BVwG W102 2149325-2

BVwGW102 2149325-219.12.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W102.2149325.2.00

 

Spruch:

W102 2149325-2/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andrä über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, §§ 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Erstes Verfahren:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und Volkszugehörigkeit der Hazara, reiste spätestens am 24.07.2015 illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz vor Beamten der Landespolizeidirektion Steiermark, PI Spielfeld AGM.

 

2. Im Verlauf seiner Erstbefragung am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Er stamme aus dem Ort XXXX im Distrikt Jaghuri in der Provinz Ghazni in Afghanistan und habe sein Heimatland vor drei Jahren verlassen und seitdem illegal im Iran gelebt. In den letzten drei Jahren habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet. Vor etwa einem Monat habe er den Iran verlassen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer an, dass er wegen des Bürgerkriegs aus Afghanistan habe flüchten müssen und die Taliban und der IS Jagd auf Schiiten machen würden. Aus dem Iran habe er flüchten müssen, weil er der Gewalt durch die Polizei ausgesetzt gewesen sei. Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er um sein Leben. Auf die Frage, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe bzw. ob er im Falle der Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, antwortete er mit "Der Bürgerkrieg in Afghanistan."

 

3. Am 31.07.2015 gab der Beschwerdeführer seiner Rechtsberaterin gegenüber an, nicht am XXXX geboren zu sein, sondern bereits 24 Jahre alt zu sein. Außerdem sei sein Name XXXX .

 

4. Am 11.11.2016 erfolgte die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines Dolmetschers, ua. für die Sprache Farsi.

 

Die Niederschrift der Einvernahme lautet auszugsweise:

 

"LA: Sie haben in Ihrem Verfahren bis jetzt immer der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

 

VP: Ja.

 

LA: Es wurde bei der Erstbefragung alles richtig protokolliert und dies rückübersetzt?

 

VP: Der erste Fehler ist, dass ich drei Monate im Iran lebte, und es wurden drei Jahre protokolliert. Mein Geburtsort wurde nicht richtig aufgeschrieben [ ], es ist XXXX . Außer diesen Fehlern passt alles.

 

LA: Sie haben in der Erstbefragung über den Bürgerkrieg erzählt. Wann war dieser Bürgerkrieg?

 

VP: Das war Ende 2016. Oder Ende 2015.

 

LA: Wann sind Sie ausgereist aus Afghanistan?

 

VP: Nicht letztes Jahr, sondern noch ein Jahr vorher.

 

LA: Im Jahr 2014?

 

VP: Drei Monate war ich im Iran und vorher in Afghanistan.

 

LA: Welches Jahr war das?

 

VP: Ich war 16 Jahre alt.

 

Anmerkung: Der AW kann auch nach längerem Überlegen kein genaues Datum sagen.

 

LA: Sie sind also mit 16 Jahren aus Afghanistan ausgereist?

 

VP: Ja.

 

LA: Wann waren Sie im Iran?

 

VP: Im ersten und zweiten und dritten Monat war ich im Iran.

 

LA: Sie sind also am 01.01.2014 16 Jahre alt geworden und waren vom Jänner bis zum April im Iran?

 

VP: Ja.

 

LA: Und der von Ihnen angegebene Bürgerkrieg war im Jahr 2015?

 

VP: Es gab keinen Bürgerkrieg, ich wurde von den Taliban bedroht. Ich habe in einer Klinik gearbeitet.

 

LA: In der Erstbefragung gaben Sie aber den Bürgerkrieg als Auslöser für Ihre Ausreise an?

 

VP: Es gab einen Bürgerkrieg in Afghanistan, aber ich wurde von den Taliban bedroht.

 

LA: Sie haben gerade gesagt, dass Sie mit 16 Jahren aus Afghanistan ausreisen mussten, dann haben Sie zu Protokoll gegeben, dass Sie in den ersten 3 Monaten nachdem Sie 16 Jahre alt geworden sind, im Iran lebten. Somit mussten sie aus dem Iran nach Europa ausgereist sein, stimmt das?

 

VP: Ja.

 

LA: Somit sind Sie nicht mit 16 Jahren aus Afghanistan ausgereist?

 

VP: Ich war 16 Jahre alt, als ich Afghanistan verließ und im Iran war ich 17 Jahre alt.

 

Anmerkung: Ich mache Sie noch einmal aufmerksam auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung.

 

LA: Wie lange waren Sie im Iran?

 

VP: Drei Monate.

 

LA: Wie war Ihre letzte Adresse in Afghanistan?

 

VP: XXXX

 

LA: Wohnt Ihre Familie noch in Afghanistan?

 

VP: Mein Onkel väterlicherseits.

 

LA: Sonst noch wer?

 

VP: Nein.

 

LA: Wo leben Vater und Mutter?

 

VP: Beide verstorben.

 

LA: Sind Sie bei dem Onkel aufgewachsen?

 

VP: Ja.

 

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihren Onkel?

 

VP: Nein. Ich hatte mit dem Onkel eine gute Beziehung, aber mit seiner Frau nicht.

 

LA: Wie viel hat die Ausreise gekostet?

 

VP: 7000 US Dollar.

 

LA: Woher haben Sie das Geld?

 

VP: Mein Onkel hat meine Grundstücke verkauft und das Geld mir gegeben.

 

LA: Sie hatten eigene Grundstücke?

 

VP: Ja.

 

LA: Was haben Sie dort gearbeitet?

 

VP: Drei Jahre habe ich in der Klinik gearbeitet, ich habe dort geputzt und Tee gekocht.

 

LA: Welche Klinik und wo?

 

VP: Diese hat keinen Namen, das war die XXXX Klinik. In XXXX .

 

LA: Wie lange haben Sie gebraucht um das Geld für die Ausreise zu beschaffen?

 

VP: Ca. 1 Monat.

 

LA: Haben Sie die Grundstücke von den Eltern geerbt?

 

VP: Ja.

 

LA: Gibt es sonst noch Verwandte in Ihrem Dorf?

 

VP: Nein.

 

LA: Nur den Onkel?

 

VP: Ja.

 

LA: Warum sind Sie in den Iran gegangen?

 

VP: Weil ich in der Klinik gearbeitet habe, wollten die Taliban mich umbringen.

 

LA: Gibt es die Klinik noch?

 

VP: Ja.

 

LA: Warum sollten die Taliban die Gesundheitsversorgung in Ihrem Gebiet bekämpfen?

 

VP: Sie haben und bedroht und gesagt, falls jemand mit der Regierung zusammenarbeitet oder in der Schule arbeitet, den bringen wir um.

 

LA: Sie arbeiteten aber nicht in der Schule oder für die Regierung sondern in einem Krankenhaus?

 

VP: Ja, ich habe in der Klinik gearbeitet.

 

LA: Wurden nur Sie dort bedroht im Krankenhaus?

 

VP. Nein.

 

LA: Wer noch?

 

VP: Alle.

 

LA: Aber nur Sie sind ausgereist?

 

VP: Ja.

 

LA: Und das Krankenhaus mit all den Ärzten und Pflegern, Angestellten gibt es noch dort?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Sie haben doch gerade gesagt, dass es das Krankenhaus noch gibt?

 

VP: Das Krankenhaus gibt es noch, aber die Mitarbeiter weiß ich nicht.

 

LA: Warum sollten die Taliban die Gesundheitsversorgung in Ihrem Gebiet bekämpfen?

 

VP: Wir sind mit den Paschtunen Nachbarn und waren von den Taliban bedroht. Die Taliban sagten uns, falls wir mit der Regierung arbeiten, bringen uns die Taliban um.

 

LA: Haben Sie mit der Regierung zusammengearbeitet?

 

VP: Ich habe mit der Regierung gearbeitet.

 

LA: Ich dachte, Sie waren im Krankenhaus für Hilfsleistungen (Reinigung, Teekochen) beschäftigt? Was ist jetzt mit der Regierung?

 

VP: Wir haben unseren Lohn von der Regierung erhalten.

 

LA: Wohnten Sie in einem Haus, oder in einer Wohnung?

 

VP: Bei dem Onkel im Haus.

 

LA: Wem gehört dieses Haus/Wohnung momentan?

 

VP: Das hat mir und meinem Onkel gehört.

 

LA: Und Sie haben die Anteile des Hauses für die Ausreise dem Onkel verkauft?

 

VP: Ja.

 

LA: Wer wohnte noch in diesem Haus?

 

VP: Mein Onkel, die Frau und seine vier Kinder und Ich.

 

LA: Wie war das Verhältnis zur Frau des Onkels?

 

VP: Schlecht.

 

LA: Warum?

 

VP: Sie hat mich geschlagen und gesagt, dass ich die Hausarbeit auch machen muss.

 

LA: Deshalb haben Sie das Haus verkauft und sind weggezogen?

 

VP: Nein, nur wegen der Taliban.

 

LA: Das Krankenhaus ist noch in Betrieb oder?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Nach den allgemeinen Fragen zu Ihren persönlichen Umständen werde ich Sie nun jetzt zu Ihrem Fluchtgrund befragen.

 

LA: Was waren alle Ihre genauen zeitlich, aktuellen und konkreten Gründe, dass Sie Afghanistan verlassen mussten und auch nicht nach Afghanistan zurück können. Bitte schildern Sie nur die Fluchtgründe im Detail?

 

VP: [ ] Ich habe drei Jahre in dieser Klinik gearbeitet. Nach der Bedrohung durch die Taliban habe ich die Grundstücke und das Haus verkauft und Afghanistan verlassen. [ ]

 

LA: Wie wurden Sie bedroht?

 

VP: Ein Arzt des Krankenhauses hat mir gesagt, dass ich Medikamente in ein anderes Dorf XXXX bringen soll. Dann kam ich zurück. Durch diese Bedrohung habe ich mein Haus und mein Grundstück verkauft und Afghanistan verlassen.

 

LA: Wie und durch wen wurden Sie bedroht?

 

VP: Ein Brief wurde von den Taliban in diese Klinik geschickt. Durch diesen Brief wurde ich bedroht.

 

LA: Wo ist der Brief?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Was stand in dem Brief?

 

VP: Auf dem Brief stand, wenn jemand mit der Regierung arbeitet und wir ihn finden, dann bringen wir ihn um.

 

LA: An wen war der Brief adressiert?

 

VP: An die XXXX Leute.

 

LA: An alle in dem Dorf?

 

VP: Nur für Regierungsmitarbeiter.

 

LA: Und Sie waren ein Regierungsmitarbeiter?

 

VP: Ja, ich war Mitarbeiter in dieser Klinik.

 

LA: Wurden Sie persönlich von den Taliban bedroht oder nur per Brief?

 

VP: Nein, nur durch diesen Brief.

 

LA: Warum glauben sie dass die Taliban die Reinigungskräfte eines Krankenhauses bedrohen?

 

VP: Wenn jemand mit der Regierung zusammenarbeitet den bringen die Taliban um.

 

LA: Warum sollten die Taliban funktionierende Krankenhäuser bedrohen?

 

VP: Sie bedrohen die Leute, die mit der Regierung zusammenarbeiten, überall waren Taliban.

 

LA: Persönlich wurden Sie aber nicht bedroht?

 

VP: Ja, ich bin bedroht worden.

 

LA: Wo und wann wurden Sie persönlich bedroht?

 

VP: In diesem Dorf XXXX . Bevor ich Afghanistan verlassen habe.

 

LA: Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie nur per Brief bedroht worden sind?

 

VP: Jetzt wurde ich per Brief und persönlich bedroht. Als ich in XXXX war, haben die Taliban mich dort gesehen.

 

LA: Wer hat Sie gesehen und wie wurden Sie bedroht?

 

VP: Die Taliban und die Paschtunen haben mich dort gesehen und haben gesagt, wenn ich nochmal dorthin komme, dann bringen Sie mich um.

 

LA: War das ein Taliban oder ein Paschtune?

 

VP: Beides.

 

LA: Wie wurden Sie bedroht?

 

VP: Die Kinderlähmungs-Impfbox hatte ich bei mir und sie haben mich erkannt.

 

LA: Konnten Sie die Impfstoffe abliefern?

 

VP: Ich habe nur den Arzt dorthin gebracht.

 

LA: Was ist mit dem Arzt passiert?

 

VP: Ich kam zurück und der Arzt war noch da.

 

LA: Was hat der Arzt dort gemacht?

 

VP: Der Arzt hat die Kinder dort geimpft.

 

LA: Und der Arzt wurde nicht bedroht?

 

VP: Der Arzt wurde auch bedroht. Sie sagten, dass es diesmal kein Problem sei, aber beim nächsten Mal werden wir euch umbringen.

 

LA: Was hat der Arzt dann gemacht?

 

VP: Ich weiß es nicht, ich bin zurück in die Klinik, alleine.

 

LA: Haben Sie den Arzt nicht mehr mitgenommen?

 

VP: Später haben die Dorfbewohner den Arzt zurückgebracht.

 

LA: Die Dorfbewohner haben also dem Arzt geholfen wieder zurück in die Klinik zu kommen?

 

VP: Ja.

 

LA: Hat der Arzt dann die Arbeit wieder aufgenommen im Krankenhaus?

 

VP: Solange ich in Afghanistan war hat er auch dort gearbeitet.

 

LA: Wie lange haben Sie noch in dem Krankenhaus gearbeitet nachdem Sie bedroht wurden?

 

VP: Ich habe dann nicht mehr gearbeitet.

 

LA: Was haben Sie dann gemacht?

 

VP: Ich habe das Haus und die Grundstücke verkauft und bin geflüchtet.

 

LA: Wie lange hat der Hausverkauf gedauert?

 

VP: Ca. 1 Monat.

 

LA: Haben Sie im Krankenhaus gekündigt oder wurden Sie gekündigt?

 

VP: Ich habe gekündigt.

 

LA: Und der Arzt hat nicht gekündigt?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Wie heißt der Arzt?

 

VP: Dr. XXXX

 

Anmerkung: Der AW weiß nur den Vornamen und nicht den genauen Namen.

 

LA: Und Dr. XXXX war bis zu Ihrer Ausreise noch im Krankenhaus?

 

VP: Ja. Er war dort.

 

[ ]

 

LA: Könnten Sie im Fall einer Rückkehr bei Ihrem Onkel wieder unterkommen?

 

VP: Nein.

 

LA: Warum nicht?

 

VP: Ich habe kein Haus und kein Grundstück mehr und die Frau meines Onkels lässt mich nicht mehr in mein Haus.

 

LA: Warum haben Sie wegen der Probleme mit der Frau des Onkels nicht Ihr Haus verkauft und sind mit dem Geld in einen anderen Teil Afghanistans gezogen?

 

VP: Ich habe nicht nur mit der Frau meines Onkels sondern auch mit den Taliban. Egal wo in Afghanistan, wenn Sie mich finden, bringen Sie mich um.

 

LA: Sie wollen mir also ernsthaft erzählen, dass die Taliban nach einer Reinigungskraft in ganz Afghanistan suchen, während der Arzt dort seine Tätigkeit weiter ausführen konnte?

 

VP: Solange ich in Afghanistan war, arbeitet der Arzt in dieser Klinik und jetzt weiß ich nicht. Ich wurde bedroht.

 

Anmerkung: Ich mache Sie noch einmal aufmerksam auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung.

 

Anmerkung: Der AW gibt an, dass es sein kann, dass der Arzt auch schon das Krankenhaus verlassen hat. Diese Vermutung passiert aufgrund der vielen Wiedersprüche in der Einvernahme.

 

[ ]

 

LA: Sind Sie politisch aktiv, gehören Sie irgendeiner politischen Organisation oder Partei an?

 

VP: Nein.

 

LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

 

VP: Hazare.

 

LA: Gab es in Afghanistan eine konkrete, gezielte Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit als Hazare?

 

VP: Nein. Außer dem Vorgebrachten nicht.

 

LA: Ich dachte Sie werden wegen der Arbeit im Krankenhaus verfolgt und nicht wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

 

VP: Ich wurde nicht wegen der Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt.

 

LA: Welcher Religion gehören Sie an?

 

VP: Schiitischer Moslem.

 

LA: Gab es in Afghanistan jemals eine Verfolgung Ihrer Person aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit als Schiitischer Muslim?

 

VP: Nein.

 

LA: Haben, oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme mit afghanischen Behörden, Polizei oder Gerichten?

 

VP: Nein.

 

[ ]

 

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme, mit privaten Personen, Personengruppen, Banden oder kriminellen Organisationen?

 

VP: Nein

 

[ ]

 

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

 

Anmerkung: Nach der Übersetzung gibt der AW an:

 

1. Der AW gab an, dass es niemals einen Bürgerkrieg in meinem Dorf in Afghanistan gab.

 

2. Er hat nicht gesagt, dass er am 01.01.2014 im Iran war, sondern der AW gibt an, am 01.01.2017 im Iran gewesen zu sein. Nachgefragt gibt der AW noch einmal das Jahr 2017 an.

 

3. Er gibt an, dass er 17 Jahre alt im Iran war und nicht wie oben in der Aussage 16 Jahre.

 

Anmerkung: Der AW versucht bei der Übersetzung ständig, die von ihm getätigten Aussagen wegen der offensichtlichen Wiedersprüche auszubessern. Er wird wiederum zum dritten Mal wegen der Wahrheitspflicht belehrt. [ ]"

 

4. Dem Verwaltungsakt liegen weiter bei eine Bestätigung von 08.11.2016 über den Besuch des Beschwerdeführers eines Deutschkurses im Bewohnerservice, zwei Kursbestätigungen über den Besuch der Kurse "Deutsch für Asylwerbende" A1/1 und A1/2 sowie eine Teilnahmebestätigung des Kurses "Deutsch für Asylwerbende – Alphabetisierung".

 

5. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

 

In der Bescheidbegründung traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Beweiswürdigend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Zuge des Verfahrens widersprüchlich dargestellt bzw. seine Fluchtgründe im Verlauf der Befragung gesteigert und erweitert habe. Zum Beispiel habe der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung angegeben, Afghanistan (unter anderem) wegen eines Bürgerkriegs verlassen zu haben. Dieses Vorbringen habe er bei seiner Einvernahme am 11.11.2016 zunächst wiederholt, später in der Einvernahme aber habe er angegeben, dass es keinen Bürgerkrieg in seinem Gebiet gegeben habe und er Afghanistan wegen der Bedrohung durch die Taliban verlassen habe. Zudem sei der Beschwerdeführer zum angegebenen Zeitpunkt des angeblichen Bürgerkriegs im Jahr 2015 bereits im Iran gewesen, sodass er keiner Verfolgung durch einen Bürgerkrieg ausgesetzt gewesen sein konnte. Zum Fluchtgrund der Bedrohung durch die Taliban habe der Beschwerdeführer zunächst angegeben, im Zuge seiner Tätigkeit als Reinigungskraft und Teezubereiter in einem Krankenhaus per Drohbrief bedroht worden zu sein. Dieses Fluchtvorbringen erachtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als nicht glaubwürdig. Einerseits wisse der Beschwerdeführer auf Nachfrage nicht, wo sich dieser Drohbrief befinde. Andererseits seien nach seinen Angaben alle Mitarbeiter des Krankenhauses bedroht worden, aber nur der Beschwerdeführer sei ausgereist. Dass gerade der Beschwerdeführer als Reinigungskraft und Teezubereiter das Krankenhaus verlassen musste, während die Ärzte weiter ihren Dienst versehen konnten, sei nicht nachvollziehbar. Auf die Konfrontation seiner widersprüchlichen Aussagen und aufgrund der mehrmaligen Belehrungen während der Einvernahme habe der Beschwerdeführer einen dritten Fluchtgrund angegeben, nämlich dass er einen Arzt zu einer Impfaktion in ein anderes Dorf gebracht habe und dort von Paschtunen und Taliban mit dem Umbringen bedroht worden sei. Dazu führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach auch der Arzt bedroht worden sei, dieser dann aber mit Hilfe der Dorfbewohner wieder zum Krankenhaus zurückgebracht wurde, nicht nachvollziehbar seien. Zudem habe der Beschwerdeführer insofern widersprüchliche Angaben getätigt, als er zum einen angab, aufgrund einer mitgeführten Impfbox erkannt worden zu sein, andererseits aber auf die Frage, ob er die Impfstoffe abliefern konnte, angab, dass er nur den Arzt hingebracht habe. Aus einer Gesamtschau dieser Aussagen gelangte das Bundesamt für Asyl zu der Auffassung, dass erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bestünden, das dargestellte Vorbringen nicht vollinhaltlich glaubhaft sei und das geschilderte Bedrohungsszenario selbst bei Wahrunterstellung keine Asylrelevanz erreiche. Dem Vorbringen fehle gänzlich das Element der objektivierbaren Furcht vor Verfolgung, dies sei insbesondere daraus ableitbar, dass der Beschwerdeführer nicht überstürzt geflohen sei, sondern noch einen Monat Zeit gehabt habe, seine Grundstücke und sein Haus zu verkaufen.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe, ihm eine Rückkehr in seine Heimatprovinz derzeit zwar schwer möglich sei, ihm mit Kabul jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehe. Im Falle eine Rückkehr würde dem Beschwerdeführer keine Gefahr drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

 

6. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am 02.03.2017 fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang ein und machte als Beschwerdegründe die Verletzung von Verfahrensvorschriften infolge mangelhaftem Ermittlungsverfahren, mangelhafter Länderfeststellungen und mangelhafter Beweiswürdigung sowie die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und äußerte verfassungsrechtliche Bedenken betreffend die zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG.

 

Dabei wurde im Wesentlichen vorgebracht, die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Länderberichte seien teilweise veraltet, unvollständig und für die Beurteilung des konkreten Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers nicht ausreichend. Der Beschwerdeführer habe Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur muslimisch-schiitischen Glaubensgemeinschaft sowie aufgrund seiner politischen Gesinnung, mit den Taliban nicht kooperieren zu wollen, seinen Heimatstaat verlassen. Er sei Hazare und vor allem wegen seiner beruflichen Beschäftigung im Krankenhaus von den Taliban-Milizen bedroht und verfolgt worden. Auch der Onkel des Beschwerdeführers lebe in Furcht vor den Taliban, da er seinem Neffen die Flucht ermöglicht habe. Der Beschwerdeführer habe keine Anknüpfungspunkte mehr an seinen Heimatstaat. Im Falle einer Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer einer erneuten Verfolgung und Bedrohung sowie körperlichen Angriffen durch die Taliban ausgesetzt zu sein. Zudem stehe ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da die Taliban-Milizen gut vernetzt seien und ihn überall – selbst in einer Großstadt wie Kabul – aufspüren könnten. Zum Vorwurf der Unglaubwürdigkeit wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen lebensnah und sehr ausführlich gestaltet habe. Daher hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan asylrelevante Verfolgung drohe, eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht gegeben sei und dem Beschwerdeführer internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 zugesprochen hätte werden müssen. Jedenfalls läge im Fall einer Rückkehr eine Bedrohungssituation im Sinne des § 8 AsylG 2005 vor, wonach dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen hätte werden müssen.

 

Der Beschwerdeführer sei um seine Integration in Österreich sehr bemüht, lerne Deutsch, spiele gerne Fußball und habe sich in seinen unterschiedlichen Unterkünften immer vorbildlich verhalten. Er achte und schätze die österreichische Rechtsordnung und sei strafrechtlich zu keiner Zeit in Erscheinung getreten.

 

7. Am 01.06.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

 

Der Beschwerdeführer legte ein Zertifikat über die Prüfung A1 vor, weiters Teilnahmebestätigungen über "Deutsch für Asylwerbende" A1/2 und A2/1 sowie eine Teilnahmebestätigung der Deutschkurse im Bewohnerservice Gnigl-Schallmoos.

 

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

 

"[ ]

 

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

 

BF: Nein.

 

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

 

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen rudimentärst verstanden und rudimentär auf Deutsch beantwortet hat.

 

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

 

BF: Ja, ich habe A1 bereits abgeschlossen, zur Zeit gehe ich zu einem Sprachkurs der Volkshochschule zweimal wöchentlich. Ich genieße auch einen privaten Unterricht, welche durch eine Österreicherin in ihrem Haus stattfindet, das ist auch zweimal wöchentlich.

 

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

 

BF: Nein.

 

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

 

BF: Ich besuche einen Deutschsprachkurs, ich laufe jeden Tag. Zweimal in der Woche spiele ich Fußball. Ich bin nicht Mitglied eines Vereines und habe auch keine kulturellen Aktivitäten.

 

RI: Wovon leben Sie derzeit?

 

BF: Ich bin in der Grundversorgung.

 

[ ]

 

RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

 

BF: Nein.

 

R: Auch nicht zu Freunden?

 

BF: Dort, von wo ich komme, funktioniert das Internet nicht.

 

RI: Wie finanziert Ihre im Heimatland lebende Familie ihren Unterhalt?

 

BF: Von den Grundstücken.

 

RI: Würden Ihre Verwandten Sie im Falle der Rückkehr – zumindest zu Beginn – unterstützen und Ihnen bei der Wiedereingliederung behilflich sein können?

 

BF: Nein.

 

RI: Wieso nicht?

 

BF: Ich habe Probleme mit der Frau meines Onkels väterlicherseits, sie hat mich geschlagen und hat mich aus dem Haus geworfen, ich kann nicht zurück.

 

RI: Wie ist die Finanzsituation Ihrer Familie; Ihres Onkels.

 

BF: Seine finanzielle Lage ist gut.

 

[ ]

 

RI: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.

 

BF: Ich habe drei Jahre in einer Klinik gearbeitet, in der ich Tee für die Ärzte gekocht habe und die Reinigungsarbeiten gemacht habe. Eines Tages hat mich ein Arzt gebeten, dass ich ihn bis zu einer Ortschaft namens XXXX begleiten soll, da er dort Impfungen durchführen möchte. Ich habe ihn auf meinem Motorrad bis zu diesem Dorf gebracht. Dort waren Taliban, die haben uns gesagt, dass wir mit dem Staat arbeiten und wo auch immer wir in ihre Hände fallen werden, werden sie uns töten. Wir haben aber unsere Arbeit dort fortgesetzt, wir haben uns in diesem Dorf nur einen Tag aufgehalten und sind zurück zur Klinik gekommen. Nach einer Woche haben sie uns einen Drohbrief geschickt, in dieser Liste standen die Namen, diejenigen, die für den Staat arbeiten, und sie haben in diesem Brief geschrieben gehabt, dass sie diese Leute umbringen werden. Dann habe ich meine Grundstücke verkauft und habe die Heimat verlassen. Zurückkehren kann ich in meine Heimat deswegen nicht, weil sie mich direkt bedroht haben, darüber hinaus haben sie einen Drohbrief geschickt.

 

RI: Wie viel Zeit ist zwischen Ihrem Besuch in dem Dorf, wo die Taliban Sie bedroht haben, und dem Eingang des Drohbriefes im Krankenhaus vergangen?

 

BF: Eine Woche.

 

RI: D. h. zuerst war die Bedrohung im Dorf, dann haben Sie im Krankenhaus weitergearbeitet, einer Woche später gab es den Drohbrief und danach haben Sie Ihre Grundstücke verkauft, habe ich das richtig verstanden?

 

BF: Ja, Sie haben mich richtig verstanden.

 

RI: D. h. Sie haben noch eine Woche in der Klinik gearbeitet?

 

BF: Ja.

 

RI: Wieso haben Sie bisher ausgesagt, dass Sie nach der Drohung nicht mehr im Krankenhaus gearbeitet haben?

 

BF: Ich habe damals gesagt, dass ich nach dem Erhalt des Drohbriefes nicht mehr gearbeitet habe. Ich bin vom Dorf wieder in die Klinik und habe dort eine Woche gearbeitet. Ich habe auch damals gesagt, dass ich sowohl im Dorf von den Taliban bedroht worden bin, als auch von ihnen einen Drohbrief erhalten habe.

 

RI: Wie genau hat sich das zugetragen in dem Dorf? Wie sind die Taliban auf Sie zugekommen?

 

BF: Dieses Dorf, zu dem wir impfen gegangen sind, grenzt an einem anderen an, in dem Paschtunen leben. Dieses Dorf ist in fünf Minuten Fußweg zu erreichen. Die Taliban haben uns vom anderen Dorf gesehen. Sie sind mit Waffen und Fahrzeugen zu uns gekommen, sie waren ca. 25 – 30 Personen. Sie haben gesagt, dass wir mit dem Staat arbeiten und "wer mit dem Staat arbeitet, wird von uns getötet." Sie haben uns weiters gesagt, dass sie uns diesmal nichts antun werden. Sie haben gesagt, wenn sie davon erfahren, dass wir weiterarbeiten, werden sie uns umbringen, egal wo auch immer wir in ihre Hände fallen.

 

RI: Was haben Sie dann gesagt?

 

BF: Wir haben ihnen nichts gesagt und haben gedacht, dass sie das vielleicht nicht so ernst gesagt haben und haben unsere Arbeit fortgesetzt.

 

RI: Die Taliban sind einfach gegangen?

 

BF: Wir sind dann in die Klinik mit dem Motorrad gefahren.

 

RI: Der Arzt und Sie?

 

BF: Der Arzt ist dort geblieben, ich bin mit dem Motorrad in die Klinik gefahren.

 

RI: Was genau ist in dem Drohbrief gestanden?

 

BF: "Diejenigen, die mit dem Staat arbeiten, werden wir umbringen."

Darüber hinaus standen die Namen von Personen auf dem Brief, die dort gearbeitet haben.

 

RI: Da war Ihr Name dabei?

 

BF: Ja.

 

RI: Woher kannten die Taliban Ihren Namen?

 

BF: Sie haben Spione und wenn sie jemandem Geld geben, werden sie auch auf diese Art die Menschen umbringen.

 

RI: Wie haben Sie vom Drohbrief Kenntnis erlangt?

 

BF: Ich war in der Klinik und der Arzt hat mir den Brief gezeigt.

 

RI: Was hat der Arzt dazu gesagt, hat er das kommentiert?

 

BF: Der Arzt hat nichts gesagt, er hat nur gesagt, dass der Brief für diejenigen gefährlich ist, deren Namen auf diesem Brief steht.

 

RI: Bisher haben Sie ausgesagt, dass der Brief an die " XXXX -Leute" adressiert war, jetzt sagen Sie aus, dass der Brief eine Liste mit Namen hatte, inkl. den Ihren. In welchem Verhältnis steht das zueinander?

 

BF: Dieser Brief war nicht nur an die Klinik gerichtet gewesen, sondern auch an die Schule gerichtet. An alle, die beim Staat gearbeitet haben. Ich glaube, dass ich auch damals die Namensliste erwähnt habe, aber es besteht die Möglichkeit, dass ich einen Fehler gemacht habe oder der/die Schriftführer/in (Referent).

 

RI: Das war ein Brief oder gab es mehrere? Wie haben all diese Leute, die Klinik, die Schule diesen Brief bekommen?

 

BF: Das war nur ein Brief, und er ist an die Klinik geschickt worden. Sie haben davor auch die Schule bedroht gehabt.

 

RI: Ist außer Ihnen noch jemand geflohen, auf diesen Brief hin?

 

BF: Viele sind von dort geflohen, wohin sie gegangen sind, kann ich nicht sagen.

 

RI: Hat der Arzt weiter im Krankenhaus gearbeitet?

 

BF: Solange ich dort war, war der Arzt noch in der Klinik, ob er gearbeitet hat, weiß ich nicht.

 

RI: Warum haben Sie nicht einfach den Beruf gewechselt?

 

BF: Ich war gezwungen dort zu arbeiten, wo soll ich hingehen? Ich hatte niemanden anderen.

 

RI: Wie lange hat es von der brieflichen Drohung bis zu Ihrer Ausreise gedauert?

 

BF: Ca. ein Monat.

 

RI: Und in dieser Zeit haben Sie keine Angst vor den Taliban gehabt?

 

BF: Ich hatte vor ihnen Angst gehabt, z. B. in der Nacht habe ich auf dem Berg geschlafen.

 

RI: Wieso sind Sie nicht sofort geflohen?

 

BF: Ich hatte kein Geld.

 

RI: Wie geht es Ihrem Onkel?

 

BF: Meinem Onkel geht es gut, er hat Mandelbäume, ihm geht es gut.

 

RI: Und Ihr Onkel hat keine Angst vor den Taliban?

 

BF: Nein, er hat vor den Taliban keine Angst gehabt, ich habe in der Klinik mit dem Staat gearbeitet.

 

RI: In Ihrer Beschwerde haben Sie aber gesagt, dass Ihr Onkel selbst in Furcht vor den Taliban ist.

 

BF: Alle haben Angst. Die Leute, die sieben Personen, denen der Kopf abgetrennt wurde, waren von unserer Gegend. Sie haben auch einem neunjährigen Mädchen den Kopf abgetrennt.

 

RI: D. h. Ihr Onkel hat nur die allgemeinen Gründe, warum er sich vor den Taliban fürchtet?

 

BF: Ja.

 

RI: Woher wissen Sie, wie es ihm geht, wenn Sie keinen Kontakt zu ihm haben?

 

BF: Das ist klar, wenn der Kopf abgetrennt wird, hat jeder Angst.

 

RI: Wieso sind Sie in den Iran geflohen und nicht z. B. nach Kabul gegangen?

 

BF: Kabul ist nicht zum Leben, in Kabul gibt es keine Sicherheit. Gestern (31.05.2017) wurde in Kabul ein Selbstmordattentat verübt.

 

RI: Wieso gibt es in Kabul keine Sicherheit?

 

BF: Jeden Tag werden dort Leute umgebracht, Selbstmordattentate werden verübt. Der Präsident kann für seine eigene Sicherheit nicht sorgen. Jeden Tag werden Leute umgebracht. Vor einiger Zeit wurde ein Spital angegriffen. Leute haben wegen dem Strom demonstriert, durch ein Selbstmordattentat wurden sie getötet. Wo ist es sicher? Wenn es Sicherheit gegeben hätte, hätten die Amerikaner keine Bombe geworfen. Vor einiger Zeit wurde in Mazar die Armee getötet. In Jawzjan wurde vor einigen Tagen ein Selbstmordattentat verübt. Am ersten Tag des Ramadans wurde in Khost ein Selbstmordattentat verübt. In Zabul wurden Menschen umgebracht. Überall in Afghanistan werden Menschen getötet und die Provinzen fallen.

 

RI: D. h. die allgemeine nicht ausreichende Sicherheitslage war der Grund, warum Sie nicht in einem anderen Landesteil oder z. B. nach Kabul geflohen sind?

 

BF: Ja, außerdem ist mein Leben in Gefahr. Wahrscheinlich haben sie mich fotografiert, vielleicht haben sie mein Foto überall in Afghanistan verbreitet. Die Taliban bestehen nicht nur aus einer Gruppe, überall in Afghanistan gibt es Taliban. Wo auch immer sie mich in die Hände bekommen werden, werden sie mich umbringen.

 

RI: Wieso sollten die Taliban gerade an Ihnen ein so großes Interesse haben, Sie im ganzen Land zu suchen?

 

BF: Weil ich mit dem Staat war, und jeder, der mit dem Staat ist, wird getötet.

 

RI: Wenn jeder, der für den Staat arbeitet, von den Taliban getötet wird, dann müssten diese schon "bergeweise" Fotos haben.

 

BF: Sie haben Spione überall, rund um unseren Dorf sind alle Paschtunen. Sie bringen jeden um, der mit dem Staat arbeitet.

 

RI: Wieso haben Sie in Ihrer Erstbefragung am 24.07.2015 angegeben, wegen des Bürgerkriegs in Afghanistan zu flüchten und die Bedrohung Ihrer Person durch die Taliban überhaupt nicht erwähnt?

 

BF: Ich war erschöpft von der Flucht. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht oder der Dolmetscher oder Schriftführer.

 

RI: Wie viel haben Sie in der Klinik verdient?

 

BF: 120 Dollar.

 

RI: War Ihr Einkommen ausreichend, um den Lebensunterhalt zu bestreiten?

 

BF: Ja. Ich habe keine finanziellen Probleme gehabt, mein Leben war in Gefahr.

 

RI: Gibt es irgendwelche Belege, dass die Klinik, in der Sie gearbeitet haben, existiert? Das BFA konnte trotz intensiver Recherche keine Klinik in Ghazni mit dem Namen XXXX ausfindig machen.

 

BF: Ich habe diesbezüglich keine Unterlagen, die ich als Beweis vorlegen kann. Alle haben diese Klinik " XXXX genannt, und es gibt diese Klinik.

 

RI: Wurden Sie jemals aufgrund Ihrer Volkszugehörigkeit als Hazara verfolgt?

 

BF: Nein.

 

RI: Warum machen Sie das in Ihrer Beschwerde geltend?

 

BF: Ich habe das aus diesem Grund in die Beschwerde eingebracht, weil es im Allgemeinen dieses Problem gibt. Die Hazara werden überall geköpft. Ihnen werden ihre Rechte nicht gegeben. Bei der Demonstration wegen dem Strom sind durch ein Selbstmordattentat die Hazara getötet worden. Deshalb habe ich das geltend gemacht, ich bin persönlich nicht verfolgt worden.

 

RI: Wurden Sie aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit als schiitischer Moslem verfolgt?

 

BF: Nein, persönlich bin ich nicht wegen meiner Religionszugehörigkeit oder Glaubensrichtung verfolgt worden.

 

RI: Wie viel hat Ihre Ausreise gekostet?

 

BF: 7.000 Dollar.

 

R: Wie haben Sie Ihre Ausreise aus Afghanistan finanzieren können?

 

BF: Ich habe meine Grundstücke und das Haus verkauft, die Grundstücke habe ich von den Eltern geerbt.

 

R: Waren Sie mit Ihrem Leben in Afghanistan zufrieden?

 

BF: Ja.

 

R: Haben Sie bei den Behörden um Schutz angesucht?

 

BF: In unserer Gegend gibt es keine staatliche Polizei. Als ich noch dort war, gab es keine Polizei.

 

RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

 

BF: Ich werde getötet, wo ich auch hingehe. Afghanistan ist nicht sicher.

 

RI: Sie bleiben nach wie vor dabei, dass Sie für die Taliban so wichtig sind, dass diese Sie nach wie vor suchen würden?

 

BF: Ja, die für den Staat arbeiten, werden gesucht.

 

RI: Ich habe hier zwei Gutachten, die ich Ihnen auch nachher geben werde, in denen festgestellt wurde, dass die Taliban Personen, die sich der Zwangsrekrutierung widersetzt haben oder mit ausländischen oder afghanischen Organisationen kooperiert oder für sie gearbeitet haben, von den Taliban nicht weiter gesucht werden, wenn sie in Regionen gehen, wo die Taliban nicht herrschen bzw., wenn kein Schaden für die Taliban entstanden ist, sie z. B. ihre Arbeit niederlegen. Sie bleiben aber dabei, dass Sie konkret auf jeden Fall von den Taliban verfolgt werden würden?

 

BF: Ja, ich bleibe dabei.

 

RI: Warum glauben Sie, dass die Taliban Sie verfolgen würden?

 

BF: Weil ich beim Staat gearbeitet habe, ich habe Angst.

 

[ ]

 

BFV an BF: Wie sind Sie zu der Arbeitsstelle in die Klinik gekommen?

 

BF: Mein Onkel väterlicherseits hat mir die Arbeit gefunden.

 

BFV: Wie groß war die Klinik?

 

BF: Die Klinik war nicht so groß, sie hat zwei oder drei Zimmer gehabt.

 

BFV: Wurden dort Personen auch stationär behandelt, aufgenommen?

 

BF: Nein.

 

BFV: Was wurde dort genau gemacht?

 

BF: Die Kranken wurden untersucht und ihnen Medikamente gegeben bzw. wurden dort Impfungen durchgeführt.

 

BFV: Wie viele Personen haben dort ungefähr gearbeitet?

 

BF: Wir waren insgesamt fünf Personen.

 

BFV: Sind Ihre Eltern noch am Leben?

 

BF: Nein.

 

BFV: Haben Sie Geschwister?

 

BF: Nein.

 

BFV: Haben Sie weitere Verwandten als den Onkel in Afghanistan und wenn "ja", wo leben diese?

 

BF: Ich habe nur diesen Onkel, sonst niemanden.

 

8. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden folgende Dokumente in das Verfahren eingebracht und dem Beschwerdeführer gleichzeitig die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt:

 

* Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 sowie die Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan Q1.2017 vom 11.05.2017),

 

* UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016,

 

* Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016,

 

* Dossier der Staatendokumentation (des BFA) aus 2016 zum Thema "Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur in Afghanistan und Pakistan",

 

* einen Auszug aus dem Urteil des EGMR vom 05.07.2016 (EGMR AM/NL, 5.7.2016, 29.094/09),

 

* das Gutachten von Mag. Karl Mahringer, GZ. BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017 vom 05.03.2017 sowie dessen Aktualisierung vom 15.05.2017,

 

* einen Auszug einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Sarajuddin RASULY vom 20.05.2016, W151 2119820-1, in einem anderen Verfahren des BVWG betreffend einen anderen Asylwerber

 

* sowie einen Auszug einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Sarajuddin RASULY vom 13.06.2012, C15 410.319-1/2009

 

9. Am 21.06.2017 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in der er auf die in der Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Unterlagen replizierte sowie sich insbesondere mit der Gefährdung von Personen, die (zumindest) verdächtigt werden, mit der Regierung zusammen zu arbeiten sowie der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan, der Frage der Situation der Angehörigen der Volksgruppe Hazara sowie der Rückkehrer nach Afghanistan und dem Gutachten von Mag. Mahringer auseinander setzte.

 

10. Am 23.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer die Aktualisierung des Länderinformationsblatts vom 22.06.2017 zur allfälligen Stellungnahme übermittelt.

 

11. Am 28.06.2017 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, am 30.06.2017 eine Ergänzung zur Stellungnahme, in denen er insbesondere auf die Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan Bezug nahm und weiters einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vorlegte.

 

12. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2017, Zl. W249 2149325-1/14E, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen lässt sich diesem Erkenntnis entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Insgesamt habe er keine asylrelevanten Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates glaubhaft machen können. Im Fall einer Rückkehr drohe dem Beschwerdeführer kein reales Risiko einer Verletzung der EMRK.

 

2. Gegenständliches Verfahren:

 

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem stellte am 01.09.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen Befragung gab der Beschwerdeführer neben seinen persönlichen Angaben befragt zu seinen neuen Fluchtgründen an, dass seine neuen Fluchtgründe die Alten seien, nämlich dass er im Krankenhaus tätig gewesen sei und sein Onkel nun tot sei, sonst gebe es nichts Neues. Auf Nachfrage warum er Ausführungen zum Tod seines Onkels treffe, gab er an, dass diese sein einziger Onkel sei und er dort niemand mehr habe. Weiters führte aus, dass sein Onkel vielleicht wegen ihm getötet worden sei, wofür er jedoch keine Hinweise habe. Sein Onkel sei mit Schusswaffen am 28.07.2017 getötet worden. Der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass es die Taliban oder die Paschtunen gewesen seien. Darüber hinaus traf er Ausführungen zu schlechten Lage der Hazaren Afghanistan. In Österreich oder Europa habe er keine Verwandten oder sonstigen Angehörigen.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt und wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Ferner wurde unter Spruchpunkt III. ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.

 

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Asylverfahren sowie zu seinem Privat- und Familienleben im Wesentlichen fest, dass nicht festgestellt werden konnte, dass sein Onkel ermordet worden wäre. Der Beschwerdeführer leide an keiner schweren, lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Rückkehr in die Heimat des Beschwerdeführers entgegenstehe. Insgesamt habe sich die maßgebliche Lage im Herkunftsstaat seit Rechtskraft der letzten Entscheidung nicht geändert.

 

Mit Schriftsatz vom 06.12.2017 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Beschwerde mit dem Inhalt, dass sich die Lage in Afghanistan jedenfalls verschlechtert habe. So brachte der Beschwerdeführer Länderberichte in das Verfahren ein. In seinem Rechtsmittel traf der Beschwerdeführer auch Ausführungen zur behaupteten Ermordung seines Onkels.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der Beschwerdeführer stützte seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf dieselben Fluchtgründe, die er bereits in seinem ersten Verfahren geltend gemacht hatte. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Entscheidung (10.07.2017) über seinen Antrag auf internationalen Schutz ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen dartun konnte.

 

Nicht festgestellt werden kann ferner, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach dem Beschwerdeführer in Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder, dass ihm im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

 

Der Beschwerdeführer ist seit seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr nach Afghanistan zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer hat nie über einen Aufenthaltstitel verfügt, der sich nicht auf einen Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht über verwandtschaftliche Beziehungen verfügt und auch mit niemandem in einer Lebensgemeinschaft oder familienähnlichen Beziehung lebt. Der Beschwerdeführer bezieht während seines gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse beziehungsweise Prüfungen zuletzt über das Sprachniveau A1 absolviert, sodass er in der Lage ist, sich in Deutsch zu verständigen. Weitere Aus- oder Fortbildungen hat der Beschwerdeführer nicht absolviert. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seinen Familienverhältnissen sowohl in Österreich als auch in Afghanistan ergeben sich aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers im Zuge seines bisherigen Verfahrens sowie aus dem Akteninhalt. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers war im Wesentlichen gleichlautend und sohin glaubwürdig.

 

Die Feststellungen zu dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren des Beschwerdeführers, einschließlich zu den darin vorgebrachten Fluchtgründen, ergeben sich aus der Einsicht in die jeweiligen Verwaltungs- und Gerichtsakten, insbesondere aus dem Bescheid des Bundesasylamtes und dem Erkenntnis des Bundesveraltungsgerichts. Darüber hinaus ergibt sich die Feststellung zur illegalen Einreise nach Österreich, zur Antragstellung und zu Stellung des Folgeantrags zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich bzw. zu den von ihm gesetzten Integrationsmaßnahmen, ergeben sich aus dem Akteninhalt und zwar insbesondere aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren sowie aus den von ihm diesbezüglich vorgelegten Unterlagen. Es finden sich weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsakt Hinweise darauf, dass sich der Beschwerdeführer um eine Integration in beruflicher oder sozialer Hinsicht außergewöhnlich stark bemüht hat, was sich unter anderem auch aus dem Umstand ergibt, dass der Beschwerdeführer während seines gesamten Aufenthalts keiner legalen Beschäftigung nachgegangen ist, um seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren und auch keine Ausbildung absolviert hat. Dass der Beschwerdeführer Deutschkurse – zuletzt auf dem Niveau A1 - absolviert hat und daher in der Lage ist, sich in Deutsch zu verständigen, ergibt sich ebenfalls aus den diesbezüglich im Verfahren vorgelegten Kursbesuchsbestätigungen sowie Zeugnissen. Die Feststellungen zum dauerhaften Bezug der Grundversorgung durch den Beschwerdeführer und zur fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben sich aus seinen Angaben und aus den Auszügen aus dem GVS-Register. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers basieren auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszügen.

 

Hinsichtlich der Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Entscheidung kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen dartun konnte, sondern seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf dieselben Fluchtgründe stützte, die er bereits in seinem ersten Verfahren geltend gemacht hatte, ist Folgendes auszuführen: Wie bereits das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt hat, hat der Beschwerdeführer betreffend die Begründung seines Folgeantrags keinen neuen maßgeblichen Sachverhalt vorgebracht. In der Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass seine damaligen Angaben nach wie vor in Geltung seien und auch für den gegenständlichen Antrag gelten würden.

 

Die vom Bundesamt zur Lage in Afghanistan getroffenen Länderfeststellungen basieren auf aktuellen Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und stellen angesichts der bisherigen Ausführungen im konkreten Fall eine hinreichende Basis zur Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers dar. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde lässt sich daraus – ohne ein dementsprechendes glaubwürdiges individuelles Vorbringen – keine Gefährdung des Beschwerdeführers ableiten. Die Situation im Herkunftsland hat sich seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich verändert und wurde diesbezüglich auch in der Beschwerde kein stichhaltiges Vorbringen erstattet.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

3.2. Zu A)

 

3.2.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache:

 

3.2.1.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

 

"Entschiedene Sache" iSd. § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH vom 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; vom 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; vom 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235; vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0684; vom 11.11.2008, Zl. 2008/23/1251; vom 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344 und vom 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783). Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf verschiedene Folgeanträge VwGH vom 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226 mwN). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (vgl. VwGH vom 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH vom 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; vom 25.04.2007, Zl. 2004/20/0100; vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0684; vom 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344 und vom 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783). Wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, ist eine neue Sachentscheidung auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH vom 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; vom 15.10.1999, Zl. 96/21/0097; vom 25.04.2007, Zl. 2004/20/0100 und vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0684).

 

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH vom 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556 und vom 26.07.2005, Zl. 2005/20/0343 mwN). Nimmt man daher eine positive Entscheidungsprognose an, d.h. könnten die behaupteten neuen Tatsachen - gemessen an der dem Bescheid der Erstinstanz im Erstverfahren zu Grunde liegenden Rechtsanschauung - zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse (gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Urkunden) einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl. VwGH 19.07.2001, Zl. 99/20/0418; vom 16.02.2006, Zl. 2006/19/0380; vom 29.11.2005, Zl. 2005/20/0365 und vom 22.11.2005, Zl. 2005/01/0626). Das Bundesamt hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers oder mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen sein ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, in dem weitere von der Rechtsprechung entwickelte Rechtssätze zu § 68 AVG, insbesondere mit Beziehung auf das Asylverfahren wiedergegeben werden und dann anschließend VwGH vom 20.03.2003, Zl. 99/20/0480 mwN; vgl. auch VwGH vom 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391 und vom 25.04.2007, Zl. 2004/20/0100).

 

Bei der Prüfung der "Identität der Sache" ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen. Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (vgl. VwGH vom 02.07.1992, Zl. 91/06/0207 mwN). Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH vom 15.10.1999, Zl. 96/21/0097 und vom 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung [hier: Beschwerde] gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. VwGH vom 04.04.2001, Zl. 98/09/0041 und vom 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235).

 

3.2.1.2. Für das Bundesverwaltungsgericht ist demnach Sache des gegenständlichen Verfahrens ausschließlich die Frage, ob sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage seit der Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz geändert hat.

 

Da der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz auf jene Gründe, die er bereits im Erstverfahren geltend machte, stützte, liegt entschiedene Sache vor. Indem der Beschwerdeführer sowohl in der niederschriftlichen Einvernahme am 01.09.2017 als auch in der Einvernahme am 25.10.2017 vorbringt, dass seine Fluchtgründe des ersten Asylverfahrens nach wie vor aufrecht seien und auch für den gegenständlichen Antrag gelten würden, er nichts hinzuzufügen habe und er diese Aussage bekräftigte, indem er auf Nachfrage angab, keine Ergänzungen oder Korrekturen anführen zu wollen, bezieht er sich damit auf die im Zuge der ersten Asylantragstellung vorgebrachten Fluchtgründe und wird diesbezüglich auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum "Fortbestehen und Weiterwirken" (vgl. VwGH vom 20.03.2003, Zl 99/20/0480) verwiesen. Demnach liegt, sofern die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten wird und sich der Asylwerber auf diese bezieht, nicht ein "wesentlich geänderter" Sachverhalt vor, sondern wird der im ersten Asylverfahren vorgebrachte Sachverhalt bekräftigt. Vor einer relevanten, wesentlichen Änderung des Sachverhaltes seit der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Antrag auf internationalen Schutz kann im Fall des Beschwerdeführers sohin nicht gesprochen werden.

 

Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und sind daher auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344).

 

Auch im Hinblick auf Art 3 EMRK ist jedoch im Fall des Beschwerdeführers nicht erkennbar, dass seine Rückführung nach Afghanistan zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würden, die eine Verletzung von Art 2 und Art. 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde.

 

Vor dem Hintergrund der vom Bundesamt getroffenen Feststellungen zu den Verhältnissen im Herkunftsstaat kann auch nicht angenommen werden, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Afghanistan in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Aufgrund dieser Länderberichte ergibt sich, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung im rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren nicht wesentlich geändert hat.

 

3.2.1.3. Da sohin keine Anhaltspunkte für eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf das individuelle Vorbringen bzw. Umstände des Beschwerdeführers oder allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesamt von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen und sich auch die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht und war sohin die Beschwerde gegen die zurückweisende Entscheidung abzuweisen.

 

3.2.2. Zur Rückkehrentscheidung:

 

3.2.2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraus-setzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt ei-ne Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechts-kräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist nicht geduldet. Er ist auch nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und ebenso wenig ein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher im Fall des Beschwerdeführers nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur ansatzweise behauptet worden war. Ferner erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten im gegenständlichen Verfahren nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG ergangen.

 

3.2.2.2. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab-gewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist weder ein begünstigter Drittstaatsangehöriger noch kommt ihm ein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

 

3.2.2.3. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (vgl. EGMR Kroon sowie VfGH vom 28.06.2003, G 78/00). Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (vgl. EGMR Marckx, EGMR vom 23.04.1997, X u.a.).

 

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. gegen Lettland). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessensabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt.

 

3.2.2.4. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sowie der in § 9 Abs. 2 BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die zur Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist im gegenständlichen Fall Folgendes auszuführen:

 

Der ledige Beschwerdeführer verfügt im österreichischen Bundesgebiet weder über familiäre noch über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und lebt auch nicht in einer (eheähnlichen) Lebensgemeinschaft, sodass durch die Rückkehrentscheidung jedenfalls kein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers vorliegt.

 

Auch liegt kein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers vor, welcher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele nicht geboten oder zulässig wäre. Wie festgestellt, stellte der Beschwerdeführer am 20.09.2009 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz und am 21.11.2014 einen Folgeantrag. Seither hielt er sich in den Zeiträumen von September 2009 bis ca. November 2012 und seit November 2014 lediglich aufgrund seiner vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz im Bundesgebiet auf, wobei sich beide zugrundeliegende Anträge auf internationalen Schutz letztlich als unbegründet erwiesen haben, sodass zu keinem Zeitpunkt ein gesicherter Aufenthaltsstatus vorlag. Hinzu kommt, dass die Weiterreise des Beschwerdeführers in die Schweiz nach Erhalt der ersten negativen Entscheidung einen deutlichen Hinweis darauf darstellt, dass das Interesse des Beschwerdeführers an einer nachhaltigen Integration in Österreich nicht sonderlich stark ausgeprägt ist. Eine fortgeschrittene und entscheidungserhebliche Integration des Beschwerdeführers während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet kann seitens der erkennenden Einzelrichterin darüber hinaus nicht festgestellt werden. Dies aus folgenden Gründen:

 

Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner legalen Arbeit nach, sondern lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Dass der Beschwerdeführer den Versuch unternommen hat, eine solche legale Beschäftigung zu erlangen bzw. überhaupt einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung bei der zuständigen Behörde zu stellen, ist weder dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmen. Der Beschwerdeführer hat zwar mehrere Deutschkurs und Prüfungen, zuletzt auf dem Niveau A1, absolviert, jedoch keine weiteren, darüber hinausgehende Aus- oder Fortbildungen gemacht.

 

Es wird vom zuständigen Einzelrichter nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer, insbesondere im Hinblick auf seine Bemühungen, die deutsche Sprache zu erlernen, erste Integrationsschritte gesetzt hat, wodurch jedoch keine relevante außergewöhnliche Integration herauszulesen ist. In diesem Zusammenhang ist auch auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst die – hier bei weitem nicht vorhandenen – Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. VwGH vom 06.11.2009, Zl.2008/18/0720 sowie vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).

 

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (vgl. VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/18/0420). Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

 

Weiters musste dem Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen gegenständlichen zweiten unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz bewusst sein, dass er etwaige eingegangene Bindungen im Bundesgebiet nicht aufrechterhalten können wird. Das Gewicht des Aufenthalts im Bundesgebiet ist noch dadurch gemindert, als dieser nur insofern legal war, als er sich auf die Stellung unberechtigter Anträge auf internationalen Schutz stützte.

 

Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich beträgt seit Stellung seines ersten Antrages ca. zwei Jahre und zweiten Antrages auf internationalen Schutz im Bundesgebiet weniger als vier Monate. Die gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 13.02.2017 erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2017 als unbegründet abgewiesen.

 

Somit war der Aufenthalt im Bundesgebiet nur ein vorläufig berechtigter. Gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist dieser Zeitraum als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen überwiegen können (vgl. VwGH vom 09.05.2003, Zl. 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (vgl. VwGH vom 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124), was jedoch im gegenständlichen Fall eindeutig verneint werden kann.

 

Der Beschwerdeführer verfügt hingegen über Bindungen zum Herkunftsstaat. Dort leben seine Familienangehörigen, insbesondere seine Tante und wohl auch sein Onkel. Hingegen verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich.

 

Die Dauer der beiden Verfahren übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechenden Asylverfahrens angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht hätten, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).

 

Hinzu kommt, dass nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen ist, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 17.12.2007, Zl. 2006/01/0126, mwN).

 

Der Beschwerdeführer spricht Dari auf Muttersprachniveau und hat im Herkunftsstaat, wo er sein überwiegendes Leben bis zur Einreise nach Österreich verbrachte, sodass gesagt werden kann, dass er dort sozialisiert wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinem Herkunftsstaat in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können wird. Zudem kann aufgrund seiner Aussagen davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer, wie auch vor seiner Ausreise, von seiner in Afghanistan verbliebenen Familie unterstützt würde, zumal der Beschwerdeführer auch vor seiner Ausreise bei der Familie seines Onkels wohnte.

 

Dem Beschwerdeführer hätte im Hinblick auf seinen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz bewusst sein müssen, dass er etwaige eingegangene Bindungen im Bundesgebiet nicht aufrechterhalten können wird. Insgesamt betrachtet überwiegt daher insbesondere im Hinblick auf die noch relativ kurze Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet (vgl. VwGH vom 25.02.2010, Zl. 2009/21/0142).

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. z.B. VwGH vom 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251). Insgesamt ergab also die Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen, dass die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes schwerer wiegen als die Auswirkungen der Rückkehrentscheidung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar.

 

Der durch die Ausweisung des Beschwerdeführers allenfalls verursachte Eingriff in sein Recht auf Privatleben ist jedenfalls insofern im Sinne des Art 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, als das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung sein Interesse an einem weiteren Verbleib in Österreich überwiegt.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

3.2.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung:

 

3.2.3.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

 

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

 

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

 

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

 

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

3.2.3.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt II.). Wie sich aus den Länderfeststellungen und aus den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergibt, besteht keine Gefahr, dass durch die Abschiebung des Beschwerdeführers Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson mit der Abschiebung eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes verbunden wäre. Auch sonst besteht kein Abschiebehindernis gemäß § 50 Abs. 2 oder Abs. 3 FPG, - ein Solches wurde weder substanziiert vom Beschwerdeführer vorgebracht noch ist es aus dem Akteninhalt ersichtlich - sodass das Bundesamt die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zu Recht für zulässig erklärt hat.

 

3.2.4. Zur Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise:

 

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht in den Fällen einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird keine Frist für die freiwillige Ausreise.

 

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht, was den gesetzlichen Grundlagen entspricht.

 

3.2.5. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

3.2.6. Zum Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

 

3.2.6.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes-oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

 

3.2.6.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf zu verweisen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein inhaltlich ordnungsgemäßes und mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Sämtliche Elemente zur inhaltlichen Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes sind zweifelsfrei und lückenlos ohne weitere Ermittlungen tätigen zu müssen dem Akt des Bundesamtes zu entnehmen. Weiters sind auch sämtliche abzuklärende Fragen umfassend aus den bisher vor dem Bundesamt dargelegten Ausführungen des Beschwerdeführers und aus dem Verwaltungsakt ableitbar.

 

Der Verfassungsgerichtshof äußerte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG (d.i. § 41 Abs. 7 AsylG) und stellte dazu klar: "Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht in Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde." (vgl. VfGH vom 14.03.2012, U 466/11).

 

In seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltene Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind: "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

 

Da sich dem Vorbringen in der Beschwerde kein neues entscheidungsrelevantes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger neuer Fluchtgründe entnehmen lässt und auch den beweiswürdigenden Erwägungen nicht in ausreichend substantiierter Weise entgegengetreten wurde, ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Daher konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG Abstand genommen werden. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.

 

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen angefochtenen Punkten wiedergegeben.

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