EAS 3431
Eine in Österreich ansässige Person, die als Dienstnehmer einer slowakischen AG tätig und nicht an dieser beteiligt ist, schließt einen zusätzlichen Vertrag betreffend ihre Bestellung als Vorstandsmitglied mit der AG ab, laut welchem ihr eine Funktionsgebühr zusteht.
Bei der Einordnung der Funktionsgebühr nach innerstaatlichem Recht ist darauf abzustellen, ob die zwei Tätigkeiten (als Dienstnehmer und als Vorstandsmitglied) getrennt zu betrachten sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine objektive (zeitliche und inhaltliche) Trennbarkeit der Tätigkeitsbereiche vorliegt (LStR 2002 Rz 962). Überschneiden sich die Tätigkeiten zeitlich und inhaltlich, ist zu ermitteln, bei welcher Tätigkeit es sich um die Haupttätigkeit handelt; die Nebentätigkeit ist dieser Haupttätigkeit zuzuordnen (LStR 2002 Rz 961, 962).
Liegt keine tatsächliche funktionelle (inhaltliche) und zeitliche Überschneidung der Tätigkeiten als Dienstnehmer und als Vorstandsmitglied vor oder ist die Vorstandstätigkeit als die Haupttätigkeit einzustufen, dann ist für die Beurteilung relevant, ob das Vorstandsmitglied weisungsgebunden ist. Ein weisungsgebundenes Vorstandsmitglied erzielt in der Regel Einkünfte aus einer nichtselbständigen Tätigkeit iSd § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 (vgl. LStR 2002 Rz 981, 982). Da im vorliegenden Fall keine Beteiligung an der Gesellschaft gehalten wird, kommt § 22 EStG 1988 nicht zur Anwendung. Sofern das Vorstandsmitglied im Bestellungsvertrag weisungsfrei gestellt wurde und dies auch den tatsächlichen Umständen entspricht, werden durch diese Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 23 EStG 1988 erzielt. Die Frage der Einordnung der Funktionsgebühr ist jedoch eine sachverhaltsabhängige Frage, die stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und nicht im ministeriellen Auskunftsverfahren beantwortet werden kann.
Die Einkünfte als Vorstandsmitglied der slowakischen AG wären abkommensrechtlich nur dann unter Art. 16 DBA-Slowakei zu subsumieren, wenn der Vorstand nach slowakischem Gesellschaftsrecht keine unmittelbaren Leitungs- oder Mitwirkungsaufgaben übernimmt. Denn Art. 16 DBA-Slowakei - der dem seit seiner Erstfassung im Jahr 1963 im Wesentlichen unverändert gebliebenen Art. 16 OECD-Musterabkommen nachgebildet wurde - erfasst nur eine überwachende Tätigkeit (vgl. VwGH 31.7.1996, 92/13/0172, zu Art. 16 idF des OECD-Musterabkommens 1963, siehe auch EAS 168, EAS 655, EAS 1015, EAS 1633, EAS 2032, EAS 3355).
Kommt Art. 16 DBA-Slowakei nicht zur Anwendung, hängt die abkommensrechtliche Beurteilung der Funktionsgebühr davon ab, ob die Tätigkeit als Vorstandsmitglied als selbständig oder nichtselbständig einzustufen ist. Soweit sich aus dem Abkommenszusammenhang nichts Gegenteiliges ergibt, werden diese Begriffe gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA von dem das DBA anwendenden Vertragsstaat nach innerstaatlichem Steuerrecht auszulegen sein. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit iSd § 25 EStG 1988, sonach etwa Einkünfte eines weisungsgebundenen Vorstandes, unterliegen der abkommensrechtlichen Verteilungsnorm des Art. 15 des DBA-Slowakei ("Unselbständige Tätigkeit") (Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes/Daurer, Internationales Steuerrecht I/1 Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, Rz 6). Gemäß Art. 15 des DBA-Slowakei steht der Slowakei nur insoweit ein Besteuerungsrecht an diesen Einkünften zu, als die Tätigkeit in der Slowakei ausgeübt wird. Handelt es sich bei der Tätigkeit als Vorstandsmitglied dagegen um eine gewerbliche Tätigkeit iSd § 23 EStG 1988, wären die Einkünfte daraus als "Unternehmensgewinne" iSd Art. 7 DBA-Slowakei einzustufen. Folglich steht gemäß Art. 7 DBA-Slowakei der Slowakei in dem Ausmaß ein Besteuerungsrecht an den Einkünften zu, in welchem sie der in einer slowakischen Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit zuzurechnen sind. Im Übrigen käme Art. 14 DBA-Slowakei nur dann zur Anwendung, wenn das Vorstandsmitglied wesentlich an der Gesellschaft beteiligt wäre und daher Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit iSd § 22 EStG 1988 erzielt (siehe auch Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes/Daurer, Internationales Steuerrecht I/1 Einkünfte aus selbständiger Arbeit Rz 27).
Sollten die Einkünfte aus der Funktionsgebühr auf slowakischer Seite unter Art. 16 DBA-Slowakei subsumiert und dort einer Besteuerung unterzogen werden und sollte dadurch ein durch divergierende DBA-Auslegung verursachter Qualifikationskonflikt entstehen, wäre eine Lösung im Wege eines Verständigungsverfahrens anzustreben.
Bundesministerium für Finanzen, 12. April 2021
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | Art. 3 DBA SK (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Slowakische Republik (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 34/1979 |
Schlagworte: | Vorstand, Geschäftsführung, Unternehmensgewinne, Aufsichtsratsvergütungen, nichtselbständige Arbeit, DBA Slowakei, Qualifikationskonflikt |
Verweise: | LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 962 |