BVwG W175 2220532-1

BVwGW175 2220532-15.7.2019

AsylG 2005 §5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W175.2220532.1.00

 

Spruch:

W175 2220532-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX ,

Staatsangehörigkeit: Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2019, Zahl: 1176903609/ 190413269, zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

I.1. Der Beschwerdeführer (BF) brachte am 23.04.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (AsylG), ein.

 

Ein Eurodac-Abgleich der Fingerabdruckdaten des BF ergab keinen Treffer.

 

Im als authentisch angesehene iranischen Reisepass des BF befindet sich ein von der ungarischen Botschaft Teheran am 30.08.2018 ausgestelltes Visum der Kategorie D, gültig von 30.08.2018 bis 29.08.2019, einmalige Einreise, Aufenthaltsdauer 30 Tage, Anmerkungen: "Tanulmanyi/Studies". Im Reisepass befindet sich weiters ein Stempel der österreichischen Botschaft Teheran vom 08.11.2017, wonach der BF um Erteilung eines Aufenthaltstitels ersucht hat, sowie ein Einreisestempel nach Ungarn vom 15.09.2018.

 

I.2. Im Rahmen der Erstbefragung am 23.04.2019 gab der BF im Wesentlichen an, dass er volljährig und iranischer Staatsangehöriger sei. Er habe den Iran am 15.09.2018 verlassen, sei mit dem Visum legal nach Ungarn geflogen und am selben Tag mit dem Zug weiter nach Österreich gereist. Sein Ziel sei immer Österreich gewesen, da seine Mutter und sein minderjähriger Bruder hier leben würden. Er habe in Österreich vor sechs Monaten seinen Glauben gewechselt und sei nunmehr katholisch, da seine in Österreich lebenden Verwandten ebenfalls katholisch seien, weshalb er bei einer Rückkehr in den Iran gefährdet sei.

 

Er habe seit seiner Einreise am 15.08.2018 (Anm: protokollierte Datumsangabe) unangemeldet an der Adresse seiner Mutter gewohnt, das sei ihm von seinem Anwalt angeraten worden. Er habe von seinen Ersparnissen und der Unterstützung der Mutter gelebt.

 

Im Schriftsatz des gewillkürten Vertreters vom 24.04.2019 wurde festgehalten, dass der BF laut Einreisestempel am 15.09.2018 nach Ungarn eingereist sei. Der BF verfüge auch über die Zugkarten für die Weiterreise nach Österreich am selben Tag. Daraus ergebe sich, dass die 30 Tage Aufenthaltsdauer konsumiert seien und das Visum nunmehr seit über sechs Monaten abgelaufen sei, wodurch die Zuständigkeit Ungarns zur Führung des Asylverfahren erloschen sei.

 

Mit Schriftsatz vom 25.04.2019, bezeichnet als "Protest", wurde überdies vorgebracht, dass der BF durchgehend im Haushalt der in Österreich asylberechtigten Mutter und seines Stiefvaters in Österreich gelebt habe und von diesen finanziell abhängig sei. Der BF sei in seinen Rechten gemäß Art. 8 EMRK verletzt.

 

I.3. Aufgrund der Angaben des BF und des vorgelegten Reisepasses richtete das BFA an Ungarn am 30.04.2019 eine Anfrage gemäß Art. 34 Dublin III-VO unter Beischließung der Kopie des Reisepasses.

 

Die ungarischen Dublin-Behörden bestätigten am 07.05.2019 die Erteilung des Visums D "for educational purposes", dem BF sei überdies ein Aufenthaltstitel "for educational purposes" erteilt worden, gültig bis 31.20.2019, die Geschäftszahl wurde vermerkt.

 

Das BFA richtete daraufhin an Ungarn am 20.11.2017 ein auf Art. 12 Abs. 1 oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Aufnahmeersuchen betreffend den BF. Die bisherigen Angaben und die Mitteilung vom 07.05.2019 wurden beigefügt.

 

I.4. Mit Schreiben vom 17.05.2019 stimmten die ungarischen Behörden einer Aufnahme des BF gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

 

I.5. In einer Stellungnahme vom 28.05.2019 wurde ohne Hinweis auf eventuelle Quellen ausgeführt, dass dem BF im Falle einer Missachtung des Refoulementverbotes durch Ungarn eine folgenschwere Verfolgung im Iran drohe. Unter dem "Rechtsaußen-Ministerpräsidenten" Victor Orban sei es zu einer radikalen Änderung des ungarischen Asylsystems gekommen, der BF habe in Ungarn nicht die geringste Chance, dass man ihm aufgrund seiner Konversion Asyl gewähre. Er könne auch keinen Antrag stellen, da er es unterlassen habe, einen solchen während seines nur wenige Stunden dauernden Aufenthalts zu stellen. Ein jetzt gestellter Antrag werde als unzulässig betrachtet oder im beschleunigten Verfahren wegen offensichtlicher Unbegründetheit abgewiesen werden, die darin gesehen werde, dass der BF nicht gleich nach der Einreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten einen Antrag gestellt habe. Die Gefahr abgeschoben zu werden sei umso größer, als die österreichischen Behörden dem BF den Reisepass abgenommen hätten und diesen den ungarischen Behörden übergeben würden.

 

Aufgrund dieser (nicht näher ausgeführten) systemischen Mängel des ungarischen Asylverfahrens seien die Mindestrechte für den BF nicht gesichert. Er müsse fürchten, in Haft genommen zu werden, da er in Ungarn unrechtmäßig aufhältig wäre und nicht gleich nach der Einreise um Asyl angesucht habe, da sein Antrag als aussichtslos angesehen würde, da die vom BF eingebrachten Bedrohungen von den Behörden mit Sicherheit als nicht den Tatsachen entsprechend eingestuft würden und er keine Möglichkeit hätte, diese Gründe mit zweckentsprechenden Mitteln zu vertreten und ihnen zum Erfolg zu verhelfen.

 

Die Änderungen im Asylgesetz im August und September 2015 bewirkten eine Verletzung des Non-Refoulement-Prinzips. Nach allem was über das ungarische Asylwesen bekannt sei, hätte der BF nicht die geringste Aussicht.

 

Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.01.2019 sei ohne Relevanz für den Fall des BF, da die Gültigkeitsdauer des Visums bereits abgelaufen sei. Er könne daher den Antrag nur in der Transitzone stellen, wo eine ausreichende Versorgung nicht gewährleistet sei.

 

I.6. Am 31.05.2019 gab der BF vor dem BFA im Beisein seines Rechtsberaters und nach erfolgter Rechtsberatung in der Sprache Farsi befragt an, dass deine Mutter, sein Bruder, sein Stiefvater und seine Verlobte in Österreich leben würden. Letztere habe ein Studentenvisum, die anderen seien anerkannte Flüchtlinge. Er lebe mit der Mutter und dem Bruder seit 15.09.2018 in einem gemeinsamen Haushalt, der Stiefvater habe eine eigene Wohnung und besuche sie ab und zu. Die Verlobte habe auch eine eigene Wohnung.

 

Er habe sich am 23.04.2019 an der Adresse der Mutter angemeldet. Auf Empfehlung des Anwaltes habe er sich erst jetzt angemeldet, er habe keine andere Möglichkeit gehabt, er wolle bei seiner Familie bleiben. Das Visum sei nunmehr abgelaufen. Den Anwalt habe er seit August 2018, bevor er nach Österreich gekommen sei, dies sei auch der Anwalt der Mutter gewesen. Der BF habe ihn schon früher gekannt, die Vollmacht habe er erst am Tag der Antragstellung unterschrieben.

 

Der BF werde von der Mutter und dem Stiefvater unterstützt, manchmal auch von seinem leiblichen Vater aus dem Iran. Er bekomme Taschengeld.

 

Die Verlobte habe er mehr als ein Jahr vor seiner Reise nach Österreich (Anm: 15.09.2018) kennengelernt, so am 20. oder 21.03.2018. Sie sei im Iran seine Nachbarin gewesen. Die Hochzeit hänge davon ab, wie schnell er einen Bescheid bekäme, er sei in einer unsicheren finanziellen Lage. Die Verlobte studiere seit Ende 2017/Anfang 2018 in Österreich. Er sei in Österreich gewesen und habe hier mit ihren Eltern gesprochen, seitdem seien sie verlobt. Über Videotelefonie habe er mit den Eltern gesprochen. Kurz nach der Ankunft des BF in

 

Österreich habe er mit dem Vater der Verlobten über die Verlobung gesprochen. Seit September 2018 seien sie verlobt, er kenne sie 13 Monate. In der Erstbefragung habe er keine Angaben zu ihr gemacht, da er nicht gefragt worden sei.

 

Der BF wolle nicht nach Ungarn, er sei lange Zeit von der Familie getrennt gewesen und habe alles versucht, um nach Wien zu kommen. Das wichtigste seien seine Mutter und sein Bruder, die hier leben und ihn brauchen würden.

 

Er habe noch nie zuvor ein Visum für Ungarn beantragt. Nur für Österreich, da habe er ein Studentenvisum beantragt, der Prozess habe ein Jahr gedauert, danach habe er es bei einem anderen Land versucht. Das sei eben Ungarn gewesen. Er habe viel Zeit und Geld in diesen Prozess investiert. Er habe nur diese eine Mal ein Visum für Ungarn bekommen. Er habe sogar einer Person € 8.000,- gegeben, damit er schneller aus dem Iran wegkomme. Er sei sich sicher, dass er in Ungarn nichts eingereicht habe. Nach dem negativen Beschied von Österreich habe er ein ungarisches Visum beantragt.

 

Er habe den Antrag auf internationalen Schutz nicht sofort nach der Einreise gestellt, wegen des Dublin-Verfahrens, da ihm das der Anwalt geraten habe. Er habe erst sechs Monate nach Ablauf des Visums den Antrag stellen können. Er wolle hierbleiben, bei seiner Mutter und dem Bruder und bei den Leuten, die er kennengelernt habe. Es wären alle Bemühungen umsonst gewesen. Er habe keine Plan, was er in Ungarn machen solle.

 

I.7. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 06.06.2019 den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 1 der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung des BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des BF nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

 

Dem Bescheid waren nachfolgende Feststellungen zu Ungarn zu entnehmen (fallrelevant gekürzt; die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 14.12.2016).

 

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 14.12.2016, Zentrum Bicske geschlossen (relevant für Abschnitt 9/Unterbringung)

 

(...)

 

KI vom 26.8.2016, Ergänzende Fragen zum LIB (relevant für Abschnitt 5/Dublin-Rückkehrer)

 

Zur Möglichkeit in Ungarn Verfahren in Abwesenheit des Antragstellers zu entscheiden: Wie oft kommt dies in der Praxis vor und ist in solchen Fällen innerhalb von 9 Monaten eine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich?

 

Wenn BAH (ungarisches Büro für Immigration und Nationalität) genug Informationen zur Verfügung hat, kann die Behörde auf dieser Basis in Abwesenheit entscheiden. Meistens ist das aber nicht der Fall, da die Antragsteller sich zu früh, oft sogar vor dem inhaltlichen Interview, absetzen. Im Falle einer Entscheidung in Abwesenheit ist keine Beschwerde binnen 9 Monaten, sondern lediglich ein neuer Antrag möglich (BAH 25.7.2016).

 

Bei Weigerung Serbiens, Drittstaatsangehörige aus Ungarn zurückzunehmen: Wie lange dauert es bis zur Entscheidung Ungarns ein inhaltliches Verfahren zu führen?

 

Wenn ein Antrag aufgrund der Einreise durch Serbien als unzulässig entschieden wird und Serbien sich nicht bereit erklärt, den Rückkehrer zu übernehmen, wird der Antrag in Ungarn inhaltlich geprüft (BFA 24.6.2016).

 

UNHCR hat in seinem Bericht vom Mai 2016 kritisiert, dass nicht bekannt sei, wie lange Antragsteller, denen Ungarn wegen Drittstaatsicherheit ein inhaltliches Verfahren verwehrt und welche nach Serbien zurückgeschoben werden sollen, zu warten haben, bevor Ungarn ihren Antrag inhaltlich prüft (UNHCR 5.2016).

 

BAH erklärt dazu, dass gem. Art. 51A des ungarischen Asylgesetzes BAH seine Unzulässigkeitsentscheidung zurückzunehmen und das Verfahren fortzusetzen hat, wo ein sicherer Dritt- oder Herkunftsstaat den Antragsteller faktisch nicht übernimmt. BAH informiert ohne Verzögerung die Fremdenpolizei über eine Unzulässigkeitsentscheidung, damit sie eine Außerlandesbringung effektuieren kann. Wenn die Fremdenpolizei BAH informiert, dass z.B. Serbien einen Betroffenen nicht zurücknimmt, hat BAH ohne Verzögerung ein inhaltliches Verfahren zu beginnen. Zahlen zur Untermauerung konnte BAH leider nicht zur Verfügung stellen (VB 9.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Allgemeines zum Asylverfahren

 

Das Büro für Immigration und Nationalität (Office of Immigration and Nationality, OIN; ungarisch: Bevándorlási és Állampolgársági Hivatal, BAH) hat die Verantwortung für Entscheidungen in Asylverfahren und das Management der Unterbringungszentren und der Asylhaftzentren. Es untersteht dem ungarischen Innenministerium (AIDA 11.2015).

 

Die Europäische Kommission hat am 10.12.2015 an Ungarn ein Aufforderungsschreiben (formal notice) übermittelt, das die erste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens wegen der kürzlich verabschiedeten ungarischen Asylrechtsvorschriften darstellt. Die ungarischen Behörden haben nach dem Aufforderungsschreiben zwei Monate Zeit, um auf die Argumente der Europäischen Kommission zu reagieren. Erhält die Kommission keine zufriedenstellende Antwort, kann sie die nächste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens einleiten und Ungarn eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermitteln. Erforderlichenfalls kann die Kommission anschließend beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage einreichen (EK 10.12.2015).

 

Asylverfahren

 

Das ungarische Parlament hat im Juli 2015 eine Reihe von Änderungen des Asylgesetzes beschlossen. Wichtigste Neuerungen sind u.a. umfassende Mitwirkungspflichten; klarere Formulierung der Asylhaftgründe; Verbesserungen bei der Bestellung eines Vormunds für UM; Aufhebung der aufschiebenden Wirkung bei Folgeanträgen; Unzulässigkeit des Antrags bei Einreise aus sicherem Drittstaat usw. (VB 2.7.2015). Seit 1.8.2015 ist das neue Asylgesetz in Kraft. Weitere Änderungen vom 15.9.2015 regeln die Einrichtung der sogenannten Transitzonen an den Grenzen (BAH 16.9.2015; HHC 18.9.2015).

 

Ein Antrag soll binnen 15 Tagen auf Zulässigkeit, Dublin-Relevanz oder Eignung für das beschleunigte Verfahren geprüft werden. Das beschleunigte Verfahren soll binnen 15 Tagen abgeschlossen sein, das ordentliche Verfahren binnen 60 Tagen. Das beschleunigte Verfahren ist anwendbar, wenn der Antrag offensichtlich unbegründet ist (Antragsteller ist EU-Bürger oder hat einen Schutzstatus in einem EU-Staat; ist anerkannter Flüchtling in einem Drittstaat; bei Folgeantrag ohne neue Elemente; bei Drittstaatsicherheit); wenn der Antragsteller keine asylrelevanten Informationen preisgibt; aus einem Land kommt das auf der EU-Liste der sicheren Herkunftsstaaten steht; seine Identität verschleiert; falsche Informationen oder Dokumente vorlegt; seinen Reisepass zerstört oder weggeworfen hat; bei Verweigerung der Daktyloskopie; wenn der Antragsteller eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt; bei illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt in Ungarn ohne Asylantragstellung (wobei letzteres nicht als alleiniger Grund für eine Zurückweisung ausreicht) und bei Folgeanträgen mit neuen Elementen. Wenn dem ASt. mitgeteilt wird, dass geplant ist, seinen Antrag wegen Drittstaatsicherheit oder illegaler Einreise beziehungsweise illegalem Aufenthalt in Ungarn ohne Asylantragstellung zurückzuweisen, hat der Antragsteller 3 Tage Zeit, um darzulegen, warum der betreffende Staat in seinem spezifischen Fall nicht sicher ist. Nehmen der sichere Dritt- oder Herkunftsstaat den Antragsteller nicht zurück, ist die Entscheidung zurückzunehmen und das Verfahren zu führen (Act LXXX 14.9.2015, §47, 51, 51/A).

 

Wird ein Fremder in Ungarn aufgegriffen, führt die Polizei wegen illegaler Einreise eine Ersteinvernahme durch. Sie informiert und registriert die Betroffenen und legt eine Unterkunft fest. Ein Asylantrag während der ersten 48 Stunden wird durch die Polizei registriert, zuständig für dessen Bearbeitung ist BAH. Die meisten Antragsteller entziehen sich aber bereits vor dem inhaltlichen Interview dem Verfahren, womit keine inhaltliche Entscheidung möglich ist. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit einer Entscheidung in Abwesenheit, wenn genügend Informationen vorliegen, dies wird aber nur sehr selten angewandt (BAH 16.9.2015).

 

Mit 1.7.2016 werden Gesetzesänderungen in Kraft treten, denen zufolge illegal eingereiste Migranten, die in einer 8 km von der Staatsgrenze ins Landesinnere reichenden Kontrollzone betreten werden, Asylanträge nicht im Landesinneren stellen können, sondern durch das nächstgelegene Tor des Grenzzauns zurückgeführt und aufgefordert werden, offiziell durch die nächstgelegene Transitzone einzureisen und dort ihren Antrag zu stellen (VB 23.5.2016; vgl. VB 28.6.2016; vgl. ECRE 17.6.2016).

 

Die Behörde kann ein Verfahren einstellen oder aufgrund bereits vorhandener Informationen entscheiden, u.a. wenn der Antragsteller nicht zum Interview erscheint oder die festgelegte Unterkunft ohne Genehmigung für mehr als 48 Stunden verlässt. Der ASt. kann in diesen Fällen aber bis zu 9 Monate nach Beendigung die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen (Act LXXX 14.9.2015, §66).

 

Anträge nach abschließender beendender oder zurückweisender Entscheidung gelten als Folgeantrag. Hier ist zu prüfen, ob neue Elemente vorliegen. Neue Elemente sind Bedingung für die Zulässigkeit. Zulässige Folgeanträge werden im beschleunigten Verfahren geprüft. Für den dritten und weitere Folgeanträge besteht kein Recht auf Aufenthalt und Unterbringung in Ungarn. Beschwerde gegen Zurückweisung von Folgeanträgen hat aufschiebende Wirkung, außer der Folgeantrag wurde direkt vor einer Abschiebung gestellt und enthält keine neuen Elemente. In jenem Fall besteht kein Recht auf Aufenthalt und Unterbringung in Ungarn (AIDA 11.2015; vgl. Act LXXX 14.9.2015, §54).

 

Beschwerde

 

Im beschleunigten Verfahren gilt eine Rechtsmittelfrist von 7 Tagen. (Für zwischen 1.8. und 15.9.2015 gestellte Anträge gilt weiterhin die später geänderte Beschwerdefrist von 3 Tagen) Dieses Rechtsmittel besitzt nur in bestimmten Fällen aufschiebende Wirkung (u.a. bei Unzulässigkeit wegen Drittstaatsicherheit) (ECRE/HHC 1.10.2015; vgl. BAH 23.11.2015). Das Gericht soll binnen 8 Tagen inhaltlich entscheiden, wenn nötig mit Anhörung des Beschwerdeführers. Das Gericht kann die erstinstanzliche Entscheidung aufheben und ein erneutes Verfahren anordnen, aber es kann die erstinstanzliche Entscheidung nicht abändern. Weitere Rechtsmittel sind nicht vorgesehen. Nehmen der sichere Dritt- oder Herkunftsstaat den Antragsteller nicht zurück, ist die Entscheidung zurückzunehmen und das Verfahren zu führen (Act LXXX 14.9.2015, §53).

 

Beschwerdefrist im ordentlichen Verfahren sind 8 Tage und das zuständige Gericht soll binnen 60 Tagen darüber entscheiden, wenn nötig mit Anhörung des Beschwerdeführers. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Ist der BF in Haft soll das Gericht prioritär entscheiden. Ist der BF in Asylhaft, ist seine Anhörung vor Gericht verpflichtend. Das Gericht kann die erstinstanzliche Entscheidung aufheben und ein erneutes Verfahren anordnen, aber es kann die erstinstanzliche Entscheidung nicht abändern. Weitere Rechtsmittel sind nicht vorgesehen (Act LXXX 14.9.2015, §68; vgl. AIDA 11.2015).

 

Antragsteller haben im Rahmen des Gesetzes über die Rechtshilfe (wenn sie bedürftig sind) während des erstinstanzlichen Verfahrens das Recht auf kostenlose Rechtsberatung, nicht aber auf kostenlose Vertretung. Im Beschwerdeverfahren haben bedürftige ASt. das Recht auf kostenlose Rechtsberatung und -vertretung. Trotzdem haben bisher nur wenige ASt. freie Rechtshilfe in Anspruch genommen. Zum einen, weil die ASt. kaum etwas darüber wissen, zum anderen, weil das ungarische Rechtshilfesystem keine Übersetzerkosten abdeckt und die wenigen Asylanwälte die relevanten Fremdsprachen nicht sprechen. HHC bietet weiterhin Rechtsberatung in den Unterbringungszentren und Hafteinrichtungen an (AIDA 11.2015; vgl. HHC 18.9.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grenzverfahren / Transitzonen

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

(VB 28.9.2015)

 

Das Grenzverfahren in den neugeschaffenen Transitzonen betrifft nur dort aufgegriffene Fremde. Dublin-Rückkehrer sind davon nicht betroffen (BAH 16.9.2015). Dublin-Rückkehrer sind somit auch nicht vom Grenzverfahren betroffen. Kapazitäten und andere Bedingungen der Transitzonen - auch allfällige Sonderverfahrensbestimmungen - sind für Dublin-Rückkehrer nicht relevant. Dazu sind auch im jüngst beschlossenen Gesetz zur Rückführung illegaler Migranten keine Änderungen vorgesehen (BFA 24.6.2016), gemäß dem, illegal eingereiste Migranten, die in einer 8 km ins Landesinnere reichenden Kontrollzone betreten werden, Asylanträge nicht im Landesinneren stellen können, sondern durch das nächstgelegene Tor des Grenzzauns zurückgeführt und aufgefordert werden, offiziell durch die nächstgelegene Transitzone einzureisen und dort ihren Antrag zu stellen. Dies wird mit 5.7.2016 in Kraft treten (VB 23.5. 2016; vgl. VB 28.6.2016; vgl. ECRE 17.6.2016).

 

Zwischen 15.9.2015 und 29.5.2016 wurden 4.772 Asylwerber, davon

3.824 Vulnerable, in den Transitzonen registriert. Vulnerable (Familien, Schwangere, UMA, ...) werden sofort zum Asylverfahren zugelassen und aus den Transitzonen in offene Unterbringungszentren bzw. Kinderheime verlegt und ihre Asylanträge im Inland bearbeitet. Alleinstehende Männer bleiben hingegen bisweilen einige Wochen in den Zonen. Sie werden in der Regel nur dann ins Landesinnere verlegt, wenn ihr Verfahren nicht binnen eines Monats abgeschlossen werden kann (inklusive etwaige gerichtliche Überprüfung). 80% der Verfahren werden also im Land durchgeführt. Viele nützen dies, um ihre Reise fortzusetzen. Eine asylrechtliche Haft im Anschluss an den Aufenthalt in der Zone wäre zwar möglich, wird jedoch nicht angewandt, da es ein negatives Signal senden und einen Anreiz zur illegalen Einreise unter Vermeidung der Transitzonen setzen würde (BFA 24.6.2016; vgl. FRA 6.2016).

 

Im Mai 2016 haben 92 Personen vor dem zuständigen Gericht in Szeged gegen Zurückweisung ihres Asylantrags in den Transitzonen Beschwerde eingelegt. In 77 anhängigen derartigen Fällen hat das Gericht die erstinstanzliche Entscheidung gestützt, in weiteren 78 Fällen wurde der Beschwerde stattgegeben und BAH angewiesen den Fall neu zu beurteilen anstatt die Drittstaatsicherheit automatisch anzunehmen. 9 Fälle wurden eingestellt, weil der Beschwerdeführer das Land verlassen hatte. In der Praxis übernimmt Serbien von Ungarn im Rahmen des Rückübernahmeabkommens aber nur eigene Staatsbürger (FRA 6.2016).

 

Im Juni 2016 stellt die ungarische Regierung den in und um die Transitzonen tätigen NGOs HUF 250 Mio. für ihre humanitäre Arbeit zur Verfügung. 5 Organisationen (Ungarischer Malteser Hilfedienst, Ökumenische Hilfsorganisation, Ungarisches Rotes Kreuz, Caritas, Mission der Reformierten Kirche) erhalten eine finanzielle Unterstützung (BFA 24.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Krisensituationen durch Massenimmigration

 

Die Änderungen des ungarischen Asylgesetzes von August/September 2015 enthalten auch Bestimmungen für den Fall einer "Krisensituation durch Massenimmigration". Eine solche liegt vor, wenn die Zahl der in Ungarn ankommenden Migranten monatlich im Durchschnitt 500 Personen oder 750 Personen durchschnittlich am Tag in zwei aufeinanderfolgenden Wochen oder 800 Personen pro Tag im Wochenschnitt beträgt, bzw. wenn die Zahl der Migranten in einer Transitzone monatlich im Durchschnitt 1.000 Personen oder 1.500 Personen durchschnittlich am Tag in zwei aufeinanderfolgenden Wochen oder 1.600 Personen pro Tag im Wochenschnitt beträgt. Auch liegt eine derartige Krisensituation vor, wenn Umstände entstehen, die die öffentliche Sicherheit, Ordnung oder Gesundheit gefährden, vor allem durch Unruhen und Gewalt in einer Unterbringung. Eine Krisensituation kann per Regierungsdekret für max. 6 Monate (verlängerbar) ausgerufen werden. Während solcher Krisensituationen kann die Regierung Immobilien im öffentlichen Besitz beschlagnahmen und nutzen. Auch können Polizei und Armee für Registrierungsaufgaben im weitesten Sinne herangezogen werden (Act LXXX 14.9.2015, §§80/A-80/G).

 

Quellen:

 

 

Dublin-Rückkehrer

 

Ein Asylverfahren wird, unabhängig vom Verfahrensstand, 30 Tage nachdem sich der Antragsteller dem Verfahren entzogen hat (z.B. durch Verlassen des Landes), eingestellt (BAH 29.10.2015).

 

Entzieht sich also ein Antragsteller, der seinen Antrag nach dem 1.8.2015 (also nach neuer Rechtslage) gestellt hat, dem Verfahren, wird dieses eingestellt. Innerhalb von 9 Monaten kann er (einmalig) die Wiedereröffnung des Verfahrens beantragen. Der Antrag auf Wiedereröffnung des eingestellten Verfahrens ist z.B. bei der Registrierung durch die Polizei nach Dublin-Rücküberstellung möglich (BAH 16.9.2015).

 

* Verweigerte ein Antragsteller im Erstverfahren in Ungarn inhaltliche Angaben und behinderte damit die Prüfung des Antrags, ist innerhalb der 9-Monats-Frist eine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich.

 

* Entzog sich der Antragsteller seinem Erstverfahren in Ungarn vor dem inhaltlichen Interview, ist innerhalb der 9-Monats-Frist eine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich.

 

* Verließ ein Antragsteller die für ihn festgelegte Unterkunft während des Erstverfahrens in Ungarn für mehr als 48 Stunden ohne Erklärung, ist innerhalb der 9-Monats-Frist eine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich (BAH 18.9.2015).

 

* Hat ein Antragsteller seinen Erstantrag in Ungarn schriftlich zurückgezogen, ist auch innerhalb der 9-Monats-Frist keine Wiedereröffnung des Verfahrens mehr möglich.

 

* Wenn ein Antragsteller die Abgabe seiner Fingerabdrücke oder das Fotografieren verweigerte, ist innerhalb der 9-Monats-Frist keine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich.

 

* Nach erfolgreicher Dublin-OUT- Überstellung aus Ungarn ist keine Wiedereröffnung des Verfahrens möglich.

 

* Bei rechtskräftig negativ abgeschlossenem Verfahren ist keine Wiedereröffnung, sondern nur ein neuer Antrag möglich - enthält der keine neuen Elemente, gilt er als unzulässiger Folgeantrag.

 

(BAH 16.9.2015; vgl. AIDA 11.2015)

 

Ist die 9-Monats-Frist verstrichen und der Rückkehrer hatte in seinem Erstverfahren bereits eine inhaltliche Entscheidung, kann er nur einen neuen Antrag stellen, der neue Elemente enthalten muss, um nicht als unzulässiger Folgeantrag zu gelten. Gab es im früheren Verfahren aber keine inhaltliche Entscheidung, müssen keine neuen Elemente vorgebracht werden damit der Antrag zulässig ist (BAH 22.6.2016; vgl Act LXXX 14.9.2015, § 51 (2)d, § 51 (3), § 53 (1); vgl. BFA 24.6.2016). (Für mehr Informationen zu Folgeanträgen siehe Kap. 3. "Allgemeines zum Asylverfahren")

 

Wurde der Antrag vor dem 1.8.2015 gestellt und ist noch offen (was sehr unwahrscheinlich ist), wird das Verfahren nach der alten Gesetzeslage weitergeführt. Wurde das Verfahren beendet (weil der ASt. sich abgesetzt hat oder in Abwesenheit entschieden wurde), wird bei Rückkehr ein neues Verfahren gemäß neuer Rechtslage geführt (BAH 13.11.2015). Nach der neuen Rechtslage gilt ein Folgeantrag der keine neuen Elemente enthält, als unzulässig. Wird kein Antrag gestellt, beginnt ein fremdenpolizeiliches Verfahren (BAH 16.9.2015).

 

In der Regionaldirektion Gyor des BAH kommen alle Dublin-Rückkehrer an, die von Österreich in Nickelsdorf an die ungarischen Behörden übergeben werden. Auch die ungarische Fremdenpolizei ist dort vertreten. In Gyor werden Rückkehrer durch die Polizei erfasst und es wird geprüft, ob der Betreffende bereits ein Verfahren in Ungarn hatte und welchen Stand dieses hat, ob der Rückkehrer spezielle Bedürfnisse hat usw. Gegebenenfalls kann ein Asylantrag gestellt werden. Danach wird den Rückkehrern entsprechend ihrem Verfahrensstand eine Unterbringung zugewiesen (offene Unterbringung oder Asylhaft etc.). Asylhaft ist in jedem Fall eine Einzelfallentscheidung. Kranke Rückkehrer werden, bei entsprechender Ankündigung, an der Grenze bereits mit einem Ambulanzwagen abgeholt. Die Versorgung der Rückkehrer in Gyor ist dieselbe wie in anderen Unterbringungseinrichtungen und entspricht den ungarischen Gesetzen. Wenn die Rückkehrer länger als 5 Stunden in der Einrichtung in Gyor verbringen müssen, besteht die gesetzliche Verpflichtung, ihnen Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen. In der Regel sind die Rückkehrer aber nur 1-2 Stunden dort, wenn offene Unterbringung geboten ist, bzw. bis zu einen Arbeitstag lang, wenn Asylhaft nötig ist (weil hier mit dem Transport zugewartet wird, ob noch Fälle hinzukommen). Die Führung eines etwaigen Asylverfahrens geht nach dem Transfer auf jene Regionaldirektion über, in deren Zuständigkeitsbereich der Betreffende untergebracht bzw. inhaftiert wird. Übersetzerleistungen sind laut BAH während der Abwicklung in Gyor dauernd verfügbar. Gängige Sprachen sind Afghanisch, Arabisch etc. Sollte für eine Sprache kein Dolmetscher vor Ort sein, wird per Computer eine Fernübersetzung zugeschaltet (BAH 16.9.2015; vgl. BFA 24.6.2016).

 

Die Entscheidung zur Verhängung der Asylhaft ist eine Einzelfallentscheidung. Untertauchen ist ein möglicher Grund für ihre Verhängung und da Dublin-Rückkehrer sich per se dem Verfahren entzogen haben, ist es grundsätzlich möglich, sie in Asylhaft zu nehmen. BAH erläuterte zwar es würden auch noch andere Gründe geprüft, es wurde aber auch nicht dezidiert gesagt, dass Untertauchen alleine als Haftgrund nicht ausreicht. Es wurde viel Wert auf die Feststellung gelegt, dass die Haft eine Einzelfallentscheidung sei. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass BAH die Haft nur für die ersten 72 Stunden verhängen kann und danach eine richterliche Überprüfung stattfinde (BAH 16.9.2015; vgl. BFA 24.6.2016).

 

Dublin-Rückkehrer haben Zugang zu Unterbringung und Versorgung solange ihr Verfahren nicht abgeschlossen ist. In jeder Einrichtung gibt es eine medizinische Versorgung. Falls nötig ist, werden Personen von einem Facharzt untersucht. Kinder bekommen eine besondere Versorgung (BFA 24.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dublin-Rückkehrer und die Drittstaatsicherheit Serbiens

 

Die von Ungarn angenommene Drittstaatssicherheit Serbiens widerspricht der Position des ungarischen Höchstgerichts (Kuria) und einer Empfehlung von UNHCR (beide 2012), die nie zurückgenommen wurden (und welche von UNHCR im Mai 2016 bekräftigt wurde (UNHCR 5.2016)). Dies und die Anwendbarkeit der Drittstaatsicherheit auf Dublin-Rückkehrer hat ECRE/HHC zu der Empfehlung bewogen, von Dublin-Überstellungen nach Ungarn Abstand zu nehmen. BAH steht auf dem Standpunkt, dass die Drittstaatsicherheit Serbiens so oder so auf ältere Fälle (Antragstellung vor dem 1.8.2015) anwendbar wäre, da die Rechtsgrundlage dafür auch schon zuvor bestanden habe (ECRE/HHC 1.10.2015; vgl. BAH 23.11.2015).

 

NGOs behaupten bereits seit längerem, dass Dublin-Rückkehrer akut von Rückschiebungen nach Serbien bedroht seien (vgl. ECRE/HHC 1.10.2015). Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche Berichte, dass Serbien nur bestimmte Staatsangehörige (türkische und kosovarische Staatsbürger mit entsprechenden Ausweisdokumenten bzw. Durchbeförderung abgelehnter Kosovaren) (VB 4.11.2015b), bzw. nur eigene Staatsangehörige zurücknimmt (FRA 6.2016). Gemäß UNHCR wurden zwischen 15.9.2015 und 31.3.2016 298 Personen im Rahmen des Rückübernahmeabkommens nach Serbien rücküberstellt (78 Serben, 72 Türken, 34 Albaner, 5 Mazedonier und 31 Kosovaren, sowie 31 Syrer, 31 Afghanen, 14 Iraker, 2 Somalier und 6 Andere). Es ist aber unklar, wie viele davon aus den Transitzonen zurückgewiesen wurden und wie viele aus dem Inland bzw. ob Dublin-Rückkehrer darunter waren (UNHCR 5.2016). Die serbischen Behörden selbst bestätigen, dass aufgrund des bilateralen Rückübernahmeabkommens mit Ungarn nur serbische Staatsbürger, Staatenlose und Drittstaatsangehörige zurückgenommen werden, bei denen die Identität geklärt ist und die Tatsache geklärt ist, dass sie zuvor aus Serbien kommend nach Ungarn eingereist sind (VB 29.3.2016).

 

Um die praktischen Auswirkungen der ungarischen Gesetzesänderungen seit 1.8.2015 auf Dublin-Rückkehrer einschätzen zu können, wurde mit BAH ein Monitoring einiger Fälle vereinbart. Von Interesse waren bei diesem Monitoring insbesondere folgende Punkte:

 

• Zeitpunkt der Asylantragstellung (vor oder nach 1.8.)

 

• davon abhängig: besteht Zugang zum Asylverfahren nach Dublin-Transfer?

 

• Klärung der Frage: werden Dublin-Rückkehrer nach Serbien rücküberstellt?

 

Dem Monitoring unterzogen wurden die letzten 41 Fälle, die zwischen 1. und 24. September 2015 von Ö nach HU überstellt worden sind, sowie 25 Personen, die zwischen 12.10.2015 und 28.1.2016 aus DE, SE, UK, SK, CZ, CH nach HU überstellt worden sind. Bei den von Ö nach HU Überstellten handelt es sich um 24 erwachsene Männer, 4 erwachsene Frauen und 13 Minderjährige. Gemäß dem Monitoring konnte kein Fall einer Rücküberstellung eines Dublin-Rückkehrers von Ungarn nach Serbien festgestellt werden (BFA 23.3.2016).

 

Mitte Juni 2016 fand ein Expertentreffen zwischen BFA und BAH in Budapest statt, um offene Fragen zu klären. Es konnte im Zuge dessen klargestellt werden, dass Serbien zwischen 1.1. und 13.6.2016 113 Personen zurückgenommen hat, darunter befanden sich keine Dublin-Rückkehrer (Staatsangehörige Serbiens, Kosovos, Albaniens, usw.). Serbien steht (wie auch weiter oben bereits dargestellt) auf dem Standunkt, dass das Rückübernahmeabkommen nur für serbische und ehemalige jugoslawische Staatsbürger anwendbar sei (BFA 24.6.2016; vgl. TT 14.6.2016, FRA 6.2016). Die Ergebnisse des Monitorings von Februar 2016, wonach kein Fall einer Rücküberstellung eines Dublin-Rückkehrers von Ungarn nach Serbien festgestellt werden konnte, wurden damit bestätigt. Es wurde vereinbart, dass es bald ein weiteres Monitoring von aus Österreich nach Ungarn überstellten Dublin-Fällen geben soll, um die weitere Entwicklung beobachten zu können (BFA 24.6.2016).

 

Nach der Rückübernahme von Dublin-Rückkehrern hängt das weitere Verfahren davon ab, ob der Rückkehrer bereits einen Asylantrag gestellt hat, der inhaltlich behandelt wurde und, ob er sich innerhalb der 9-monatigen Frist für eine Wiedereröffnung des Verfahrens befindet. Wenn der Antrag aufgrund der Einreise durch Serbien als unzulässig entschieden wird und Serbien sich nicht bereit erklärt, den Rückkehrer zu übernehmen, wird der Antrag inhaltlich geprüft (BFA 24.6.2016; vgl. Act LXXX 14.9.2015, §51/A).

 

Der EuGH hat am 17.3.2016 in der Rechtssache C-695/15 P PU (Shiraz Baig Mirza) entschieden, dass Ungarn einen Asylwerber ohne inhaltliche Prüfung des Antrags in einen sicheren Drittstaat (hier Serbien) zurückweisen kann. Dies gilt auch dann, wenn Ungarn zuständiger Mitgliedstatt gemäß Dublin-III-VO ist. HU muss den überstellenden MS nicht über diese Regelung informieren oder den ersten Asylantrag in einem gewissen Verfahrensstadium weiterführen. Der Asylwerber hat das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und dass über seinen Antrag abschließend entschieden wird - das hindert Ungarn aber nicht daran, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Der EuGH wurde nicht gefragt, ob Serbien als sicherer Drittstaat gelten kann, daher wurde darüber auch nicht ausdrücklich entschieden. Andererseits hat der EuGH aber auch keine Zweifel an Serbiens Drittstaatsicherheit im Urteil angesprochen und auch die Rückweisung nicht untersagt (EuGH 17.3.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Non-Refoulement

 

Die NGO Hungarian Helsinki Committee betrachtet die ungarischen Gesetzesänderungen vom August und September 2015 als Verletzung mehrerer internationaler Verpflichtungen Ungarns, unter anderem auch des Non-Refoulement-Prinzips durch die angenommene Drittstaatsicherheit Serbiens (HHC 18.9.2015; vgl. USDOS 13.4.2016).

 

BAH hat zu prüfen, ob ein ASt. aufgrund von Non-Refoulement-Erwägungen für internationalen Schutz, subsidiären Schutz oder geduldeten Aufenthalt infrage kommt (AIDA 11.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

Versorgung

 

Bedürftige Erstantragsteller sind während des gesamten Asylverfahrens, ab Antragstellung bis zum Vorliegen einer endgültigen Entscheidung, zu materieller Unterstützung berechtigt. Diese umfasst Unterbringung und Verpflegung. Die Bedürftigkeit ist mittels Eigendeklaration nachzuweisen (AIDA 11.2015).

 

BAH kann eine private Unterbringung oder ein Unterbringungszentrum, oder eine andere geeignete Unterbringung als Ort des verpflichtenden Aufenthalts eines Antragstellers festlegen. Offene Unterbringungseinrichtungen können nur mit Genehmigung für mehr als 24 Stunden verlassen werden (Act LXXX 14.9.2015, §48).

 

Die Versorgung von Asylwerbern umfasst neben den gesetzlich garantierten Rechten, Krankenversorgung, soziale Versorgung und Bildung. Dabei ist auf die Bedürfnisse Vulnerabler Rücksicht zu nehmen. Die Unterbringungsbedingungen können in Einzelfällen reduziert oder ganz gestrichen werden (unangemeldete Abwesenheit für mehr als 15 Tage; Folgeanträge ohne neue Elemente; mangelnde Mitarbeit am Verfahren; Verschweigen von Geldmitteln), das Recht auf medizinische Nothilfe bleibt aber bestehen (Act LXXX 14.9.2015, §§26-30; vgl. AIDA 11.2015).

 

In Unterbringungszentren untergebrachte AW erhalten 3 Mahlzeiten am Tag (AIDA 11.2015). Das monatliche Taschengeld für Asylwerber wurde mit 1.4.2015 abgeschafft, genauso wie die Sonderzulage für Schulungsmaßnahmen (z.B. für Spracherwerb) und die Sonderzulage für Wohnraumbeschaffung (VB 4.4.2016; vgl. HHC 15.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Unterbringung

 

In 1. Instanz haben alle bedürftigen AW Zugang zu Unterbringung und Versorgung. Folgeantragssteller bekommen Unterbringung und Versorgung bis in ihrem Fall eine nicht mehr anfechtbare rechtskräftige Entscheidung getroffen ist (BFA 24.6.2016).

 

Momentan gibt es in Ungarn 4 offene Unterbringungszentren für AW mit zusammen etwa 1.000 Unterbringungsplätzen:

 

1. Unterbringungszentrum Bicske.

 

2. Gemeinschaftsunterkunft Balassagyarmat: für Folgeantragsteller, Geduldete, Personen im fremdenrechtlichen Verfahren, usw.

 

3. Unterbringungszentrum Vámosszabadi.

 

4. Temporäres Unterbringungszentrum Körmend (Zeltlager)

 

(HHC 6.2016)

 

Die Kinderheime in Fót und Hódmezovásárhely beherbergten im März 2016 etwa 10-15 Kinder, bei einer Kapazität von insgesamt 88 Plätzen. Die Fluktuation ist sehr hoch, 95% der Jugendlichen verlassen die Einrichtungen bereits nach einigen Tagen (FRA 4.2016).

 

Außerdem sind folgende Einrichtungen geplant:

 

* Temporäres Unterbringungszentrum Szentgotthárd (Zeltlager) bis auf weiteres nicht in Betrieb

 

* Temporäres Unterbringungszentrum Kiskunhalas: voraussichtlich ab 1.7.2016 in Betrieb

 

* Temporäres Unterbringungszentrum Kapuvár: Eröffnung im Laufe des Jahres geplant

 

(BFA 24.6.2016)

 

Geplant sind weiterhin die Schließung von Bicske und Vámosszabadi, aber es liegt diesbezüglich derzeit noch keine konkrete Entscheidung seitens der Regierung vor. Die Schließung von Unterbringungszentren hängt von der aktuellen Migrationslage und der jeweiligen Gesetzeslage ab. Die Entscheidung der Regierung über die Schließung eines Zentrums wird laut Aussage von BAH stark von der Stimmung in der Bevölkerung geprägt. Nach der Schließung der Aufnahmestelle in Debrecen wurden mehrere temporäre Stellen als Ersatz eröffnet (BFA 24.6.2016).

 

Die Ausgaben für Asylwerber steigen seit Jahren (2013: EUR 6,1 Mio., 2014: EUR 8,8 Mio., 2015: EUR 18,1 Mio., 2016: EUR 13.3 Mio.). In den Transitzonen wurden von März bis Mai Essenspakete für über HUF 18 Mio. ausgegeben (BFA 24.6.2016).

 

Die Zentren unterstehen BAH. NGOs, die mit BAH kooperieren und Dienstleistungen in den Zentren anbieten, werden von BAH koordiniert. Es ist noch nicht vorgekommen, dass AW wegen Platzmangel obdachlos geworden wären. Vulnerable werden nach Möglichkeit gesondert untergebracht (VB 4.3.2016; vgl. AIDA 11.2015; ÖB 9.9.2015, VB 25.5.2016). Alleinstehende Frauen werden üblicherweise zusammen mit Familien auf eigenen Stockwerken untergebracht. Familien werden während des Asylverfahrens nicht getrennt. AW mit speziellen Bedürfnissen sollen getrennt untergebracht werden (AIDA 11.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation (UNGARN - Rückkehrer mit Visum Anfragende Stelle: BFA RD O) - Informationen zur Rückkehrsituation (Versorgung, etc.) von Personen mit ungarischem Visum (gültig oder abgelaufen) in Ungarn erbeten.

 

Zusammenfassung:

 

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass Personen, die sich mit gültigem Visum und daher legal in Ungarn aufhalten, einen Asylantrag stellen können und das Ende des Verfahrens in Ungarn abwarten dürfen. Sie werden auf Wunsch entsprechend untergebracht und versorgt, jedoch nicht in die Transitzone verbracht. Weiters geht hervor, dass Personen, die sich ohne gültiges Visum und daher illegal in Ungarn aufhalten, ihren Asylantrag nur in der Transitzone stellen können und den Ausgang ihres Verfahrens dort abwarten müssen. Sie werden dort entsprechend untergebracht und versorgt.

 

Einzelquellen:

 

Der aktuelle Länderbericht zu Ungarn, verfasst von der ungarischen NGO Hungarian Helsinki Committee (HHC) und herausgegeben vom NGO-Verbund European Council on Refugees and Exiles (ECRE) im Rahmen der Asylum Information Database (AIDA), besagt, dass Asylwerber ohne legalen Aufenthalt in Ungarn ausschließlich in den Transitzonen untergebracht werden.

 

However, since 28 March 2017, first-time asylum seekers without lawful Hungarian residence or visa have been placed exclusively in the transit zones immediately after claiming asylum where they are entitled only to reduced material conditions (see Conditions in Detention Facilities).

 

AIDA - Asylum Information Database (28.2.2018): Hungarian Helsinki Committee / European Council on Refugees and Exiles: Country Report:

Hungary,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hu_2017update.pdf , Zugriff 8.1.2019

 

Auskunft der ungarischen Asylbehörde an den BM.I-Verbindungsbeamten (Arbeitsübersetzung Büro des Verbindungsbeamten):

 

(...)

 

Jede Person mit gültigem Visum ist berechtigt, sich in Ungarn aufzuhalten. Wenn die Person mit gültigem Visum einen Asylantrag stellt und um die Unterbringung in der Aufnahmestelle nicht ersucht, muss er das Ende des Verfahrens gemäß § 80/J Abs. 1 lit. c) sowie Abs. 5 des Asylgesetzes Nr. LXXX/2007 nicht abwarten, geachtet jedoch dessen, dass die antragstellende Person in diesem Fall auf das Recht der Unterbringung in der Aufnahmestelle ausdrücklich verzichtet, steht dieser Person keine der hier zugesicherten Versorgungsarten zu. Gemäß § 29/A des Asylgesetzes ist die antragstellende Person zur Grundversorgung gemäß dem Gesetz über die medizinische Grundversorgung, zur Versorgung laut anderweitigen Rechtsvorschriften gemäß den Regelungen dieses Gesetzes sowie der Regierungsverordnung berechtigt.

 

Eine Person mit ungültigem Visum - und mangels anderweitiger Aufenthaltsberechtigung - ist nicht berechtigt, sich in Ungarn aufzuhalten. Im Falle einer Krisensituation wegen Masseneinwanderung kann ein Asylantrag ausschließlich vor der Asylbehörde, persönlich, in der Transitzone gestellt werden, und die Asylbehörde bestimmt für die antragstellende Person bis zur Vollstreckbarkeit des mit Rechtsmittel nicht anfechtbaren Beschlusses oder der Verfügung über die Überstellung nach Dublin-Regelung die Transitzone als Aufenthaltsort.

 

In den Transitzonen ist die Versorgung gemäß den Rechtsnormen gesichert, die Bedingungen und der Inhalt der Versorgung weichen in minimalem Maß von der Versorgung in der Aufnahmestelle ab. Ein solcher Unterschied ist z. B., dass die Mahlzeiten nur in natura und nicht in Form von Zuschüssen gesichert werden dürfen. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Präsenz der Sozialarbeiter und des medizinischen Personals in der Aufnahmestelle auf die amtliche Arbeitszeit beschränkt ist (8 Stunden pro Tag), in den Transitzonen ist jedoch die Präsenz der Sozialarbeiter und des medizinischen Personals rund um die Uhr gewährleistet.

 

Auf die Verlängerung des Visums beziehen sich in beiden Fällen die allgemeinen Bedingungen.

 

VB des BM.I in Ungarn (31.12.2018): Auskunft des BMH, per E-Mail

 

Beweiswürdigend wurde im Bescheid hervorgehoben, dass die Identität des BF feststehe. Schwere lebensbedrohliche Krankheiten seien vom BF weder behauptet noch belegt worden. Der BF sei nicht als vulnerabel einzustufen. Er habe zu Österreich keine besonders intensiven familiären, beruflichen oder sozialen Bindungen.

 

Aus den Länderfeststellungen zu Ungarn ergebe sich, dass die allgemeine Lage für nach Ungarn überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßende Behandlung erkennen lasse. Die Grundversorgung beziehungsweise die medizinische Notversorgung für Asylwerber sei in Ungarn grundsätzlich gewährleistet.

 

In einer Gesamtbetrachtung habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Zudem hätten sich keine Hinweise ergeben, dass durch die Außerlandesbringung unzulässigerweise in das Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens eingegriffen werden würde. Es gäbe auch keine Gründe, die Durchführung der Entscheidung gemäß § 61 Abs. 3 FPG aufzuschieben.

 

I.8. Der Bescheid konnte dem Vertreter in der Kanzlei vorab nicht zugestellt werden, da dieser bis 24.06.2019 ortsabwesend gewesen sei (postalischer Vermerk am Zustellschein), dem BF wurde der Bescheid am 12.06.2019 zugestellt. Der BF übergab den Bescheid dem Vertreter am 24.06.2019.

 

Mit 25.06.2019 brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem der Bescheid gesamtinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde.

 

Moniert wurde, dass ein wie im Bescheid erwähnter ungarischer Aufenthaltstitel vom BF weder beantragt noch von irgendeiner ungarischen Behörde jemals erteilt worden sei. Der BF sei schon damals über seine Eltern mit dem gefertigten Anwalt in Kontakt gestanden, der den Stiefvater des BF dahingehend beraten habe, dass der BF keinesfalls um einen Aufenthaltstitel in Ungarn ansuchen dürfe, da sonst aufgrund der Fristbestimmungen der Dublin III-VO eine Asylantragstellung in Österreich praktisch nicht möglich sei. Er habe jedoch angeben müssen, dass er beabsichtige, das in Rede stehende Studium zu absolvieren, um die Möglichkeit zu haben, ein Visum D zu erhalten. Nach Auskunft der Universität hätte der BF nach der Einreise nach Ungarn einen Antrag auf Erteilung des AT stellen müssen, was er jedoch nicht gemacht habe. Es sei ihm schon deshalb nie ein Titel erteilt worden, da keine entsprechende Vignette im Pass sei.

 

Die gegenteilige "angeblich im Informationsaustauschverfahren nach Art. 34 Dublin III-VO" erteilte Auskunft der "ungarischen Asylbehörde" sei unrichtig. Dem Vertreter sei kein Parteiengehör zu der angeblichen Ausstellung gewährt worden, ansonsten er das Schreiben der Universität früher vorgelegt hätte. Des Weiteren wurden die bisher gemachten Eingaben wiederholt.

 

I.10. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 27.06.2019.

 

II. Das BVwG hat erwogen:

 

II.1. Beweisaufnahme:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

 

 

 

 

 

 

II.2. Feststellungen:

 

II.2.1. Der BF ist iranischer Staatsangehöriger und volljährig. Seine Identität steht fest.

 

II.2.2. Der BF reiste am 15.09.2018 mit einem von der ungarischen Botschaft in Teheran am 30.08.2018 ausgestellten Visum der Kategorie D, zur einmalige Einreise, gültig von 30.08.2018 bis 29.08.2019, Aufenthaltsdauer 30 Tage, Anmerkungen: Tanulmanyi/Studies, über Ungarn in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein, von wo aus er am selben Tag nach Österreich weiterreiste. Am 23.04.2019 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

 

Der BF ist im Besitz eines ungarischen Aufenthaltstitels zum Zweck des Studiums, gültig bis 31.10.2019.

 

II.2.3. Am 09.05.2019 richtete das BFA aufgrund der Angaben des BF und des Visums im Reisepass, nach erfolgter Auskunftserteilung gemäß Art. 34 Dublin III-VO durch die ungarischen Behörden vom 07.05.2019, ein Aufnahmeersuchen betreffend den BF an Ungarn, das mit Schreiben vom 17.05.2019 einer Aufnahme des BF gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO ausdrücklich zustimmte.

 

II.2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Überstellung nach Ungarn Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Im zuständigen Mitgliedstaat herrschen keine systemischen Mängel in Verfahren wegen internationalen Schutzes, die im gegenständlichen Fall verfahrensrelevant wären.

 

II.2.5. Akut lebensbedrohende Krankheiten oder stark beeinträchtigende Behinderungen konnte der BF nicht belegen und wurden von ihm auch nicht vorgebracht.

 

II.2.6. Die Mutter, der minderjährige Bruder und der Stiefvater des BF leben in Österreich, der BF hat keine Bindungen, die über das Ausmaß einer durchschnittlichen Bindung eines gesunden, selbständigen Erwachsenen zu einem Elternteil oder zu seinem Bruder hinausgehen würden. Weitere besonders intensive Beziehungen wurden vom BF nicht glaubhaft gemacht.

 

II.3. Beweiswürdigung:

 

II.3.1. Die Feststellungen zum Reiseweg des BF und zu seinem Aufenthalt in Ungarn ergeben sich im Speziellen aus dem eigenen Vorbringen in Zusammenhang mit der vorliegenden Aktenlage, insbesondere den vorgelegten Unterlagen (Reisepass, Flugbestätigungen, Bahntickets).

 

Die Feststellungen zum Verfahrensstand in Ungarn ergeben sich aus den Angaben der ungarischen Dublin-Behörde sowie aus den gesetzlichen Bestimmungen.

 

Hinsichtlich der Zuständigkeitsbegründung Ungarns gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben sich fallgegenständlich keine Bedenken. Aus der Aktenlage ergibt sich zudem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass der BF zwischen seiner Ausreise aus Ungarn und seiner Ankunft in Österreich das Gebiet der EU nicht verlassen hat, Gegenteiliges wurde auch nicht vorgebracht.

 

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen eigenen Angaben in der Erstbefragung und der damit im Einklang stehenden Aktenlage.

 

Es wurde vom BF kein konkretes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren (siehe Punkt II.4.3.3.). Eine den BF konkret treffende Bedrohungssituation in Ungarn wurde nicht substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen in Punkt II.4.3.2.).

 

II.3.2. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, insbesondere der Anfragebeantwortung, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Ungarn auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Zur Aktualität der Quellen älteren Datums verwies das BFA im angefochtenen Bescheid darauf, dass zwischenzeitlich keine entscheidungsrelevante Änderung der Lage eingetreten sei, dieser Einschätzung wird vom erkennenden Gericht im Wesentlichen beigepflichtet (vgl. näher unter Punkt II.4.3.2.). Wesentliche Gesetzesänderungen wurden berücksichtigt.

 

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen in Zusammenschau mit laufender Medienbeobachtung ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das ungarische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde, die den BF im konkreten Verfahren tangieren würden. Insofern war aus Sicht des BVwG insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Ungarn den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderfeststellungen klar und substantiell widersprechen würden, hat der BF nicht dargetan.

 

II.4. Rechtliche Beurteilung:

 

II.4.1. Die gegenständliche Beschwerde ist nach dem 02.02.2015 beim BVwG anhängig geworden, sodass insgesamt nach der Rechtslage ab diesem Tag vorzugehen ist.

 

Gemäß § 6 Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2015 (VwGVG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016 (BFA-VG) bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das BFA an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idgF).

 

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

 

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG) lauten:

 

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

 

...

 

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

...

 

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

...

 

und in den Fällen der Z1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

..."

 

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

 

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.

 

2: das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

 

§ 21 Abs. 5 BFA-VG lautet:

 

"§ 21 (5) Wird gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben und hält sich der Fremde zum Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet auf, so hat das Bundesverwaltungsgericht festzustellen, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war. War die aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht rechtmäßig, ist die Wiedereinreise unter einem zu gestatten."

 

§ 61 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF lautet:

 

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

 

2. ...

 

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

 

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

 

Art. 49 der VO 604/2013 lautet auszugsweise:

 

"Artikel 49

 

Inkrafttreten und Anwendbarkeit

 

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

 

Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003."

 

Vor dem Hintergrund, dass die Verordnung 604/2013 am 29.06.2013 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, der BF am 23.04.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, sowie das Aufnahmeersuchen an Ungarn nach dem 01.01.2014 gestellt und beantwortet wurde, ist gegenständlich primär die VO 604/2013 (Dublin III-VO) anwendbar.

 

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

 

"KAPITEL II

 

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

 

Artikel 3

 

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

 

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

 

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

 

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

 

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

 

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

 

KAPITEL III

 

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

 

Artikel 7

 

Rangfolge der Kriterien

 

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

 

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

 

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

 

...

 

Artikel 12

 

Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

 

"1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

 

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (14) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

 

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

 

a)-der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

 

b)-der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

 

c)-bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

 

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

 

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

 

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

 

KAPITEL IV

 

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

 

Artikel 16

 

Abhängige Personen

 

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen beziehungsweise sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

 

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

 

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

 

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

 

Artikel 17

 

Ermessensklauseln

 

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

 

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

 

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

 

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

 

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

 

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

 

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

 

KAPITEL V

 

PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

 

Artikel 18

 

Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

 

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

 

a. einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

 

b. einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

 

c. einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

 

d. einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

 

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

 

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird.

 

In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

 

Artikel 19

 

Übertragung der Zuständigkeit

 

(1) Erteilt ein Mitgliedstaat dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel, so obliegen diesem Mitgliedstaat die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1.

 

(2) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Aufnahme oder Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels.

 

Ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1 gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

 

(3) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben c und d erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Wiederaufnahme er ersucht wurde, nach Rücknahme oder Ablehnung des Antrags das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines Rückführungsbeschlusses oder einer Abschiebungsanordnung verlassen hat.

 

Ein nach einer vollzogenen Abschiebung gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

 

KAPITEL VI

 

AUFNAHME- UND WIEDERAUFNAHMEVERFAHREN

 

Artikel 20

 

Einleitung des Verfahrens

 

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

 

(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.

 

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.

 

(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

 

Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.

 

(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.

 

Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats abschließen soll, nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel erhalten hat.

 

Ein nach einem solchen Abwesenheitszeitraum gestellter Antrag im Sinne von Unterabsatz 2 gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst."

 

II.4.2. Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens pflichtet das BVwG der Verwaltungsbehörde bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Ungarns ergibt.

 

Es war hierbei zudem eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.6.2012, U462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich, vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15 , Mehrdad Ghezelbash/Niederlande sowie vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-155/15 , Karim.

 

Im Rahmen der Entscheidung C-63/15 , Mehrdad Ghezelbash/Niederlande, wurde insbesondere ausgesprochen, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO dahingehend auszulegen ist, dass ein Antragsteller auf internationalen Schutz im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III der Dublin III-VO festgelegten Zuständigkeitskriteriums sowie einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO geltend machen könne und sich die korrekte Anwendbarkeit der Kriterien der Dublin III-VO sohin als im Rechtsweg überprüfbar erweise (siehe auch VwGH 23.6.2016, Ra 2016/20/0069, Rz 17). Der EuGH erwog, dass die Kontrolle der richtigen Anwendung der Zuständigkeitskriterien in dem Rahmen vorzunehmen ist, der durch Art. 22 Abs. 4 und 5 vorgegeben ist. Diese Bestimmung sieht vor, dass das Beweiserfordernis nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung der Verordnung erforderliche Maß hinausgehen sollte und in Ermangelung förmlicher Beweismittel der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit anerkennt, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um seine Zuständigkeit zu begründen. Im vorliegenden Fall stimmte Ungarn der Aufnahme des BF ausdrücklich zu, sah also die Indizien für ausreichend an, um seine Zuständigkeit zu begründen.

 

Art. 9 Dublin III-VO kommt mangels Eigenschaft als Familienangehöriger gemäß Art. 2 lit. g Dublin III-VO nicht zur Anwendung.

 

Der volljährige BF reiste mit einem von Ungarn ausgestellten Visum D in das Gebiet der Mitgliedstaaten (namentlich Ungarn) ein, von wo aus er unmittelbar nach Österreich weiterreiste. Laut Auskunft der ungarischen Behörden wurde dem BF ein Aufenthaltstitel für Studierende erteilt, welcher bis 31.10.2019 gültig ist.

 

Dem Vorbringen des BF, er habe nie einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für Studierende gestellt, war nicht zu folgen. Dadurch dass der BF im Verfahren mehrmals angab, dass er auf "Anraten seines Vertreters" die Anmeldung an seiner Wohnadresse unterlassen und vorerst keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, und aufgrund seines gesamten Vorgehens erkennen lässt, dass er bereit ist, alle Schritte zu setzten, um selbst unter Umgehung der Rechtsvorschriften einen Aufenthalt in Österreich zu erzwingen, verliert er insgesamt seine Glaubwürdigkeit. Ob der BF nun selber einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel in Ungarn stellte, oder diesen von einem Mittelsmann stellen ließ (den er bezahlt habe um die Reise nach Österreich zu beschleunigen), ist letztlich unerheblich. Andererseits besteht kein vernünftiger Grund, an den Angaben der ungarischen Dublin-Behörde zu zweifeln. Ein solcher wurde seitens des BF auch nicht konkret vorgebracht.

 

Vielmehr ist überdies davon auszugehen, dass dem BF das Visum D gerade zur Einreise und zur Abholung seines Titels erteilt wurde:

 

Aus der Website der ungarischen Aufenthalts- und Asylbehörde (http://www.bmbah.hu/index.php?option=com_k2&view=item&layout=item&id=70&Itemid=824&lang=en# ) ergibt sich für Studierende Folgendes:

 

"Except as provided for by law, an application for residence permit may be submitted to any consulate officer of Hungary, or at any other place authorised to accept applications for residence permit located in the country where the applicant's permanent or temporary residence is located, or in the country of the applicant's nationality. Third-country nationals may apply for an entry visa for receiving a residence permit before admission to the country in the application for residence permit, without having to lodge a separate application.

 

If the decision of the regional directorate is in favour of the application for residence permit, it shall constitute approval for the issue of an entry visa for receiving a residence permit, of which the competent consulate officer shall be notified. The entry visa for receiving a residence permit shall be issued by the competent consulate officer based on the regional directorate's decision.

 

Moreover, please note that D visas for entitlement to receive a residence permit issued to third-country nationals are single-entry visas authorising a stay of not more than 30 days, therefore we recommend to visit the regional directorate of the Immigration and Asylum Office responsible for the place where their future accommodation is located as soon as possible after entering Hungary in order to receive the residence permit and register such Hungarian accommodation.

 

Apart from the submission of applications for residence permit at Hungarian diplomatic mission as a general rule, Hungarian law also provides for the possibility of submitting such applications in Hungary as well. Third-country nationals residing in the territory of Hungary may submit an application for residence permit at the regional directorate responsible for the place where the place of accommodation of the third-country national is located if there are special circumstances to justify submission of the application in Hungary, or if lawfully residing in the territory of Hungary as a national of the States listed in Annex II of Council Regulation 539/2001/EC, or together with such third-country national in the capacity of a family member. The special circumstance referred to above shall, in particular, cover any event related to medical treatment, family reunification or occupational activity that has occurred for reasons beyond the third-country national's control, and that prevents to have the application submitted at a place normally prescribed under general provisions set out by law.

 

(...)

 

The application for extension of the residence permit shall be submitted in person at the regional directorate responsible for the place where the place of accommodation is located 30 days before it expires at the latest, with the necessary documents attached or it can be submitted upon registration on the electronic platform of the immigration authority for procedure initiation.

 

(...)

 

The validity period of a residence permit issued for the purpose of study:

 

· is at least one year;

 

· corresponds to the duration of training, if it is less than one year;

 

· may be extended by at least one or at most by two additional years at a time.

 

(...)

 

The issue or renewal of a residence permit for the purpose of studies shall be refused, or an existing permit shall be withdrawn if:

 

· the third-country national has disclosed false information or untrue facts to the competent authority in the interest of obtaining the right of residence, or misled the competent authority in respect of the purpose of residence;

 

(...)

 

the student shall be allowed to present proof - before the decision is adopted - of pursuing studies in a field analogous with his/her prior studies."

 

Das Visum im Pass des BF entspricht exakt dem Visum zur Abholung eines einjährigen Aufenthaltstitels. Da dieser in Ungarn abzuholen ist, kann sich auch naturgemäß keine entsprechende Vignette im Pass des BF befinden. Eine Abholfrist (und damit ein eventuelles Erlöschen) für den erteilten Titel ist aus den Informationen nicht erkennbar, sodass in Zusammenschau mit der Auskunft der ungarischen Behörden jedenfalls vom Bestehen eines aufrechten und grundsätzlich verlängerbaren Titels ausgegangen werden kann. Der Titel muss in einem geregelten Verfahren aberkannt werden, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen, der Betreffende ist dazu zu hören. Der mögliche Ausgang beider Verfahren ist nicht Gegenstand des gegenständlichen Verfahrens.

 

Auch aus den vom BF vorgelegten Unterlagen (Schreiben der ungarischen Universität vom 29.06.2018) geht entgegen den Angaben des BF hervor, dass Personen aus einem Nicht-EU-Staat um ein "residence visa", somit um einen Aufenthaltstitel ansuchen müssen. Ein Visum allein ist nicht ausreichend, sofern der Gesamtaufenthalt sechs Monate überschreitet. Aus dem "Letter of Acceptance" geht eindeutig hervor, dass der BF zumindest sieben Semester studieren soll. Somit wäre die Erteilung eines Visum D mit 30tägiger Aufenthaltsdauer allein völlig widersinnig und hätte dies schon anhand der bei Antragstellung vorzulegenden Unterlagen von der ungarischen Botschaft berücksichtigt werden müssen.

 

An dieser Stelle sei auch darauf verwiesen, dass das vom BF vorgebrachte mangelnde Parteiengehör durch die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, zu denen der BF vollinhaltlich in der Beschwerde Stellung genommen hat, geheilt wurde, und die Vorlage des Schreibens der Universität die Ansicht der Behörde überdies bestätigt.

 

Da somit vom Bestehen eines ungarischen Aufenthaltstitels, gültig bis 31.10.2019 auszugehen ist, bestehen keine Bedenken, dass das Zuständigkeitskriterium des Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013, bei der Antragstellung verwirklicht war. Hinweise auf ein zwischenzeitiges Erlöschen bestehen nicht.

 

Ungarn ist sohin auf Grundlage der genannten Bestimmungen dazu verpflichtet, den BF aufzunehmen und sein Asylbegehren zu prüfen. Das Konsultationsverfahren mit den ungarischen Behörden erfolgte mängelfrei und Ungarn stimmte einer Aufnahme des BF ausdrücklich zu.

 

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 (humanitäre Klausel) Dublin III-VO ergibt sich ebenso wenig eine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages des BF (siehe zur inhaltlich zum Teil vergleichbar zu beurteilenden Frage unter II.4.3.).

 

II.4.3. Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre:

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich

 

erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zahl: 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zahl: 98/18/0317;

 

vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zahl: 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zahl: 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit e Dublin II-VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zahl: 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zahl: 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zahl: 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

 

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11 , Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn. 36, 37).

 

Somit ist unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und - soweit damit noch notwendig und vereinbar - aus menschenrechtlichen Erwägungen, ob der BF im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und seiner Außerlandesbringung nach Ungarn gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG - unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation - in seinen Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würden, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist, wie ihn EGMR und VfGH auslegen.

 

Im Einzelnen war unter diesen Prämissen wie folgt zu erwägen:

 

II.4.3.1. Mögliche Verletzung des Art. 7 GRC beziehungsweise des Art. 8 EMRK:

 

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Die Mutter des BF hält sich laut ZMR zumindest seit Jänner 2015 im Bundesgebiet auf, der Bruder seit Juni 2015. Eine besondere Abhängigkeit des erwachsenen BF ist nicht erkennbar und wurde auch nicht glaubhaft gemacht. Eine finanzielle Abhängigkeit besteht nicht, der bloße Erhalt von "Taschengeld" reicht nicht aus, eine solche zu begründen.

 

Dass der BF mit der Mutter und dem Stiefvater im selben Haushalt lebt, wie am 25.04.2019 in der als "Protest" bezeichneten Eingabe angeführt, entspricht nicht den Tatsachen, da der Steifvater (laut späteren Angaben) an einer anderen Wohnadresse lebt.

 

Eine besondere Beziehung zur "Verlobten" des BF ist nicht erkennbar, da der BF nicht einmal konsistent schildern kann, wann und wie er diese kennenlernet haben will. Dass er sie in der Erstbefragung nur deshalb nicht erwähnt habe, da man ihn nicht gefragt habe, ist wenig glaubhaft, obwohl er die "Verlobte" auch im weiteren Verfahren nur auf ausdrückliches Nachfragen erwähnt, nicht jedoch, wenn er angibt, dass er in Österreich bei seiner Mutter und seinem Bruder und den Leuten bleiben will, die er hier kennengelernt hat. Die "Verlobte", die im Übrigen gar nicht in Wien, sondern in einem anderen Bundesland lebt, wird in diesem Zusammenhang nie erwähnt. Von einer besonders intensiven Bindung war somit auch hier nicht auszugehen.

 

Der BF konnte somit keine besonders intensiven Beziehungen oder gar Abhängigkeitsverhältnisse zu in Österreich lebenden Verwandten oder Bekannten glaubhaft machen. Er hat auch keine sonstigen tiefergehenden sozialen, schulischen oder beruflichen Beziehungen zu Österreich.

 

Es liegen insgesamt keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor.

 

Der BF ist volljährig und gesund und nicht als vulnerabel einzustufen, sodass ihm etwa der Aufenthalt in einem anderen Schengenstaat, namentlich Ungarn, nicht zugemutet werden könnte.

 

Dass der BF Angaben gemacht habe, die bei Wahrheitsunterstellung jedenfalls eine Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 2 und 3 EMRK indizieren würden, ist dem Akt nicht zu entnehmen.

 

Dass der BF bereits große Anstrengungen hinsichtlich der Integration unternommen habe, ist angesichts seines knapp einjährigen illegalen Aufenthaltes in Österreich nicht erkennbar.

 

Der Aufenthalt im Bundesgebiet war nur ein (ab Antragstellung) vorläufig berechtigter. Gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist dieser Zeitraum als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (9.5.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (5.7.2005, 2004/21/0124).

 

Die unzweifelhaft bestehenden privaten und familiären Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund. Der durch die normierte Außerlandesbringung des BF aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in sein Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu seinem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt.

 

Folglich würde die Überstellung des BF nach Ungarn weder Art. 16 VO 604/2013 noch einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens bedeuten.

 

II.4.3.2. Kritik am ungarischen Asylwesen/der Situation in Ungarn:

 

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die allgemeine Lage für nach Ungarn überstellte Antragsteller auf internationalen Schutz in der persönlichen Situation des BF aktuell keine reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung darstellt. Insbesondere ist die in vergleichbaren Fällen geübte Praxis der asylrechtlichen und der subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage insgesamt unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.

 

Die am 28.03.2017 in Ungarn in Kraft getretenen neuen (verschärften) Gesetze betreffend das dortige Asylsystem sind in eine Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen.

 

Darüber hinaus hat UNHCR am 10.04.2017 dazu aufgerufen, Rücküberstellungen von Asylwerbern aus anderen EU-Staaten nach Ungarn unter der Dublin-VO zeitweise auszusetzen, da sich die Situation für Asylsuchende in Ungarn, die schon zuvor Anlass zu großer Sorge gab, noch einmal verschlechtert habe, seit das neue Gesetz in Kraft getreten sei, das Asylsuchende zwangsweise interniere.

 

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 16.06.2014, U2543/2013, sowie vom 25.06.2014, U 2679/2013 u.a., bemängelte, dass anlässlich einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG und einer damit verbundenen Ausweisung nicht das aktuellste, eine rezente Gesetzesänderung berücksichtigende, Berichtsmaterial zur Lage von Antragstellern auf internationalen Schutz in Ungarn gewürdigt worden wäre. In gleicher Weise sprach auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt aus, dass Asylbehörden, insoweit es um die Feststellung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat (Zielstaat) als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens eines Antragstellers geht, von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch zu machen und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten internationalen Organisationen in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 11.11.2008, 2007/19/0279); den Asylbehörden sei es insbesondere auch oblegen, von Amts wegen aktuelles Berichtsmaterial heranzuziehen (VwGH 14.11.2007, 2005/20/0473, u.a.).

 

In Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 21.12.2011, C-411/10 , C-493/10 , kommt eine Rückführung in den nach der Dublin II-VO (nunmehr Dublin III-VO) zuständigen Mitgliedstaat dann nicht in Frage, wenn bekannt ist, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die ernsthafte Gefahr beinhalten, dass der Fremde einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.

 

Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen hat sich das BFA im gegenständlichen Fall ausreichend mit der aktuellen, faktischen und rechtlichen Situation auseinandergesetzt, die auf die den BF betreffende Fallkonstellation anwendbar ist.

 

So ist der BF jedenfalls bis 31.10.2019 in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt. Der Anfrage an die Staatendokumentation (Beantwortung mit Mail vom 31.12.2018) ist zu entnehmen, dass Personen, die sich mit einem gültigen Titel und daher legal in Ungarn aufhalten, einen Asylantrag stellen können und das Ende des Verfahrens in Ungarn abwarten dürfen. Sie werden auf Wunsch entsprechend untergebracht und versorgt, jedoch nicht in die Transitzone verbracht, wohingegen Personen, die sich illegal in Ungarn aufhalten, ihren Asylantrag nur in der Transitzone stellen können und den Ausgang ihres Verfahrens dort abwarten müssen. Sie werden dort entsprechend untergebracht und versorgt.

 

Hinsichtlich des BF ist daher davon auszugehen, dass ihm die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz möglich ist, und er auf Ersuchen auch adäquat untergebracht und versorgt wird, was sich eindeutig aus den Länderberichten ergibt. Gegenteiliges wurde vom BF nicht konkret belegt, sondern lediglich spekulativ in den Raum gestellt.

 

Hinsichtlich der Behauptungen und weiteren Spekulationen in den diversen Schriftsätzen ist festzuhalten, dass mit der ungarischen Rechtslage übereinstimmende Gründe für die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens sich im Fall des BF nicht aus der Aktenlage ergeben und auch nicht konkret vorgebracht wurden, insbesondere da bei Rückführung des BF nach Ungarn eben kein illegaler Aufenthalt vorliegt.

 

Von der Gefahr einer Rückstellung des BF nach Serbien ist aufgrund der Einreisemodalitäten des BF nicht auszugehen und liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor.

 

Anhaltspunkte, die eine mögliche Inhaftnahme des BF begründet und wahrscheinlich erscheinen ließen, ergeben sich nicht aus dem Akt und wurden ebenfalls nicht konkret vorgebracht.

 

Weiters stehen dem BF entgegen der Behauptungen Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung zur Verfügung. Ob dem Antrag des BF auf internationalen Schutz Erfolg beschieden sein wird, oder ob sein Vorbringen aufgrund seines Verhaltens als unglaubwürdig eingestuft würde, ist im gegenständlichen Verfahren nicht zu beurteilen.

 

Es liegen somit keine Hinweise darauf vor, dass der BF in Ungarn von systemischen Mängeln in herrschenden Asylsystem betroffen wäre und daher der Selbsteintritt Österreichs zur Vermeidung einer Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK beziehungsweise Art. 4 GRC geboten wäre.

 

II.4.3.3. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Ungarn

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Ungarn nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin III-VO zwingend auszuüben wäre: In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die relevante Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führte der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat beziehungsweise in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung vorliegt.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG in der Stammfassung); dabei sind die von den Asylinstanzen festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Reisefähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK- Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Der BF brachte keine gesundheitlichen Probleme vor, eine besondere Vulnerabilität des BF ergibt sich nicht aus der Aktenlage.

 

Unabhängig davon ergibt sich anhand der aktuellen Länderberichte zweifelsfrei, dass die unentgeltliche medizinische Grundversorgung für Antragsteller auf internationalen Schutz in Ungarn gewährleistet ist, sobald diese registriert werden.

 

Schließlich steht auch außer Zweifel, dass die Behörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

 

II.4.4. Auch in den Zusammenschau mit den oben wiedergegebenen Erwägungen hinsichtlich der in Ungarn herrschenden wird im konkreten Fall keine andere Beurteilung erforderlich, zumal sich aus den dem Bescheid zugrunde liegenden Berichten in Zusammenschau mit laufender Medienbeobachtung sowie der erfolgten Zustimmungserklärung zu einer Aufnahme des BF kein ausreichend reales Risiko ergibt, dass dieser im Falle seiner Rückübernahme nach Ungarn tatsächlich mit nicht ausreichender Unterbringung und Versorgung oder gar mit Inhaftierung konfrontiert würde.

 

Das BVwG gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine - im Kontext der hier zu klärenden Rechtsfragen relevante - Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Zum Entscheidungszeitpunkt sind beim BF keine Hinweise auf besondere Vulnerabilitätsaspekte erkennbar, welche einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat konkret entgegenstehen würden. Dafür, dass aktuell ein konkretes Überstellungshindernis vorläge, besteht jedenfalls kein Anhaltspunkt.

 

Auch im Übrigen konnte der BF keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb diesbezüglich die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

 

II.5.1. Das BVwG gelangt daher insgesamt zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zu seiner Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf Achtung seines Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

 

II.5.2. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Der BF hat auch nicht dargelegt, welche Ausführungen er in einer mündlichen Verhandlung hätten treffen wollen, die ein anderes Verfahrensergebnis bewirken hätten können.

 

Aus einer systematischen Betrachtung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen (§§ 21 Abs. 3, 6a und 7 BFA-VG, 28 Abs. 3 VwGVG) und dazu ergangener höchstgerichtlicher Judikatur ist abzuleiten, dass der gesetzlichen Intention zufolge eine gerichtliche Beschwerdeverhandlung in Verfahren über zurückweisende Bescheide im Zulassungsverfahren prinzipiell nicht vorgesehen ist (vgl. VwGH 28.4.2015, Ra 2014/19/0172; 8.9.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159; 15.12.2015, Ra 2015/19/0212) und ist davon auszugehen, dass in jenen Verfahren - im Sinne eines entsprechenden Ausgleichs - in der Spezialbestimmung des § 21 Abs. 3 BFA-VG weitergehende Möglichkeiten hinsichtlich einer behebenden Entscheidung zwecks Vornahme ergänzender Ermittlungstätigkeiten seitens der Behörde bestehen, als dies zufolge der allgemein für kassatorische Entscheidungen bestehenden Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 3 VwGVG ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insb. VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063-4) der Fall ist. Die "Unerlässlichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung" im Sinne der (aus § 66 Abs. 2 AVG übernommenen) Gesetzesdiktion muss im Bereich des Asyl- und Fremdenwesens - zumal der Behörde hier lediglich eine Partei gegenübersteht und die Durchführung einer kontradiktorischen Verhandlung seitens der Behörde sohin von Vorneherein nicht in Betracht kommt - grundsätzlich im Sinne der Unerlässlichkeit der Durchführung einer neuerlichen Einvernahme des Beschwerdeführers verstanden werden - welche auch aus der notwendigen Konfrontation desselben mit von der Behörde allenfalls zunächst ergänzend zu tätigenden Ermittlungsschritten in Bezug auf dessen individuelle (gesundheitliche oder familiäre) Situation oder die Lage im zuständigen Mitgliedsstaat resultieren kann (vgl. in diesem Sinne VwGH 23.5.1985, 84/080085; VwGH 19.2.1991, 90/08/0142; 17.10.2006, 2005/20/0459; im Sinne dieser zu § 66 Abs. 2 AVG ergangenen Judikaturlinie genügte für eine kassatorische Entscheidung, dass zur Komplettierung des maßgeblichen Sachverhaltes die "Einvernahme" der Partei erforderlich erscheine; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 14 ff). Insofern ist, übertagen auf die nunmehr geltende Rechtslage, davon auszugehen, dass notwendige Ergänzungen der Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere in Zusammenschau mit der Notwendigkeit, diese in Relation zu den individuellen persönlichen Umständen des Beschwerdeführers zu setzen und mit ihm zu erör-

 

tern, jedenfalls die Unerlässlichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Sinne des Gesetzeswortlautes implizieren; dies auch vor dem Hintergrund, dass die Führung des Zulassungsverfahrens, sohin auch des Konsultationsverfahrens im Anwendungsbereich der Dublin III-VO, jedenfalls Aufgabe der Behörde ist und nicht vor die Beschwerdeinstanz verlagert werden kann. Zu Bedenken gilt weiters, dass der Behörde - im Falle eines entsprechenden Ermittlungsergebnisses - die sofortige Zulassung des Verfahrens und Weiterführung desselben, insbesondere auch die Abhaltung einer inhaltlichen Einvernahme offen stünde und sohin eine kassatorische Entscheidung in einer solchen Konstellation (weitergehend als bei Behebungen nach § 28 Abs. 3 VwGVG) auch als im Sinne der Verfahrensökonomie erachtet werden muss.

 

Im vorliegenden Verfahren erscheint der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Der sich aus dem Akt ergebende Sachverhalt hinsichtlich der Zuständigkeitsbegründung an sich wurde von der Partei nicht substantiiert bestritten. Wie beweiswürdigend näher dargelegt, trat der BF den im angefochtenen Bescheid getroffenen Erwägungen im Rahmen der Beschwerdeerhebung auch darüber hinaus nicht in substantiierter Weise entgegen. Der BF hat auch sonst nicht dargelegt, welche Ausführungen er in einer mündlichen Verhandlung hätte treffen wollen, die ein anderes Verfahrensergebnis bewirken hätten können.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Sofern aufgrund aller von der Verwaltungsbehörde und dem BF vorgebrachten Berichte zu Ungarn eine Würdigung dieser Berichtslage vorgenommen wurde, handelt es sich um Tatsachenfragen. Die Beurteilung des BVwG zur Lage des BF aufgrund der herrschenden Situation in Ungarn korreliert mit früherer des VwGH; wobei sich aus dem gegenständlichen Erkenntnis zeigt, dass auch auf Basis der Beschwerde eine entscheidende Situationsänderung zu verneinen ist.

 

Die gegenständliche Entscheidung weicht im Ergebnis weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

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