VwGH 2012/09/0068

VwGH2012/09/006825.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der R Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Petsch Frosch Klein Arturo Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Eßlinggasse 5, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. März 2012, Zl. 3/08114/351 6729, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §12a Z1 idF 2011/I/025;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 28.2.2012 einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung "Erteilung für eine Schlüsselkraft (2 Abs. 5 AuslBG)" für den rumänischen Staatsangehörigen DC für die berufliche Tätigkeit "Eis und Süßalimenteerzeugung". Die Beschwerdeführerin fände in Österreich "keine Eis und Süsswaren Spezialisten". Eine Entlohnung wurde in Höhe von Brutto EUR 1.560,99/Monat bei einer Anzahl von 40 Wochenstunden geboten.

Die Behörde erster Instanz wies den Antrag mit der Begründung ab, es läge keine der in § 4 Abs. 3 AuslBG genannten Voraussetzungen vor.

In dem dagegen erhobenen Rechtsmittel wurde ausgeführt:

"Da unser Betrieb seit 1856 in W der wichtigste italienische Gastromoniebetrieb ist, benötigen wir dringendst einen Fachmann für die Erzeugung von italienischem Eis und von Süßwaren. Herr DC hat für diese Tätigkeit eine langjährige Erfahrung und Sonderausbildung."

Die belangte Behörde wies die Berufung mit der wesentlichen Begründung ab, es läge keine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Z. 1 bis 12 AuslBG vor.

DC weise durch seine Meldung nach dem Meldegesetz seit 8. Februar 2011 im Bundesgebiet noch keine fortgeschrittene Integration im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 2 AuslBG auf, da Staatsbürger jener Länder, welche am 1. Jänner 2007 der EU beigetreten seien, im Hinblick auf die im Beitrittsvertrag festgelegten Übergangsbestimmungen durch ihre Präsenz im Bundesgebiet keine Aufenthaltsverfestigung erlangten. Er sei kein Ehegatte eines Ausländers gemäß § 4 Abs. 3 Z. 3 AuslBG, es handle sich weder um eine befristete Beschäftigung im Rahmen eines Kontingents gemäß § 5 AuslBG noch liege eine Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes vor. Die Beschäftigung werde nicht aufgrund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung ausgeübt und DC sei hinsichtlich seines vorgesehenen Einsatzes auch nicht der Personengruppe der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung zuzuordnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Vorauszuschicken ist, dass der Antrag zu Recht nicht unter den Gesichtspunkten des § 2 Abs. 5 AuslBG zu behandeln war, weil diese Bestimmung durch BGBl. I Nr. 25/2011 per 1. Juli 2011 (ersatzlos) entfallen ist.

2) Die Beschwerdeführerin rügt, dass die belangte Behörde DC eine fortgeschrittene Integration im Hinblick auf seine Meldung erst seit 8. Februar 2011 abspreche. Zwar ist die Beschwerdeführerin dahingehend im Recht, dass die dazu ergangene, oben wiedergegebene Begründung der belangten Behörde (keine "Aufenthaltsverfestigung") nicht der Rechtslage entspricht (vgl. mit ausführlicher Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, das hg. Erkenntnis vom 15. September 2011, Zl. 2011/09/0017), dennoch gelangt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn die Beschwerdeführerin stützt sich ausschließlich darauf, dass DC seit 8. Februar 2011 (sohin etwa ein Jahr) in Österreich sei, zeigt jedoch keine weiteren Umstände auf, die den Tatbestand einer "fortgeschrittenen Integration" iSd § 4 Abs. 3 Z. 2 AuslBG (vgl. zu diesem Begriff bereits das hg. Erkenntnis vom 18. September 2008, Zl. 2006/09/0176) erfüllen könnten.

3) Die Beschwerdeführerin wendet in der Beschwerde ein, die belangte Behörde habe "keine Feststellungen getroffen, ob eine Erteilung der Beschäftigungsbewilligung gemäß der zu § 13 Abs. 1 AuslBG ergangenen Fachkräfte-Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 18. November 2008, BGBl. II Nr. 395/2008 ('Fachkräfte-BHZÜV')" vorliege. Die berufliche Tätigkeit falle unter die in § 1 der Fachkräfte-BHZÜV enthaltene Tätigkeit "Kaffee- und andere Nahrungsmittelhersteller/innen", wogegen sich die belangte Behörde in der Gegenschrift unter Hinweis auf die Berufssystematik NACE wendet.

Die Beschwerdeführerin legt zum Beweis ein "Berufsbezeichnungszeugnis" des "Presidente Accademia della Cucina e dei Sapori mediterranei s.r.l." in Ruoti, Sardinien, vom 15. Dezember 2009 bei, das die belangte Behörde auf Grund von im Einzelnen gerügten Verfahrensmängeln nicht beigeschafft habe. Daraus ergibt sich lediglich, DC habe für die Dauer von 18 Monaten am Ausbildungsprogramm für Speiseeishersteller-Konditor teilgenommen, das von der genannten Accademia veranstaltet worden sei.

Es erübrigt sich, zu untersuchen, unter welche Berufsgruppe die angestrebte Tätigkeit einzuordnen wäre und ob betreffend die Nichtbeischaffung dieses Zeugnisses überhaupt ein Verfahrensmangel vorliegt, weil die belangte Behörde selbst dann, wenn die angestrebte Tätigkeit unter die in der Fachkräfte-BHZÜV genannte Berufsgruppen fiele, bei Berücksichtigung des Zeugnisses zu keinem anderen Ergebnis hätte gelangen können.

Die Fachkräfte-BHZÜV, BGBl. II Nr. 350/2007 idF. BGBl. II Nr. 395/2008, beruhte auf der Ermächtigung des § 12a Abs. 2 AuslBG. Dieser lautete bis zum Außerkrafttreten am 30. Juni 2011 durch BGBl. I Nr. 25/2011 folgendermaßen:

"(2) Über die Gesamtzahl gemäß Abs. 1 hinaus dürfen Sicherungsbescheinigungen und Beschäftigungsbewilligungen bis zu einem Höchstausmaß von neun vH am österreichischen Arbeitskräftepotential erteilt werden, wenn die der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung für einzelne Personengruppen, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen, festlegt…."

Mit BGBl. I Nr. 25/2011 wurde § 12a AuslBG in die hier anzuwendende Fassung geändert:

"§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie

1. eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,

2. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,

3. für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und

sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt."

Die Fachkräfte-BHZÜV ist trotz der Neufassung des § 12a AuslBG nicht aufgehoben worden. Sie ist daher im Lichte der neuen Rechtslage weiter anzuwenden. Sie enthält in ihrem § 1 die Formulierung "wenn sie" (Anm: die beantragten Fachkräfte) "über eine der beantragten Tätigkeit entsprechende Berufsausbildung … verfügen".

Die Erläuterungen (1077 Blg. NR 24. GP, RV, S 12) zum Erfordernis einer "einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung" des § 12a Z. 1 AuslBG führen dazu aus:

"Es können somit nur Fachkräfte zugelassen werden, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem solchen Mangelberuf nachweisen, die einem Lehrabschluss vergleichbar ist. Als abgeschlossene Berufsausbildung gilt auch der erfolgreiche Abschluss einer schulischen Ausbildung, die dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule (BHS) in Österreich entspricht. Dementsprechend hoch ist die Qualifikation auch im Kriterienkatalog der Anlage B bewertet."

Die belangte Behörde ist daher mit ihrem in der Gegenschrift geäußerten Einwand im Recht, dass der Gesetzgeber als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung einen österreichischen Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung vorsieht.

Gemäß § 5 Abs. 1 lit. c des Berufsausbildungsgesetzes, BGBl. Nr. 142/1969 idF BGBl. I Nr. 5/2006 (BAG), ist ein Lehrberuf eine Tätigkeit (neben anderen Erfordernissen), deren sachgemäße Erlernung mindestens zwei Jahre erfordert. Gemäß § 6 Abs. 1 BAG beträgt die Dauer der Lehrzeit in einem Lehrberuf in der Regel drei Jahre. Die aufgrund der Ermächtigung des § 6 Abs. 6 BAG, nach der bestimmte Berufe unter besonderen Voraussetzungen (z.B. vorher erlangter anderer Qualifikationen) in einer verkürzten Lehrzeit erlernt werden können, ergangene Verordnung vom 2. Juni 1987, BGBl. Nr. 251, setzt in ihrem nach wie vor geltenden § 4 hinsichtlich der hier in Frage kommenden Berufsgruppen eine Lehrzeit von zwei Jahren fest.

Die gegenständlich nachgewiesene Ausbildung dauerte jedoch nur 18 Monate, weshalb sie nicht geeignet ist, eine "abgeschlossene Berufsausbildung" im Sinne des § 12a AuslBG und der Fachkräfte-BHZÜV darzustellen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Jänner 2013

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