AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W103.2223917.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt in XXXX , gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.08.2019, Zl. 1017634302-181173536, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG idgF stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 06.12.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Dabei gab er zusammengefasst an, er sei Inhaber eines bis Ende Dezember 2018 gültigen österreichischen Aufenthaltstitels, sein Hauptwohnsitz liege in Österreich. Er gehöre der Volksgruppe der XXXX sowie dem islamischen Glauben sunnitischer Ausrichtung an und habe sich im Jänner 2009 zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat entschlossen. Im Juni 2009 sei er auf dem Luftweg legal nach Österreich gereist. Zum Grund seiner Flucht führte der Beschwerdeführer aus, er sei von der Behörde in Moskau verfolgt worden. Sein Vater sei XXXX gewesen und habe nach der Wahl von Putin zum Präsidenten begonnen, aktiv gegen die nationalen Republiken in Russland tätig zu werden. Der Vater des Beschwerdeführers sei ein bekannter Föderalist mit großem Einfluss; dies sei für Putin, welcher seine Macht zentral habe ausüben wollen, ein Dorn im Auge gewesen. Putin habe alles unternommen, um den Vater des Beschwerdeführers zu schwächen. 2003, während der Wahlen in ihrer Republik, habe es fünf Mordversuche gegen den Beschwerdeführer gegeben, zwei seiner Securities seien getötet worden. Dies habe sich über die Jahre hinweg gezogen. In weiterer Folge sei es zum Einmarsch russischer Spezialtruppen (FSB) gekommen, welche die Heimatstadt des Beschwerdeführers regelrecht überrollt hätten. Die Familie des Beschwerdeführers habe Ende 2008 verhaftet und nach Moskau gebracht werden sollen. Der Beschwerdeführer habe sich entschlossen, die Heimat zu verlassen, da er Angst gehabt hätte und es immer gefährlicher geworden wäre. Er habe damit auch den Druck, der auf seine Familie ausgeübt worden wäre, mildern wollen; dieser Druck hätte geherrscht, da der Beschwerdeführer selbst politisch aktiv gewesen wäre und mehrere führende Positionen im XXXX innegehabt hätte. Russland hätte bereits versucht, eine Auslieferung seiner Person zu erreichen, das höchste Gericht hätte dies jedoch nicht zugelassen. Im Falle einer Rückkehr würde er sofort verhaftet und im Gefängnis wahrscheinlich umgebracht werden. Der Beschwerdeführer legte seinen im Jahr 2013 ausgestellten russischen Reisepass im Original vor.
Am 08.05.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache sowie seines gewillkürten Vertreters zu den Gründen seiner Antragstellung auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen.
Am 07.06.2019 brachte der gewillkürte Vertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme sowie ein Konvolut an Belegen zum Vorbringen des Beschwerdeführers ein. In der Stellungnahme wurde insbesondere ausgeführt, dass gegen den Beschwerdeführer in Russland ein Strafverfahren eingeleitet worden wäre, wobei die haltlosen und rein fingierten Vorwürfe im Wesentlichen beinhalten würden, dass der Beschwerdeführer sich im Zuge der Privatisierung von Staatsvermögen bereichert haben solle. Russland habe in weiterer Folge XXXX an die Republik Österreich gestellt. Aufgrund des evidenten ausschließlich politischen Hintergrundes der Strafverfolgung habe der ausführende Staatsanwalt von sich aus den Antrag gestellt, XXXX für unzulässig zu erklären. Diesem Antrag habe das zuständige Landesgericht mit mittlerweile rechtskräftigem Beschluss stattgegeben. Danach habe Russland ein Rechtshilfeersuchen an die Republik Österreich gestellt, wonach ein Strafverfahren gegen den Antragsteller eingeleitet werden möge; ein diesbezügliches Verfahren sei durch die zuständige Staatsanwaltschaft endgültig eingestellt worden, da kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung vorgelegen hätte. Näher angeführte Erwägungen würden zeigen, dass das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Strafverfahren dazu instrumentalisiert hätte werden sollen, um Druck gegen den Vater des Beschwerdeführers auszuüben. Die einzige Möglichkeit, sicherzustellen, dass der Beschwerdeführer nicht willkürliche Behandlung, Folter oder einem unfairen Prozess ausgeliefert bzw. seine Inhaftierung nicht zur Erreichung von politischen Zielen verwendet würde, die in keinem Zusammenhang mit den angeblichen Straftaten stünden, liege daher darin, diesen nicht nach Russland auszuliefern. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner familiären Zugehörigkeit zu einem bekennenden Föderalisten strafrechtlich unter fingierten Vorwürfen belangt werden solle, manifestiere anschaulich das dringende Bedürfnis auf Gewährung politischen Asyls. Der Beschwerdeführer sei zudem wirtschaftlich in Österreich verankert und könnte im Falle einer Rückkehr nach XXXX keine gleichwertige medizinische Versorgung erwarten. Der Beschwerdeführer sei auf eine Therapie mittels starker Antidepressiva, Neuroleptika und Tranquilizer angewiesen. Eine Abschiebung samt der zu erwartenden zwischenzeitig angeordneten Inhaftierung in Russland würde zu einer unzumutbaren gesundheitlichen Belastung, allenfalls sogar zum Tod, des Beschwerdeführers führen. Da für eine Verlängerung des österreichischen Aufenthaltstitels eine persönliche Vorsprache des Beschwerdeführers vor der russischen Botschaft zwecks Verlängerung seines Reisepasses erforderlich sein würde, sei eine solche nicht möglich gewesen.
2. Mit dem nunmehr hinsichtlich Spruchpunkt I. angefochtenen Bescheid vom 26.08.2019 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Identität, Unbescholtenheit und legale Einreise des Beschwerdeführers fest. Eine asylrelevante Verfolgung oder Gefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation habe nicht festgestellt werden können.
Der Beschwerdeführer habe eine Verfolgung aus politischen Gründen im Herkunftsstaat ins Treffen geführt. Dieser sei im XXXX worden, im XXXX habe die Russische Föderation XXXX an Österreich gestellt. Mit Beschluss eines österreichischen Landesgerichts aus dem Jahr 2016 sei die Auslieferung des Beschwerdeführers für unzulässig erklärt worden, da eine politische Motivation für dessen Auslieferung nicht ausgeschlossen werden könne. In der Folge habe die Russische Föderation ein Rechtshilfeersuchen an die Republik Österreich gestellt, wonach ein Strafverfahren eingeleitet werden möge. Ein entsprechendes Verfahren sei durch die Korruptionsstaatsanwaltschaft im XXXX eingestellt worden. Aus dem zuvor erwähnten Beschluss des Landesgerichts XXXX ginge aus Sicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die "Möglichkeit" einer politischen Motivation hervor, doch könnte die Behauptung eines politischen Fluchtgrundes nicht eindeutig belegt werden. Eine Gesundheitsproblematik während einer etwaigen Haft könne daher nicht festgestellt werden. Die gegen den Beschwerdeführer in der Russischen Föderation erhobenen Vorwürfe einer möglichen XXXX seien derart intransparent, dass ein möglicher XXXX bis dato nicht eindeutig entkräftet habe werden können.
Festgestellt werde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zum Entscheidungszeitpunkt eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention mit sich bringen würde. Dessen Rückkehrgefährdung ergebe sich aus dem Beschluss des Landesgerichts XXXX aus XXXX , wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine Auslieferung an die Russische Föderation aus politischen Motiven erfolgen würde.
Der Beschwerdeführer verfüge über eine abgeschlossene Schulbildung sowie ein Diplom als Ingenieur und habe eine Zusatzausbildung an einer Universität XXXX absolviert. Dieser verfüge über langjährige Berufserfahrung im XXXX und sei zudem in der Politik tätig gewesen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Medizinische Versorgung in der Russischen Föderation sei grundsätzlich, auch im Hinblick auf psychische Erkrankungen, gewährleistet. Dieser habe im Bundesgebiet keine Angehörigen, verfüge über keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse und sei in unterschiedlichen Bereichen des Wirtschaftslebens tätig.
3. Der Beschwerdeführer erhob gegen Spruchpunkt I. des angeführten Bescheides mit am 27.09.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durch seinen gewillkürten Vertreter eingebrachtem Schriftsatz Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei richtiger Würdigung der vorgelegten Beweise hätte festgestellt werden müssen, dass der Beschwerdeführer bereits mehrfach regelrechten Terrorangriffen ausgesetzt gewesen wäre, welche ausschließlich darauf gefußt hätten, dass der Beschwerdeführer sich als erklärter Föderalist nicht der zentralen Lenkung in Moskau habe unterwerfen wollen, so wie bereits zuvor sein Vater. Die vorgelegten Beweismittel sowie die eigenen Aussagen des Beschwerdeführers ließen keinen anderen Schluss zu, als dass dessen Leben aufgrund seiner politischen Überzeugung als Föderalist im Herkunftsstaat gefährdet sei. Bei der im Bescheid festgestellten Gefahr einer Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 2, 3 EMRK handle es sich nicht nur um eine solche aufgrund von willkürlicher Gewalt, sondern um gezielte Gewalt, die gerade darauf abziele, die Macht des Vaters des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat zu schwächen. Diesbezüglich werde auf den fingierten XXXX der Staatsanwaltschaft in Moskau verwiesen. Dass entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen rechtlichen Ansicht ein Asylgrund gegeben wäre, sei aufgrund der klar dargelegten politischen Gesinnung des Beschwerdeführers, seiner politischen Vorbelastung durch seinen XXXX gewesen wäre, sowie der gegen den Beschwerdeführer geführten Mordanschläge klar belegt. Ganz Gegenteilig sei kaum ein drastischerer Fall ersinnbar, der zur Asylgewährung führen könnte. Bei richtiger rechtlicher Würdigung hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer daher den Status eines Asylberechtigten zuerkennen müssen.
4. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 01.10.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt die im Spruch ersichtlichen Personalien, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, bekennt sich zum islamischen Glauben sunnitischer Ausrichtung und gehört der Volksgruppe der XXXX an. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2009 auf dem Luftweg legal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 04.11.2011 wurde ihm erstmals ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erteilt, welcher zuletzt (korrespondierend mit der Gültigkeitsdauer seines russischen Reisedokumentes) bis XXXX verlängert worden war.
Der Beschwerdeführer ist Sohn des XXXX .
Mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts XXXX wurde ausgesprochen, dass eine mit Schreiben der russischen Generalstaatsanwaltschaft begehrte Auslieferung des Beschwerdeführers an den Herkunftsstaat zur Strafverfolgung für unzulässig erklärt werde.
Aus der Begründung jenes Beschlusses ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer im russischen Strafverfahren im Wesentlichen zur Last gelegt werde, von XXXX , Mehrheitsaktienpakete von mehreren damals der XXXX gehörigen Unternehmen aus der XXXX rechtswidrig zu einem deutlich reduzierten Preis ins Eigentum von unter Kontrolle des Betroffenen stehenden Gesellschaften übertragen zu haben, wodurch ein Schaden von XXXX Euro) entstanden wäre, und hierdurch insbesondere das Verbrechen der Aneignung oder Unterschlagung nach Art. 160 des russischen Strafgesetzbuchs begangen zu haben.
Die Generalstaatsanwaltschaft XXXX habe den Antrag gestellt, die Auslieferung des Beschwerdeführers für unzulässig zu erklären, da eine politische Motivation nicht ausgeschlossen werden könne. Dieser Antrag scheine aus Sicht des Landesgerichts berechtigt, zumal sich aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Russischen Föderation ergebe, dass politisch motivierte Verfahren nicht ausgeschlossen werden können. Im gegenständlichen Fall bestünde offenbar ein enger Zusammenhang zwischen dem gegen den Beschwerdeführer anhängigen Strafverfahren und politischen Vorgängen in der Russischen Föderation, weshalb zu besorgen sei, dass das Strafverfahren gegen den Genannten (auch) politisch motiviert sein könne, was wiederum allenfalls ein dem Art. 6 MRK nicht entsprechendes Strafverfahren besorgen lasse.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer mit dem in Rechtskraft erwachsenen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und begründend ausgeführt, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation im Entscheidungszeitpunkt eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für diesen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen könnte
Der Beschwerdeführer hat glaubhaft vorgebracht, dass er sich aus wohlbegründeter Furcht vor landesweiter (auch) politisch motivierter Verfolgung außerhalb seines Herkunftsstaates befindet.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation:
Politische Lage
Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 12.7.2018, vgl. GIZ 7.2018c). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 7.2018a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie (GIZ 7.2018a). Wladimir Putin ist im März 2018, bei der Präsidentschaftswahl im Amt mit 76,7% bestätigt worden. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).
Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten gewählt. Es gibt eine Siebenprozentklausel. Wichtige Parteien sind die regierungsnahen Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist. Die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist, die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern, die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern, die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 7.2018a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 5 .2018b). Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen Einordnung der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges, Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 7.2018a, vgl. AA 5 .2018b).
Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 7.2018a).
Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 7.2018a).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (5.2018b): Russische Föderation - Außen- und Europapolitik,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederationnode/ russischefoederation/201534, Zugriff 1.8.2018
- CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html , Zugriff 1.8.2018 - EASO - European Asylum Support Office (3.2017):
COI-Report Russian Federation -State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoirussiastate-actors-of-protection.pdf , Zugriff 1.8.2018
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html , Zugriff 1.8.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichtestaat/# c17836, Zugriff 1.8.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/ , Zugriff 1.8.2018
- OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation Mission Final Report,
https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true , Zugriff 29.8.2018
- Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",
https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Dasrussische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen , Zugriff 1.8.2018
- Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,
https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident , Zugriff 1.8.2018
- Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html , Zugriff 1.8.2018
Sicherheitslage
Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 28.8.2018a, vgl. BMeiA 28.8.2018, GIZ 6.2018d).
Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 28.8.2018).
Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51%
zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).
Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sogenannten IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (28.8.2018a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertigesamt de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff 28.8.2018
- BmeiA (28.8.2018): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation/ , Zugriff 28.8.2018
- Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden,
https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russischemethoden
724. de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 29.8.2018
- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (28.8.2018): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-undreisehinweise/ russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 28.8.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018d): Russland, Alltag,
https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170 , Zugriff 28.8.2018
- SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swpberlin
org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018
Rechtsschutz / Justizwesen
Es gibt in der Russischen Föderation Gerichte bezüglich Verfassungs-, Zivil-, Administrativund Strafrecht. Es gibt den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, föderale Gerichtshöfe und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist verantwortlich für Strafverfolgung und hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Regierungsbeamten. Strafrechtliche Ermittlungen werden vom Ermittlungskomitee geleitet (EASO 3.2017). Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen.
Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen (ÖB Moskau 12.2017). Der Judikative mangelt es auch an Unabhängigkeit von der Exekutive und berufliches Weiterkommen in diesem Bereich ist an die Einhaltung der Präferenzen des Kreml gebunden (FH 1.2018).
In Strafprozessen kommt es nur sehr selten zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz (gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen (ÖB Moskau 12.2017). Der Kampf der Justiz gegen Korruption steht mitunter im Verdacht einer Instrumentalisierung aus wirtschaftlichen bzw. politischen Gründen: So wurde in einem aufsehenerregenden Fall der amtierende russische Wirtschaftsminister Alexei Ulyukayev im November 2016 verhaftet und im Dezember 2017 wegen Korruptionsvorwürfen seitens des mächtigen Leiters des Rohstoffunternehmens Rosneft zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018, FH 1.2018).
2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte (ÖB Moskau 12.2017). Im Juli 2015 stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass bei einer der russischen Verfassung widersprechenden Konventionsauslegung seitens des EGMR das russische Rechtssystem aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Diese Position des Verfassungsgerichtshofs wurde im Dezember 2015 durch ein Föderales Gesetz unterstützt, welches dem VfGH das Recht einräumt, Urteile internationaler Menschenrechtsinstitutionen nicht umzusetzen, wenn diese nicht mit der russischen Verfassung im Einklang stehen. Das Gesetz wurde bereits einmal im Fall der Verurteilung Russlands durch den EGMR in Bezug auf das Wahlrecht von Häftlingen 61 angewendet (zugunsten der russischen Position) und ist auch für den YUKOS-Fall von Relevanz. Der zwischen internationalen gerichtlichen Entscheidungen und der russischen Verfassung bemüht (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018, US DOS 20.4.2018).
Am 10.2.2017 fällte das Verfassungsgericht eine Entscheidung zu
Artikel 212.1 des Strafgesetzbuchs, der wiederholte Verstöße gegen das Versammlungsrecht als Straftat definiert. Die Richter entschieden, die Abhaltung einer "nichtgenehmigten" friedlichen Versammlung allein stelle noch keine Straftat dar. Am 22. Februar überprüfte das Oberste Gericht das Urteil gegen den Aktivisten Ildar Dadin, der wegen seiner friedlichen Proteste eine Freiheitsstrafe auf Grundlage von Artikel 212.1. erhalten hatte, und ordnete seine Freilassung an. Im Juli 2017 trat eine neue Bestimmung in Kraft, wonach die Behörden Personen die russische Staatsbürgerschaft aberkennen können, wenn sie diese mit der "Absicht" angenommen haben, die "Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung des Landes anzugreifen". NGOs kritisierten den Wortlaut des Gesetzes, der nach ihrer Ansicht Spielraum für willkürliche Auslegungen bietet (AI 22.2.2018).
Bemerkenswert ist die extrem hohe Verurteilungsquote bei Strafprozessen. Die Strafen in der Russischen Föderation sind generell erheblich höher, besonders im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis unterscheidet dabei nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Für zu lebenslanger Haft Verurteilte bzw. bei entsprechend umgewandelter Todesstrafe besteht bei guter Führung die Möglichkeit einer Freilassung frühestens nach 25
Jahren. Eine Begnadigung durch den Präsidenten ist möglich. Auch unabhängig von politisch oder ökonomisch motivierten Strafprozessen begünstigt ein Wetteifern zwischen Strafverfolgungsbehörden um hohe Verurteilungsquoten die Anwendung illegaler Methoden zum Erhalt von "Geständnissen" (AA 21.5.2018).
Repressionen Dritter, die sich gezielt gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe richten, äußern sich hauptsächlich in homophoben, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Straftaten, die von Seiten des Staates nur in einer Minderheit der Fälle zufriedenstellend verfolgt und aufgeklärt werden (AA 21.5.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425086.html , Zugriff 2.8.2018
- EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoirussiastate-actors-of-protection.pdf , Zugriff 2.8.2018
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html , Zugriff 1.8.2018
- ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation
- US DOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices for 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430116.html , Zugriff 2.8.2018
Folter und unmenschliche Behandlung
Im Einklang mit der EMRK sind Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafen in Russland auf Basis von
Artikel 21.2 der Verfassung und Art. 117 des Strafgesetzbuchs verboten. Die dort festgeschriebene Definition von Folter entspricht jener des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Russland ist Teil dieser Konvention, hat jedoch das Zusatzprotokoll (CAT-OP) nicht unterzeichnet. Trotz des gesetzlichen Rahmens werden immer wieder Vorwürfe über polizeiliche Gewalt bzw. Willkür gegenüber Verdächtigen laut. Verlässliche öffentliche Statistiken über das Ausmaß der Übergriffe durch Polizeibeamten gibt es nicht. Innerhalb des Innenministeriums gibt es eine Generalverwaltung der internen Sicherheit, die eine interne und externe Hotline für Beschwerden bzw. Vorwürfe gegen Polizeibeamte betreibt. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen in Strafverfahren häufig nur auf Geständnisse der Beschuldigten stützen, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren oder in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Polizei- und Justizvollzugbeamte werden laut russischen NGO-Vertretern oft nicht untersucht (ÖB Moskau 12.2017, vgl. EASO 3.2017).
Auch 2017 gab es Berichte über Folter und andere Misshandlungen in Gefängnissen und Hafteinrichtungen im gesamten Land. Die Art und Weise, wie Gefangene transportiert wurden, kam Folter und anderen Misshandlungen gleich und erfüllte in vielen Fällen den Tatbestand des Verschwindenlassens. Die Verlegung in weit entfernte Gefängniskolonien konnte monatelang dauern. Auf dem Weg dorthin wurden die Gefangenen in überfüllte Bahnwaggons und Lastwagen gesperrt und verbrachten bei Zwischenstopps Wochen in Transitzellen. Weder ihre Rechtsbeistände noch ihre Familien erhielten Informationen über den Verbleib der Gefangenen (AI 22.2.2018). Laut Amnesty International und dem russischen "Komitee gegen Folter" kommt es vor allem in Polizeigewahrsam und in den Strafkolonien zu Folter und grausamer oder erniedrigender Behandlung. Momentan etabliert sich eine Tendenz, Betroffene, die vor Gericht Foltervorwürfe erheben, unter Druck zu setzen, z.B. durch Verleumdungsvorwürfe. Die Dauer von Gerichtsverfahren zur Überprüfung von Foltervorwürfen ist zwar kürzer (früher fünf bis sechs Jahre) geworden,
Qualität und Aufklärungsquote sind jedoch nach wie vor niedrig. Untersuchungen von Foltervorwürfen bleiben fast immer folgenlos. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" werden vor Gericht als Beweismittel anerkannt (AA 21.5.2018).
Der Folter verdächtigte Polizisten werden meist nur aufgrund von Machtmissbrauch oder einfacher Körperverletzung angeklagt. Physische Misshandlung von Verdächtigen durch Polizisten geschieht für gewöhnlich in den ersten Stunden oder Tagen nach der Inhaftierung.
Im Nordkaukasus wird von Folterungen sowohl durch lokale Sicherheitsorganisationen als auch durch Föderale Sicherheitsdienste berichtet. Das Gesetz verlangt von Verwandten von Terroristen, dass sie die Kosten, die durch einen Angriff entstehen übernehmen. Menschenrechtsverteidiger kritisieren dies als Kollektivbestrafung (USDOS 20.4.2018). Vor allem der Nordkaukasus ist von Gewalt betroffen, wie z.B. außergerichtlichen Tötungen, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen (FH 1.2018). In der ersten Hälfte des Jahres 2017 wurden die Inhaftierungen und Folterungen von Homosexuellen in Tschetschenien publik (HRW 18.1.2018). Der Umfang der Homosexuellenverfolgung in Tschetschenien ist bis heute unklar. Bis zu 100 Opfer, darunter auch mehrere Tote, werden genannt. Viele der Verfolgten sind aus Tschetschenien geflohen [vgl. hierzu Kapitel19.4 Homosexuelle] (Standard.at 3.11.2017).
Ein zehnminütiges Video der Körperkamera eines Wächters in der Strafkolonie Nr. 1 in Jaroslawl, zeigt einen Insassen, wie er von Wächtern gefoltert wird. Das Video vom Juni 2017 wurde am 20.07.18 von der unabhängigen russischen Zeitung "Novaya Gazeta" veröffentlicht. Das Ermittlungskomitee leitete ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauch mit Gewaltanwendung ein. Verschiedenen Medienberichten zufolge sollen fünf bis sieben an der Folter beteiligte Personen festgenommen und 17 Mitarbeiter der Strafkolonie suspendiert worden sein. Das Video hatte in der russischen Öffentlichkeit große Empörung ausgelöst. Immer wieder berichten Menschenrechtsorganisationen von Misshandlungen und Folter im russischen Strafvollzug (NZZ 23.7.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425086.html , Zugriff 2.8.2018
- EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoirussiastate-actors-of-protection.pdf , Zugriff 2.8.2018
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html , Zugriff 3.8.2018
- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422501.html , Zugriff 3.8.2018
- ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation
- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (23.7.2018): Ein Foltervideo setzt Ermittlungen gegen Russlands Strafvollzug in Gang, https://www.nzz.ch/international/foltervideo-setztermittlungengegen-russlands-strafvollzug-in-gang-ld.1405939 , Zugriff 2.8.2018
- Standard.at (3.11.2017): Putins Beauftragte will Folter in Tschetschenien aufklären,
- Zugriff 3.8.2018
- US DOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices for 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430116.html , Zugriff 2.8.2018
Korruption
Korruption gilt in Russland als wichtiger Teil des gesellschaftlichen Systems. Obwohl Korruption in Russland endemisch ist, kann im Einzelfall nicht generalisiert werden. Zahlreiche persönliche Faktoren bezüglich Geber und Nehmer von informellen Zahlungen sind zu berücksichtigen sowie strukturell vorgegebene Einflüsse der jeweiligen Region. Im alltäglichen Kontakt mit den Behörden fließen informelle Zahlungen, um widersprüchliche Bestimmungen zu umgehen und Dienstleistungen innerhalb nützlicher Frist zu erhalten. Korruption stellt eine zusätzliche Einnahmequelle von Staatsbeamten dar. Das Justizsystem und das Gesundheitswesen werden in der Bevölkerung als besonders korrupt wahrgenommen. Im Justizsystem ist zwischen stark politisierten Fällen, einschließlich solchen, die Geschäftsinteressen des Staates betreffen, und alltäglichen Rechtsgeschäften zu unterscheiden. Nicht alle Rechtsinstitutionen sind gleich anfällig für Korruption. Im Gesundheitswesen gehören informelle Zahlungen für offiziell kostenlose Dienstleistungen zum Alltag. Bezahlt wird für den Zugang zu Behandlungen oder für Behandlungen besserer Qualität. Es handelt sich generell um relativ kleine Beträge. Seit 2008 laufende Anti-Korruptionsmaßnahmen hatten bisher keinen Einfluss auf den endemischen Charakter der Korruption (SEM 15.7.2016).
Korruption ist sowohl im öffentlichen Leben als auch in der Geschäftswelt weit verbreitet. Aufgrund der zunehmend mangelhaften Übernahme von Verantwortung in der Regierung können Bürokraten mit Straffreiheit rechnen. Analysten bezeichnen das politische System als Kleptokratie, in der die regierende Elite das öffentliche Vermögen plündert, um sich selbst zu bereichern (FH 1.2018).
Das Gesetz sieht Strafen für behördliche Korruption vor, die Regierung bestätigt aber, dass das Gesetz nicht effektiv umgesetzt wird, und viele Beamte in korrupte Praktiken involviert sind. Korruption ist sowohl in der Exekutive als auch in der Legislative und Judikative und auf allen hierarchischen Ebenen weit verbreitet (USDOS 20.4.2018, vgl. EASO 3.2017). Zu den Formen der Korruption zählen die Bestechung von Beamten, missbräuchliche Verwendung von Finanzmitteln, Diebstahl von öffentlichem Eigentum, Schmiergeldzahlungen im Beschaffungswesen, Erpressung, und die missbräuchliche Verwendung der offiziellen Position, um an persönliche Begünstigungen zu kommen. Behördliche Korruption ist zudem auch in anderen Bereichen weiterhin verbreitet: im Bildungswesen, beim Militärdienst, im
Gesundheitswesen, im Handel, beim Wohnungswesen, bei Pensionen und Sozialhilfe, im Gesetzesvollzug und im Justizwesen (US DOS 20.4.2018). Korruptionsbekämpfung gilt seit 2008 als prioritäres Ziel der Zentralregierung. Bis 2012 wurde die dafür notwendige Gesetzesgrundlage geschaffen. Beispielsweise wurden die Sanktionen festgelegt. Aufsichtsbehörden erhielten mehr Befugnisse, darunter die Finanzkontrolle, die Generalstaatsanwaltschaft und der Geheimdienst (FSB). Es wurden vermehrt Überprüfungen eingeleitet. In der Folge stieg die Anzahl der Strafverfahren. Zu Beginn richteten sie sich hauptsächlich gegen untere Chargen, seit 2013 jedoch auch gegen hochrangige Beamte und Politiker, wie einzelne Gouverneure, regionale Minister und
stellvertretende föderale Minister und einen früheren Verteidigungsminister. Positiv bewertete die russische Zivilgesellschaft die 2009 geschaffenen Gesetze, welche die staatlichen Behörden und die Justiz verpflichteten, über ihre Aktivitäten zu informieren. Im Zusammenhang mit der Korruptions-Bekämpfung entstanden zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, die ab 2011 einen gewissen Einfluss auf die Arbeit der Behörden ausüben konnten und erreichten, dass das Handeln von Dienststellen und Gerichten teils transparenter wurde. In einzelnen Bereichen der Verwaltung wurde die Korruption reduziert, oft abhängig von einzelnen integren und innovativen Führungsfiguren. Beobachter sind sich jedoch einig, dass sich die Situation nicht substantiell verbessert hat. Am endemischen Charakter der Korruption in der Verwaltung hat sich bisher nichts geändert.
Das gilt auch für das Justizsystem und für die Polizei, die 2011 reformiert wurde. Die Gründe für den Misserfolg sind vielschichtig. Auf höchster Ebene scheint die russische Führung kein echtes Interesse an der Korruptions-Bekämpfung zu haben, da sie selber vom korrupten System profitiert. Externe Beobachter kritisieren, der Kreml nutze Anti-Korruptions- Maßnahmen, um Gegner zu schwächen und die Elite zu kontrollieren. Aufsehenerregende Fälle dienten dazu, die Popularität des Präsidenten in der Bevölkerung zu stärken. Im Verwaltungsapparat sind die konkreten Regeln zur Korruptionsbekämpfung unterentwickelt, es fehlen zum Beispiel Mechanismen zur Integritätsprüfung der Mitarbeiter/innen. Institutionen zur Korruptionsbekämpfung sind laut BTI zwar oft mit kompetenten Personen besetzt, es fehlen ihnen jedoch die Kompetenz und die Ressourcen, um effektiv zu handeln.
Laut Elena Panfilova, ehemalige Direktorin von Transparency International Russland, herrscht unter russischen Beamten und dem Justizpersonal kein Verständnis für die Problematik von Interessenskonflikten, vielmehr scheinen verwandtschaftliche und freundschaftliche Gefälligkeiten wichtiger als die berufliche Integrität. Durch korrupte Praktiken sind Abhängigkeiten zwischen Mitarbeiter/innen, zwischen Personen in verschiedenen Hierarchiestufen und zwischen Institutionen entstanden. Solche "verfilzten Strukturen" blieben völlig unkontrolliert und weil jeder jeden deckt, ist eine systematische Aufarbeitung kaum möglich. In der Verwaltung werden deshalb im Vergleich zur Anzahl der Staatsangestellten relativ wenige Strafverfahren wegen Korruption eingeleitet, auch weil die Gerichte selber korruptionsanfällig sind. Zu Schuldsprüchen kommt es selten, wenn doch, ist das Strafmaß vielfach gering oder wird insbesondere bei hohen Geldbußen nicht vollstreckt.
Auf weitere Institutionen, die zur Korruptionsbekämpfung notwendig sind - unabhängige Gerichte, freie Medien und die Zivilgesellschaft - wird vermehrt Druck ausgeübt. Auch im Nordkaukasus beschränken sich Anti-Korruptionskampagnen vor allem auf einzelne aufsehenerregende Festnahmen von Beamten. Es ist davon auszugehen, dass Ramzan Kadyrow Korruptionsbekämpfung dazu nutzt, um gegen unliebsame Personen vorzugehen. Die tschetschenische Staatsanwaltschaft bestätigt 2014, dass es in Anbetracht des Ausmaßes des Problems zu vergleichsweise wenigen Strafverfahren kommt. Und diese endeten oft ohne Schuldspruch. Häufig betreffen sie Alltagskorruption, das heißt, die unteren Chargen der Verwaltung. Laut Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden, befragt durch ICG, sind die Polizisten, die in Korruptionsfällen ermitteln, selber korrupt. Um gegen Korruption innerhalb der Polizei vorzugehen, wurden die Löhne erhöht. Die erforderliche Summe, um eine Stelle bei der Polizei zu erhalten, blieb jedoch derart hoch, dass die Abhängigkeit von informellen Zahlungen weiterhin bestand. Die Lohnerhöhungen brachten deshalb keine substantiellen Verbesserungen. Eine Kontrolle durch die Zivilgesellschaft ist in Tschetschenien noch weniger gegeben als im übrigen Russland, da Nichtregierungsorganisationen seit Jahren stark unter Druck stehen und die Bevölkerung tendenziell versucht, jeglichen Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden (SEM 15.7.2016).
Der Kampf der Justiz gegen Korruption steht mitunter im Verdacht einer Instrumentalisierung aus wirtschaftlichen bzw. politischen Gründen (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018). Eines der zentralen Themen der Modernisierungsagenda ist die Bekämpfung der Korruption und des Rechtsnihilismus. Im Zeichen des Rechtsstaats durchgeführte Reformen, wie die Einsetzung eines Richterrats, um die Selbstverwaltung der Richter zu fördern, die Verabschiedung neuer Prozessordnungen und die deutliche Erhöhung der Gehälter hatten jedoch wenig Wirkung auf die Abhängigkeit der Justiz von Weisungen der Exekutive und die dort herrschende Korruption. Im Februar 2012 erfolgte der Beitritt Russlands zur OECDKonvention zur Korruptionsbekämpfung (GIZ 7.2018a).
Korruption ist vor allem in Tschetschenien nach wie vor weit verbreitet und große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Laut einem rezenten Bericht der International Crisis Group gibt es glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrovs Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Wohltätigkeitsprojekte. Kritiker meinen jedoch, dass der Fonds auch der persönlichen Bereicherung Kadyrovs und der ihm nahestehenden Gruppen diene. So bezeichnete der "Kommersant" den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 12.2017). Die auf Clans basierte Korruption hält die regionalen Regierungen zusammen und die Zuschüsse haben den Zweck, die Loyalität der lokalen Elite zu erkaufen. Putins System der zentralisierten Kontrolle bevorzugt Loyalität und lässt Bestechung und Gesetzlosigkeit gedeihen (IAR 31.3.2014). Die Situation in Tschetschenien zeichnet sich dadurch aus, dass korrupte Praktiken erstens stärker verbreitet sind und zweitens offener ablaufen als im restlichen Russland. In der Folge wird der Rechtsstaat unterlaufen und der Zugang zum Gesundheitswesen - außer der Notfallversorgung - hängt zu einem großen Teil von den finanziellen Mitteln der Patienten und ihres sozialen Umfeldes ab (SEM 15.7.2016).
Der Lebensstandard in der Republik Dagestan ist einer der niedrigsten in der gesamten Russischen Föderation und das Ausmaß der Korruption sogar für die Region Nordkaukasus beispiellos (IOM 6.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
- EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoirussiastate-actors-of-protection.pdf , Zugriff 6.8.2018
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html , Zugriff 6.8.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichtestaat/# c17836, Zugriff 6.8.2018 - IAR - International Affairs Review (31.3.2014): The Post-Sochi North Caucasus Remains Mired in Corruption, http://www.iar-gwu.org/content/post-sochi-north-caucasus-remainsmiredcorruption , Zugriff 6.8.2018
- IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation,https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698619/17129252/17046926/17255781/Russische_Föderation_-_Country_Fact_Sheet_2014,_deutsch.pdf?nodeid=17256004&vernum=-2 , Zugriff 6.8.2018
- ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation
- SEM - Staatssekretariat für Migration (15.7.2016): Focus Russland. Korruption im Alltag, insbesondere in Tschetschenien, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/europagus/rus/RUS-korruption-d.pdf , Zugriff 6.8.2018
- US DOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices for 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430116.html , Zugriff 6.8.2018
...
Allgemeine Menschenrechtslage
Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich zwar immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten, es mangelt aber an der praktischen Umsetzung. Trotz vermehrter Reformbemühungen, insbesondere im Strafvollzugsbereich, hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann die im fünfstelligen Bereich liegenden ausständigen Verfahren gegen Russland kaum bewältigen; Russland sperrt sich gegen eine Verstärkung des Gerichtshofs (GIZ 7.2018a). Die Verfassung der Russischen Föderation vom Dezember 1993 postuliert, dass die Russische Föderation ein "demokratischer, föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform" ist. Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Art. 19 Abs. 2). Die Einbindung des internationalen Rechts ist in Art. 15 Abs. 4 der russischen Verfassung aufgeführt: Danach "sind die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts und die internationalen Verträge der Russischen Föderation Bestandteil ihres Rechtssystems." Russland ist an folgende VN-Übereinkommen gebunden:
- Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1969)
- Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte (1973) und erstes Zusatzprotokoll (1991)
- Internationaler Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1973)
- Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1981) und Zusatzprotokoll (2004)
- Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende
- Behandlung oder Strafe (1987)
- Kinderrechtskonvention (1990), deren erstes Zusatzprotokoll gezeichnet (2001)
- Behindertenrechtskonvention (ratifiziert am 25.09.2012) (AA 21.5.2018).
Der Europarat äußerte sich mehrmals kritisch zur Menschenrechtslage in der Russischen Föderation. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) waren 2016 knapp 10% der anhängigen Fälle Russland zuzurechnen (77.821 Einzelfälle). Der EGMR hat 2016 228 Urteile in Klagen gegen Russland gesprochen. Damit führte Russland die Liste der verhängten Urteile mit großem Abstand an (an zweiter Stelle Türkei mit 88 Urteilen). Die EGMR-Entscheidungen fielen fast ausschließlich zugunsten der Kläger aus (222 von 228 Fällen) und konstatierten mehr oder wenige gravierende Menschenrechtsverletzungen. Zwei Drittel der Fälle betreffen eine Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit. [Zur mangelhaften Anwendung von EGMR-Urteilen durch Russland vgl. Kapitel 4. Rechtsschutz/Justizwesen] (AA 21.5.2018).
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wurden 2017 weiter eingeschränkt. Menschenrechtsverteidiger und unabhängige NGOs sahen sich nach wie vor mit Schikanen und Einschüchterungsversuchen konfrontiert (AI 22.2.2018).
Auch Journalisten und Aktivisten riskieren Opfer von Gewalt zu werden (FH 1.2018). Staatliche Repressalien, aber auch Selbstzensur, führten zur Einschränkung der kulturellen Rechte. Angehörige religiöser Minderheiten mussten mit Schikanen und Verfolgung rechnen.
Das Recht auf ein faires Verfahren wurde häufig verletzt. Folter und andere Misshandlungen waren nach wie vor weit verbreitet. Die Arbeit unabhängiger Organe zur Überprüfung von Haftanstalten wurde weiter erschwert. Im Nordkaukasus kam es auch 2017 zu schweren Menschenrechtsverletzungen (AI 22.2.2018).
Die allgemeine Menschenrechtslage in Russland ist weiterhin durch nachhaltige Einschränkungen der Grundrechte sowie einer unabhängigen Zivilgesellschaft gekennzeichnet. Der Freiraum für die russische Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren schrittweise eingeschränkt worden. Sowohl im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit als auch in der Pressefreiheit wurden restriktive Gesetze verabschiedet, die einen negativen Einfluss auf die Entwicklung einer freien und unabhängigen Zivilgesellschaft ausüben. Inländische wie ausländische NGOs werden zunehmend unter Druck gesetzt. Rechte von Minderheiten werden nach wie vor nicht in vollem Umfang garantiert. Journalisten und Menschenrechtsverteidiger werden durch administrative Hürden in ihrer Arbeit eingeschränkt und erfahren in manchen Fällen sogar reale Bedrohungen für Leib und Leben (ÖB Moskau 12.2017, vgl. FH 1.2018, AA 21.5.2018). Im Zuge der illegalen Annexion der Krim im März 2014 und der Krise in der Ostukraine wurde die Gesellschaft v.a. durch staatliche Propaganda nicht nur gegen den Westen mobilisiert, sondern auch gegen die sog. "fünfte Kolonne" innerhalb Russlands. Der Menschenrechtsdialog der EU mit Russland ist derzeit aufgrund prozeduraler Unstimmigkeiten ausgesetzt. Laut einer Umfrage zum Stand der Menschenrechte in Russland durch das Meinungsforschungsinstitut FOM glauben 42% der Befragten nicht, dass die Menschenrechte in Russland eingehalten werden, während 36% der Meinung sind, dass sie sehr wohl eingehalten werden. Die Umfrage ergab, dass die russische Bevölkerung v.a. auf folgende Rechte Wert legt: Recht auf freie medizinische Versorgung (74%), Recht auf Arbeit und gerechte Bezahlung (54%), Recht auf kostenlose Ausbildung (53%), Recht auf Sozialleistungen (43%), Recht auf Eigentum (31%), Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (31%), Recht auf eine gesunde Umwelt (19%), Recht auf Privatsphäre (16%), Rede- und Meinungsfreiheit (16%). Der Jahresbericht der föderalen Menschenrechtsbeauftragten Tatjana Moskalkowa für das Jahr 2017 bestätigt die Tendenz der russischen Bevölkerung zur Priorisierung der sozialen vor den politischen Rechten. Unter Druck steht auch die Freiheit der Kunst, wie etwa die jüngsten Kontroversen um zeitgenössisch inszenierte Produktionen von Film, Ballett und Theater zeigen (ÖB Moskau 12.2017).
Menschenrechtsorganisationen sehen übereinstimmend bestimmte Teile des Nordkaukasus als den regionalen Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten in der Republik Dagestan, daneben auch in Tschetschenien, Inguschetien und Kabardino-Balkarien. Der westliche Nordkaukasus ist hiervon praktisch nicht mehr betroffen. (AA 21.5.2018). Auch 2017 wurden aus dem Nordkaukasus schwere Menschenrechtsverletzungen gemeldet, wie Verschwindenlassen, rechtswidrige Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen von Häftlingen sowie außergerichtliche Hinrichtungen (AI 22.2.2018). Die Menschenrechtslage im Nordkaukasus wird von internationalen Experten weiterhin genau beobachtet. Im Februar 2016 führte das Komitee gegen Folter des Europarats eine Mission in die Republiken Dagestan und Kabardino-Balkarien durch. Auch Vertreter des russischen präsidentiellen Menschenrechtrats bereisten im Juni 2016 den Nordkaukasus und trafen sich mit den einzelnen Republiksoberhäuptern, wobei ein Treffen mit Ramzan Kadyrow abgesagt wurde, nachdem die tschetschenischen Behörden gegen die Teilnahme des Leiters des Komitees gegen Folter Igor Kaljapin protestiert hatten (ÖB Moskau 12.2017).
Der konsultative "Rat zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte" beim russischen Präsidenten unter dem Vorsitz von M. Fedotow übt auch öffentlich Kritik an Menschenrechtsproblemen und setzt sich für Einzelfälle ein. Der Einfluss des Rats ist allerdings begrenzt (AA 21.5.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425086.html , Zugriff 8.8.2018
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html , Zugriff 8.8.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichtestaat/# c17836, Zugriff 8.8.2018
- ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind verfassungsrechtlich garantiert, werden durch die Exekutive jedoch in der Praxis häufig eingeschränkt oder nur selektiv gewährt (AA 21.5.2018, vgl. AI 22.2.2018, US DOS 20.4.2018). Opposition und kritische Vertreter der Zivilgesellschaft müssen bei Versammlungen mit erheblichen Restriktionen rechnen, während linientreue Gruppen Unterstützung erhalten (AA 21.5.2018).
Auf Basis der Verschärfung des Versammlungsrechts 2012 werden öffentliche Kundgebungen bzw. Proteste von oppositionellen Gruppen häufig verboten. Im August 2014 wurden die im Versammlungsgesetz vorgesehenen Geldstrafen weiter erhöht und wiederholte Verletzungen des Gesetzes als strafrechtliches Vergehen eingestuft, mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Haft. Wenn es den Organisatoren von regierungskritischen Kundgebungen dennoch gelingt, eine Genehmigung für die Veranstaltungen zu erlangen, so müssen sie diese mitunter in den Randbezirken bzw. in Vorstädten von Moskau durchführen.
Mit derartigen Problemen war beispielsweise der Oppositionsaktivist Alexej Nawalny konfrontiert, der im Jahresverlauf 2017 mehrere landesweite Proteste gegen die grassierende Korruption im Land orchestrierte (ÖB Moskau 12.2017). 2017 gab es im ganzen Land so viele Protestkundgebungen wie seit Jahren nicht mehr. Hunderte friedlich Demonstrierende, Passanten und Journalisten wurden festgenommen.
Viele von ihnen erfuhren grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Sie wurden über lange Zeiträume willkürlich in Haft gehalten und in unfairen Verfahren zu hohen Geldstrafen oder mehrtägiger Verwaltungshaft verurteilt. Im März 2017 kam es in mindestens 97 Städten zu Protesten gegen Korruption. Vielerorts löste die Polizei friedliche Kundgebungen mit exzessiver und unnötiger Gewalt auf. Mehr als 1.600 Personen wurden festgenommen, unter ihnen mindestens 14 Journalisten, die über die Proteste berichtet hatten (AI 22.2.2018, vgl. FH 1.2018). An den größten Protestkundgebungen nahmen viele Schüler und Studierende teil. Um sie unter Druck zu setzen, sprachen Lehrkräfte an Schulen und Universitäten auf Anweisung der Behörden informell Warnungen aus und drohten ihnen mit Ausschluss vom Unterricht (AI 22.2.2018, vgl. HRW 18.1.2018). In einigen Fällen, in denen die Protestierenden minderjährig waren, drohten die Behörden damit, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen (AI 22.2.2018).
In Bezug auf die Vereinigungsfreiheit ist zu sagen, dass öffentliche Organisationen ihre Statuten und die Namen der Leiter beim Justizministerium registrieren müssen. Die Finanzen der registrierten Organisationen werden von den Steuerbehörden überprüft und ausländische Gelder müssen registriert werden [bez. Organisationen siehe auch Kapitel 8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten] (US DOS 20.4.2018).
Oppositionelle Politiker und Aktivisten waren weiter Ziel von fabrizierten Kriminalfällen und anderen Formen von behördlichen Schikanen, die offensichtlich dazu dienten, die Teilnahme am politischen Prozess zu verhindern. Der Oppositionelle Alexej Nawalny wurde im Jahr 2017 mehrmals aus unterschiedlichen Gründen inhaftiert und von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen. Behörden schikanierten seine Unterstützer, indem sie verhaftet wurden (FH 1.2018) oder seine Kampagnen-Büros, die er im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in ganz Russland eröffnet hatte, durchsuchten und Materialien konfiszierten (HRW 18.1.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation,https://www.ecoi.net/de/dokument/1425086.html , Zugriff 17.8.2018
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia,https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html , Zugriff 17.8.2018
- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422501.html , Zugriff 17.8.2018
- ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation
- US DOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices for 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430116.html , Zugriff 17.8.2018
Haftbedingungen
Die Bedingungen in den Haftanstalten haben sich seit Ende der 90er Jahre langsam aber kontinuierlich verbessert. Die Haftbedingungen entsprechen aber zum Teil noch immer nicht den allgemein anerkannten Mindeststandards. In dem Piloturteil-Verfahren des EGMR zum Fall Ananyev und andere v. Russland hat das Gericht festgestellt, dass die Bedingungen in den Untersuchungsgefängnissen (russ. SIZO) einer unmenschlichen und erniedrigen Behandlung gemäß Art. 3 EMRK entsprechen, und das Problem systemischer Natur ist (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018). 2012 legte Russland einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Probleme im Strafvollzug vor, der vom Ministerkomitee des Europarates positiv aufgenommen wurde. Konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation, insbesondere in den Untersuchungsgefängnissen, werden jedoch nur schleppend umgesetzt. Im März 2017 veröffentlichte die Föderale Strafvollzugsbehörde (FSIN) einen
Bericht, laut welchem die Zahl der Selbstmorde und der Erkrankungen mit direkter Todesfolge auf Grund verbesserter Bedingungen im Jahr 2016 um 12 bzw. 13% gesunken ist, Menschenrechtsverteidiger äußerten jedoch Zweifel an diesen Zahlen (ÖB Moskau 12.2017). Die häufigsten Vorwürfe betrafen die schlechten hygienischen Zustände, den Mangel an medizinischer Betreuung, den akuten Platzmangel (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018, FH 1.2018) und Misshandlungen durch Aufsichtspersonen (FH 1.2018, vgl. US DOS 20.4.2018). Amnesty International übte Kritik an der häufig vorkommenden Verbringung von Häftlingen in weit entfernte Strafkolonien unter dürftigen Transportbedingungen (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AI 22.2.2018). Zum Jahresende 2017 waren laut offiziellen Daten etwas über 600.000 Personen in Haft. Die Anzahl an inhaftierten Personen erreichte bereits im Jänner 2017 einen historischen Tiefstand. Derzeit nimmt Russland weltweit den vierten Platz der größten Häftlingspopulationen ein (nach den USA, China und Brasilien). Dies entspricht einer Quote von 420 pro 100.000 Einwohner (Platz 15 weltweit) (ÖB Moskau 12.2017). Die Regierung ist bestrebt, die Zahl der Gefängnisinsassen noch weiter zu verringern. So gibt es Ansätze, vermehrt alternative Sanktionen (wie beispielsweise im Bereich der Drogendelikte ein Gesetzentwurf zu freiwilliger Entziehungstherapie oder Arbeitseinsatz statt Freiheitsstrafe) zu verhängen, um die Anzahl der Strafgefangenen zu verringern. Die Lage in den Strafkolonien ist sehr unterschiedlich; sie reicht von Strafkolonien mit annehmbaren Haftbedingungen bis zu solchen, die laut NGOs als "Folterkolonien" berüchtigt seien. Hauptprobleme sind Überbelegung (in Moskau, weniger in den Regionen), qualitativ schlechtes Essen und veraltete Anlagen mit den einhergehenden hygienischen Problemen. Bausubstanz und sanitäre Bedingungen in den russischen Haftanstalten entsprechen nicht westeuropäischen Standards. Die Unterbringung der Häftlinge erfolgt oft in Schlafsälen von über 40 Personen und ist häufig sehr schlecht. Duschen ist in der Regel nur einmal wöchentlich möglich. In den Strafkolonien schützt die Unterbringung in Gruppen den einzelnen Häftling am ehesten vor schikanöser Behandlung durch das Gefängnispersonal. Laut Menschenrechtsorganisationen kann jedoch in allen Strafkolonien gegen Häftlinge, denen Verstöße gegen die Anstaltsregeln vorgeworfen werden, sogenannte Strafisolierhaft (Schiso) angeordnet werden. Häftlinge sind in dieser Isolationshaft oft besonders üblen
Haftbedingungen und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. Die medizinische Versorgung ist ebenfalls unbefriedigend. Ein Großteil der Häftlinge bedarf medizinischer Versorgung. Sowohl von TBC- als auch HIV-Infektionen in bemerkenswertem Umfang wird berichtet. Problematisch ist ebenso die Zahl der drogenabhängigen oder psychisch kranken Inhaftierten. Todesfälle wegen unterlassener medizinischer Hilfeleistung sollen vorkommen. Die Haftbedingungen in den Untersuchungshaftanstalten sind laut NGOs deutlich besser als in den Strafkolonien (qualitativ besseres Essen, frische Luft, wenig Foltervorwürfe). Hauptproblem ist u.a. die Überbelegung. Trotz rechtlich vorgesehener Höchstdauer stellten die Gerichte Notwendigkeit und Dauer der U-Haft nicht in Frage und verlängerten die Haft in Einzelfällen über Jahre (AA 21.5.2018). Im Allgemeinen sind die Haftbedingungen von Frauengefängnissen besser als in Männergefängnissen, aber auch diese sind unzulänglich. Es gibt 13 Einrichtungen, in denen auch Kleinkinder von Insassinnen leben können (US DOS 20.4.2018). Russland erweiterte Anfang 2017 seinen Strafkatalog: Künftig können Richter bei einigen Vergehen statt einer Haftstrafe Zwangsarbeit anordnen. Die russische Gefängnisbehörde FSIN eröffnet im Januar vier "Besserungszentren" - in Sibirien, Russlands Fernost, im Kaukasus und im Wolgagebiet - und sieben Aufnahmepunkte für Zwangsarbeiter. Insgesamt bieten sie zunächst einmal 900 Verurteilten Platz. Im Gegensatz zur Haftstrafe seien die Täter "nicht von der Gesellschaft isoliert", betonte der Vizedirektor der FSIN Waleri Maximenko. Sie könnten Telefon und Internet benutzen, einen Teil des verdienten Geldes behalten, einen normalen Arzt aufsuchen und nach Verbüßung von einem Drittel der Strafe auch außerhalb der Zentren mit ihren Familien zusammenleben - vorausgesetzt, sie verstoßen weder gegen ihre Arbeitspflicht noch gegen andere Auflagen: Der Konsum von Alkohol und Drogen zieht die Umwandlung der Zwangsarbeit in Haft nach sich (Handelsblatt 2.1.2017; vgl. auch Standard.at 10.1.2017).
Laut Berichten einzelner NGOs müssen Nordkaukasier in Haftanstalten außerhalb des Nordkaukasus mit Diskriminierung rechnen, was sich zum einen aus einer grundsätzlich negativen Einstellung gegenüber Nordkaukasiern speist, zum anderen darin begründet ist, dass russische Veteranen des Tschetschenienkrieges überproportional im Strafvollzug beschäftigt sind. In den Fällen, in denen die Strafverfolgung nicht sachfremd motiviert ist, oder die Sicherheitsbehörden kein besonderes Interesse haben, d.h. im Bereich "normaler" Kriminalität, kann davon ausgegangen werden, dass Strafverfahren in nordkaukasischen Regionen mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung (Karatschai-Tscherkessien, Kabardino-Balkarien, Inguschetien, Tschetschenien, Dagestan) ähnlich wie im Rest der Republik verlaufen. Für muslimische Inhaftierte gestalten sich die Haftbedingungen besser als im Durchschnitt Russlands, die Möglichkeit zur freien Religionsausübung ist für Muslime im Gegensatz zum (christlichen) Rest der Russischen Föderation gewährleistet. Zudem gelten
die materiellen Bedingungen in den offiziellen Haftanstalten in Tschetschenien i. d. R. als besser als in vielen sonstigen russischen Haftanstalten. Für tschetschenische Straftäter, an denen die Sicherheitsbehörden kein besonderes "sachfremdes" Interesse haben, dürften sich ein Gerichtsstand und eine Haftverbüßung in Tschetschenien i.d.R. eher günstig auswirken, da sie neben den besseren materiellen Bedingungen auch auf den Schutz der in Tschetschenien prägenden Clanstrukturen setzen können. Dementsprechend haben tschetschenische Straftäter in der Vergangenheit wiederholt ihre Überstellung nach Tschetschenien betrieben (AA 21.5.2018).
Die öffentlichen Aufsichtskommissionen, die der unabhängigen Überwachung der Haftanstalten dienten, verloren weiter an Bedeutung und erzielten kaum Wirkung, nicht zuletzt wegen ihrer chronischen Unterfinanzierung. Die Mitglieder der Kommissionen wurden von öffentlichen Kammern ernannt, bei denen es sich um beratende Gremien handelte, die sich aus staatlich ausgewählten Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen zusammensetzten. Eine Änderung der Ernennungsregeln führte dazu, dass einige Aufsichtskommissionen weniger Mitglieder umfassten. Dies wirkte sich zum Teil auf die Unabhängigkeit der Kommissionen aus, weil bestimmte Menschenrechtsverteidiger faktisch von einer Mitwirkung ausgeschlossen waren. Es gab Berichte, wonach Mitgliedern der öffentlichen Aufsichtskommissionen und des Menschenrechtsrats des Präsidenten sowie anderen unabhängigen Beobachtern der Zugang zu Strafkolonien von der jeweiligen Gefängnisverwaltung willkürlich verweigert wurde (AI 22.2.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425086.html , Zugriff 21.8.2018
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html , Zugriff 21.8.2018
- Handelsblatt (2.1.2017): Zwangsarbeit statt Knast, http://www.handelsblatt.com/politik/international/russlands-neuer-strafenkatalogzwangsarbeitstatt-knast/19195230.html , Zugriff 4.7.2017
- ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation
- Standard.at (10.1.2017): Zwangsarbeit statt Haft in Russland, http://derstandard.at/2000050437057/Zwangsarbeit-statt-Knast-in-Russland , Zugriff 4.7.2017
- US DOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices for 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430116.html , Zugriff 17.8.2018
Todesstrafe
Das Strafgesetzbuch sieht seit 1997 für schwere Kapitalverbrechen die Todesstrafe vor. Seit 1996 gilt jedoch ein Moratorium des Staatspräsidenten gegen die Verhängung der Todesstrafe. Der Verpflichtung, bis spätestens 1999 dem 6. Protokoll zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe beizutreten, ist Russland bisher nicht nachgekommen. Die Bevölkerung ist Befragungen zufolge mehrheitlich für die Beibehaltung der Todesstrafe. Im Hinblick auf die Europaratsmitgliedschaft hat das russische Verfassungsgericht trotz des deiure- Fortbestehens der Todesstrafe bereits 1999 entschieden und 2009 bestätigt, dass die Todesstrafe in Russland auch weiterhin nicht verhängt werden darf; man kann somit von einer de facto-Abschaffung der Todesstrafe sprechen. Die letzte Hinrichtung fand am 2. September 1996 statt (AA 21.5.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
...
Rückkehr
Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme. Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation mussten sich bislang alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln.
2016 wurde der FMS allerdings aufgelöst und die entsprechenden Kompetenzen in das Innenministerium verlagert. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden (ÖB Moskau 12.2017).
Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands hohe Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können (ÖB Moskau 12.2017).
Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können somit nicht als spezifisches Problem von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem Nordkaukasus, zu deren Bewältigung zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützend tätig sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt. Aus gut informierten Kreisen war jedoch zu erfahren, dass Rückkehrer gewöhnlich mit keinerlei Diskriminierung seitens der Behörden konfrontiert sind (ÖB Moskau 12.2017).
Die Stellung eines Asylantrags im Ausland führt nicht prinzipiell zu einer Verfolgung. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 21.5.2018). Rückkehrende zählen nicht automatisch zu den schutzbedürftigen Personenkreisen. Wie alle russischen Staatsangehörige können sie ebenfalls durch das Wohlfahrtssystem Leistungen erhalten. Mikrokredite für Kleinunternehmen können bei Banken beantragt werden (der Zinsatz liegt bei mindestens 10,6%). Einige Regionen bieten über ein Auswahlverfahren spezielle Zuschüsse zur Förderung von Unternehmensgründung an (IOM 2017).
- Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
- IOM - International Organisation of Migration (2017):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
- ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation
(...)
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Fluchtvorbringen:
Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner legalen Einreise und seinem legalen Aufenthalt in Österreich nach dem NAG ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes sowie einer Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister. Seine Identität steht aufgrund des im Original in Vorlage gebrachten (abgelaufenen) russischen Reisedokumentes fest.
Was die konkreten fluchtauslösenden Umstände anbelangt, erstattete der Beschwerdeführer im Zuge des gesamten Verfahrens widerspruchsfreie Angaben. Das gegen seine Peron in der Russischen Föderation geführte Strafverfahren sowie die in diesem Zusammenhang durch seinen Herkunftsstaat gestellten Auslieferungs- und Rechtshilfeersuchen ergeben sich aus dem unstrittigen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes. Die seitens des Landesgerichts XXXX festgestellte Unzulässigkeit der Auslieferung des Beschwerdeführers an die Behörden seines Herkunftsstaates und die diesbezüglichen Gründe ergeben sich aus der im Akt einliegenden Ausfertigung des Gerichtsbeschlusses vom XXXX .
Die rechtskräftige Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer sowie die diesbezüglichen Gründe lassen sich dem angefochtenen Bescheid entnehmen, dessen Spruchteile II. und III. mit insofern ungenutztem Ablauf der Beschwerdefrist in Rechtskraft erwachsen sind.
2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die unter Pkt. II.1.2. angeführten Länderfeststellungen sind wortident mit jenen, die bereits im angefochtenen Bescheid enthalten - und damit beiden Verfahrensparteien bekannt - sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Das Verwaltungsgericht hat, wenn es "in der Sache selbst" entscheidet, nicht nur über die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde zu entscheiden, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde entschieden wurde. Dabei hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung in der Regel an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076; 18.2.2015, Ra 2015/04/0007; 25.7.2019, Ra 2018/22/0270).
Zu A) 3.2. Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt der dem § 3 AsylG 2005 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (in der Fassung des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21. 12. 2000, 2000/01/0131; 19. 4. 2001, 99/20/0273).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2018/20/0307, mwN). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Fremde bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Fremde im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. - im vorliegenden Fall - des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2017/01/0203; 27.6.2019, Ra 2018/14/0274, mwN).
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn ein Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (vgl. VwGH 19.3.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.5.1998, 97/13/0051).
3.2.2. Im Falle der Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Strafjustiz im Herkunftsstaat bedarf es einer Abgrenzung zwischen der legitimen Strafverfolgung ("prosecution") einerseits und der Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ("persecution") andererseits (VwGH 27.5.2015, Ra 2014/18/0133).
Fallgegenständlich ist zunächst festzuhalten, dass die von der Russischen Föderation mit Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft aus XXXX begehrte Auslieferung des Beschwerdeführers, welchem vorgeworfen wird, im Herkunftsstaat insbesondere das Verbrechen der Aneignung oder Unterschlagung nach Art. 160 des russischen Strafgesetzbuchs begangen zu haben, mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX für unzulässig erklärt worden war.
Gemäß § 19 Abs. 1 ARHG ist eine Auslieferung unzulässig, wenn zu besorgen ist, dass (1.) das Strafverfahren im ersuchenden Staat den Grundsätzen der Art. 3 und 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, nicht entsprechen werde oder nicht entsprochen habe, (2.) die im ersuchenden Staat verhängte oder zu erwartende Strafe oder vorbeugende Maßnahme in einer den Erfordernissen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, nicht entsprechenden Weise vollstreckt werden würde, oder (3.) die auszuliefernde Person im ersuchenden Staat wegen ihrer Abstammung, Rasse, Religion, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volks- oder Gesellschaftsgruppe, ihrer Staatsangehörigkeit oder wegen ihrer politischen Anschauungen einer Verfolgung ausgesetzt wäre oder aus einem dieser Gründe andere schwerwiegende Nachteile zu erwarten hätte (Auslieferungsasyl).
Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seiner Entscheidung vom 10.04.2019, Zl. Ro 2018/18/0005, fest, dass die Asyl- und Fremdenbehörden in der Beurteilung der Abschiebemöglichkeit eines Fremden nach Abschluss des Auslieferungsverfahrens an die Entscheidung des Auslieferungsgerichts nicht gebunden sind. Sie haben jedoch bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Abschiebung auf die Entscheidung des Auslieferungsgerichts Bedacht zu nehmen, und zwar insbesondere dann, wenn das Auslieferungsgericht dasselbe Prüfkalkül (etwa eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK) angewandt hat. In diesen Fällen müssten die Asylbehörden unter Einbeziehung der Erwägungen des Auslieferungsgerichts nachvollziehbar darlegen, weshalb dem Betroffenen eine von den Asylbehörden wahrzunehmende Missachtung von Menschenrechten im Falle der Abschiebung nicht droht.
3.2.3. Der Begründung der Auslieferungsentscheidung des Landesgerichts XXXX lässt sich zwar nicht konkret entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung (asylrelevant) verfolgt werden würde, jedoch führt die Begründung des Landesgerichts klar aus, dass offenbar ein enger politischer Zusammenhang zwischen dem gegen den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat anhängigen Strafverfahren und politischen Vorgängen bestehe, weshalb zu besorgen sei, dass das im Herkunftsstaat gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren (auch) politisch motiviert sein könne, was wiederum ein dem Art. 6 EMRK nicht entsprechendes Strafverfahren besorgen lasse (siehe dazu den Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX , Seite 6). Anders als im dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.04.2019 zugrundeliegenden Verfahren lässt sich demnach als Grund für die (negative) Auslieferungsentscheidung eine mögliche (auch) politisch motivierte strafrechtliche Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat erkennen.
Einer allfälligen strafrechtlichen Verfolgung wäre der Charakter einer asylrelevanten Verfolgung aus Konventionsgründen (hier aufgrund der politisch motivierten Druckausübung) nur dann genommen, wenn die Durchführung des (polizei)behördlichen Ermittlungsverfahrens bzw. eines allfälligen behördlichen oder gerichtlichen Strafverfahrens nach rechtsstaatlichen Prinzipien gewährleistet wäre, weil erst dadurch der Aspekt einer mit Konventionsgründen im Zusammenhang stehenden Verfolgung derart in den Hintergrund treten würde, dass von asylrelevanter Verfolgung nicht mehr die Rede sein könnte (vgl. VwGH 26.6.1995, Zl. 95/20/0028; 14.10.1998, 98/01/0259).
Vor dem Hintergrund der Erwägungen im Beschluss des Landesgerichts XXXX , welches eine Auslieferung des Beschwerdeführers gerade aufgrund einer möglichen (auch) politischen Motivation des gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahrens sowie einer in diesem Zusammenhang zu besorgenden Führung eines den Grundsätzen des Art. 6 EMRK nicht entsprechenden Strafverfahrens als unzulässig erachtete und an deren Richtigkeit und Aktualität im nunmehrigen Verfahren keine Zweifel zu Tage getreten sind, war dem Beschwerdeführer in Stattgabe der Beschwerde der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.
Zusätzlich ist festzuhalten, dass die belangte Behörde die in Rechtskraft erwachsene Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer und sohin die Unzulässigkeit seiner Abschiebung in die Russische Föderation darauf stützte, "dass im Entscheidungszeitpunkt [eine] Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für [den Beschwerdeführer] als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen könnte." (vgl. Seite 14 des angefochtenen Bescheides). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass aus dem erwähnten Beschluss des Landesgerichts XXXX die "Möglichkeit" einer politischen Motivation der Auslieferung hervorginge, der vom Beschwerdeführer behauptete Fluchtgrund jedoch nicht eindeutig belegt worden wäre. Hierzu ist festzuhalten, dass die Behörde jedoch durch die erfolgte Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "die reale Gefahr" einer dem Beschwerdeführer drohenden Verletzung in den relevanten Grundrechten festgestellt und zur diesbezüglichen Begründung keinen anderen Sachverhalt, als eben die in der Auslieferungsentscheidung genannte "mögliche" politische Motivation der Strafverfolgung benannt hat.
Aufgrund der rechtskräftigen Feststellung eines Abschiebehindernisses durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, als dessen Grund der angefochtene Bescheid keinen anderen als eine mögliche politische Motivation des gegen ihn geführten Strafverfahrens ersichtlich macht, muss demnach konsequenterweise auch das für die Asylgewährung erforderliche Wahrscheinlichkeitsmaß und der Zusammenhang zu dem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Motiv der "politischen Gesinnung" als gegeben erachtet werden.
3.2.4. Da dem Beschwerdeführer die dargestellte Gefährdungslage landesweit droht, kommt eine innerstaatliche Fluchtalternative für ihn nicht in Betracht. Im Übrigen schließt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits die erfolgte Zuerkennung subsidiären Schutzes den Verweis auf eine innerstaatliche Schutzalternative aus (vgl. VwGH 25.3.2015, Ra 2014/18/0168; 26.9.2015, Ra 2014/18/0070, ua).
3.2.5. Der Beschwerdeführer konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat (zumindest) aufgrund seiner ihm unterstellten politischen Gesinnung Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Im Zuge des Verfahrens kamen keine Hinweise hervor, wonach einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnte.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Beschwerde ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Grundlegend sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0391, mwN).
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, sind die genannten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist (der angefochtene Bescheid wurde im August 2019 erlassen, wobei sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes keine Hinweise auf eine Änderung der entscheidungsmaßgeblichen Situation ergeben). Die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestätigt, wobei das Anführen weiterer - das Gesamtbild lediglich abrundender, für die Beurteilung jedoch nicht ausschlaggebender - Argumente in diesem Zusammenhang nicht schadet (vgl. VwGH 18.6.2014, 2014/20/0002-7). Fallgegenständlich wurde auf Basis des von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhaltes lediglich eine andere rechtliche Schlussfolgerung getroffen, sodass eine weitere mündliche Erörterung von Sachverhaltsfragen nicht erforderlich gewesen ist.
Im gegenständlichen Verfahren konnte somit die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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