BVwG W151 2269401-1

BVwGW151 2269401-112.7.2023

AuslBG §12a
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W151.2269401.1.00

 

Spruch:

 

 

W151 2269767-1/3E

W151 2269401-1/3E

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris Kohl, MCJ als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag. Dr. Sandra HUBER, MA und den fachkundigen Laienrichter Sascha ERNSZT als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA Iran, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 05.01.2023 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 09.03.2023, ABB-Nr. XXXX , externe GZ: XXXX betreffend Nichtzulassung zu einer Beschäftigung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a Z 1 AuslBG nach Vorlageantrag der XXXX , beide vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Hubert Wagner, LL.M., in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

Die Beschwerdevorentscheidung wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung gemäß § 20d Abs. 1 AuslBG an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, Herr XXXX , stellte am 16.12.2022 beim Amt der Wiener Landesregierung (MA 35) einen Antrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte“ als Fachkraft in Mangelberufen gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 NAG iVm. § 12a AuslBG, welcher gemäß § 20d Abs. 1 Z 2 AuslBG an die belangte Behörde übermittelt wurde. Gemäß der dem Antrag angeschlossenen Arbeitgebererklärung sollte der Beschwerdeführer bei der XXXX (im Folgenden Dienstgeberin) als „Kellner/Barmann mit Inkasso + Lagerkontrolle“ für eine Entlohnung in Höhe von brutto EUR 1.853,- pro Monat im Ausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigt werden. Als genaue Beschreibung der Tätigkeit wurde wie folgt angeführt:„Warenbestellung – Warenannahme – Warenkontrolle Lagerkontrolle, Standkontrolle, Inventur, Abrechnung der Tageslosung, Kellner + Barmann mit Inkasso“.

2. Mit Bescheid vom 05.01.2023 wies die belangte Behörde den Antrag nach Anhörung des Regionalbeirates gemäß § 12a AuslBG AuslBG ab. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass statt der erforderlichen Mindestpunkteanzahl von 55 nur 25 Punkte angerechnet werden könnten.

3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass er einen Bachelor in Business Administration habe und damit eine gute Qualifikation in der Berufsgruppe Baroberkellner, Alleinkellner und Zahlkellner mit sich bringe. Dafür wären 30 Punkte zu vergeben gewesen. Er habe vier Halbjahre in Österreich innerhalb der beantragten Branche und Position gearbeitet, weshalb 8 Punkte angerechnet werden müssten. Weiters seien aufgrund der Deutschkenntnisse 15, aufgrund der Englischkenntnisse 5 und aufgrund des Alters 10 Punkte, sohin insgesamt 68 Punkte zu vergeben.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 09.03.2023 wies die belangte Behörde die Beschwerde(n) ab. Es fehle bereits an der Grundvoraussetzung für die Zulassung als Fachkraft, da sich der Beruf des Barmannes nicht in der Mangelberufsliste für das Jahr 2022 befinde. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen, dass er die Fachkenntnisse eines Kellners/Barmannes, vergleichbar einer österreichischen Lehrausbildung erworben habe. Eine Punktebewertung gemäß der Anlage B sei damit nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 12a AuslBG seien nicht erfüllt.

5. Mit Eingabe vom 24.03.203 stellte die Dienstgeberin einen begründeten Vorlageantrag.

6. Die Beschwerde wurde unter Anschluss des Verwaltungsaktes dem Bundesverwaltungsgericht am 30.03.2023 zur Entscheidung vorgelegt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer, Herr XXXX , stellte am 16.12.2022 beim Amt der Wiener Landesregierung (MA 35) einen Antrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte“ als Fachkraft in Mangelberufen gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 NAG iVm. § 12a AuslBG. Der Beschwerdeführer soll bei der XXXX als „Kellner/Barmann mit Inkasso + Lagerkontrolle“ für eine Entlohnung in Höhe von brutto EUR 1.853,- pro Monat im Ausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigt werden. Als genaue Beschreibung der Tätigkeit wurde wie folgt angeführt:

„Warenbestellung – Warenannahme – Warenkontrolle Lagerkontrolle, Standkontrolle, Inventur, Abrechnung der Tageslosung, Kellner + Barmann mit Inkasso“.

1.2. Der Beschwerdeführer verfügt über einen Bachelorabschluss Business Administration, an der XXXX , Iran. Er legte eine Inskriptionsbestätigung der Universität Wien für das Wintersemester 2022 (Bachelorstudium Soziologie) sowie ein Studienblatt der Universität Wien, in dem der Universitätslehrgang von 01.10.2014 bis 29.09.2016 und Bachelorstudium Soziologie laufend seit 01.10.2016 ausgewiesen sind, vor.

1.3. Der Beschwerdeführer war von 23.03.2018 bis 30.06.2019 bei der XXXX als Barmann mit Inkasso und bei der XXXX GmbH, seit 2020 bis mindestens 10.01.2023, saisonal in der Gastronomie tätig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zur beantragten Beschäftigung, sowie zu seiner Ausbildung und beruflicher Tätigkeit (II.1.2. und II.1.3.) ergeben sich aus dem Antrag vom 16.12.2022 samt Arbeitgebererklärung sowie den im Verfahren vorgelegten Unterlagen.

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice das Bundesverwaltungsgericht spätestens drei Monate nach deren Einlangen durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Zurückverweisung

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) idF BGBl I Nr. 43/2023 lauten:

„Fachkräfte in Mangelberufen

§ 12a.Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie

1. eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,

2. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,

3. für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und

sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt.“

Anlage B:

„Anlage B

Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a

 

 

Kriterien

Punkte

Qualifikation

maximal anrechenbare Punkte: 30

abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf

30

ausbildungsadäquate Berufserfahrung

maximal anrechenbare Punkte: 20

Berufserfahrung (pro Halbjahr)

Berufserfahrung in Österreich (pro Halbjahr)

1

2

Sprachkenntnisse

maximal anrechenbare Punkte: 25

Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A1)

Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2)

Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1)

5

10

15

Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2)

Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1)

5

10

Französischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1)

5

Spanischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1)

5

Bosnisch-, Kroatisch- oder Serbischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1)

5

Alter

maximal anrechenbare Punkte: 15

bis 30 Jahre

bis 40 Jahre

bis 50 Jahre

15

10

5

Summe der maximal anrechenbaren Punkte

Zusatzpunkte für Englischkenntnisse, sofern die vorherrschende Unternehmenssprache Englisch ist

90

5

erforderliche Mindestpunkteanzahl

55

  

 

§ 20d:„Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler

§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Stammmitarbeiter haben den Antrag auf eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“, Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine „Blaue Karte EU“ und ausländische Künstler den Antrag auf eine „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann für den Ausländer und bei gleichzeitiger Antragstellung auch für dessen Familienangehörige (§ 2 Abs. 1 Z 9 NAG) vom beabsichtigten Arbeitgeber im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat in den Fällen der Z 3 und 5 die Arbeitsmarktprüfung zügig und bedarfsgerecht durchzuführen, in allen Fällen den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde – je nach Antrag – schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung

1. als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12,

2. als Fachkraft gemäß § 12a,

3. als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,

4. als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),

5. als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine „Blaue Karte EU“),

6. als Stammmitarbeiter gemäß § 12d oder

7. als Künstler gemäß § 14

erfüllt sind. Die Frist von vier Wochen verkürzt sich in den Fällen des § 50a Abs. 1 NAG auf 15 Tage. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.

(2) Die Zulassung gemäß Abs. 1 gilt für die Beschäftigung bei dem im Antrag angegebenen Arbeitgeber im gesamten Bundesgebiet. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat unverzüglich nach Beginn der Beschäftigung die Anmeldung zur Sozialversicherung zu überprüfen. Entspricht diese nicht den für die Zulassung maßgeblichen Voraussetzungen, ist die nach dem NAG zuständige Behörde zu verständigen (§ 28 Abs. 6 NAG). Bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 41a NAG) ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) …“

Weitere maßgebliche Bestimmungen:

Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend, mit der für das Jahr 2022 Mangelberufe für die Beschäftigung von ausländischen Fachkräften festgelegt werden (Fachkräfteverordnung 2022) StF: BGBl. II Nr. 573/2021

„§ 1.

(1) Für das Jahr 2022 werden folgende Mangelberufe festgelegt, in denen Ausländerinnen und Ausländer als Fachkräfte gemäß § 12a AuslBG für eine Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet zugelassen werden können:

1. …

68. Kellner/innen

(2) …

§ 2. Die Bezeichnung der im § 1 genannten Berufe folgt der Berufssystematik des Arbeitsmarktservice.

§ 3. Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2022 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft. Vor Ablauf des 31. Dezember 2022 eingebrachte Anträge gemäß § 20d Abs. 1 Z 2 AuslBG sind nach dieser Verordnung zu erledigen.“

In der Sache folgt daraus:

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 16.10.2015, Ra 2015/08/0042, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ausgeführt hat, kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt hat oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek in Holoubek/Lang, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013) S 127, 137; siehe schon Merli in Holoubek/Lang, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2008) S 65, 73 f).

Diese Voraussetzungen treffen im gegenständlichen Fall zu.

Der Beschwerdeführer soll bei der Dienstgeberin als „Kellner/Barmann mit Inkasso + Lagerkontrolle“ beschäftigt werden. Die Fachkräfteverordnung 2022 nennt in § 1 Abs. 1 Z 68. den Beruf von "Kellner/innen“ als Mangelberuf.

Gemäß § 12a Z 1 AuslBG ist es – unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – erforderlich, dass der Antragsteller eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung im beantragten Mangelberuf nachweisen kann (vgl. VwGH 25.01.2013, 2012/09/0068; 13.12.2016, Ra 2016/09/0104).

Die Erläuterungen (RV 1077 BlgNR 24. GP S 12) zum Erfordernis einer "einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung" des § 12a Z 1 AuslBG führen dazu aus: "Es können somit nur Fachkräfte zugelassen werden, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem solchen Mangelberuf nachweisen, die einem Lehrabschluss vergleichbar ist. Als abgeschlossene Berufsausbildung gilt auch der erfolgreiche Abschluss einer schulischen Ausbildung, die dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule (BHS) in Österreich entspricht. Dementsprechend hoch ist die Qualifikation auch im Kriterienkatalog der Anlage B bewertet."

Der Gesetzgeber hat als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung somit einen österreichischen Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung vorgesehen. Eine abgeschlossene Berufsausbildung liegt demnach auch vor, wenn diese einem Lehrabschluss vergleichbar ist oder dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule in Österreich entspricht. Zweifellos kann auch ein im Hinblick auf einen Mangelberuf facheinschlägiges Hochschulstudium eine entsprechende Berufsausbildung darstellen. Eine formale Gleichstellung mit einer inländischen Berufsausbildung ist nicht erforderlich (vgl. VwGH 22.03.2022, Ra 2020/09/0059 mwN).

Als Vergleichsmaßstab kann das Berufsausbildungsgesetz (BAG) herangezogen werden. Gemäß § 5 Abs. 1 lit. c BAG ist ein Lehrberuf eine Tätigkeit (neben anderen Erfordernissen), deren sachgemäße Erlernung mindestens zwei Jahre erfordert. Gemäß § 6 Abs. 1 BAG beträgt die Dauer der Lehrzeit in einem Lehrberuf in der Regel drei Jahre (vgl. VwGH 25.01.2013, 2012/09/0068).

Gemäß § 1 der Restaurantfachmann-Ausbildungsordnung BGBl. II Nr. 139/2019 ist der Lehrberuf Restaurantfachmann/Restaurantfachfrau mit einer Lehrzeit von drei Jahren eingerichtet.

Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26.02.2021, Ra 2020/09/0046, weiters klargestellt hat, kann – unabhängig davon, ob ein formeller Lehrabschluss erlangt wurde – auch eine dreijährige einschlägige Berufstätigkeit eine einem Lehrabschluss vergleichbare Ausbildung darstellen, sofern der Antragsteller nach der "Lehrzeit" befähigt war, als Facharbeiter zu arbeiten und dies auch tat.

Es kommt daher entscheidungswesentlich darauf an, ob der Beschwerdeführer nach seiner "Lehrzeit" – unabhängig davon, ob er einen formellen Lehrabschluss erlangte – befähigt war, als Fachkraft zu arbeiten und dies auch tat. In diesem Fall wäre einerseits die Berufstätigkeit nach Abschluss der "Lehrzeit" von drei Jahren als ausbildungsadäquate Berufstätigkeit zu werten und auch die Qualifikation nach dem Punkteschema zu berücksichtigen. Zu diesen Umständen sind jedoch weitere Feststellungen erforderlich, die das AMS zu treffen gehabt hätte.

Im Zuge des Verfahrens legte der Beschwerdeführer Referenzschreiben vor, wonach er im Zeitraum von 23.03.2018 bis 30.06.2019 bei der XXXX als Barmann mit Inkasso und bei der XXXX GmbH, seit 2020 bis mindestens 10.01.2023, saisonal in der Gastronomie (Bar) tätig war.

Das AMS führte in seiner Beschwerdevorentscheidung nach Darlegung des Berufsbildes des Restaurantfachmannes und Barkeepers aus, dass das Studium Business Administration nicht die spezifischen Fachkenntnisse eines Kellners bzw. Barmannes, wie sie im Zuge einer Lehrausbildung bzw. mittleren Fachschule erworben werden, vermittle. Das AMS hat sich jedoch nicht mit der Frage auseinandergesetzt und keine Ermittlungen dazu angestellt, ob der Beschwerdeführer aufgrund seiner beruflichen Tätigkeiten eine dreijährige einschlägige Berufstätigkeit („Lehrzeit“) absolvierte, welche ihn in Zusammenschau mit dem erworbenen Studienabschluss in Business Administration im Sinne der oben zitierten Judikatur befähigte, als Facharbeiter zu arbeiten und er dies auch tat.

Angesichts des Umstandes, dass das AMS den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes klargestellten Prüfungsmaßstab betreffend das Vorliegen einer "einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung" selbst im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung völlig außer Acht gelassen hat, ist nicht nur vom Fehlen jeglicher erforderlicher Ermittlungstätigkeit bzw. von einer nur ansatzweisen Ermittlung des notwendigen Sachverhalts iSd der oben zitierten Rechtsprechung, sondern sogar von einer bewussten Delegierung der Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht auszugehen.

Da im Hinblick auf die allenfalls notwendigen weiteren umfassenden Prüfungsschritte auch nicht davon auszugehen war, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, war gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG mit der Behebung der in Erledigung der Beschwerde erlassenen Beschwerdevorentscheidung vorzugehen und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung gemäß § 20d Abs. 1 AuslBG an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Das AMS wird sich im fortgesetzten Verfahren somit insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der Beschwerdeführer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit – ungeachtet dessen, dass er keine formelle Berufsausbildung absolviert hat – die Befähigung erlangt hat, auf dem Niveau einer Fachkraft als Kellner zu arbeiten und in einer solchen Position auch tatsächlich eingesetzt wurde, und bejahendenfalls seine Ausbildung sowie seine daran anschließende Berufserfahrung auch bei der Punktevergabe gemäß Anlage B zum AuslBG berücksichtigen müssen.

Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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