Ausgangspunkt der Funktionsanalyse ist die Feststellung der tatsächlich von der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeiten (OECD-MK Art. 7 Z 18 idF vor 2010). Hierbei ist Z 1.51 ff OECD-VPL anwendbar (AOA Report 2008 Z I/89). Bei dieser Funktionsermittlung sind die von den Unternehmensmitarbeitern persönlich ausgeübten wesentlichen Funktionen maßgebend ("significant people functions"; AOA Report 2008 Z I/91,
EAS 3209). Von den ausgeübten Funktionen hängt es ab, welche Risiken und welche Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte zuzurechnen sind; und davon wiederum hängt das Dotationskapital der Betriebsstätte ab.
Beispiel:
Ein Unternehmen mit Stammhaus in Staat A hat in Staat B eine Vertriebsniederlassung (Betriebsstätte) eröffnet. Die Produktherstellung stellt eine vom Personal des Stammhauses ausgeübte Funktion dar. Die Mitarbeiter der Betriebsstätte schließen Verkaufsverträge ab. Im Rahmen der Funktionsanalyse ist ua. festzustellen, in welchem Unternehmensteil die verantwortlichen Entscheidungen über den Umfang der Lagerhaltung in der Betriebsstätte getroffen werden; denn davon hängt ab, welchem Unternehmensteil das Beständewagnis (Schwund, Diebstahl, Veraltern, Verderb, Verlust, Qualitätsminderung usw.) zuzurechnen ist. Für die Frage, wem das Vertriebswagnis (insb. Forderungsausfälle) zuzurechnen ist, ist beispielsweise die Feststellung maßgebend, welcher Unternehmensteil die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Kunden der Betriebsstätte vornimmt und auf die Zahlungskonditionen Einfluss nimmt (in diesem Sinn AOA Report 2008 Z I/26).
Eine genaue Durchleuchtung dieser wesentlichen Mitarbeiterfunktionen ist vor allem im Verhältnis zu Ländern von Bedeutung, mit denen Abkommen auf der Grundlage der Steuerbefreiungsmethode abgeschlossen sind und Gewinnverlagerungen eine Einsparung österreichischer Steuern zur Folge hätten. Werden daher beispielsweise von inländischen Unternehmen im niedrig besteuernden Ausland Finanzierungsbetriebsstätten gegründet, dann muss im Rahmen der Funktionsanalyse darstellbar sein, wie viele Mitarbeiter tatsächlich in dieser Finanzierungsbetriebsstätte tätig sind, welche Aufgaben sie dort tatsächlich erfüllen und ob sie hierfür auch tatsächlich die nötige Qualifikation aufweisen. Werden etwa die sonst im österreichischen Stammhaus tätigen notwendigen Finanzierungsexperten einmal pro Quartal zur Betriebsstätte "entsendet", um dort für Zwecke des Risikomanagements Sitzungen abzuhalten und formal Beschlüsse zu fassen, während die eigentlichen operativen Arbeiten im Stammhaus durchgeführt werden, so werden die maßgeblichen Mitarbeiterfunktionen nicht der Betriebsstätte zuzuordnen sein. Ebenso wenig werden Finanzierungserträge des inländischen Unternehmens bloß auf Grund des Umstands im Inland steuerfrei gestellt werden können, dass sie buchmäßig in einer gesondert für die Finanzierungsbetriebsstätte geführten Buchhaltung als deren Ertrag erfasst worden sind.
Bei der Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten (bzw. festen Einrichtungen im Sinne von Art. 14 OECD-MA idF vor 2000) von Freiberuflern gelten die Grundsätze des AOA light ebenso (
EAS 3371). Dabei ist die Besonderheit zu beachten, dass die Tätigkeit eines Freiberuflers unter Einsatz besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt wird. Für eine funktionale Zuordnung zur Betriebsstätte muss die Kerntätigkeit im Quellenstaat ausgeübt werden, wobei der für das Berufsbild typische Tätigkeitsort maßgeblich ist (
VwGH 4.9.2014, 2012/15/0226). Die Ausübung lediglich unterstützender Tätigkeiten bzw. Routinearbeiten in der Betriebsstätte bzw. festen Einrichtung vermag nicht die gesamten Unternehmensgewinne in den Quellenstaat zu verlagern. Vielmehr muss der Betriebsstätte bzw. festen Einrichtung entsprechend der übernommenen Funktionen und Risiken eine am Fremdverhaltensgrundsatz orientierte Gewinntangente zugerechnet werden (
EAS 3229).
Bei Betriebsstätten von Banken und Versicherungsunternehmen wird im AOA wegen der branchenspezifischen Gegebenheiten nicht auf den Begriff der "wesentlichen Mitarbeiterfunktionen", sondern auf den Begriff der "KERT-Funktion" (key entrepreneurial risk-taking function) abgestellt. Bei Banken deshalb, weil neben den Mitarbeiterfunktionen auch das veranlagte Kapital eine wesentliche Rolle für das Unternehmensrisiko bildet (AOA Report 2008 Z II/66). Kapital und Risiko sind innerhalb eines Bankunternehmens untrennbar verflochten (AOA Report 2008 Z II/67) und folglich kommt der Ermittlung, welchem Unternehmensteil das wirtschaftliche Eigentum am veranlagten Kapital zuzuordnen ist, eine tragende Rolle zu (AOA Report 2008 Z II/68). Die KERT-Funktion wird bei Banken von jenem Unternehmensteil ausgeübt, der die Finanzanlagewerte ausverhandelt und der ihr Risikomanagement übernimmt. Bei Versicherungsunternehmen wird die Entscheidung über das Eingehen des Versicherungsrisikos durch den Abschluss der Versicherungsverträge als (einzige) KERT-Funktion gewertet (AOA Report 2008 Z IV/69).