BVwG W117 2245803-1

BVwGW117 2245803-115.5.2023

BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §22a Abs1 Z2
BFA-VG §34 Abs1 Z2
BFA-VG §40 Abs1 Z1
BFA-VG §43 Abs1 Z2 litb
B-VG Art133 Abs4
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z7
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwG-AufwErsV §1 Z2
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs4 Z1
VwGVG §35 Abs4 Z3
VwGVG §35 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W117.2245803.1.00

 

Spruch:

 

W117 2245803-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch RA Dr. Herbert POCHIESER, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.04.2023, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-VG, Artikel 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG, § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG, § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, §43 Abs. 1 Z 2 lit b BFA-VG stattgegeben und die Festnahme am 23.07.2021, 09.43 Uhr sowie die Anhaltung bis 23.07.2021, 16.50 Uhr, für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1, Abs. 4 Z 1, Z 3 und Abs. 5 VwGVG idgF, iVm § 1 Z 1 und Z 2 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters den Verfahrensaufwand in Höhe von € 1689,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

 

Am 23.07.2021 wurde der Beschwerdeführer (BF) anlässlich seiner zum Zwecke der Stellung eines Asylfolgeantrages erfolgten Vorsprache in der Polizeiinspektion (PI) Stumpergasse festgenommen und in das PAZ gebracht.

 

Nach Durchführung seiner Erstbefragung im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Hernalser Gürtel wurde der BF im Rahmen seiner Anhaltung ins EAST Ost gebracht und im Grundversorgungsquartier aufgenommen.

 

Gegen die behauptete Verweigerung der Annahme des Asylantrages durch Sicherheitsorgane der PI Stumpergasse, seine Festnahme und damit verbundene Umstände sowie die Verbringung in das PAZ Hernalser Gürtel, weiters gegen die ihn treffende Gebietsbeschränkung und gegen die im Rahmen seiner Aufnahme in das Grundversorgungsquartier EAST Ost angeordnete (Covid-19)Quarantäne erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 26.08.2021 Beschwerde.

 

In seinem Beschwerdeschriftsatz monierte er zunächst einmal die Verweigerung der Annahme des Asylfolgeantrages vom 23.07.2021 in (und durch Sicherheitsorgane) der Polizeiinspektion Stumpergasse, die Rechtswidrigkeit der Festnahmeanordnung vom 23.07.2021 und daraufhin erfolgte Festnahme, für welche (und die in weiterer Folge zwangsweise Verbringung in die EAST Ost) aufgrund der seit Beginn des Aufenthaltes in Österreich bestehenden polizeilichen Meldung und aktiven Kooperationsbereitschaft keine Veranlassung bestanden habe.

 

Weiters wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Nichtausfolgung der Festnahmeprotokolle, die Abnahme seiner persönlichen Gegenstände (nach seiner Festnahme), die Trennung von seinem in der PI Stumpergasse anwesenden Rechtsbeistand, welchem die Mitfahrt in das PAZ Hernalser Gürtel verweigert worden sei.

 

Schließlich rügte der Beschwerdeführer noch die erst nach mehrfacher Aufforderung erfolgte Aushändigung (einer Kopie) der im PAZ erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gegen einen Betrag vom € 1,44 Euro, die dem Beschwerdeführer nach seiner Erstbefragung auferlegte Gebietsbeschränkung und nachfolgende Quarantäne, welche unzulässige Eingriffe in sein Recht auf persönliche Freiheit seien.

 

Der Beschwerdeführer stellte sodann im Zusammenhang mit seiner Festnahme folgende Anträge – wörtlich übernommen; in Bezug auf die übrigen Anträge ist auf die Entscheidung zur Zahl W117 2245803-2 zu verweisen.

 

1. gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen und

 

2. a.) die durch die Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 23.07.2021 ab 09:40 Uhr ausgeübten Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und zwar

(…)

- die Festnahmeanordnung vom 23.07.2021 um 09:40 und die daraufhin erfolgte Festnahme bis 10:20 Uhr in der PI Stumpergasse,

- die Verweigerung der Ausfolgung des Festnahmeprotokolls an meine ausgewiesene Vertreterin,

- die Verweigerung der Verständigung und Kommunikation mit meiner rechtsfreundlichen Vertreterin,

- die Abnahme meines Mobiltelefons und Bargeldes im Zuge meiner Festnahme am 23.07.2021 und deren Einbehaltung bis zur Überstellung an das Erstaufnahmezentrum Ost, Otto Glöckelstraße 24, 2514 Traiskirchen;

- die anschließende zwangsweise Überstellung an das PAZ Hernalser Gürtel und die dortige Anhaltung;

(…);

- die Trennung von und Verhinderung des Beistandes meiner Rechtsvertretung;

- die daraufhin erfolgte zwangsweise Überstellung durch Organe des BFA in die EASt Ost und - die dortige Anhaltung seit 23.07.2021 bis zum heutigen Tag,

(…)

für verfassungswidrig und/oder rechtswidrig zu erklären und aufzuheben,

in eventu,

(…)und

3. dem Rechtsträger der belangten Behörde gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl II 517/2013, den Ersatz der mir entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution aufzutragen und mir eine angemessene Entschädigung von mindestens 100 Euro pro Tag für die Dauer der rechtswidrigen Anhaltung im Erstaufnahmezentrum zuzuerkennen“.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte den Akt vor, gab aber keine Stellungnahme ab.

 

Am 20.04.2023 wurde eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt; diese nahm folgenden Verlauf:„(…)

Eröffnung des Beweisverfahrens:Verlesen wird der bisherige Akteninhalt.

 

Da die Zeugin (…) vor kurzem entbunden hat und das Kind entsprechend zu versorgen ist, wird die Zeugenaussage vorgezogen, auch eben vor der Einvernahme des BF.

 

Beginn der Zeugenbefragung von Fr. (…).

 

R: Sie wurden als Zeugin beantragt. Liegen Ihrerseits Aussageverweigerungsgründe vor?

Z1: Nein.

 

BF: Ich entbinde die Zeugin in der Verhandlung ausdrücklich von der Verschwiegenheitspflicht.

 

Zeugin wird wahrheitsbelehrt.

Z1: Ich habe verstanden.

 

R: Kommen wir zum besagten Tag den 23.7.2021. Haben Sie diesen Tag noch einigermaßen in Erinnerung?

Z1: Ja, einigermaßen.

 

Der Z1 wird zusammengefasst die entsprechende Aktenlage vorgehalten.

Z1: Wir sind zur Polizeiinspektion Stumpergasse gegangen und wollten einen Asylfolgeantrag stellen.

 

R: An wen haben Sie sich gewandt?

Z1: Wir haben uns an einen Polizeibeamten gewandt und haben gesagt, dass wir einen Asylfolgeantrag stellen wollen. Ich kann mich nicht wortwörtlich erinnern, was der Polizist sagte, ich kann mich nur erinnern, dass die Annahme des Asylfolgeantrags abgelehnt wurde, da er nicht zuständig sei und wir den Asylantrag beim BFA Hernalser Gürtel einbringen sollten. Ich habe daraufhin gemeint, dass wir gesetzlich den Asylantrag bei jedem Organ stellen können.

 

R: Haben Sie bei der Polizeiinspektion Ihre Vollmacht offen gelegt, haben Sie selbständig oder für die Kanzlei gearbeitet?

Z1: Ich habe für die Kanzlei Pochieser gearbeitet.

 

Verlesen wird AS 165. Bekanntgabe des Vollmachtsverhältnisses der RA Kanzlei Pochieser am 29.7.2021. Verlesen wird AS 71. RA Pochieser hat mit Schriftsatz vom 29.7.gegenüber dem BFA die Bevollmächtigung durch den BF bekannt gegeben und in der Folge ausdrücklich auch am 11.8.2021 in einem Schriftstück „zur Vorlage bei Gerichten und Behörden“ einer anderen Mitarbeiterin den „Brief“ mitgegeben „Frau…, geboren…, ist in meiner Kanzlei angestellt und von mir bevollmächtigt Hrn. (…) rechtsfreundlich zu vertreten“.

 

R: Ich habe im Akt nichts gefunden, was auf die Bekanntgabe einer rechtsfreundlichen Vertretung an dem Tag der versuchten Asylantragstellung hinweist.

Z1: Soweit ich mich erinnern kann, habe ich zuerst eine Stellungnahme vorbereitet, bevor wir den Antrag stellen wollten, es war ein schriftlicher Asylfolgeantrag, mit der Stellungnahme wurde dem BFA auch eine Vollmacht vorgelegt.

RV wirft ein, dass die Vollmacht tatsächlich schon am 26.5.2021 gegenüber der Verwaltungsbehörde bekanntgegeben wurde und legt den entsprechenden Schriftsatz vor.

Dieser wird als Kopie zum Akt genommen und das Original retourniert.

 

R: Haben Sie bei der Polizeiinspektion etwas vorgelegt?

Z1: Soweit ich mich erinnere, habe ich mich als rechtsfreundliche Vertreterin vorgestellt, eine schriftliche Vollmacht wurde nicht verlangt, da wir ja eine Vollmacht doch schon vorgelegt hatte. Der Beamte wollte daraufhin Rücksprache halten, wir haben draußen gewartet und nach ca. 20 Minuten kamen er zu uns in den Warteraum und sagte, dass er jetzt angehalten wird und sie, die Polizei, mit ihm nun zum Hern. Gürtel fahren würden und mit ihm den Asylantrag zu stellen, mir wurde die Mitfahrt verweigert.

 

R: Hat der Beamte die Festnahme förmlich ausgesprochen?

Z1: Ich weiß nicht mehr genau, wie er die Festnahme formuliert hat. So detailliert kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe aber nicht mitbekommen, wie der BF dann zum Hern. Gürtel tatsächlich gekommen ist, weil ich weiterhin im Warteraum war und auf eine Auskunft gewartet habe, wann er denn genau rüberfährt, dann bin ich alleine mit Öffis zum Hern. Gürtel. Dort beim Anhaltezentrum erkundigte ich mich, ob der BF schon im Anhaltezentrum angekommen ist. Da wurde mir mitgeteilt, dass er noch nicht angekommen ist, es dauerte offensichtlich ein bisschen, ich musste mich mehrmals informieren, wo der BF ist, erst nach einiger Zeit wurde mir dann mitgeteilt von einem Beamten des Anhaltezentrums mitgeteilt, dass der BF mittlerweile angekommen sei. Ich habe mich erkundigt, wie es weitergehen wird. Wir waren in der Früh bei der Stumpergasse und dann im Laufe des Tages waren wir dann beim Anhaltezentrum. Mir wurde jeglicher Kontakt verweigert. Ich konnte den BF nicht einmal vorbereiten. Ab der Festnahme hatte ich den BF bis zur Erstbefragung nicht mehr gesehen. Aber bei der Erstbefragung war ich dann dabei. Nach der Erstbefragung wollte ich, dass mir das Befragungsprotokoll der Erstbefragung ausgehändigt wird, es wurde mir verweigert. Danach kam eine Dame vom BFA, weil der Polizist mir das Protokoll nicht aushändigen wollte. Ich bekam das Einvernahmeprotokoll mit der Bezahlung pro Seite von 50 oder 60 Cent, ich weiß es aber nicht mehr ganz genau. Dann habe ich mit der Dame diskutiert, warum der BF festgenommen wurde. Die BehV sagte mir, das wäre nicht so gewesen, wenn er sogleich zum Hern. Gürtel gekommen wäre. Daraufhin sagte ich, dass es gesetzlich möglich sei, einen Asylantrag bei jeder Polizeiinspektion zu stellen und die Dame sagte, ja, das stimmt eigentlich. Nachher wurde der BF weiterhin angehalten. Danach bin ich gegangen. Erst nach ein paar Tagen habe ich von einer Vertrauensperson erfahren, dass der BF erst am nächsten Tag, ich weiß es aber nicht genau, entlassen wurde.

Ich habe alles mitgeschrieben und den Schriftsatz vorbereitet.

 

R: In der Maßnahmenbeschwerde führen Sie auch aus, dass irgendetwas mit dem Anhalte-/Festnahmeprotokoll gewesen sei.

Z1: Bei der PIZ Stumpergasse, wo mir der Polizeibeamte mitteilte, dass der BF jetzt festgenommen ist, wollte ich ein Anhalteprotokoll, dies wurde mir zuerst auch verweigert. Es wurde mir dann aber gezeigt und ich durfte es durchlesen, ausgehändigt wurde es mir nicht.

 

RV bringt vor, er könne dies bestätigen, es läge nur das Erstbefragungsprotokoll der Asyleinvernahme vor. Es läge nur das Informationsblatt für Festgenommene vor, aber das ist nichts angekreuzt und nur in deutscher Sprache.

 

Dieses wird gleichfalls in Kopie zum Akt genommen und nach der Verhandlung retourniert.

 

R: Mehr Wahrnehmung haben Sie für diesen Tag nicht?

Z1: Nein.

 

BehV: Sie haben früher als RAA gearbeitet, wissen Sie den Unterschied zwischen Asylantragstellung und Asyleinbringung?

Z1: Ja.

 

BehV: Inwiefern kann es dann sein, dass es für Sie unklar ist, dass die Einbringung des Asylantrages mit erkennungsdienstlicher Behandlung und Erstbefragung nicht bei der Polizeidienststelle, die zufällig für die Asylantragstellung gewählt wurde, vorgesehen und möglich ist?

Z1: Es ging nicht um die Einbringung, sondern um die Asylantragstellung.

 

BehV: Ist Ihnen bekannt, dass die Einbringung lt. AsylG in der Erstbefragung und erkennungsdienstlichen Behandlung und anschließender Anforderung einer Prognoseentscheidung durch die dafür spezialisierte Schwerpunktstelle gesetzlich vorgesehen ist?

Z1: Ja.

 

BehV: Wo erfolgte Ihrer Ansicht nach die Asylantragstellung?

Z1: Beim Hern. Gürtel.

 

RV: Haben Sie später die Anhalteprotokolle irgendwann einmal gesehen?

Z1: Nein.

 

RV: Ist bei der Festnahme jemals die gesetzliche Grundlage genannt worden?

Z1: Nein, deswegen wollte ich die Festnahmeprotokolle habe.

 

BehV: Keine weiteren Fragen.

 

Z1 wird über die Möglichkeit der Fahrtkosten belehrt.

Z1: Ich benötige keine Rückerstattung.

 

Ende der Zeugenbefragung um 10:22 Uhr

 

Festgehalten wird, dass dem BF das bisherige Verhandlungsgeschehen rückübersetzt wird.

Der BF wirft nach Übersetzung der Zeugenaussage bis inkl. Seite 6, dass er eigentlich die Aussage der Zeugin in deutscher Sprache verstanden habe und es nicht notwendig sei, ihm alles rückzuübersetzen.

 

Beginn der Zeugenbefragung von (…) um 10:28 Uhr

 

Die Z gibt an, dass sie von der Verschwiegenheitspflicht entbunden ist.

Zeugin wird wahrheitsbelehrt und gibt an, die Wahrheitsbelehrung verstanden zu haben.

 

R: Sie haben am 23.7. diese Anzeige verfasst, ist das richtig?

Z2: Ja.

 

R: Können Sie sich an die Anzeige noch erinnern?

Z2: Ich kann mich noch dunkel erinnern, weil das Fremdenrecht ist eine sehr gängige Sache.

 

R: Mir liegen zwei Anzeigeberichte vor. Bei einem ist als Festnahmegrund Abs. 2 Z 1 und einer mit § 40, der eine Korrektur diesbezüglich vorgenommen hat. Nach welcher Bestimmung haben Sie den BF festgenommen?

Z2: Ich hielt Rücksprache mit dem BFA mit dem Journaldienst. Ich habe mit dem Hr. Wittek gesprochen und ihm die Situation geschildert und ich solle die Festnahme nach dem BFAvG vornehmen soll. Ich habe diesen Auftrag fernmündlich erhalten und dann habe ich mit dem Kollegen die Amtshandlung der Festnahme gleichzeitig vorgenommen.

 

R: Was haben Sie ihm anlässlich der Festnahme mitgeteilt?

Z2: Die grundsätzlich weitere Vorgehensweise und die kommende Einlieferung ins PAZ. Die Begründung der Festnahme durch das Infoblatt durch Festgenommene wurde ihm übergeben.

 

R: In der Anzeige steht, Sie haben ihm dies in Urdu übergeben.

Z2: Ja, das stimmt.

 

R: Die RV hat eines nur in deutscher Sprache.

Z2: Wenn die Dame der deutschen Sprache mächtig war, die RV, dann wurde ihr eines in Deutsch ausgefolgt.

 

R: Dem Informationsblatt für Festgenommene ist kein Ankreuzen für Festgenommene zu entnehmen.

Z2: Darüber kann ich jetzt nichts mehr sagen.

 

R: Gibt es Anhalteprotokolle?

Z2: Ja.

 

R: Die Im Akt liegen keine Anhalteprotokolle auf.

 

R: Die Z1 hat gesagt, dass sie nur Einblick in die Anhalteprotokolle nehmen durfte, es ihr aber keines ausgefolgt wurde.

Z2: Die Ausfolgung der Anhalteprotokolle ist nicht vorgesehen.

 

R: Sie haben nur das Informationsblatt ausgefolgt?

Z2: Ich habe nur das Informationsblatt an die Dame ausgefolgt.

 

R: Dann sind Sie mit dem BF rübergefahren?

Z2: Dann haben wir den Wagen dazugeholt und den BF ins PAZ verlegt. Wir geben dort alles ab und der Auftrag war erledigt.

 

R: Die Z1 sagte, sie durfte auch nicht mitfahren.

Z2: Das ist aus techn. Gründen nicht möglich.

 

R: Wie genau hat sich die Asylantragstellung/Asylantragseinbringung abgespielt?

Z2: Ich bin jetzt mit dem zeitlichen Abstand überfragt. Ich weiß nicht mehr, ob ich zwischenzeitlich weg war. Es wurde das Anliegen mündlich vorgebracht, an Details erinnere ich mich nicht mehr.

 

R: Die Z1 sagte, sie hätte für den BF einen Asylantrag stellen wollen.

Z2: Es kann sein, wir halten immer Rücksprache mit dem BFA und er sagte, Hern. Gürtel.

 

BehV: Wissen Sie, warum werden Fremde ins PAZ Hern. Gürtel zur Erstbefragung gebracht? Was geht dem voraus?

Z2: Warum das so gehandhabt wird, das System ist so vorgesehen.

 

BehV: Was muss ein Fremder machen, damit er ins PAZ zu einer Erstbefragung verbracht wird?

Z2: Wenn der Aufenthaltsstatus eines Fremden nicht klar ist, halten wir telefonisch Rücksprache mit dem BFA.

 

R: Handeln Sie immer nach Rücksprache oder auch selbständig?

Z2. Ich persönlich nach Rücksprache.

 

BehV: Die Fremden kommen ja nicht zuerst ins PAZ, sondern dem geht etwas voraus, was ist das Ihrer Meinung nach und warum werden die Fremden zuerst zur EB gebracht?

Z2: Ich kann mich nur auf das beziehen, was ich gesagt habe, wir halten Rücksprache mit dem BFA und dann erfolgt die weitere Vorgehensweise, das war bei mir immer so. Ich bin mittlerweile im SPK 5, aber Schönbrunner Straße. Ich war nicht Leiterin in der Stumpergasse, sondern für die Amtshandlung mitverantwortlich.

 

BehV: Warum haben Sie mit dem BFA überhaupt Kontakt aufgenommen?

Z2: Weil der BF sagte, er wolle einen Asylfolgeantrag stellen.

 

BehV: Kann man dazu zusammengefasst so sagen, weil ein Asylantrag gestellt wurde?

Z2: Man könnte das so sehen, zur rechtlichen Abklärung.

 

RV: Kann man das verallgemeinern, dass, wenn jemand in die Stumpergasse kam, um einen Asylantrag zu stellen, mit dem BFA Rücksprache gehalten wurde?

Z2: Ich kann nicht allgemein sprechen, sondern nur für mich, ich habe jedenfalls immer Rücksprache gehalten.

 

RV: Der Grund für die Festnahme war die mündl. Beauftragung durch Hrn. Wittek und es gab nichts Schriftliches?

Z2: Stimmt. Es gibt ein Anhalteprotokoll.

 

Dem BehV wird der Auftrag gegeben, innerhalb von 10 Tagen die Anhalteprotokolle zu übermitteln.

 

RV: Wieso haben Sie der RV des BF nicht das Anhalteprotokoll gegeben?

Z2: Es ist so nicht vorgesehen.

 

RV: Haben Sie dem BF den Festnahmegrund mitgeteilt?

Z2: Ich habe ihm den Paragrafen gesagt, denn (…) am Telefon gesagt hat und zwar jener, der in meiner Anzeige steht. Ich weiß heute nicht mehr genau, welcher Absatz und welche Ziffer, es kann auch ein Schreibfehler sein.

 

BehV: Wo stelle der BF den Asylantrag? Können Sie sich noch erinnern?

Z2: Was meinen Sie mit dieser Frage?

 

BehV: Ganz allgemein, wo.

Z2: In der PIZ Stumpergasse.

 

R: Wollte er ihn stellen oder hat er ihn gestellt?

Z2: Er brachte sein Anliegen vor und ich hielt Rücksprache, seinen genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr.

 

R belehrt Z2 über die Möglichkeit der Fahrtkostengeltendmachung belehrt.

Z2 macht keine Fahrtkosten geltend.

Ende der Zeugenbefragung um 11:00 Uhr

 

Dem BF wird die Aussage der Z2 rückübersetzt und die Möglichkeit gegeben, sich dazu zu äußern.

BF: Mir wurde in diese Polizeiinspektion gesagt, dass ich nicht festgenommen werde und im Wartebereich warten soll.

 

R: Mir fehlt im Akt die entsprechende Verfahrensanordnung, Verfügung hinsichtlich der ausgesprochenen Gebietsbestimmung.

 

Dem BehV wird der Auftrag gegeben diese gleichfalls innerhalb von 10 Tagen zu übermitteln.

 

Beginn der Befragung des BF

 

R: Sie sprechen neben Punjabi auch Urdu?

BF: Ja.

D wirft ein, die Amtssprache in Pakistan ist Urdu, in Pakistan lernt man nur die Schrift Urdu, das ist eine andere wie Punjabi.

Der BF wollte Punjabi als Dolmetsch, weil das seine Muttersprache ist. In Pakistan lernt man gar nicht Punjabi als Schriftsprache.

 

BF: Ich kann Punjabi sprechen, aber nicht schreiben und lesen ein bisschen, Urdu kann ich wegen der Schule lesen, schreiben und sprechen, meine Muttersprache ist Punjabi.

 

R: Verlesen wird der Strafregisterauszug, festgehalten wird, dass der BF nicht vorbestraft wird.

Verlesen wird auch der PVS und ZMR-Auszug, zufolge des ZMR-Auszuges ist der BF seit 12.09.2019 bei (…) gemeldet.

BF: Das ist richtig. Ich habe auch den Meldezettel mit.

RV legt die Bestätigung der Meldung, ausgestellt am 12.09.2019 vor.

 

BF: Der Unterkunftgeber ist mit mir nicht verwandt. Ich wohne auch dort.

 

Festgehalten wird, dass der BF nach der übermittelten Aktenlage bisher allen Ladungen Folge geleistet hat. Das Rechtsverhältnis mit dem Anwalt besteht seit 2021. Ich bin auch immer über den Anwalt erreichbar.

 

R: Sind Sie in der GVS, wovon leben Sie?

BF: Nein, ich bekomme keine staatliche Unterstützung, ich möchte auch keine bekommen, ich arbeite geringfügig. Ich war nie in der GVS. Ich habe nur an staatlicher Hilfe den Klimabonus erhalten.

 

BehV: Keine Fragen an den BF.

 

RV: Hat die Z2 Ihnen den Festnahmegrund mitgeteilt?

BF: Nein.

 

R: Haben Sie im Zuge der Anhaltung Ihre Gegenstände abliefern müssen?

BF: Im Anhaltezentrum musste ich nur mein Handy und meine Tasche abliefern.

 

Mit den Parteien wird die Sach- und Rechtslage erörtert.

 

BehV: Die Vorführung zur EAST Ost ist rechtlich nicht zu beanstanden, da ein zum Zeitpunkt des Folgeantrages unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet gegeben war und daher eine Festnahme und Vorführung zur BFA EAST Ost gem. § 43 Abs. 2 Z 2 lit a. zu erfolgen hatte.

Ich verweise auf ein Erkenntnis v. 23.4.2018 W197 215 1182-1 (Abweisung Maßnahmenbeschwerde). Es wird zu den übrigen Beschwerdepunkten auch auf die Zuständigkeit der LPD verwiesen.

 

Die Vorführung zur EAST Ost wird natürlich vom BFA angeordnet. Aufgrund einer Asylantragstellung wird die LPD tätig und setzt sich mit dem BFA zusammen, meist mit dem BFA Journaldienst und dieser ordnet standartgemäß die erkennungsdienstliche Behandlung an. Nach erfolgter EB und erkennungsdienstlicher Behandlung wird dann von der Schwerpunktdienststelle der LPD eine Prognoseentscheidung angefordert. Die Prognoseentscheidung lautet dann auf Folgeantrag und Vorführung zum BFA EAST Ost, das erfolgt gem. AsylG. Nach der EB ist zu unterscheiden vom Prognoseentscheider, ob das Verfahren sofort zugelassen werden kann oder ob noch keine Zulassung erfolgt. Bei Folgeanträgen erfolgt meist keine Zulassung, wenn keine Zulassung erfolgt, ist daher vorzuführen. Beim BF erfolgte keine Zulassung, deshalb die Vorführung zur EAST Ost. Bei Vorführern wie im ggst. Fall wird er im Arrestantenwagen hingeführt.

 

R: Wann endet dann die Anhaltung?

BehV: Grundsätzlich wird er dann vom Aufnahmedienst der BFA Erstaufnahmestelle Ost aufgenommen und es wird ihm eine Verfahrenskarte ausgehändigt und damit wird er in die Betreuungsstelle Ost einquartiert. Ab diesem Zeitpunkt steht es ihm frei, das Lager jederzeit zu verlassen, außer in Quarantäne. Bei Quarantäne wegen Covid erfolgt meines Wissens seitens der BBU eine Kontaktaufnahme mit der Gesundheitsbehörde und diese ordnet mittels Bescheid die Quarantäne an. Spätestens mit Aushändigung der Verfahrenskarte ist klar, dass der BF wieder in Freiheit ist, er kann freiwillig in der EAST Ost Quartier nehmen. Wenn er als Vorgeführter dem nicht nachkommt, wird nach einiger Zeit der Abwesenheit die GVS entzogen und der Krankenversicherungsschutz.

Für das Ende einer Anhaltung ist meines Erachtens der entscheidende Zeitpunkt die Ausfolgung der Verfahrenskarte, dann ist er der BBU zur Einquartierung übergeben. Es gibt zwei „Kategorie“ der BBU: Die eine auf dem Felde der Rechtsberatung und die andere auf dem Felde der Einquartierung und Versorgung.

 

RV: Das Problem in diesem Fall ist, dass wir schriftlich nicht nachvollziehen können, was der Festnahmegrund war, weil wir kein Anhalteprotokoll und keinen schriftlichen Festnahmeantrag haben. wir müssen wissen, was die Rechtsgrundlage war.

 

Abschließend hält der erkennende R unpräjudiziell fest, dass die Festnahme offensichtlich lt. Anzeige v. 23.7.2021 und Aussage der Zeugin 2 im Auftrag des BFA erfolgte.

 

BehV gibt dazu an: Ich nehme es so zur Kenntnis und habe keinen Grund an der Aussage der Polizistin, die als Zeugin vernommen wurde, zu zweifeln.

 

Auf weitere Anträge wird verzichtet, beide Verfahrensparteien verweisen auf ihr bisheriges Vorbringen. Die Behörde beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Schluss des Beweisverfahrens

(…)“

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Beschwerde wie folgt erwogen:

Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer ist seit 12.09.2019 in 1200 Wien, (…)Straße gemeldet und auch dort wohnhaft (ZMR; Partei in der Verhandlung (VH) v. 20.04.2023).

 

Am 23.07.2021 begab sich der Beschwerdeführer in Begleitung seiner Rechtsvertretung in die Polizeiinspektion (PI) Stumpergasse.

 

Sie gaben den dort diensthabenden Beamten gegenüber an, „einen Asylantrag stellen zu wollen, da der vorangegangene abgelehnt wurde“. Einer der anwesenden Sicherheitsorgane (Zeugin 2) hielt daraufhin mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) Rücksprache. (Bericht der LPD Wien, GZ: PAD/23/00157980/002/KRIM, v. 26.07.2023; Anzeige der LPD Wien, GZ: PAD/21/01344010/001/VStV, v. 23.07.2021; Zeugen 1 und Zeugin 2 in der VH v. 20.04.2021).

 

Der Journaldienstbeamte des BFA verfügte daraufhin die Festnahme gemäß 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, weil der BF illegal in Österreich aufhältig sei und dem BFA vorzuführen sei. (Bericht der LPD Wien, GZ: PAD/23/00157980/002/KRIM, v. 26.07.2023; Anhalteprotokoll I; Zeugin 2 in der VH v. 20.04.2023).

 

In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 23.07.2021, um 09.43 Uhr festgenommen und ihm ein Informationsblatt in der Sprache Urdu, der anwesenden Rechtsvertretung in deutscher Sprache ausgehändigt (Anzeige der LPD Wien, GZ: PAD/21/01344010/001/VStV, v. 23.07.2021; vom RA in derVH v. 20.04.2023 vorgelegtes Infoblatt in Deutsch).

 

Das Informationsblatt für Festgenommene in deutscher Sprache weist keine Markierung oder Ankreuzung irgendeines darin aufgelisteten Festnahmegrundes auf. (Vom RA in derVH v. 20.04.2023 vorgelegtes Infoblatt in Deutsch). Der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte Akt weist keine Kopie des in der Sprache Urdu ausgehändigten Infoblattes für Festgenommene auf (gesamte Aktenlage).

 

Die Rechtsvertretung begehrte aber auch eine Kopie der Anhalteprotokolle – diesem Wunsch wurde nicht nachgekommen, stattdessen aber ihr aber Einsicht in dieselben gewährt (Zeugin 1 in der VH v. 20.04.2023).

 

Das Anhalteprotokoll I enthält folgende Informationen (über den Haftgrund) – Hervorhebung durch den Einzelrichter:

„Sie haben sich als Fremder (§2 Abs. 4 Z 1 FPG) von – 23.07.2021 in Wien 06, Stumpergasse 42 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, (…) Kurzsachverhalt: 23.07.2021, 09.43, Stumpergasse 42, 1060 Wien (…) Person kam in die hs. PI, um einen Asyl-Folgeantrag zu stellen. Nach Rücksprache mit dem BFA-Journal erfolgte die Festnahme gern. BFA-VG und die Überstellung in das PAZ HG (…)“

 

 

Daraufhin wurde der Beschwerdeführer in das PAZ Hernalser Gürtel verbracht, der Rechtsvertretung aber die Mitfahrt im Arrestantenwagen verweigert (Zeugin 1 und Zeugin 2 in der VH v. 20.04.2023). Dies aus allgemeinen Sicherheitserwägungen (Zeugin 2 in der VH v. 20.04.2023). Die Rechtsvertretung begab sich daraufhin selbständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Hernalser Gürtel (Zeugin 1 in der VH v. 20.04.2023).

 

Während der Anhaltung im PAZ Hernalser Gürtel wurde dem Beschwerdeführer sein Handy und dessen Bargeld abgenommen und zu seinen Effekten gegeben (Anhaltedatei).

 

Im Stande der Anhaltung erfolgte in der Folge die Erstbefragung des Beschwerdeführers. Bei dieser war die Rechtsvertretung zugegen und wurde ihr auch eine Kopie des Erstbefragungsprotokolls ausgehändigt (Erstbefragungsprotokoll, Zeugin 1 in der VH v. 20.04.2023).

 

Die Rechtsvertretung hatte jedoch die Kosten für die Kopie in der Höhe von 1,44 Euro zu zahlen (Beschwerdeerzählung, Zeugin 1).

 

Nach dieser Erstbefragung wurde der Beschwerdeführer in die East Ost verbracht und dort im Quartier aufgenommen (Aussage des Beschwerdeführers in der VH). Die Anhaltung endete am 23.07.2021 um 16.50 Uhr. (Anhaltedatei).

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus den angeführten Entscheidungsgrundlagen, insbesondere den in Klammer angeführten Einzeldokumenten.

Hervorzuheben ist, dass die Verhandlung unzweifelhaft die Verfügung der Festnahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergeben hat. So gab zunächst die Zeugin 1 an, dass vor der Festnahme des Beschwerdeführers eine Rücksprache des Sicherheitsorgans (Zeugin 2) mit dem BFA erfolgte; glaubwürdigst aber schilderte das Sicherheitsorgan der LPD Wien, die Zeugin 2, dass sie nicht nur in diesem Fall, sondern immer in gleich- oder ähnlich gelagerten Fällen Rücksprache mit dem BFA hält und erst nach entsprechender Auftragserteilung Festnahmen ausspricht. Mit ihrer Zeugenaussage bestätigte sie, die Zeugin 2, nicht nur ihre entsprechende Eintragung in das Anhalteprotokoll I, welches ausdrücklich den mündlich erteilten Festnahmeauftrag des damals beim BFA Dienst verrichtenden Beamten festhält, sondern auch den diesbezüglichen Teil des Berichtes der LPD Wien. In diesem Sinne schadet die in der Anzeige der LPD Wien, GZ: PAD/21/01344010/001/VStV, v. 23.07.2021 und im teils davon wörtlich übernommenen Bericht der LPD Wien, GZ: PAD/23/00157980/002/KRIM, v. 26.07.2023 notierte unrichtige Gesetzesbestimmung des § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nicht, hatte doch die in der Verhandlung befragte Zeugin 2 auf die Möglichkeit eines Schreibfehlers hingewiesen. Dies ist nicht nur im Hinblick auf ihre eindeutige Erklärung, im Auftrag des BFA gehandelt zu haben, nachvollziehbar, sondern auch vor dem Hintergrund einer offensichtlich sehr eilig durchgeführten Amtshandlung: Verfügung des BFA und Ausspruch der Festnahme fielen zeitlich zusammen. Letztlich hielt aber auch der Behördenvertreter zum Schluss der Verhandlung fest, dass er „keinen Zweifel an der Aussage der Zeugin 2 hegt“.

Was die Frage ausreichender Information über die Gründe der Anhaltung anbelangt, ist zunächst festzuhalten, dass mit der bloßen Aushändigung der Informationsblätter für Festgenommene in deutscher Sprache und der Sprache Urdu noch keine ausreichende Information über die Haftgründe erfolgte, weil in keinem der beiden Info-Blätter auch nur eine der darin aufgelisteten Rubriken über mögliche Haftgründe markiert bzw. gekennzeichnet ist:

Besonders augenscheinlich in Bezug auf das in deutscher Sprache der Rechtsvertretung ausgefolgte Informationsblatt für Festgenommene, welches der Rechtsanwalt in der Verhandlung vorzeigte und aus dem ersichtlich ist, dass kein Haftgrund angekreuzt wurde, sodass sämtliche in diesem Infoblatt zur Auswahl stehenden Gründe gleichrangig nebeneinanderstehen. In Bezug auf das in Urdu ausgehändigte Infoblatt lässt sich mangels aktenmäßiger Dokumentation nicht ansatzweise etwas über dessen Inhalt ausführen.

Dennoch wurde der Beschwerdeführer über den Weg der bei der Festnahme anwesenden Rechtsvertretung ausreichend über die Haftgründe aufgeklärt, wurde dieser doch Einsicht in die Anhalteprotokolle gewährt, in denen zwar keine gesetzliche Bestimmung über die Haftgründe festgehalten ist, aber textlich mehr als deutlich zum Ausdruck kommt, warum der Beschwerdeführer nun festgenommen wurde: kurz zusammengefasst wegen Illegalen Aufenthaltes und Vorführung (Überstellung in das PAZ); im Auftrag des BFA.

Damit ist aber der Informationsverpflichtung mehr als Genüge getan – im Übrigen wäre aber auch im Falle des Zutreffens seiner Behauptung, nicht ausreichend informiert worden zu sein, weder für die Frage der ohnehin spruchgemäß ausgesprochenen Rechtswidrigkeit als auch in kostenmäßiger Hinsicht etwas gewonnen – siehe dazu rechtliche Beurteilung.

Die Aktenlage dokumentiert gleichfalls unzweifelhaft den Wunsch der Asylantragstellung des BF in der PI Stumpergasse, wie nicht nur den diesbezüglich übereinstimmenden Zeugenaussagen, sondern auch dem Bericht der LPD Wien zu entnehmen ist – siehe dazu aber die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom selben Tag zur Zahl: W117 2245803-2

Weiters hat die Verhandlung auch die ausreichende Möglichkeit der Kontaktnahme der Rechtsvertretung mit dem BF bestätigt; das asylrechtliche Erstbefragungsprotokoll belegt zusätzlich, dass die Rechtsvertretung bei dieser Einvernahme des BF dabei sein konnte und es auch war.

Hinsichtlich des unbestrittenen Faktums – womit aber keine Rechtsverletzung einhergeht, dass die Rechtsvertretung nicht im Arrestantenwagen mitfahren durfte, siehe rechtliche Beurteilung.

Ebenso ist auf die rechtliche Beurteilung in Bezug auf den von der Rechtsvertretung zu entrichtenden Betrag von 1,44 Euro für den Erhalt der Kopie des Erstbefragungsprotokolls zu verweisen.

Abschließend ist auch noch darauf hinzuweisen dass sich die LPD Wien nach Übermittlung des Verhandlungsprotokolls und Einräumen von Parteiengehör nicht zum Verfahren äußerte.

Rechtliche Beurteilung:

 

Einleitung:

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG zufolge erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. (…);

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

(…)

 

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Im vorliegenden Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 3 Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA-Einrichtungsgesetz – BFA-G) BGBl. I Nr. 87/2012 idgF obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl.I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl.I Nr.100 (Z 4).

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.

 

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG (…), die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (…) auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Da Festnahme und Anhaltung im Auftrag der Verwaltungsbehörde erfolgten, ist unzweifelhaft das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die belangte Behörde.

In der Sache selbst (Zu A I. – Festnahme und Anhaltung):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautete (und lautet immer noch) §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) im Zeitpunkt der Festnahme wie folgt:

 

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

 

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

 

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

 

(…)

 

Die Tatbestände des §22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-VG idgF bilden im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

 

In materieller Hinsicht wiederum ist die gegenständliche Festnahme auf der Ebene der Verfassung insbesondere an Art 2 und 4 PersFrBVG, zu messen – Hervorhebung durch den Einzelrichter:

 

Art 2 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:(…)7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

(…)

Art 4 PersFrBVG

(…)

(6) Jeder Festgenommene ist ehestens, womöglich bei seiner Festnahme, in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten. Den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumte Rechte bleiben unberührt.

(…)

 

Die für den gegenständlichen Fall entscheidungswesentlichen einfachgesetzlichen Normen des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lauteten (und lauten immer noch) auszugsweise:

 

§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

 

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

 

(…]

 

§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

 

(…)

 

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

 

(…)

 

(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. (…)

 

(6) In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen.

 

§ 41. (1) Jeder gemäß § 40 Abs. 1 und 2 Festgenommene ist ehestens in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme zu unterrichten.

 

Einleitend ist anzumerken, dass ein Festnahmeauftrag auch (fern)mündlich ergehen kann, wie bereits die Materialien zu § 34 Abs. 6 BFA-VG betonen – Hervorhebung durch den Einzelrichter:

 

1803 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage - Vorblatt u. Erläuterungen:

 

„Abs. 6 normiert wie bereits in der geltenden Rechtslage, dass ein Festnahmeauftrag in Ausnahmefällen auch mündlich erlassen werden kann, da die Praxis im Bereich des Fremdenpolizeigesetzes gezeigt hat, dass in Einzelfällen die Einbindung der Behörde an der faktischen Unmöglichkeit der schriftlichen Ausfolgung eines Festnahmeauftrags scheitert. Um dem Rechtsschutz dennoch in ausreichender Weise Genüge zu tun, ist der Festnahmeauftrag in diesen Fällen binnen 24 Stunden dem Fremden schriftlich zu bestätigen.“

 

Gegenständlich besteht also kein Zweifel, dass der Journaldienstbeamte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dem Rücksprache haltenden Sicherheitsorgan der PI Stumpergasse, der Zeugin 2, den Festnahmeauftrag der Festnahme und Vorführung fernmündlich erteilt hatte.

 

Gemessen an Art 2 Abs. 1 Z 7 und der hierzu ergangenen Judikatur der Höchstgerichte erweist sich die Festnahme und die darauf aufbauende Anhaltung unter dem in leg.cit. zum Ausdruck gebrachten Verhältnismäßigkeitsprinzip – argum „notwendig“ – als rechtswidrig:

 

Der Verwaltungsgerichtshof legt nämlich an Festnahmen wie die gegenständliche folgenden Maßstab an – Hervorhebungen durch den Einzelrichter:

 

VwGH v. 22.08.2019, Ra 2019/21/0063:

 

„Gemäß den ErläutRV zu § 40 BFA-VG 2014 (1803 BlgNR 24. GP 28) geht es – zumindest primär - darum sicherzustellen, dass die Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch Vorführung zum BFA gesichert wird. Jedenfalls aber – und das ergibt schon eine verfassungskonforme Interpretation des § 40 Abs. 1 Z 3 BFA-VG 2014- muss die Festnahmeeinem der in Art. 2 Abs. 1 PersFrSchG 1988 genannten Zwecke dienen, wobei insbesondere die Konstellation der Z 7 dieser Verfassungsbestimmung ("wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern") in Betracht kommt.“

 

Wie festgestellt, hatte der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung nicht nur die Polizeidienststelle in der Stumpergasse aus freien Stücken zum Zwecke der Asylantragstellung selbst aufgesucht, sondern war er fortwährend seit 2019 an derselben Adresse polizeilich gemeldet und lagen nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte vor, dass dies eine Scheinadresse sei, sodass für die Behörde keinerlei „Notwendigkeit“ im Sinne des Artikel 2 PersFrBVG bestand; auch die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers gab keinerlei Anlass dazu, an seiner Vertrauenswürdigkeit zu zweifeln.

 

Die Annahme, dass sich der Beschwerdeführer vielleicht doch dem Zugriff der Behörde entziehen würde, wäre gegenständlich auch deswegen schon abwegig, weil er doch mit seiner Asylantragstellung gerade den Kontakt zu den österreichischen Behörden suchte; warum soll er sich dann im selben Augenblick der Verfügbarkeit seitens der Behörden entziehen?

 

Die Verwaltungsbehörde hätte daher schon nach der Information durch das Sicherheitsorgan der Stumpergasse von einer Festnahme absehen und den Beschwerdeführer entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in derartigen Fällen auffordern müssen, sich selbständig zum BFA, Hernalser Gürtel, zu begeben:

 

Aus dem Erkenntnis des VwGH v. 15.09.2022, Ra 2022/21/0057 – hier lag sogar ein ursprünglich unkooperatives Verhalten zugrunde!

 

„Gegen den Fremden wurde wegen dessen nicht rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG 2014 ein Festnahmeauftrag erlassen, weil er offenbar mangels Bestehens einer aufrechten gemeldeten Adresse als "flüchtig" angesehen wurde. In der Folge hat der Fremde jedoch von sich aus Kontakt mit dem BFA zum Zweck der Veranlassung seiner polizeilichen Meldung aufgenommen. Vor seiner Festnahme hat er überdies auf seine österreichische Lebensgefährtin und auf die Wohnmöglichkeit bei ihr verwiesen. Bei Zutreffen dieses Vorbringens wäre vom Wegfall des Festnahmegrundes auszugehen gewesen. Bei dieser Ausgangslage hätte aber auch nicht ohne Weiteres angenommen werden können, er hätte freiwillig nicht auch eine andere Dienststelle des BFA aufgesucht, zu der er dann nach der Festnahme von zu diesem Zweck herbeigeholten Sicherheitsorganen iSd § 40 Abs. 1 BFA-VG 2014 überstellt wurde. Ebenso ist kein Grund ersichtlich, weshalb die später vorgenommene Verifizierung seines Wohnortes bei der ihn begleitenden Lebensgefährtin nicht unverzüglich und noch vor der Festnahme möglich gewesen wäre. Unbeschadet der Ergebnisse einer näheren Prüfung des vom Fremden erstatteten Vorbringens ist somit auf Basis der derzeitigen Aktenlage, nicht ersichtlich, dass mit gutem Grund die Annahme berechtigt gewesen wäre, die Festnahme und Anhaltung des freiwillig vorsprechenden Fremden zum Zweck der Vorführung vor eine andere Dienststelle des BFA wäre notwendig und verhältnismäßig gewesen (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0290; VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0063). Der VwGH verkennt nicht das vom VwG als auch maßgeblich erachtete unkooperative Verhalten des zunächst unter einer Alias-Identität auftretenden und seine Abschiebung zweimal vereitelnden Fremden. Diese bereits einige Zeit zurückliegenden Umstände bieten aber angesichts der danach erfolgten Beendigung der Schubhaft durch das BFA und vor allem unter Berücksichtigung der zuletzt gezeigten Kooperationsbereitschaft durch die zweimalige Terminvereinbarung und die aus Eigenem unter Begleitung seiner österreichischen Lebensgefährtin erfolgte Vorsprache beim BFA keinen tauglichen Grund dafür, Sicherheitswachebeamte herbeizurufen, um ihn gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG 2014 zum Zweck der Vorführung vor das BFA festzunehmen und an eine andere Dienststelle dieser Behörde zu überstellen. Angesichts des zuletzt vom Fremden gezeigten Verhaltens wäre in diesem Fall vielmehr der im Regelfall gebotene Weg nahegelegen, den Fremden zur Vorsprache an dem vom BFA gewünschten Ort aufzufordern (vgl. VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0063)“; vgl. auch VwGH v. 17.09.2019 Ra 2019/14/0290

 

Da die gegenständliche Aktenlage also so gar keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Kooperation oder gar ein Untertauchen liefert, kann dem Beschwerdebegehren auf Rechtswidrigerklärung der Festnahme nicht entgegengetreten werden.

 

Insofern liegt auch ein Verstoß gegen § 40 Abs. 1 Z 2b BFA-VG vor, da gegenständlich die Festnahme zum Zwecke der Vorführung „zur weiteren Verfahrensführung nicht erforderlich ist“.

 

Gerade im Hinblick auf diese eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geht auch der Hinweis des Behördenvertreters in der Verhandlung vom 20.04.2023 auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahre 2018 ins Leere, da zum einen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der gesetzliche Vorrang gegenüber jener des Bundesverwaltungsgerichtes zukommt zum anderen das angeführte Judikat des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahre 2022 wesentlich aktueller ist als das Pendant des Bundesverwaltungsgerichtes aus 2018.

 

Mangels „Notwendigkeit“ der Festnahme stellt sich diese und die darauf basierende Anhaltung jedenfalls auch in dieser Hinsicht als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig dar.

 

Da der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der nunmehr festgestellten Rechtswidrigkeit der Festnahme noch zahlreiche weitere Anträge stellte, denen unter dem Aspekt der auch zu fällenden Kostenentscheidung Relevanz zukommt, war auch noch auf diese Anträge gesondert einzugehen:

 

Zum Begehren auf Rechtswidrigerklärung der Festnahmeanordnung:

 

Dazu folgende eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – (Hervorhebung durch den Einzelrichter):

 

VwGH v. 23.02.2022, Ra 2019/19/0057, u.v.a.:

 

„Der VwGH hat zu einer Festnahme (und Anhaltung), welcher ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG 2014 zu Grunde lag (vgl. § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG 2014), ausgesprochen, dass die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten - die an den Festnahmeauftrag unmittelbar anschließende Anhaltung war mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar - nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0025).“

 

 

In diesem Sinne war und ist dem eigenständigen Begehren, auch die Festnahmeanordnung für rechtswidrig zu erklären, der Boden entzogen, da der Beschwerdeführer unmittelbar nach Erlassung des fernmündlich erteilten Festnahmeauftrages festgenommen wurde.

 

Zum Begehren der Rechtswidrigerklärung der Verweigerung der Ausfolgung des Festnahmeprotokolls an die Vertreterin:

 

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art 5 Abs. 2 EMRK und Art 4 Abs. 6 PersFrBVG – siehe etwa bereits!! VfGH v. 10.10.1994, B46/94, B85/94 – (unter Berufung auf die Lehre)

 

„ist es Zweck des Informationsrechtes, den Festgenommenen in die Lage zu versetzen, die Rechtmäßigkeit der Festnahme zu beurteilen und gegebenenfalls von seinem Recht auf Haftkontrolle Gebrauch zu machen (Frowein/Peukert, RZ 102 zu Art5 Abs2 EMRK)“.

 

Einfachgesetzlich geht dieser Antrag schon vor dem Hintergrund des hierfür maßgeblichen §17 AVG ins Leere:

 

§ 17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.

(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.

(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.

(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.

 

Wie der Beschwerdeführer selbst im Rahmen seiner Beschwerdeerzählung und die Zeugin auch in der Verhandlung ausführte, wurde der Rechtsvertretung Einsicht in die Festnahmeprotokolle (gemeint wohl: Anhalteprotokolle) gewährt. Dass sie daran gehindert worden sei, „Abschriften anzufertigen oder auf ihre Kosten Kopien erstellen zu lassen“, wurde zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens auch nur behauptet.

 

Zum Antrag auf Rechtswidrigerklärung der Verweigerung der Verständigung und Kommunikation mit meiner rechtsfreundlichen Vertretung:

 

In dieser Allgemeinheit leitet sich dieses Begehren weder aus der Beschwerdeerzählung noch sonst aus dem Verfahren, insbesondere der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, ab:

 

Die Beschwerdeführerin war während der Festnahme zugegen und auch im Rahmen der im Stande der Anhaltung erfolgten Erstbefragung anwesend – letzteres ist auch im Erstbefragungsprotokoll unzweifelhaft durch die eigenhändige Unterschrift der Rechtsvertreterin beurkundet.

 

Eine Trennung zwischen der Rechtsvertretung erfolgte lediglich für kurze Zeit während der Verbringung des Beschwerdeführers von der PI Stumpergasse zum Hernalser Gürtel: Die für die Kontaktmöglichkeit zwischen Rechtsvertretung und Festgenommenen maßgeblichen Bestimmungen lauten – Hervorhebungen durch den Einzelrichter:

 

§ 41. BFA-VG

 

(…)

(2) Auf Verlangen eines solchen Festgenommenen ist die konsularische Vertretung seines Heimatstaates unverzüglich von seiner Anhaltung zu unterrichten. § 36 Abs. 4 VStG und § 47 SPG gelten.

 

§ 36 Abs. 4 VStG

(4) Der Angehaltene darf von Angehörigen (§ 36a AVG), von seinem Verteidiger sowie von den konsularischen Vertretern seines Heimatstaates besucht werden. (…)

 

§ 47. (1) SPG Jeder nach § 45 Festgenommene oder nach § 46 Vorgeführte hat das Recht, daß auf sein Verlangen ohne unnötigen Aufschub und nach seiner Wahl ein Angehöriger, in den Fällen des § 45 Abs. 1 Z 1 und des § 46 auch ein Rechtsbeistand, von der Festnahme (Vorführung) verständigt wird. (…)

 

Nach der sohin eindeutigen Rechtslage hat der Beschwerdeführer also die Möglichkeit der Verständigung eines Rechtsbeistandes von der Festnahme bzw. des Besuches im Zuge der nachfolgenden Anhaltung.

 

Mit der Wahl des Terminus „Verständigung“ bringt der Gesetzgeber mehr als deutlich zum Ausdruck, dass damit jedenfalls nicht eine Mitfahrgelegenheit im Arrestantenwagen – kurz „FROSCH“ genannt – gemeint ist; ein solches Recht kann sicherlich auch nicht aus der zweiten anzuwendenden Bestimmung des §36 Abs. 4 Satz1 VstG abgeleitet werden:

 

Das Besuchsrecht bezieht sich jedenfalls auf Anhaltezentren und Gefangenenhäuser – siehe damit korrespondierend die Bestimmungen der Anhalteordnung – und gleichfalls nicht auf den Arrestantenwagen – ein gelinde gesagt doch absurder Gedanke, der in der Beschwerde vorgetragen wurde.

 

Mit der also mehr als ausreichenden Kontaktmöglichkeit während des gesamten Geschehens zwischen Rechtsvertretung und Beschwerdeführer vermag der Beschwerdeführer sohin keinen weiteren Aspekt der ohnehin schon aus anderen, bereits besehenen Gründen konstatierten Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung aufzuzeigen; von einer gesonderten Anfechtbarkeit ganz zu schweigen.

 

Zum Antrag auf Rechtswidrigerklärung der Abnahme des Mobiltelefons und Bargeldes im Zuge seiner Festnahme am 23.07.2021 und deren Einbehaltung bis zur Überstellung an das Erstaufnahmezentrum Ost, Otto Glöckelstraße 24, 2514 Traiskirchen:

 

Dazu hatte der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis v. 07.11.1990, 90/01/0195 die fehlende Eigenständigkeit (von der zugrundeliegenden Festnahme) festgehalten Hervorhebungen durch den Einzelrichter:

„Bei der Durchsuchung von Kleidern festgenommener oder verhafteter Personen und der daran anschließenden Abnahme von Effekten handelt es sich um einen aus dem besonderen Gewaltverhältnis über derartige Personen den Sicherheitsbedürfnissen nach Vermeidung von Gefahren von dem Festgenommenen (etwa Selbstbeschädigung), aber auch von Gefahren für die während der Haft mit ihm in Berührung kommenden Personen notwendigen organisatorischen Akt, (…). Bei der Personendurchsuchung nach der Verhaftung handelt es sich um eine dem Begriff der Festnahme innewohnende Folgemaßnahme, die keiner weiteren Rechtfertigung bedarf.“

 

Und nicht die von der Rechtsvertretung ins Treffen geführte Bestimmung des § 42 SPG, sondern das entsprechende Regelwerk der Anhalteordnung (AnhO) findet Anwendung:

 

§ 1. (1) AnhO Diese Verordnung findet auf Menschen Anwendung, die angehalten werden, nachdem sie von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen worden sind oder im Haftraum einer Sicherheitsbehörde eine mit Bescheid angeordnete Haft angetreten haben (Häftlinge).

(…)

 

§ 9. (1) AnhO In den Zellen dürfen nur die notwendigen Bekleidungsstücke, die zur Körperpflege und zur Einnahme von Speisen erforderlichen Gegenstände (geeignetes Essbesteck), persönliche Gegenstände und Gegenstände zur Freizeitgestaltung, sofern sie nicht als ordnungsstörend oder als gefährlich einzustufen sind, sowie Lebensmittel und Tabakwaren in geringen Mengen aufbewahrt werden. Die Mitnahme von Elektrogeräten bedarf einer Bewilligung des Kommandanten. Häftlinge dürfen geringfügige Geldbeträge bei sich haben, wenn dies der Kommandant generell für zulässig erklärt hat. Medikamente dürfen ausnahmslos nur mit Zustimmung des Arztes in die Zelle mitgenommen werden.

(2) Sonstige Effekten sind in Verwahrung zu nehmen, der Häftling kann jedoch über diese Gegenstände verfügen. Sie sind in ein Verzeichnis aufzunehmen, dessen Richtigkeit und Vollständigkeit sowohl das Aufsichtsorgan, welches die Aufnahme durchführt, als auch der Häftling zu bestätigen hat. Ist der Häftling des Schreibens unkundig oder verweigert er die Unterschrift, so sind Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses von einem zweiten Aufsichtsorgan zu bestätigen.

(3) Verwahrungshäftlingen dürfen über die Abs. 1 und 2 hinaus Beschränkungen auferlegt werden, die im Hinblick auf die kurze Dauer der Anhaltung oder deshalb geboten sind, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Häftling werde sein Leben oder seine Gesundheit gefährden.

(…)

(5) Bei der Entlassung sind die in Verwahrung genommenen Effekten dem Häftling gegen Bestätigung auszufolgen.

 

Für sich isoliert betrachtet stieße daher die Abnahme der persönlichen Gegenstände als zur Vorbereitung der weiteren Anhaltung dienender Akt bzw. als der der Festnahme geradezu innewohnende Folgemaßnahme bis zur Beendigung der Anhaltung durch Überstellung ins Grundversorgungsquartier schon vom Wortlaut der angeführten Bestimmungen auf keine Bedenken, sowohl Mobiltelefone als auch Bargeld unterfällt jedenfalls nicht leg.cit. Und dass dem Beschwerdeführer durch irgendeine Maßnahme die Verfügungsgewalt über die gemäß § 9 Abs. 2 AnhO in Verwahrung genommenen Gegenstände genommen wurde, wurde in der Beschwerde nicht einmal behauptet.

 

In diesem Sinne wurde offensichtlich auch keine Sicherstellung gemäß § 42 SPG vorgenommen, wie auch unzweifelhaft der Anzeige der PI Stumpergasse v. 23.07.2021 zu entnehmen ist, wenn sie festhält, dass „keine gefährlichen Gegenstände, oder solche die zur Flucht dienen könnten, aufgefunden wurden“. Diesbezüglich dürfte der Beschwerdeführer in einem Irrtum verfangen gewesen sein.

 

Abgesehen von der mangelnden Stichhaltigkeit dieses Vorbringensteils wäre aber auch hier auf folgende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, welche den inneren Zusammenhang zwischen derartigen Folgemaßnahmen und Festnahme(anhaltungen) betont – Hervorhebungen durch den Einzelrichter:

VwGH, 2012/01/0017, v. 19.09.2012:

GRS wie 2001/01/0388 E 22. Oktober 2002 RS 2

„Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 15. November 2000, Zl. 99/01/0067, ausgeführt hat, bilden die zur Umsetzung einer ausgesprochenen Verhaftung gesetzten Maßnahmen mit der Verhaftung eine Einheit, was letztlich zu dem Ergebnis führt, dass im Fall einer von vornherein rechtswidrigen Festnahme auch alle nachfolgenden Akte zur Durchsetzung derselben (etwa auch das Anlegen von Handfesseln) rechtswidrig sein müssen.“

Die Abnahme der Gegenstände und letztlich Übergabe in die Effektenaufbewahrungsstelle ist ohne die Anhaltung gar nicht denkbar – mit der Rechtswidrigkeit derselben stellt sich natürlich automatisch auch die Abnahme als rechtswidrig dar; einer gesonderten Anfechtung kommt daher keine Relevanz in der Sache selbst zu:

 

Diesbezüglich hat auch der Verwaltungsgerichtshof die ausschließliche Bedeutung für den Kostenzuspruch in seiner Judikatur zum Ausdruck gebracht – siehe ebendort.

 

Zu den Anträgen, die anschließende zwangsweise Überstellung in das PAZ Hernalser Gürtel und die dortige Anhaltung sowie die daraufhin erfolgte zwangsweise Überstellung durch Organe des BFA in die EASt Ost ist lediglich anzumerken, dass diese im Spruchpunkt I. (mit)erledigt wurden – der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer offensichtlich irrtümlich von zwei Festnahmen, nämlich von einer anlässlich seines Vorstelligwerdens in der Stumpergasse und einer zweiten nach der Erstbefragung im Asylverfahren ausging. Tatsächlich – wie festgestellt – wurde der Beschwerdeführer aber nur einmal, nämlich in der Stumpergasse festgenommen und dauerte die Anhaltung eben bis nach seiner Verbringung in die EAST Ost; auch die Erstbefragung fand offensichtlich im Stande der Anhaltung aufgrund der in der Stumpergasse erfolgten Festnahme statt.

In Bezug auf die übrigen in ein und demselben als Maßnahmenbeschwerde titulierten Schriftsatz gestellten Anträge, die aber nicht im sachlichen Zusammenhang mit der Festnahme stehen, ist auf die eigenständige Entscheidung W117 2245803-2 zu verweisen.Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu Spruchpunkt II. (Kosten)

 

In der Frage des Kostenanspruches ist § 35 VwGVG die maßgebliche, anspruchsbegründende Norm; diese lautet:

 

§ 35 VwGVG

 

(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

 

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

 

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

 

Einleitend ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer (oder doch besser gesagt: die Rechtsvertretung) in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 26.08.2021 unter dem Titel „Maßnahmenbeschwerde“ insgesamt 13 (!) separate Anträge auf Rechtswidrigerklärung/Aufhebung stellte und dafür (!) entsprechenden Kostenersatz begehrte; gegenständlich waren aufgrund des Sachzusammenhangs mit der Festnahme noch sieben (7) Anträge zu erörtern.

 

Während über die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Festnahme und darauf aufbauenden Anhaltung stehenden Anträge im gegenständlichen Erkenntnis zu entscheiden waren, verblieben für das Verfahren W117 2245803-2 die übrigen, voneinander unabhängig zu sehenden Anträge und Begehren – siehe Entscheidung vom selben Tag ebendort.

Diese zahlreichen Anträge erinnern frappant an ein vom selben Rechtsanwalt vor über zehn (10!) Jahren geführtes Verfahren, in dem er für acht (8!) im Zusammenhang mit einer Festnahme gestellte Anträge entsprechenden Kostenersatz begehrte und über die schließlich der Verwaltungsgerichtshof zur Zahl: 2011/21/0125 zu entscheiden hatte; in diesem Judikat des Verwaltungsgerichtshofes legt der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf eine bereits Jahre zuvor ergangene Entscheidung den auch heute noch gültigen Maßstab dar:

Zur besseren Veranschaulichung seien die im damaligen Verfahren gestellten und vom Verwaltungsgerichtshof im Einzelnen zitierten Anträge auch an dieser Stelle wiedergegeben:

VwGH v. 24.01.2013, Zl. 2011/21/0125:

„Der Beschwerdeführer erhob gegen das behördliche Einschreiten Beschwerde "gem Art 129a B-VG, § 88 Abs. 1 und 2 SPG, sowie § 67a AVG" und beantragte auszusprechen, dass er (sprachliche Fehler im Original)‚1. dadurch, dass gegen mich ein Festnahmeauftrag erlassen und durchgeführt worden ist;2. dadurch, dass ein Durchsuchungsauftrag erlassen worden ist, und ich von den Organen der (BPD) aufgesucht worden bin;3. dadurch, dass ich nicht nach meinen Rechten gem. § 47 SPG belehrt worden bin, und die Kontaktaufnahme zu meinem Rechtsbeistand verweigert wurde;4. dadurch, dass ich am 16.06.2010 um ungefähr 15:00 Uhr rechtswidrig festgenommen, und rechtswidrig bis 17.06.2010 um

12.30 Uhr angehalten worden bin;5. dadurch, dass ich zum Unterschreiben eines Schreibens, ohne dieses vorher durchlesen zu lassen, gedrängt worden bin;6. dadurch, dass ich am 16.06.2010 meine Bekleidung ausziehen und ca. zehnminütige Nacktdastehen musste;7. dadurch, dass ich am 17.06.2010 rechtswidrig erkennungsdienstlich behandelt worden bin;8. dadurch, dass mein Reisepass abgenommen worden ist;" in näher genannten Rechten verletzt worden sei.‘“

Der damals zuständige Unabhängige Verwaltungssenat Wien gab der Beschwerde mit Bescheid vom 23. Dezember 2010, Zl. UVS- 02/11/6670/2010-15 mit zwei offensichtlich zusammengefassten Spruchteilen Folge und sprach daher nur zweimalig (!) Kosten zu:

 

„‘1) Gemäß § 67c Abs. 3 AVG wird der Vollzug des nach § 74 Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz ergangenen Festnahmeauftrages, sowie die daran anschließende Anhaltung sowie die damit korrelierenden Umstände und Modalitäten (Aufsuchen des Bf an der Wohnadresse, Befassung eines Rechtsbeistandes, Visitierung des Angehaltenen) für rechtswidrig erklärt.2) Gemäß § 67c Abs. 3 AVG wird die Beschwerde, soweit sie die Erlassung eines Durchsuchungsauftrages nach § 75 FPG bekämpft, als unzulässig zurückgewiesen.3) Gemäß § 67c Abs. 3 AVG wird die Sicherstellung des Reisepasses für rechtswidrig erklärt.‘

Außerdem erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die Aussprüche zu Punkt 1. und 3. zweimal Schriftsatzaufwand sowie einmal Verhandlungsaufwand nach der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 zu; der BPD hingegen wurde angesichts Spruchpunkt 2. je einmal Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand nach der genannten Verordnung zugesprochen.“

In der Kostenfrage – derselbe wie auch im gegenständlichen Verfahren einschreitende Rechtsanwalt war mit dem bloß zweimaligen Zuspruch an Kosten nicht zufrieden – führte der Verwaltungsgerichtshof entscheidungsrelevant wie folgt aus (Hervorhebungen durch den Einzelrichter): „4. Bei der Bemessung des dem Beschwerdeführer zuzuerkennenden Aufwandersatzes legte die belangte Behörde zugrunde, dass dieser mit seiner Administrativbeschwerde in Bezug auf zwei Verwaltungsakte, umschrieben in den Spruchpunkten 1. und 3. des bekämpften Bescheides, obsiegt habe. Sie vertrat dabei insbesondere die Ansicht, dass hinsichtlich Festnahme und Anhaltung "samt den damit korrelierenden Modalitäten" (Spruchpunkt 1. des bekämpften Bescheides) in einer Gesamtschau lediglich von einem Verwaltungsakt auszugehen sei.

In der Beschwerde wird demgegenüber im Ergebnis erkennbar die Ansicht vertreten, dass insgesamt - unter Außerachtlassung des nicht erfolgreich bekämpften Durchsuchungsauftrages - von sieben Verwaltungsakten auszugehen gewesen wäre. Insoweit folgt der Beschwerdeführer im Wesentlichen der von ihm in der Administrativbeschwerde vorgenommenen Aufgliederung seiner Anträge.

Dabei lässt der Beschwerdeführer aber zunächst außer Acht, dass die belangte Behörde nicht über alle seine Anträge abgesprochen hat. Insbesondere der zu 7. in der Administrativbeschwerde angesprochene Punkt "erkennungsdienstliche Behandlung" blieb ausdrücklich unerledigt, weil die belangte Behörde insoweit eine Weiterverweisung an die Datenschutzkommission vornahm.

Im Übrigen ist bei der Ermittlung der Anzahl der angefochtenen Verwaltungsakte nicht allein darauf abzustellen, wie die zugrunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Es kommt vielmehr darauf an, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, ausgehend von den behördlichen Feststellungen über das angefochtene Verwaltungsgeschehen vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) sowie die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 12. April 2005, Zl. 2004/01/0277). Dabei trifft es im Sinn der Überlegungen der belangten Behörde zu, dass in Beschwerde gezogene Modalitäten einer Amtshandlung neben dieser kostenmäßig nicht als gesonderte Verwaltungsakte zu betrachten sind (vgl. zuletzt unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2004/01/0489, das hg. Erkenntnis vom 19. September 2012, Zl. 2012/01/0017).

(…)

Nach dem Gesagten wäre von einem Erfolg der Administrativbeschwerde in Bezug auf drei Verwaltungsakte auszugehen gewesen. (…).“

 

Der Verwaltungsgerichtshof hatte in der Folge diese Rechtsprechung auch auf die aktuelle Rechtslage übertragen, vgl. VwGH v. 04.05. 2015, Ra 2015/02/0070; VwGH v. 16.03.2016, Ra 2015/05/0090).

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, differenziert nach den einzelnen Anträgen, folgendes:

 

Zum Begehren auf Rechtswidrigerklärung der Festnahmeanordnung:

In logischer Konsequenz zu seiner Ansicht, dass ein Festnahmeauftrag nicht gesondert anfechtbar ist, hatte der Verwaltungsgerichtshof auch schon von jeher die damit verbundene Kostenfrage unzweideutig beantwortet (Hervorhebung durch den Einzelrichter):

 

 

VwGH v. 24.01.2013, Zl. 2011/21/0125:

In Beschwerde gezogene Modalitäten einer Amtshandlung (hier: Festnahmeauftrag nach § 74 Abs. 2 Z 1 FrPolG 2005) sind neben dieser kostenmäßig nicht als gesonderte Verwaltungsakte zu betrachten (vgl. E 19. September 2012, 2012/01/0017).

Ein Kostenanspruch für den rechtswidrigen Festnahmeauftrag scheidet daher aus.

Zum Begehren der Rechtswidrigerklärung der Verweigerung der Ausfolgung des Festnahmeprotokolls an die Vertreterin:

Hierfür gebührt offensichtlich schon unter dem Aspekt der Tatsachenebene kein Kostenzuspruch, wurde der Rechtsvertretung, wie sie selbst zugestand Einsicht in die Anhalteprotokolle gewährt, dem in § 17 AVG normierten Recht auf Akteneinsicht also entsprochen.

 

Wie schon oben ausgeführt, wurde zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens auch nur behauptet dass sie daran gehindert worden sei, „Abschriften anzufertigen oder auf ihre Kosten Kopien erstellen zu lassen“.

 

Der Vollständigkeit halber sei aber angemerkt, dass diesem Antrag als impliziten Vorwurf des in § 41 BFA-VG normierten Informationsrechtes über die Haftgründe selbst bei Zutreffen (!) keine eigenständige Bedeutung zukommt und in der ohnehin festgestellten Rechtswidrigerklärung der Festnahme aufginge, wie unzweifelhaft der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu entnehmen ist:

 

Es besteht nämlich Übereinstimmung zwischen den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, sieht doch (auch) der Verfassungsgerichtshof gleichermaßen in der Verletzung der Informationspflicht einen „Verstoß gegen die festgelegten Erfordernisse der Festnahme bzw. Anhaltung“ (VfGH v. 10.10.1994, B46/94, B85/94), sodass sich die gegenständliche Festnahme und damit verbunden die anschließende Anhaltung unter dem Aspekt einer adäquaten Informationsverpflichtung als nicht rechtmäßig darstellt.

 

Mangels Eigenständigkeit dieses Antrages wäre auch diesem – selbst bei Zutreffen auf der Tatsachenebene – kostenmäßig der Erfolg zu versagen gewesen.

Zum Antrag auf Rechtswidrigerklärung der Verweigerung der Verständigung und Kommunikation mit meiner rechtsfreundlichen Vertretung:

Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, sei auch in diesem Zusammenhang auf obige Ausführungen verwiesen:

Schon auf der Tatsachenebene lag ausreichender Kontakt mit der Rechtsvertretung vor, sodass ein Kostenzuspruch mangels Obsiegens ausscheidet.

 

Zum Antrag auf Rechtswidrigerklärung der Abnahme des Mobiltelefons und Bargeldes im Zuge seiner Festnahme am 23.07.2021 und deren Einbehaltung bis zur Überstellung an das Erstaufnahmezentrum Ost, Otto Glöckelstraße 24, 2514 Traiskirchen:

 

Nochmals sei diesfalls auf bereits obiges Judikat des Verwaltungsgerichtshofes zur fehlenden Eigenständigkeit in Bezug auf die zugrundeliegende Festnahme hingewiesen – argum „eine dem Begriff der Festnahme innewohnende Folgemaßnahme“.

 

Auch im Sinne der schon allgemein zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – siehe einleitend, das denselben Rechtsanwalt betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwGH v. 24.01.2013, Zl. 2011/21/0125 – scheidet ein Zuspruch an Kosten aus, da eben aufgrund der fehlenden Eigenständigkeit in der Abnahme der Gegenstände kein sachlich und zeitlich von der Festnahmeanhaltung trennbarer Akt, „der einer isolierten Betrachtung zugänglich ist“, vorliegt.

 

Zu den Anträgen, die anschließende zwangsweise Überstellung an das PAZ Hernalser Gürtel und die dortige Anhaltung sowie die daraufhin erfolgte zwangsweise Überstellung durch Organe des BFA in die EASt Ost betreffend, ist ebenso wiederholend anzumerken, dass diese im Spruchpunkt I. (mit)erledigt wurden, sodass auch für diesen Antrag keine Kosten zugesprochen werden können – gerade im Zusammenhang mit den Kosten drängt sich gerade hier die Frage auf, wie oft denn noch dieselbe Anhaltung für rechtswidrig erklärt werden möge?

 

In diesem Sinne konnte nur ein einmaliger Kostenzuspruch stattfinden, mag dem einschreitenden Rechtsanwalt – so wie bereits im Jahre 2010 – anlässlich seiner Unterfertigung des Beschwerdeschriftsatzes Abweichendes vorgeschwebt sein.

 

Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind gegenständlich §35 Abs. 4 Z 1, Z 3 und Abs. 5 iVm § 1 Z 1 und Z 2 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich.

 

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

 

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

 

[...]

 

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

 

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

 

§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 lautet:

 

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

 

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

(…)

 

In diesem Sinne war dem Beschwerdeführer Kostenersatz in der Höhe von € 1689,60 (Eingabengebühr, Schriftsatzaufwand und Aufwand für die Teilnahme an der Verhandlung vom 20.04.2023) zuzusprechen.

Zu Spruchpunkt B) (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen; abgesehen davon liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trotz entsprechenden „Fehlens einer Rechtsprechung des VwGH keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist“ (z.B. VwGH, Ra 2015/11/0008, v. 26.02.2015 u.a. unter Verweis auf VwGH, Ro 2014/07/0053, v. 28.05.2014).

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