Mitarbeiter des Föderalen Migrationsdiensts der Russischen Föderation ein Fragebogen ausgehändigt. Das Ausfüllen dieses Fragebogens beruht auf Freiwilligkeit. Darin werden u.a. Fragen zum beabsichtigten Wohnsitz in Russland gestellt, zum Grund des Verlusts des Reisedokuments und ob man in dem Land, aus dem man abgeschoben wurden, ordentlich behandelt wurde. Dieser Fragebogen dient laut Auskunft der russischen Seite dazu, die lokalen Stellen des Föderalen Migrationsdienstes am Ort des beabsichtigten Wohnsitzes zu informieren, dass eine Überprüfung der Identität und der Staatsangehörigkeit bereits im Zuge der Rückübernahme stattgefunden hat und somit nicht nochmals erforderlich ist. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Abschiebung informiert wird und, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden. Informationen zur weiteren Situation von Abgeschobenen nach ihrer Rückkehr in die Russische Föderation liegen der Botschaft nicht vor. Im November 2012 wurde ein per Sammelflug aus Österreich abgeschobener Tschetschene auf Grundlage eines Haftbefehls wegen KFZ-Diebstahls unmittelbar nach seiner Ankunft am Flughafen in Moskau verhaftet. Wenige Tage später wurde ein weiterer, mit demselben Flug abgeschobener, Tschetschene in Grosny inhaftiert. Über beide Fälle wurde in den österreichischen Medien intensiv berichtet. Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern (freiwilligen Rückkehrern und Abgeschobenen) wird darauf hingewiesen, dass die der Botschaft vorliegenden Informationen sich in erster Linie auf Rückkehrer nach Tschetschenien beziehen. Laut einem Bericht des Menschenrechtszentrums Memorial Komitee Bürgerbeteiligung sind "in Tschetschenien alle gefährdet, die nach einer langen Abwesenheit nach Tschetschenien zurückkehren". Von anderer Seite wurde berichtet, dass Rückkehrer nach Tschetschenien mit verschiedenen Problemen konfrontiert sein können. Einerseits stehen Rückkehrer, ebenso wie die restliche Bevölkerung vor den alltäglichen Problemen der Region. Dies betrifft in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit (laut offiziellen Quellen lag diese im Mai 2014 bei 22,8%), die Wohnungsfrage und die Beschaffung von Dokumenten sowie die Registrierung. Viele Häuser wurden für den Neubau von Grosny abgerissen und der Kauf einer Wohnung sei für viele unerschwinglich, die Arbeitslosigkeit sei um einiges höher als in den offiziellen Statistiken angegeben und bei der Beschaffung von Dokumenten würden oft Schmiergeldzahlungen erwartet. Darüber hinaus stellen Rückkehrer eine besonders verwundbare Gruppe dar, da sie ein leichtes Opfer im Antiterrorkampf darstellen. Um die Statistiken zur Verbrechensbekämpfung aufzubessern, würden zum Teil Strafverfahren fabriziert und ehemaligen Flüchtlingen angelastet. Andererseits können Rückkehrer auch ins Visier staatlicher Behörden kommen, weil vermutet wird, dass sie tatsächlich einen Grund zur Flucht aus Tschetschenien hatten, d.h. Widerstandskämpfer waren oder welche kennen. Manchmal würden Rückkehrer gezwungen, für staatliche Behörden zu spionieren. Eine allgemein gültige Aussage über die Gefährdung von Personen nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien könne nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall und von der individuellen Situation des Rückkehrers abhängt. Von einer NGO in Tschetschenien, die freiwillige Rückkehrer betreut, wurde mitgeteilt, dass freiwillige Rückkehrer bei Behördenkontakten in der Regel nicht mit besonderen Problemen konfrontiert seien. Es sei weder ein besonders Prozedere für Rückkehrer noch Befragungen vorgesehen. Rückkehrer müssten auch bei der Neuausstellung von Dokumenten keine besonderen Fragen beantworten, viele seien ohnehin noch im Besitz ihres russischen Inlandspasses. Sogar wenn ein Heimreisezertifikat vorgelegt werde, würde dies nicht zu Problemen führen, da den Behörden die Situation in diesem Fall ohnehin klar wäre. Nichtsdestotrotz wurde mitgeteilt, dass es Einzelfälle gab, wo freiwillige Rückkehrer mit Heimreisezertifikaten bei Ankunft am Flughafen Moskau für einige Stunden angehalten wurden. Es sei ein Fall bekannt, wo ein freiwilliger Rückkehrer angeblich als ehemaliger Widerstandskämpfer "mitgenommen worden sei". Zur Wohnungssituation wurde mitgeteilt, dass Rückkehrer in der Regel bei Verwandten unterkommen (ÖB Moskau 10.2014). Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort und ihren Wohnsitz melden müssen. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden (AA 10.6.2013).

Quellen:

* AA – Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

* ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang sowie die getroffenen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers (Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und religiöses Bekenntnis), zu seiner Herkunft, zu seinen Familienverhältnissen, zu seinem Leben und zu seinen familiären bzw. sozialen Kontakten sowohl in Österreich als auch in der Russischen Föderation, zu seiner Arbeitsfähigkeit sowie zu seinem Leben in Österreich ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, insbesondere aus dem Einvernahmeprotokoll vom 03.03.2016 sowie aus der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.12.2016.

Darüber hinaus ergeben sich die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug vom 15.07.2016 sowie aus den im Akt erliegenden Gerichtsurteilen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer derzeit inhaftiert ist, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die unterschiedlichen Befragungen vor dem Landesgericht Wien stattgefunden haben sowie aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die begangenen Ordnungswidrigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus den diesbezüglichen Meldungen im Akt sowie aus einem Schreiben der Leiterin der Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf, GZ. 97576, vom 29.04.2015.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich ebenso aus den persönlichen Angaben des Beschwerdeführers sowie aus dem Akteninhalt. Weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsakt finden sich Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer an eine psychische oder physische Erkrankung leidet und/oder behandlungsbedürftig ist.

Die Feststellungen zum Vorliegen einer Existenzgrundlage in der Russischen Föderation ergeben sich daraus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, gesunden und erwerbsfähigen Mann handelt, der zudem Tschetschenisch spricht., der über eine Schulbildung verfügt und zudem drei Lehrgänge begonnen und bereits als Schlosser gearbeitet hat. Darüber hinaus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer den Europäischen Computerführerschein absolviert hat aus dem in Kopie vorgelegtem Zertifikat. Dass in der Russischen Föderation die Grundversorgung der Bevölkerung gegeben ist und sohin auch für den Beschwerdeführer eine Existenzgrundlage vorliegt, ergibt sich aus den Länderfeststellungen und aus dem Amtswissen. Ferner ergibt sich aus den Länderfeststellungen, denen der Beschwerdeführer im Übrigen nicht substantiiert entgegengetreten ist, dass die Verhältnisse in der Russischen Föderation nicht das Ausmaß erreichen, um von einer Gefährdung ausgehen zu können, die in den Nahebereich des Art. 3 EMRK gelangen könnte.

Die Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich, welche weder sonderlich ausgeprägt noch verfestigt ist, ergeben sich aus dem Akteninhalt und zwar insbesondere aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren sowie aus den vorgelegten Unterlagen. Es finden sich weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsakt Hinweise darauf, dass sich der Beschwerdeführer um eine Integration in beruflicher oder sozialer Hinsicht außergewöhnlich stark bemüht hat.

Die Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation unter Einbeziehung der Lage in Tschetschenien beruhen auf den angeführten Quellen und wurden dem Beschwerdeführer sowie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis gebracht, denen nicht entgegengetreten wurde. Bei den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in der Russischen Föderation, einschließlich der Lage in Tschetschenien, ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Quellen nach wie vor aktuell bzw. mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Aberkennung des Status des Asylberechtigten):

Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz nach § 6 Abs. 2 AsylG in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 leg. cit. gilt.

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Nach § 7 Abs. 2 AsylG 2005 ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.

Gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 kann das Bundesamt einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

Nach § 7 Abs. 4 AsylG 2005 ist die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.

Zu den Voraussetzungen des besonders schweren Verbrechens und der rechtskräftigen Verurteilung:

Nach der Rechtsprechung des VwGH müssen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG vier Voraussetzungen kumulativ vorliegen: Ein Fremder muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden sowie drittens gemeingefährlich sein, und viertens müssen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung seine persönlichen Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626; 03.12.2002, 99/01/0449; 06.10.1999, 99/01/0288).

Zu den Voraussetzungen des besonders schweren Verbrechens und der rechtskräftigen Verurteilung:

Der VwGH stellte bereits mehrfach klar, welche Delikte unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" zu subsumieren sind. Demnach sind typischerweise schwere Verbrechen etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. Es muss sich um Straftaten handeln, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen (VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626; 03.12.2002, 99/01/0449; 06.10.1999, 99/01/0288; siehe auch die Erläuterungen zu § 6 AsylG 2005, ErläutRV 952 BlgNR 22. GP 36).

Im Strafregisterauszug des Beschwerdeführers scheinen insgesamt vier Verurteilungen wegen folgender Delikte auf:

* Rechtskräftiges Urteil durch das Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 151 HV 49/2009X, vom 06.08.2009 wegen § 142 Abs. 1 iVm § 15 StGB sowie §§ 105, 106 Abs. 1Z 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und unter Anordnung der Bewährungshilfe;

* Rechtskräftiges Urteil durch das Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 154 HV 111/2009M, vom 15.02.2010 wegen §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB sowie §§ 105, 106 Abs. 1Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten sowie der Verhängung einer Zusatzstrafe - unter Bedachtnahme auf das Urteil 151 HV 49/2009X vom 06.08.2009 - gemäß §§ 31 und 40 StGB;

* Rechtskräftiges Urteil durch das Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 142 HV 47/2011i, vom 21.09.2011 wegen § 142 Abs. 1 iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren und sechs Monaten;

* Rechtskräftiges Urteil durch das Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ. 033 HV 31/2016t, vom 10.03.2016 wegen §§ 15, 127, 229 Abs. 1 StGB, § 50 Abs. 1 Z 2 u 3 WaffG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Monaten

Der Judikatur des VwGH folgend, kann aus der Vielzahl der verübten Straftaten und der Höhe der Freiheitsstrafen geschlossen werden, dass es sich im vorliegenden Fall insgesamt um ein "besonders schweres Verbrechen" handelt. Der Beschwerdeführer wurde erstmals im Jahr 2009 (im Alter von 15 Jahren) wegen Raubes sowie der vollendeten und der versuchten schweren Nötigung rechtskräftig verurteilt. Zur zweiten Verurteilung kam es im Jahr 2010, wonach er das Verbrechen des schweren Raubes und der schweren Nötigung verwirklichte. Im September 2011 wurde der Beschwerdeführer das dritte Mal wegen der versuchten Erpressung, des Raubes, der Vergehen der Körperverletzung und der schweren Körperverletzung, der versuchten Nötigung rechtskräftig verurteilt. Mit Urteil vom Jahr 2016 wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen unbefugtem und verbotenem Besitz von Waffen und Munition; Urkundenunterdrückung und Diebstahl rechtskräftig verurteilt. Im Zuge seiner rechtskräftigen Verurteilungen wurde gegenüber dem Beschwerdeführer jeweils eine Freiheitsstrafe verhängt. Er beging jedoch nicht nur Vermögensdelikte (Raub, schwerer Raub, Diebstahl, versuchte Erpressung), sondern auch Delikte gegen Leib und Leben (Körperverletzung, schwere Körperverletzung sowie versuchte Nötigung).

Hierbei handelt es sich um die Verletzung objektiv besonders wichtiger Rechtsgüter, nämlich Vermögen, körperliche Unversehrtheit, Gesundheit und Leben. In solch gravierenden Fällen verübter Straftaten wie im Beschwerdefall ist es zulässig, bereits ohne umfassende Prüfung aller einzelnen Tatumstände, eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose vorzunehmen (VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626).

Zum Erfordernis der Gemeingefährlichkeit:

Hinsichtlich der Voraussetzung der Gemeingefährlichkeit verlangt der VwGH das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die "nationale Sicherheit", wobei es sich dabei um Umstände handeln muss, die den Bestand des Staates gefährden (VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626; 27.04.2006, 2003/20/0050). Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist der Beschwerdeführer als gemeingefährlich anzusehen, da er vier Straftaten innerhalb eines Zeitraumes von 2009 bis 2016 wiederholt begangen hat. Er wurde bereits im jugendlichen Alter von 15 Jahren das erste Mal strafgerichtlich wegen Raubes und anderer strafbarer Handlungen verurteilt, hat danach jedoch keine Einsicht gezeigt, sondern (auch im Erwachsenenalter) weitere Straftaten verübt. Auch im Zuge seiner Haft hielt er sich nicht an Regelungen und wurde er in drei Ordnungsstrafverfahren für schuldig gesprochen.

Nach Verbüßung einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wurde er zwar vorzeitig bedingt aus der Haft entlassen. Allein die Tatsache der bedingten Entlassung ist jedoch bei weitem nicht mit einer positiven Zukunftsprognose gleichzusetzen. Es kann auch nicht prognostiziert werden, dass sich der Beschwerdeführer in Zukunft wohlverhalten bzw. nicht wieder straffällig werden wird. Das vorgelegte, äußerst kurze Schreiben eines Vereins, womit in Aussicht gestellt wird, dass eine positive Absolvierung des Ausbildungszieles die Chance auf eine nachhaltige Integration des Beschwerdeführers am Arbeitsmarkt erhöhe, ist dafür jedenfalls nicht ausreichend. Insgesamt ist davon auszugehen, dass er eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt, weshalb auch keine günstige Zukunftsprognose gestellt werden kann.

Zur Voraussetzung der Interessenabwägung:

Der Beschwerdeführer brachte zu keinem Zeitpunkt - weder im Verfahren, in welchem ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, noch im gegenständlichen Asylaberkennungsverfahren - asylrelevante Gründe vor. Ihm wurde als Sohn einer in Österreich asylberechtigten Person ebenfalls Asyl gewährt.

Um doppelte Ausführungen zu vermeiden wird hinsichtlich der weiteren Güterabwägung auf die folgenden Erläuterungen zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie auf jene zur Rückkehrentscheidung verwiesen.

Da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG erfüllt sind, hat die Erstbehörde dem Beschwerdeführer zu Recht den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG aberkannt und gleichzeitig festgestellt, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten):

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist gem. § 8 Abs. 2 AsylG mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aber-kennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht. Dies ist gem. § 11 Abs. 1 AsylG dann der Fall, wenn Asyl-werbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewähr-leistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet wer-den kann. Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeit-punkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG).

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention bein-halten die Abschaffung der Todesstrafe.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist im Zeitpunkt der Entscheidung über einen An-trag auf internationalen Schutz zu prüfen. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur all-gemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 sowie Zl. 2005/20/0095).

Der Schutzbereich des Art. 3 EMRK umfasst nicht nur Fälle, in denen der betroffenen Person unmenschliche Behandlung (absichtlich) zugefügt wird. Auch die allgemeinen Umstände, insbesondere unzulängliche medizinische Bedingungen im Zielstaat der Abschiebung können – in extremen Einzelfällen – in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fallen. Allgemein ist der Rechtsprechung des EGMR zu entnehmen, dass "allein" schlechtere oder schwierigere (auch kostenintensivere) Verhältnisse in Bezug auf die medizinische Versorgung nicht ausreichen, um – in Zusammenhang mit einer Abschiebung – in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu reichen. Dazu sei das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände erforderlich. Der EGMR betonte weiters im Fall Bensaid gegen Vereinigtes Königreich, dass auf die "hohe Schwelle" des Art. 3 besonders Bedacht zu nehmen sei, wenn der Fall nicht die "direkte" Verantwortung eines Vertragsstaates (des abschiebenden Staates) für die Zufügung von Leid betreffe (vgl. "Putzer, Leitfaden für Asylrecht² (2011)" Rz 196, mwH).

Vor dem Hintergrund des Art. 3 EMRK ist auch zu prüfen, ob eine Abschiebung des Asylwerbers mit Rücksicht auf die humanitäre Lage am Zielort einer unmenschlichen Behandlung gleich kommt, was unter dem Gesichtspunkt des § 57 Abs. 1 FrG 1997 (entspricht sinngemäß § 50 FPG 2005; vgl. auch § 8 Abs. 1 AsylG letzter Teilsatz) die Unzulässigkeit einer solchen Maßnahme bedeutet. Das bloße Abstellen auf Aspekte der "Sicherheit" bzw. auf das "Fehlen eines Verfolgersubjektes" greift indes unter dem Blickwinkel des § 57 Abs. 1 FrG 1997 zu kurz (vgl. VwGH vom 17.09.2002, Zl. 2001/01/0597, mwH).

Eine Verletzung des Art. 3 EMRK ist im Fall einer Abschiebung nach der Judikatur des EGMR, der sich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts angeschlossen habe, jedenfalls nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. hierzu EGMR vom 02.05.1997, D. vs. United Kingdom, Nr. 30240/96; EGMR vom 31.05.2005, Ovdienko Iryna and Ivan vs. Finnland, Nr. 1383/04 sowie VfGH vom 06.03.2008, Zl. B 2400/07, mwH).

Das erkennende Gericht geht aus folgenden Erwägungen nicht davon aus, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Russische Föderation eine Verletzung von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG bedeuten würde:

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in die Russische Föderation keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder inner-staatlichen Konfliktes treffen würde. Weder aus den Angaben des Beschwerdeführers noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

Weder für die Russische Föderation noch für die Teilrepublik Tschetschenien kann festgestellt werden, dass in diesem Herkunftsstaat eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw. eine allgemeine Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat iSd § 8 Abs. 1 AsylG als unrechtmäßig er-scheinen ließe. Auch ist kein kennzeichnender Grad willkürlicher Gewalt aufgrund eines bewaffneten Konflikts gegeben, der ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr allein durch seine Anwesenheit tatsächlich Gefahr laufen würde, einer individuellen Bedrohung des Lebens ausgesetzt zu sein. Die Abschiebung des Beschwerdeführers würde ihn jedenfalls nicht in eine "unmenschliche Lage" wie etwa Hungertod, unzureichende oder gar keine medizinische Versorgung, massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar Verlust des Lebens, versetzen.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in die Russische Föderation in eine ausweglose Lebenssituation geraten könnte, zumal der Beschwerdeführer über einen Pflichtschulabschluss verfügt und über weitere berufliche Erfahrungen verfügt. Zudem hat er das Zertifikat über den europäischen Computerführerschein erworben. Auch sei ihm die Möglichkeit als Taxifahrer zu beginnen in Aussicht gestellt worden.

Nachdem der Beschwerdeführer bereits im Bundesgebiet eine Berufsausbildung zum Schlosser begonnen und diese Tätigkeit ausgeübt hat, kann er auch in Tschetschenien in diesem Beruf arbeiten. Hierbei handelt es sich um einen Handwerksberuf, welcher ortsunabhängig in jedem Land ausgeübt werden kann. Dem Beschwerdeführer ist sohin eine volle Teilnahme am Erwerbsleben in seinem erlernten Beruf möglich, da er nicht nur über die angesprochene Ausbildung verfügt, sondern auch ein junger und gesunder Erwachsener ist. In diesem Zusammenhang besteht darüber hinaus die Möglichkeit, diverse Hilfstätigkeiten zu verrichten, um sich den notwendigen Lebensunterhalt in der Russischen Föderation zu finanzieren. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse durch den Beschwerdeführer selbst kann daher als gesichert angenommen werden. Im speziellen Fall des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass er in verschiedenen Bereichen Erfahrungen sammelte und scheint er diesbezüglich im höchsten Maße flexibel zu sein.

Zudem hat der Beschwerdeführer in den ersten zehn Jahren seines Lebens in Tschetschenien verbracht und dort zwei Jahre die Volksschule besucht. Die herrschenden Gepflogenheiten im Herkunftsland sind ihm sohin nicht fremd und er verfügt auch über Kenntnisse der Landesprache. In der Beschwerde behauptete er zwar, Tschetschenisch nicht mehr zu beherrschen, dies ist jedoch nicht glaubhaft, zumal der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass er mit seinen Eltern Tschetschenisch spricht (vgl. S 5 Verhandlungsprotokoll). Zudem hat er in seinen ersten zehn Lebensjahren ausschließlich die Landessprache gesprochen und einen zweijährigen Unterricht in seiner Muttersprache absolviert.

Auch wenn der Beschwerdeführer vorgebracht hat, keine Familienangehörigen mehr in der Russischen Föderation zu haben, wird ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Bestreitung seines Lebensunterhaltes möglich sein. Wie sich aus den behördlichen Länderfeststellungen ergibt, kann er staatliche Unterstützung erwarten, zumal laut Länderinformationsblatt ein soziales Sicherungssystem besteht. So wird beispielsweise das Arbeitslosengeld vom staatlichen Beschäftigungsfonds ausgezahlt (GIZ 2.2015c). Demnach kann sich der Beschwerdeführer auch ohne familiären Rückhalt durch Inanspruchnahme der staatlich angebotenen Rückkehrhilfe eine neue Existenz in der Russischen Föderation aufbauen. Ebenso bleibt es ihm unbenommen, sich nach Bedarf an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation bzw. NGOs zu wenden.

Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass in Tschetschenien keinesfalls eine Situation herrscht, in der jeder Rückkehrer einer existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Für die erkennende Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes haben sich unter diesen Aspekten keine Hinweise ergeben, dass der Beschwerdeführer für den Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzbedrohende Situation geraten würde. Dem Beschwerdeführer wird es demnach offensichtlich zumutbar sein nach seiner Rückkehr nach Tschetschenien eine Beschäftigung aufzunehmen und den lebensnotwendigen Unterhalt zu erwirtschaften. Er wird seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bestreiten können. Im Falle einer Rückkehr ist daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in eine Notlage geraten würde.

Ziel des Refoulementschutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es die Rückkehr in die Russische Föderation sein wird, zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben. Weiters gilt es zu bedenken, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat aufgewachsen ist, die Sprache beherrscht und mit den dort herrschenden Gepflogenheiten vertraut ist.

Unter Verweis auf die ins Verfahren eingebrachten Länderinformationen kann für die Russische Föderation/Tschetschenien zum gegenwärtigen Zeitpunkt schlichtweg nicht festgestellt werden, dass dort eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw. eine allgemeine politische Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen ließe.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung, welche ein Hindernis für eine Rückführung in die Russische Föderation darstellen würde.

Abschließend sei noch angemerkt, dass der Beschwerdeführer keinerlei substanzielle Gründe, welche ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnten, dargetan hat.

Es ergibt sich somit kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Daher bleibt festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, ihm den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung):

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraus-setzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt ei-ne Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechts-kräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist nicht geduldet. Er ist auch nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und ebenso wenig ein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher im Fall des Beschwerdeführers nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur ansatzweise behauptet worden war. Ferner erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten im gegenständlichen Verfahren nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG ergangen.

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab-gewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist weder ein begünstigter Drittstaatsangehörige noch kommt ihm ein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt. Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat das Bundesamt über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (vgl. EGMR Kroon sowie VfGH vom 28.06.2003, G 78/00). Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (vgl. EGMR Marckx, EGMR vom 23.04.1997, X u.a.).

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Gemäß den getroffenen Feststellungen leben in Österreich die Eltern und vier Geschwister des Beschwerdeführers. Das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft bzw. einer eheähnlichen Beziehung wurde hingegen nicht festgestellt. Der Beschwerdeführer lebt mit den genannten Verwandten nicht im gemeinsamen Haushalt und wurde weder eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit noch ein besonders intensives Naheverhältnis vorgebracht, zumal der Beschwerdeführer diesbezüglich im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme angegeben hat, mit Volljährigkeit von Arbeitslosengeld und folglich von der Notstandshilfe gelebt zu haben (vgl. AS 265). Zudem war der Beschwerdeführer immer wieder in Haft. Auch derzeit befindet er sich in Haft und ergibt sich daraus naturgemäß, dass der Beschwerdeführer mit keinem Familienangehörigen im gemeinsamen Haushalt lebt.

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. gegen Lettland). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessensabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt.

Zu Gunsten des Beschwerdeführers ist zunächst der Aufenthalt in Österreich in der Dauer von über 12 Jahren zu werten. Der Beschwerdeführer stellte am 14.10.2014 einen Asylantrag und wurde ihm mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.06.2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt, weshalb der Aufenthalt auch rechtmäßig war. Positiv hervorzuheben ist des Weiteren der Besuch der Volksschule, ein Pflichtschulabschlusses sowie der Beginn einer Schlosserlehre. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zu seinem Heimatstaat Russische Föderation eine abgeschwächte Bindung hat. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch und gibt er an einen großen Freundeskreis, bestehend aus Schulfreunden, ehemaligen Arbeitskollegen und Nachbarn zu haben.

Diesbezüglich ist jedoch auszuführen, dass der Beschwerdeführer durch die Begehung mehrerer Straftaten, die zu Verurteilungen zu (zum Teil) unbedingten, mehrjährigen Freiheitsstrafen geführt haben, - auch gegenwärtig befindet sich der Beschwerdeführer in Haft - wiederholt zum Ausdruck brachte, dass er die österreichische Rechtsordnung nicht akzeptiert. Der Beschwerdeführer wurde bereits im Alter von 15 Jahren das erste Mal strafgerichtlich verurteilt. Insgesamt weist das Strafregister vier Verurteilungen auf.

1. So wurde der Beschwerdeführer wegen Raubes, Nötigung, schwerer Nötigung (rechtskräftiges Urteil vom 06.08.2009) verurteilt.

2. Mit Urteil vom 15.02.2010 wurde der Beschwerdeführer erneut wegen Raubes, Nötigung, schwerer Nötigung verurteilt und erhielt er eine Zusatzstrafe im Sinne der §§ 31 und 40 StGB.

3. Folglich wurde er am 21.09.2011 wegen Raub und Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

4. Am 10.03.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen Diebstahl, Urkundenunterdrückung und gemäß § 50 Abs. 1 Z 2 und 3 - wegen des unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt.

In Anbetracht der zahlreichen strafgerichtlichen Verurteilungen kann von einer besonderen sozialen Verfestigung im Bundesgebiet nicht gesprochen und auch keine positive Zukunftsprognose getroffen werden. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner vorzeitig bedingten Entlassung am 27.09.2012 zu verweisen, wonach er bei dieser Anhörung bereits angab, dass er seine Tat bereue und versicherte er sich künftig arbeitsam und rechtstreu verhalten zu wollen. Dennoch wurde er erneut straffällig. Die Aufenthaltsbeendigung von straffällig gewordenen Ausländern gilt grundsätzlich als legitimes Interesse eines Aufenthaltsstaates. Im Fall des Beschwerdeführers kommt hinzu, dass es sich bei den von ihm begangenen Straftaten nicht um bloß geringfügige Delikte handelt, sondern um Straftaten, die auf die grundsätzliche Gewaltbereitschaft und auf ein hohes Aggressionspotenzial des Beschwerdeführers schließen lassen, was jedenfalls eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Verurteilung und die Verbüßung der Strafhaft im Fall des Beschwerdeführers spezialpräventiv wirken, da sich der Beschwerdeführer trotz des verspürten Haftübels und der Folgen seines straffälligen Verhaltens (Freiheitsstrafen) nicht davon abhalten ließ, erneut strafbare Handlungen, die hinsichtlich des Gewaltpotentials eine stetige Steigerung aufweisen, zu begehen.

Darüber hinaus ist auf die Entscheidung des VwGH vom 23.03.1995, 95/18/0061, zu verweisen, in welcher ausgeführt wurde, dass das wiederholte Fehlverhalten eines Fremden (im damals vom VwGH beurteilten Verfahren handelte es sich um die Delikte des Diebstahls durch Einbruch und der Hehlerei) eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit bewirkt und derart schwerwiegend ist, dass auch stark ausgeprägte private und familiäre Interessen des Fremden, der mit seiner Familie, nämlich Gattin und Kindern, seit 15 Jahren in Österreich lebte, zurücktreten müssen (vgl. auch VwGH 08.02.1996, 95/18/0009). Die Begehung von Straftaten stellt außerdem einen eigenen Grund für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen dar (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

Im Zuge einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 Abs. 2 BFA-VG ist neben den privaten Anknüpfungspunkten zugunsten des Beschwerdeführers seine Aufenthaltsdauer von gegenwärtig ca. 12 Jahren zu werten.

Allerdings relativieren sich sowohl die familiären Anknüpfungspunkte als auch die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers aufgrund der Begehung von Straftaten. Bei der Abwägung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an seiner Ausreise fällt vor allem ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer durch sein langjähriges und wiederholtes Fehlverhalten in Zusammenhang mit der Begehung mehrerer strafbarer Handlungen seine mangelnde Rechtstreue und seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

Der Beschwerdeführer muss zudem gegen sich gelten lassen, dass er in der Vergangenheit erkennbar keine Schritte – insbesondere im Hinblick auf die wiederkehrende Straffälligkeit - gesetzt hat, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu regeln, sodass nach erfolgter Verurteilung der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte plötzliche Hinweis auf familiäre Bindungen und der Wunsch nach Zusammenleben in einer Familieneinheit mit dem Verhalten in der Vergangenheit nicht übereinstimmt und dieses Vorbringen sohin als reine Scheinbehauptung zu werten war.

Wenngleich nicht verkannt wird, dass der Beschwerdeführer kurzzeitig als Schlosser gearbeitet hat, so ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig 23 Jahre alt ist und lediglich eine kurzzeitige berufliche Tätigkeit vorweisen kann. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer keinerlei Interesse an einer (insbesondere beruflichen) Integration in Österreich gezeigt, zumal er keine ernsthaften Schritte in Bezug auf eine legale Erwerbstätigkeit und somit wirtschaftliche Unabhängigkeit unternommen hat. In diesem Zusammenhang ist zudem anzumerken, dass der Beschwerdeführer - teilweise bedingt durch die Inhaftierung - nicht berufstätig war. Von einer beruflichen bzw. wirtschaftlichen Verfestigung im Bundesgebiet kann sohin - trotz der Aufnahme einer kurzzeitigen Beschäftigung als Schlosser - nicht gesprochen werden.

Es wird von Seiten der zuständigen Einzelrichterin nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer mittlerweile in Österreich Freundschaften geschlossen bzw. Bekanntschaften geknüpft hat. Dennoch kann dies nicht als ausreichend ausgeprägte Integration in die österreichische Gesellschaft gewertet werden. In diesem Zusammenhang ist auch auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst die Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720 sowie vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).

Im Hinblick auf den vorgebrachten Pflichtschulabschluss sowie die Schlosserlehre wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.06.2013, U 485/2012, verwiesen, wonach ausgeführt wird, dass selbst die "unbestrittenen weitreichenden Integrationsschritte des Beschwerdeführers (hervorragende Deutschkenntnisse, Hauptschulabschluss, erfolgreicher Besuch einer HTL, österreichischer Freundeskreis und österreichische Freundin) dennoch gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens zurücktreten müssen." Solche derartigen "weitreichenden Integrationsschritten" sind im Fall des Beschwerdeführers jedoch fraglich, zumal diese Behauptung durch keinerlei Beweismittel, wie etwa Unterstützungsschreiben oder aktuellen Fotos, untermauert wurden. Weitere integrationsbegründende Umstände, beispielsweise soziales Engagement, ehrenamtliche Tätigkeiten oder die Mitgliedschaft in einem Verein, sind für das Gericht ebenfalls nicht ersichtlich. Umso mehr muss im Licht dieser Judikatur im gegenständlichen Fall den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers der Vorzug gegeben werden, die die erbrachten Integrationsschritte als geringfügig anzusehen sind.

In diesem Zusammenhang ist zudem darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des VwGH die für die Integration eines Fremden wesentliche soziale Komponente durch von ihm begangene Straftaten erheblich beeinträchtigt wird (VwGH 19.11.2003, 2002/21/0181 mwN).

Insgesamt hat sohin die Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen ergeben, dass die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen sowie an der Aufrechterhaltung der öffentliche Ordnung und Sicherheit, die durch den Aufenthalt des wiederholt straffällig gewordenen Beschwerdeführers gefährdet sind, schwerer wiegen als die Auswirkungen der Rückkehrentscheidung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Im Übrigen handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, gesunden Mann ohne Obsorgeverpflichtungen handelt, der zudem über die notwendigen Sprachkenntnisse in der Russischen Föderation verfügt. Der Beschwerdeführer hat zudem die ersten zehn Jahren seines Lebens in Tschetschenien verbracht und zwei Jahre die Volksschule in Tschetschenien besucht. Er hat begonnen einen Handwerksberuf zu erlernen, welcher auch in Tschetschenien ausgeübt werden kann. Es kann nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würde.

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

Insgesamt ist der Grad der sozialen Integration aus den dargestellten Erwägungen als schwach anzusehen. Ein Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet besteht zwar, es ist jedoch nicht intensiv ausgeprägt und daher nicht besonders schützenswert. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher zum Ergebnis, dass nach einer Gesamtabwägung die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen.

Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend machte, sein Leben künftig in positive Bahnen lenken zu wollen. Ob ihm dies bisher gelungen ist und welche Anstrengungen er dafür unternimmt, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, da keinerlei diesbezügliche Beweismittel vorgelegt wurden. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer derzeit erneut in Haft befindet und letztlich mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen vom 10.03.2016 wegen Diebstahl, Urkundenunterdrückung und wegen des rechtswidrigen und unerlaubten Besitzes einer Waffe rechtskräftig verurteilt wurde.

Bei einer Zusammenschau überwiegen im vorliegenden Fall jene Umstände, die für eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat sprechen, wobei insbesondere den mehrfachen strafrechtlichen Verurteilungen besonderes Gewicht zukommt.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben darstellt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung unzulässig wäre.

Dennoch entschied die belangte Behörde im ersten Spruchteil des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides in merito negativ über die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG. Jedoch hat der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 15.03.2016, Ra 2015/21/0174, mwN, klargestellt, dass das Gesetz keine Grundlage dafür biete, in Fällen, in denen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen werde, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG abzusprechen. Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind und über die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG von der belangten Behörde angesichts der zugleich getroffenen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG nicht abgesprochen werden durfte, war Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides entsprechend abzuändern.

Da die Voraussetzungen des § 10 AsylG vorliegen, da dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt und der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde, war eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG zu erlassen.

§ 52 Abs. 2 Z 3 FPG setzt weiters voraus, dass kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt und dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Da dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt und jener des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde, liegt weder ein Fall des § 8 Abs. 3a, noch ein solcher des § 9 Abs. 2 AsylG vor.

Zur Zulässigkeit der Abschiebung:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Wie sich aus den Länderfeststellungen und aus den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergibt, besteht keine Gefahr, dass durch die Abschiebung des Beschwerdeführers Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson mit der Abschiebung eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes verbunden wäre. Auch sonst besteht kein Abschiebehindernis gemäß § 50 Abs. 2 oder Abs. 3 FPG, - ein Solches wurde weder substanziiert vom Beschwerdeführer vorgebracht noch ist es aus dem Akteninhalt ersichtlich - sodass das Bundesamt die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zurecht für zulässig erklärt hat.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, war Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (Zur Frist für die freiwillige Ausreise):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berück-sichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, über-wiegen. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden und sich auch sonst nicht ergeben, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, war die Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wie der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es zu irgendeinem Aspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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