Betriebsstätten haben keine eigene Rechtspersönlichkeit, sie sind nur ein rechtlich unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens. Sie sind als solche daher auch nicht steuerpflichtig; steuerpflichtig ist die Rechtsperson, die das Gesamtunternehmen betreibt. Steuerbescheide sind daher an die das Gesamtunternehmen betreibende Rechtsperson zu richten und für Steuerschulden
, die rechnerisch auf eine Betriebsstätte entfallen, kann in das Vermögen des Gesamtunternehmens vollstreckt werden. Geschäftliche Vorgänge, die innerhalb eines einheitlichen Gesamtunternehmens ablaufen, wären Geschäfte, die jemand mit sich selbst tätigt, und können daher keine Einkünfte erzeugen. Weitet ein Unternehmen seine Aktivitäten aber über die Landesgrenzen hinaus unter Begründung von Auslandsbetriebsstätten aus, dann verlangt Art. 7 Abs. 2 DBA, dass für Zwecke der Gewinnaufteilung die steuerlichen Folgen der grenzüberschreitend ablaufenden innerbetrieblichen Transaktionen die Gleichen sein müssen, wie jene, die aus vergleichbaren Transaktionen mit unabhängigen und selbständigen Geschäftspartnern resultieren würden. Die Betriebsstätte wird daher für Zwecke der Gewinnaufteilung wie ein selbständiges Unternehmen behandelt (Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte;
VwGH 20.10.2009, 2006/13/0116).
Unter der Bezeichnung "AOA" (Authorized OECD Approach) hat die OECD Leitlinien für die Gewinnzuordnung an Betriebsstätten veröffentlicht (siehe die Berichte der OECD unter dem Titel "Attribution of Profits to Permanent Establishments" aus 2008 und 2010 sowie die "Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments" aus 2018). Eine vollinhaltliche Anwendung dieser Leitlinien erforderte auch eine Neufassung des Art. 7 OECD-MA, da dieser in der Fassung vor dem OECD-MA 2010 einer uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion entgegensteht. Damit der AOA auch im Kontext der österreichischen DBA vollinhaltlich angewendet werden könnte, müsste Art. 7 OECD-MA 2010 in das österreichische DBA-Netz übernommen werden.
Österreich hat sich jedoch vorbehalten, weiterhin die Fassung des Art. 7 OECD-MA idF vor 2010 in seinen DBA zu verwenden (OECD-MK Art. 7 Z 96). Daher wendet Österreich lediglich einen "AOA light" an. Das bedeutet, dass der AOA gegenwärtig nur insoweit rechtliche Relevanz
hat, als er mit dem OECD-Kommentar zu Art. 7 idF vor 2010 nicht im Widerspruch steht. Im Folgenden wird daher auch nur auf die rechtlich maßgebenden Absätze aus den Teilen I bis IV des AOA Reports 2008 Bezug genommen. Die Grundsätze des AOA light gelten gleichsam bei Anwendung der Doppelbesteuerungsverordnung (
BGBl. II Nr. 474/2002).
Nach Art. 7 OECD-MA idF vor 2010 (AOA light) gilt die Selbständigkeitsfiktion nicht schrankenlos, weil das Stammhaus und seine Betriebsstätte eine rechtliche und tatsächliche Einheit bilden und schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte rechtlich nicht möglich sind. Eine uneingeschränkte Selbständigkeit wird nur für unternehmensinterne Beziehungen fingiert, die Gegenstand der ordentlichen Geschäftstätigkeit der leistenden Unternehmenseinheit sind, die sonach zum Kernaufgabengebiet der leistenden Unternehmenseinheit zählen und folglich auch Fremden gegenüber erbracht werden können, insbesondere für die Überführung von Wirtschaftsgütern (siehe im Detail Abschnitt 2.2.3.). Unternehmensinterne Darlehens-, Miet- und Lizenzverträge führen demgegenüber bei keiner Unternehmenseinheit zu Betriebsausgaben bzw. Betriebseinnahmen. In solchen Fällen hat es daher gemäß Art. 7 Abs. 3 OECD-MA idF vor 2010 mit einer Zuordnung von Aufwendungen, die dem Unternehmen als Ganzem gegenüber Dritten erwachsen, sein Bewenden (OECD-MK Art. 7 Z 27 ff idF vor 2010; BFH 27.7.1965, I 110/63 S, BStBl III 1966, 24,
BFH 20.7.1988, I R 49/84, BStBl II 1989, 140). Auch im Fall von Arbeitskräftegestellungen vom Stammhaus an die Betriebsstätte wird deren steuerliche Wirksamkeit als reine Innentransaktion nicht anerkannt (
EAS 1838).
Der AOA wurde von den Staaten unterschiedlich angenommen und umgesetzt. Sollte ein DBA-Partnerstaat die Betriebsstättengewinnermittlung anders interpretieren als Österreich und zB den AOA vollumfänglich anwenden, ohne dass das zugrundeliegende DBA geändert wurde, so sind dadurch entstehende Besteuerungskonflikte auf Antrag im Wege eines Verständigungsverfahrens zu lösen. So hat zB Deutschland den AOA vollumfänglich in innerstaatliches Recht umgesetzt (
§ 1 Abs. 5 AStG) und wendet ihn grundsätzlich im Verhältnis zu allen DBA-Partnerstaaten an. Ungeachtet dessen hat das DBA-Deutschland Vorrang und die dort vorgesehene Betriebsstättengewinnzurechnung ist jedenfalls anzuwenden. Es empfiehlt sich bei der Dokumentation über die abkommenskonforme Gewinnzurechnung auf Basis des AOA light auch nachzuweisen, dass Österreich sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt.
Der AOA light beruht insoweit auf der traditionellen Methodik, als er davon ausgeht, dass der Betriebsstättengewinn in zwei Schritten zu ermitteln ist (OECD-MK Art. 7 Z 18 idF vor 2010, AOA Report 2008 Z I/13,
EAS 3229):
- Zunächst ist eine Funktionsanalyse anzustellen, in deren Verlauf die der Betriebsstätte zuzuordnenden wesentlichen (Mitarbeiter-)Funktionen, Wirtschaftsgüter und Risiken festzustellen sind;
- In einem zweiten Schritt ist sodann der fremdübliche Gewinn durch Ansatz fremdüblicher Entgelte zu ermitteln, wie sie auch im Fall verbundener Unternehmen (Art. 9 OECD-MA) anzusetzen wären - sofern nicht bei unternehmensinternen Leistungen lediglich eine Aufwandszuordnung zulässig ist.