VwGH 92/13/0172

VwGH92/13/017231.7.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. A in H, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 9. Juni 1992, Zl. 6/3-3116/91-05, betreffend Einkommensteuer 1981 bis 1989, zu Recht erkannt:

Normen

AktG §70;
AktG §95;
DBAbk Schweiz 1975 Art16;
OECD-MusterAbk 1963 Art16;
AktG §70;
AktG §95;
DBAbk Schweiz 1975 Art16;
OECD-MusterAbk 1963 Art16;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Verwaltungsratspräsident der I-AG mit Sitz in der Schweiz. Im Bericht vom 19. Dezember 1990 über eine Prüfung seiner Aufzeichnungen betreffend den Zeitraum 1981 bis 1989 finden sich folgende Feststellungen: Der Beschwerdeführer sei zu 2 % am Gesellschaftskapital der I-AG beteiligt. Die Gesellschaft verfüge am Ort ihres statutarischen Sitzes im Kanton Zug über kein Geschäftsbüro. Sie habe lediglich ein Rechtsdomizil bei einem Treuhänder (Domizilgesellschaft). Sie befasse sich mit Exporten von Computern und Meßgeräten in Oststaaten. Im Zuge einer Betriebsprüfung bei der S-GmbH - der Beschwerdeführer ist Gesellschaftergeschäftsführer dieser GmbH -, von deren Räumlichkeiten aus nach Ansicht des Finanzamtes die I-AG ihre Exporte abwickle, sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer über Rechnungsformulare der I-AG verfüge. Bei der Buchdruckerei M. in Wien seien im Jahr 1986 500 Briefe sowie 300 und zusätzlich 500 Visitenkarten für die I-AG in Auftrag gegeben worden; die Aufwendungen seien bei der S-GmbH als Büromaterial verbucht worden. Bei einer anderen Druckerei seien 11.000 Stück Briefe für die I-AG gedruckt worden, auch diese Aufwendungen seien bei der S-GmbH verbucht worden. Da sowohl die Geschäftskonten der I-AG als auch jene der S-GmbH bei derselben Bankfiliale geführt worden seien, seien zahlreiche Überrechnungen zwischen den Konten erfolgt. Weil die Trennung buchhalterisch nicht habe bewältigt werden können, sei es des öfteren in den Buchhaltungen für die beiden Gesellschaften zu Verwechslungen in der Zuordnung gekommen. Reisebürorechnungen, Transportrechnungen und Verrechnungen mit Transportversicherungen, die die I-AG betrafen, seien der S-GmbH zugeordnet worden. Die Buchungen seien teilweise wieder storniert worden. Die Geschäfte der beiden Kapitalgesellschaften seien in denselben Räumlichkeiten und in Personalunion abgewickelt worden, wobei die Geschäfte in die CSSR und nach Jugoslawien angeblich über die GmbH, jene in die UdSSR über die AG abgewickelt worden seien. Der Beschwerdeführer habe es abgelehnt, Geschäftsunterlagen (der I-AG) anderen als schweizerischen Behörden vorzulegen. Er habe in der Niederschrift vom 10. Juni 1988 behauptet, nicht Aktionär der I-AG zu sein. Gemäß Art. 707 Schweizerisches Obligationenrecht könnten jedoch nur Aktionäre die Funktion eines Verwaltungsratsmitgliedes einnehmen. Erhebungen hätten ergeben, daß alle drei Verwaltungsratsmitglieder der I-AG einzelzeichnungsberechtigt seien. Im Zuge eines Verständigungsverfahrens gemäß Art. 25 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und der Schweiz habe die Eidgenössische Steuerverwaltung ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, daß sich die tatsächliche Geschäftsleitung der I-AG in Österreich befinde. Aus einer Auskunft der Informationszentrale Ausland in Bonn vom 6. Oktober 1988 ergebe sich, daß die I-AG in Zug 1983 und 1985 nur mit dem liberierten Aktienkapital von 20.000,-- Schweizer Franken ohne Ertrag besteuert worden sei; ein Domizilwechsel sei am 7. August 1986 von Zug nach J/Gemeinde K, Kanton Zug, erfolgt; die Gesellschaft habe kein Fremdpersonal und keine Aktivitäten am Platze. Die Buchhalterin der S-GmbH, Frau P., sei nach Ansicht der Betriebsprüfung auch Buchhalterin der I-AG gewesen. Der Beschwerdeführer sei seit 4. Jänner 1972 Präsident des Verwaltungsrates der I-AG. Er sei österreichischer Staatsbürger, er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befinde sich in Österreich. Die Geschäftsleitung der I-AG befinde sich in Wahrheit in Österreich. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die I-AG würde in Österreich keine Aufzeichnungen führen, sei unglaubwürdig und unzutreffend, zumal bereits die Auszüge bei den inländischen Bankkonten und auch die vom Beschwerdeführer ausgestellten Rechnungen Aufzeichnungen darstellten. Der Beschwerdeführer sei in Österreich ständig für die I-AG aufgetreten. Daß die Beschlußfassung der drei Verwaltungsräte der I-AG nur kollegial erfolge, sei aktenwidrig. Dem Beschwerdeführer komme Einzelzeichnungsbefugnis zu. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei für den Finanz- und Steuerbereich nicht zuständig, sei unzutreffend. Der betriebsorganisatorische Schwerpunkt der I-AG befinde sich in Wien am Sitz der S-GmbH. Daraus ergebe sich, daß die Verwaltungsratsbezüge des Beschwerdeführers von der I-AG (in den Jahren 1981 bis 1988 zwischen S 500.000,-- und

S 600.000,--, im Jahr 1989 S 298.000,--) in Österreich der Einkommensteuer unterlägen; sie seien als Einkünfte aus selbständiger Arbeit anzusetzen. Als Einkünfte aus Kapitalvermögen seien verdeckte Gewinnausschüttungen der I-AG anzusetzen; es handle sich dabei um Beträge, die der Beschwerdeführer von den Konten der I-AG bei Bankfilialen in Wien bar behoben habe und um Mittel der I-AG zur Anschaffung zweier Motoryachten.

Gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 1981 bis 1989, mit denen sich das Finanzamt der Ansicht des Prüfers anschloß, brachte der Beschwerdeführer Berufung ein. Gemäß Art. 16 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und der Schweiz unterlägen die Bezüge als Präsident des Verwaltungsrates nicht der Besteuerung in Österreich. Die I-AG habe weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung in Österreich gehabt. Die Gesellschaft sei international tätig, der Beschwerdeführer trete als ihr Verwaltungsrat in verschiedenen Staaten auf. Der Umstand, daß dies auch in Österreich geschehen sei, begründe nicht die Vermutung der Geschäftsleitung in Österreich. Die Geschäftsleitung befindet sich vielmehr in Luzern. Die Prüfungsfeststellungen, daß die Waren vom Flughafen Wien nach Moskau transportiert worden seien, lasse nicht auf eine Geschäftsleitung in Österreich schließen. In Österreich sei wohl in einem bestimmten Ausmaß eine Einkaufstätigkeit entfaltet worden, die Verkaufsbemühungen seien jedoch durchwegs im Ausland erfolgt. Dasselbe gelte für die Einschaltung österreichischer Banken bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Eine solche Einschaltung sei nur insoweit erfolgt, als in Österreich Geldmittel zur Erfüllung von Verpflichtungen erforderlich gewesen seien. Die Transporte seien teilweise über eine österreichische internationale Speditionsfirma abgewickelt worden. Dieser Umstand könne aber genausowenig einen inländischen Ort der Geschäftsleitung beweisen wie der Umstand, daß der Beschwerdeführer über Rechnungsvordrucke der I-AG verfügt habe oder daß Briefpapier und Visitenkarten auch bei österreichischen Druckereien in Auftrag gegeben worden seien. Es werde bestritten, daß die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erforderlichen Entscheidungen von einigem Gewicht in Österreich getroffen worden seien. Der Beschwerdeführer vertrete die I-AG international, was mit einer ausgedehnten Reisetätigkeit verbunden sei und dazu führe, daß er sich in den Jahren 1981 bis 1989 überwiegend im Ausland aufgehalten habe. Er habe auf seinen Reisen im (telefonischen) Zusammenwirken mit den übrigen Verwaltungsräten die Entscheidungen getroffen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Beschlußfassung durch die drei Verwaltungsräte erfolge mehrheitlich, stehe nicht im Widerspruch zu seiner Zeichnungsberechtigung; der Widerspruch löse sich nämlich auf, wenn die Unterscheidung zwischen Außen- und Innenverhältnis beachtet werde. Der mehrheitlich schweizerische Verwaltungsrat habe die Entscheidung getroffen, Geschäftsunterlagen der I-AG nur schweizerischen Behörden vorzulegen. Die I-AG habe im Inland keine Aufzeichnungen geführt, Frau P. sei nicht Buchhalterin der I-AG gewesen. Es treffe nicht zu, daß in den Räumlichkeiten der S-GmbH ein betriebsorganisatorischer Schwerpunkt der I-AG gewesen sei. Da die I-AG in Österreich weder Sitz noch Geschäftsleitung habe, dürften die Verwaltungsratsbezüge in Österreich nicht besteuert werden. Eine verdeckte Gewinnausschüttung dürfe hingegen deshalb nicht angesetzt werden, weil der Beschwerdeführer nicht Aktionär der I-AG sei. Um gemäß schweizerischem Obligationenrecht als Verwaltungsrat wählbar zu sein, habe der Beschwerdeführer eine Aktie in dem Wert von 1.000,-- Schweizer Franken treuhändig übernommen. Das Finanzamt habe willkürlich angenommen, daß die Beträge, die der Beschwerdeführer von den Bankkonten der I-AG abgehoben habe, ihm persönlich zugeflossen seien. Tatsächlich seien aber die abgehobenen Beträge zur Abdeckung von Verpflichtungen der I-AG (Provisionsverpflichtungen gegenüber ausländischen Geschäftsfreunden, Verwaltungsratsvergütungen gegenüber dem Beschwerdeführer) verwendet worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Es sei unbestritten, daß weder der Beschwerdeführer noch die I-AG irgendwelche Buchhaltungsunterlagen (der I-AG) vorgelegt hätten. Es sei überdies unbestreitbar, daß die I-AG eine Schweizer Domizilgesellschaft (Briefkastengesellschaft) gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, daß er die angeblich in der Schweiz befindlichen Buchhaltungsunterlagen nicht vorlegen könne, weil dies der mehrheitlich schweizerische Verwaltungsrat abgelehnt habe; dem habe bereits der Betriebsprüfer entgegengehalten, daß der Beschwerdeführer als Aktionär der I-AG und als deren Verwaltungsratsmitglied einzelzeichnungsbefugt sei. Er habe vorgebracht, daß er Aktien nur treuhändig halte. Er habe hiezu eine Bestätigung der I-AG vorgebracht, aus der aber lediglich die Behauptung des treuhändigen Haltens hervorgehe. Der Berufungssenat könne hiezu nur festhalten, daß diese Behauptung unbelegt und zugleich unglaubwürdig sei; es sei zu unterstellen, daß der Beschwerdeführer es bewußt vermieden habe, Unterlagen vorzulegen, die dann schließlich bestätigt hätten, daß sich die Leitung der I-AG in Wien befinde. Nicht zu übersehen sei, daß weder der Beschwerdeführer noch die I-AG ein Verständigungsverfahren zur Vermeidung einer eventuellen Doppelbesteuerung angestrebt habe. Unbestritten seien die zahlreichen Feststellungen der Betriebsprüfung, die auf eine Leitung der I-AG von Österreich aus hinwiesen, wie z.B. die im Besitz des Beschwerdeführers befindlichen Rechnungsformulare, Briefe und Visitenkarten, die die I-AG betreffen, aber über die S-GmbH verbucht worden seien. Das gleiche gelte für zahlreiche Banküberrechnungen zwischen I-AG und S-GmbH, Vermengungen von Transportversicherungen, etc. Alle diese Umstände würden darauf hindeuten, daß sowohl die AG als auch die GmbH von Österreich aus, ja sogar von der gleichen Adresse aus, geführt worden seien. Der Beschwerdeführer rüge als Verfahrensmangel, daß ihm nicht vorgehalten worden sei, was der Betriebsprüfer bei den 27 (österreichischen) Partnerfirmen der I-AG erhoben habe. Der Beschwerdeführer habe aber nicht behauptet, die I-AG sei mit diesen österreichischen Firmen nicht in Geschäftskontakt gestanden. Lediglich die Tatsache dieses Geschäftskontaktes würde aber schon aufzeigen, daß die I-AG ihre Geschäfte in Österreich und nicht in der Schweiz abgewickelt habe. Der Beschwerdeführer habe zwar behauptet, diese Geschäftskontakte seien im Verhältnis zum Gesamtumfang unbedeutend, er habe aber hiefür keinen Nachweis angeboten, sodaß der vom Betriebsprüfer gezogene Schluß unwiderlegt sei. Der Berufungssenat sehe keinen Verfahrensmangel darin, daß dem Beschwerdeführer nicht im einzelnen vorgehalten worden sei, was die Ermittlungen bei den 27 Geschäftspartnern ergeben hätten, weil er diese Geschäftskontakte gar nicht leugne, überdies wäre es dem Beschwerdeführer ein Leichtes gewesen, aus den Unterlagen der I-AG ein viel genaueres Bild des jeweiligen Geschäftsumfanges zu ersehen, als es die Nachforschungen des Betriebsprüfers ergeben hätten. Das Besteuerungsrecht für die Verwaltungsratsbezüge stehe sohin Österreich zu. Die verdeckte Gewinnausschüttung sei vom Finanzamt in Höhe der unbestrittenen Barentnahmen und der Aufwendungen für die Motoryachten angesetzt worden. Der Beschwerdeführer habe zwar behauptet, daß die Barentnahmen zur Abdeckung von Verpflichtungen der I-AG verwendet worden seien; diese Behauptung sei aber nicht glaubwürdig, weil er nicht einen einzigen diesbezüglichen Beleg angeboten habe. Auch hinsichtlich der Motoryachten habe es der Beschwerdeführer nicht für erforderlich gefunden, einen Nachweis dafür zu erbringen, daß diese betrieblichen Zwecken der I-AG gedient hätten. Ein direkter betrieblicher Zusammenhang zwischen dem Handel mit Computern und Meßgeräten in den einstigen Ostblockbereich und einer Motoryacht in Italien sei nicht augenfällig, sodaß auch diese unbelegte Behauptung als bloße Zweckbehauptung angesehen werden könne.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 16 des Abkommens vom 30. Januar 1974 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. 64/1975 (im folgenden DBA), lautet:

"Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen und ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- und Verwaltungsrates einer Gesellschaft bezieht, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung hat, dürfen in dem anderen Staat besteuert werden."

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes rügt der Beschwerdeführer ausschließlich, die belangte Behörde habe verkannt, daß nach der klaren Zuteilungsregel dieses Art. 16 Verwaltungsratsvergütungen in dem Staat zu besteuern sind, in welchem eine Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung habe; es sei unstrittig, daß sich der Sitz der I-AG in der Schweiz befinde, sodaß die Besteuerung der Verwaltungsratsvergütungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft obliege.

Aus der Aktenlage ergibt sich, daß zwischen dem Bundesministerium für Finanzen und der Eidgenössischen Steuerverwaltung ein Verständigungsverfahren im Sinn des Art. 25 Z. 3 des DBA durchgeführt worden ist, welches auch die Bezüge des Beschwerdeführers als Verwaltungsratspräsident einer nach schweizerischem Recht errichteten Aktiengesellschaft betraf. Die Eidgenössische Steuerverwaltung habe in diesem Verfahren die Auffassung vertreten, daß der vom OECD-Musterabkommen abweichende Wortlaut des Art. 16 die Besteuerung von Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen, die von doppelansässigen Kapitalgesellschaften ausgezahlt werden, sowohl im Sitzstaat als auch im Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung der Gesellschaft zulasse.

Art. 16 des DBA regelt Bezüge von Mitgliedern des Aufsichts- oder Verwaltungsrates. Die Bestimmung ist der amtlichen deutschen Übersetzung des OECD-Musterabkommens 1963 nachgebildet. Ein Unterschied besteht lediglich darin, daß der Text des Musterabkommens auf Gesellschaften abstellt, die im anderen Vertragsstaat ansässig sind, während das DBA an Gesellschaften anknüpft, die im anderen Vertragsstaat ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung haben.

Bei der Interpretation von Doppelbesteuerungsabkommen ist zu beachten, daß Vertragsparteien, insoweit sie den Text des OECD-Musterabkommens in ein Doppelbesteuerungsabkommen übernehmen, der einzelnen Vorschrift des bilateralen Vertrages den Inhalt der korrespondierenden Vorschrift des OECD-Musterabkommens beimessen; dadurch erlangt der bei Abschluß eines Doppelbesteuerungsabkommens bestehende Kommentar des OECD-Steuerausschusses zum übernommenen Musterabkommen für die Auslegung des Abkommens besondere Bedeutung (vgl. Lang M.,

Die Bedeutung des Musterabkommens und des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 22 und 30f).

Der Kommentar zu Art. 16 des Musterabkommens 1963 spricht nur von Mitgliedern des Aufsichtsrates einer Gesellschaft, also von jenem Organ, dem Kontrollfunktion zukommt.

Zur deutschen Übersetzung des Art. 16 des OECD-Musterabkommens (1963) ist einhellig die Auffassung vertreten worden, daß diese Zuteilungsregel nur Einkünfte erfaßt, die für die überwachende Funktion als Aufsichtsrat gezahlt werden (vgl. Philipp/Loukota/Jirousek/Pollak, Internationales Steuerrecht2, Z. 16-2; Loukota, Internationale Steuerfälle, Tz 614). Es ist darauf abzustellen, ob die Befugnisse auf die Überwachung der Geschäftsführung beschränkt sind; dies ist nicht der Fall, wenn die Befugnisse auch unmittelbare Leitungs- oder Mitwirkungsaufgaben einschließen (vgl. Vogel, DBA2, Art. 16 Rn 12 zum inhaltlich unveränderten Art. 16 des Musterabkommens 1977 ).

Der Verwaltungsgerichtshof gelangt daher zur Auffassung, daß die Zuteilungsregel des Art. 16 DBA die Einkünfte aus der geschäftsführenden Tätigkeit für eine Aktiengesellschaft nicht betrifft. Daran ändert nichts, daß Art. 712 des Schweizerischen Obligationenrechtes den Ausdruck des Verwaltungsrates für den Fall verwendet, daß mehrere Personen mit der Verwaltung betraut werden. Dem Abkommen ist nämlich nicht zu entnehmen, daß die im Art. 16 verwendeten Begriffe abweichend vom Begriffsinhalt des OECD-Musterabkommens zu verstehen wären.

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß der Beschwerdeführer die Bezüge aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer und Vertreter der I-AG erzielt hat. Sie hat auf derartige Bezüge Art. 16 DBA zur Anwendung gebracht. Die belangte Behörde hat damit die Rechtslage verkannt. Auch wenn ein Bescheid auf unrichtigen rechtlichen Erwägungen beruht, kann aber sein Spruch rechtmäßig sein, wenn er sich auf eine dem Gesetz entsprechende Begründung stützen läßt. Dies trifft im gegenständlichen Fall zu:

Das Finanzamt und ihm folgend die belangte Behörde haben die Einkünfte aus der strittigen Tätigkeit als geschäftsführendes Organ der I-AG als Einkünfte aus selbständiger Arbeit qualifiziert. Diese Einstufung bekämpft der Beschwerdeführer nicht. Aus der Aktenlage ergibt sich kein Hinweis, der diese Beurteilung als rechtswidrig erscheinen ließe. Für derartige Einkünfte kommt die Zuteilungsregel des Art. 14, allenfalls jene des Art. 21 DBA in Betracht.

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer im Zeitraum, für welchen er die strittigen Bezüge erhalten hat, in Österreich ansässig war. Nach Art. 14 DBA steht dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zu, es sei denn, daß der Steuerpflichtige für die Ausübung seiner Tätigkeit in dem anderem Staat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt. Verfügt er über eine solche feste Einrichtung, so dürfen die Einkünfte in dem anderen Staat insoweit besteuert werden, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können. Nach Art. 21 DBA kommt das Besteuerungsrecht stets dem Ansässigkeitsstaat zu.

Der Beschwerdeführer hat in der Berufung vorgebracht, daß er die I-AG international vertrete und sich überwiegend auf internationalen Reisen befunden habe, wobei er insbesondere fernmündlich mit den übrigen Verwaltungsräten der I-AG zusammengewirkt habe. In keiner Weise hat der Beschwerdeführer vorgebracht, daß er in der Schweiz über eine feste Einrichtung (im Sinne des Art. 14 DBA) verfügt habe. Solcherart erweist es sich nicht als rechtswidrig, daß die belangte Behörde das Besteuerungsrecht Österreichs angenommen hat.

Der Beschwerdeführer rügt als Verletzung von Verfahrensvorschriften, es sei ihm wegen der unangemessen kurzen Vorladung zur Schlußbesprechung (im Betriebsprüfungsverfahren) die Möglichkeit genommen worden, zum Ergebnis der Betriebsprüfung Stellung zu nehmen. Dieses Vorbringen kann eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigen, weil dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren ausreichend Zeit zur Nachreichung einer derartigen Stellungnahme zur Verfügung gestanden ist.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat sei die Befragung seiner Person auf ein Minimum reduziert worden. Auch mit diesem Vorbringen zeigt er eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht auf. Er wäre nämlich nicht gehindert gewesen, in der Berufungsverhandlung von sich aus ein Vorbringen zu erstatten. Im übrigen zeigt die Beschwerde nicht auf, welche Fragen die belangte Behörde an ihn hätte richten sollen und was er sodann vorgebracht hätte.

Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft Verfahrensrügen zur Frage der Feststellung des Ortes der Geschäftsleitung der I-AG (Ermittlungen über die Geschäftspartner der I-AG in Österreich, Buchhaltungsarbeiten der Frau P., Vorlage der Buchhaltung der I-AG). Auf dieses Vorbringen war nicht einzugehen, weil sich die Frage des Ortes der Geschäftsleitung der I-AG im gegenständlichen Verfahren als nicht relevant erweist.

Der Beschwerdeführer wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes nicht in subjektiven Rechten verletzt. Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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