vorheriges Dokument
nächstes Dokument

3.4 Hochrechnung steuerfreier Bezugsteile bei der Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften (§ 3 Abs. 2 EStG 1988)

BMF2020-0.804.78615.12.2020

Rz 113
Bestimmte steuerfreie Bezüge lösen bei Durchführung der (Arbeitnehmer-)Veranlagung im Sinne des § 41 Abs. 1 oder 2 EStG 1988 eine besondere Berechnung aus. Es handelt sich dabei um folgende Transferleistungen:

Sind die grundsätzlich hochzurechnenden Einkünfte insgesamt negativ, unterbleibt eine Hochrechnung (siehe auch UFS vom 10.09.2009, RV/0497-K/07).

Rz 114
Hochzurechnen sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen

Die Hochrechnung betrifft aber nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der oben angeführten Transferleistungen bezogen wurden ("für das restliche Kalenderjahr"). Gleichzeitig während der Zeit der Transferleistungen bezogene Einkünfte sind daher nicht auf einen Jahresbetrag hochzurechnen. Ebenso sind ganzjährig bezogene Pensionen sowie ganzjährig bezogene geringfügige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht bei der Hochrechnung zu berücksichtigen (VwGH 20.07.1999, 94/13/0024, BFG 05.03.2014, RV/6100112/2014). Bei Bezug von Krankengeld anstelle des Arbeitslosengeldes oder der Notstandshilfe siehe Rz 671.

Bei Bezug von Bildungsteilzeitgeld darf die Berechnung des fiktiven Jahresbetrages gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht so erfolgen, dass dies zu einer doppelten Erfassung während des steuerfreien Bezuges weiterlaufender nicht steuerfreier Bezugsteile führt (VwGH 27.03.2019, Ra 2018/13/0024 sowie BFG 09.12.2019, RV/3100503/2019, 12.12.2016, RV/3100968/2016; 13.12.2017, RV/5101476/2016).

Beispiel Bildungsteilzeitgeld:

Ein Arbeitnehmer bezog das ganze Jahr 2019 steuerpflichtige Einkünfte von einem Arbeitgeber. Im Zeitraum Jänner bis September war er teilzeitbeschäftigt (laufende monatliche Lohnsteuerbemessungsgrundlage 1.300 Euro) und bezog daneben steuerfreies Bildungsteilzeitgeld. Ab Oktober bis Dezember war er vollzeitbeschäftigt (laufende monatliche Lohnsteuerbemessungsgrundlage 2.100 Euro).

Ein Teil der Bezüge, nämlich 1.300 Euro monatlich, flossen dem Arbeitnehmer ganzjährig zu (von Jänner bis September zur Gänze als Entlohnung im Rahmen der Teilzeitbeschäftigung, von Oktober bis Dezember als Teil der Entlohnung im Rahmen der Vollzeitbeschäftigung). Der ganzjährig zugeflossene Bezugsanteil (1.300 Euro monatlich) ist von der Umrechnung auszunehmen. Demgegenüber ist der nur für das restliche Kalenderjahr zugeflossene Bezugsanteil aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Anordnung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 auf das gesamte Jahr hochzurechnen.

Die gesamten (ganzjährig) bei den steuerpflichtigen Bezügen angefallenen Werbungskosten sind für die Hochrechnung im Verhältnis der "Einkünfte ohne Umrechnung" bzw. der "hochzurechnenden Einkünfte" aufzuteilen (vgl. Rz 116).

Rz 115
Die Berechnungsmethode hat den Effekt, dass bei Durchführung einer (Arbeitnehmer-)Veranlagung jener Zeitraum, während dessen der Steuerpflichtige die angegebenen Transferleistungen bezieht, neutralisiert wird. Die (Arbeitnehmer-)Veranlagung ist somit in ihrer Wirkung auf jenen Zeitraum beschränkt, in dem Erwerbs- bzw. Pensionseinkünfte oder überhaupt keine Einkünfte erzielt werden. Eine lediglich auf den Bezug steuerfreier Transferleistungen zurückzuführende Progressionsmilderung ist damit ausgeschlossen. Andere Umstände (zB zeitweises Fehlen jeglicher Einkünfte, unterschiedliche Bezugshöhe, nachträgliche Geltendmachung besonderer Aufwendungen) bewirken hingegen eine entsprechende Progressionsmilderung.

Rz 116
Die Verkürzung des Veranlagungszeitraumes ergibt sich daraus, dass die steuerpflichtigen Lohnbezüge für die Dauer des Bezuges solcher Leistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden. Andere Einkünfte, die während des Bezugs derartiger Transferleistungen zufließen, sind immer in der tatsächlichen Höhe anzusetzen. Umzurechnen sind nur die laufenden Einkünfte. Sonstige Bezüge sind nur dann hochzurechnen, wenn sie zum laufenden Tarif versteuert werden (§ 67 Abs. 10 EStG 1988). Zur Vermeidung einer Vervielfachung des Werbungskostenpauschales, das auch bei nicht ganzjähriger Beschäftigung jeweils in voller Höhe zusteht, werden die umzurechnenden Einkünfte noch nicht um das Werbungskostenpauschale gekürzt. Werbungskosten werden, wenn sie tatsächlich angefallen sind (auch wenn sie das Werbungskostenpauschale nicht überschreiten), bei der Ermittlung der umzurechnenden Einkünfte in Entsprechung des Nettoprinzips berücksichtigt. Bei Bezug von Bildungsteilzeitgeld sind die gesamten (ganzjährig) angefallenen Werbungskosten im Verhältnis der "Einkünfte ohne Umrechnung" bzw. der "hochzurechnenden Einkünfte" zu den gesamten steuerpflichtigen Bezügen aufzuteilen (vgl. BFG 09.12.2019, RV/3100503/2019). Das Werbungskostenpauschale wird (gegebenenfalls nur in dem Ausmaß, in dem es die tatsächlichen Werbungskosten übersteigt) erst nach der Hochrechnung von den Einkünften abgezogen (VwGH 26.05.1998, 97/14/0067, 98/14/0040; VwGH 27.05.1998, 98/13/0045).

Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und während der Transferleistung bezogene Einkünfte sind erst beim Gesamtbetrag der sich nach Umrechnung ergebenden Einkünfte zu berücksichtigen. Aus dieser Grundlage sind die Jahressteuer sowie die prozentuelle Durchschnittssteuerbelastung zu errechnen. Der Prozentsatz der Durchschnittssteuerbelastung wird auf das im Kalenderjahr tatsächlich erzielte zu versteuernde Einkommen angewendet. Die sich ergebende Steuer ist jener gegenüberzustellen, die sich bei einer Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn ergeben würde (Kontrollrechnung). Maßgebend ist jeweils die niedrigere Steuerbelastung.

Rz 117
Da die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 auf einen Durchschnittssteuersatz abstellt, kommt wie beim allgemeinen Progressionsvorbehalt die in § 33 Abs. 10 EStG 1988 zentral verankerte Berechnung zur Anwendung. Die in Frage kommenden Steuerabsetzbeträge werden daher bereits bei der Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes berücksichtigt. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen (VwGH 26.5.1998, 97/14/0067, 98/14/0040; VwGH 27.5.1998, 98/13/0045).

Rz 118
Um dieses Verfahren zu ermöglichen, wird den die genannten Bezüge auszahlenden Stellen eine besondere Mitteilungspflicht auferlegt. Die VO, die das nähere Verfahren im Falle eines Datenträgeraustausches regelt, ist im BGBl. II Nr. 9/1997 kundgemacht.

Rz 118a

Beispiel (Rechtslage 2016):

Sachverhalt:

Steuerpflichtige Bezüge

(1. Jänner - 21. November)

25.220,00 Euro

Arbeitslosengeld (40 Tage)

(22.November - 31. Dezember)

1.807,00 Euro

Steuer für sonstige Bezüge (6%)

 

217,29 Euro

Anrechenbare Lohnsteuer

 

4.608,15 Euro

1. Hochrechnung:

Berechnung des Durchschnittssteuersatzes:

Steuerpflichtige Bezüge : Zeitraum des laufenden Bezuges in Tagen x Tage des Jahres = 25.220 Euro : 325 x 365 =

28.324 Euro

- Pauschbetrag für Werbungskosten

- 132 Euro

- Pauschbetrag für Sonderausgaben

- 60 Euro

Hochgerechnetes Einkommen

28.132 Euro

  

(28.132 - 18.000) × 4.550

+ 1.750

5.296,20 Euro

_______________________

13.000

- Verkehrsabsetzbetrag

- 400,00 Euro

Jahressteuer

4.896,20 Euro

Durchschnittssteuersatz:

Jahressteuer : Einkommen x 100 = 4.896,20 : 28.132 x 100

17,40%

Berechnung der Einkommensteuer:

Steuerpflichtige Bezüge

25.220 Euro

- Pauschbetrag für Werbungskosten

- 132 Euro

- Pauschbetrag für Sonderausgaben

- 60 Euro

Einkommen

25.028 Euro

  

17,40% von 25.028 Euro

4.354,87 Euro

+ Steuer für sonstige Bezüge (6%)

217,29 Euro

Zwischensumme

4.572,16 Euro

- Anrechenbare Lohnsteuer

- 4.608,15 Euro

Gutschrift

35,99 Euro

2. Kontrollrechnung ( = Behandlung des Arbeitslosengeldes als steuerpflichtig)

Steuerpflichtige Bezüge

25.220 Euro

+ Arbeitslosengeld

1.807 Euro

- Pauschbetrag für Werbungskosten

- 132 Euro

- Pauschbetrag für Sonderausgaben

- 60 Euro

Einkommen

26.835 Euro

  

(26.835 - 18.000) × 4.550

+ 1.750

4.842,25 Euro

_______________________

13.000

- Verkehrsabsetzbetrag

- 400,00 Euro

 

4.442,25 Euro

+ Steuer für sonstige Bezüge (6%)

217,29 Euro

Zwischensumme

4.659,54 Euro

- Anrechenbare Lohnsteuer

- 4.608,15 Euro

Nachzahlung

- 51,39 Euro

Nach dem Günstigkeitsvergleich gemäß § 3 Abs. 2, 2. Unterabsatz, 2. Halbsatz EStG 1988 ergibt die Einkommensteuerberechnung eine Gutschrift von 35,99 Euro.

Rz 118b
Die Rückzahlung steuerfreier Bezüge, die gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 eine besondere Berechnung auslösen und deren Zufluss steuerliche Auswirkungen hatte - entweder im Wege der Umrechnungsvariante oder im Wege der Hinzurechnungsvariante - sind gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 im Kalenderjahr der tatsächlichen Rückzahlung (§ 19 Abs. 2 EStG 1988) im Rahmen der Hoch- oder Kontrollrechnung als Werbungskosten zu berücksichtigen (VwGH 22.06.2020, Ro 2018/13/0009). Ist im Kalenderjahr der Rückzahlung Berücksichtigung im Rahmen der Hoch- oder Kontrollrechnung - mangels entsprechender steuerfreier Bezüge - nicht möglich, stellt die Rückzahlung ein rückwirkendes Ereignis dar, das zu einer Bescheidänderung gemäß § 295a BAO führt; es ist daher der Einkommensteuerbescheid des Jahres, in dem die Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 in die Hoch- oder Kontrollrechnung einbezogen wurden, gemäß § 295a BAO abzuändern.

Beispiel 1:

Ein Arbeitnehmer hat im Kalenderjahr 2019 Arbeitslosengeld in Höhe von 5.000 Euro erhalten, das im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2019 in die Hochrechnung einbezogen wurde. Im Jahr 2020 muss er davon 3.000 Euro zurückzahlen. Im Kalenderjahr 2020 hat er zudem Arbeitslosengeld in Höhe von 6.000 Euro erhalten. Die Rückzahlung ist im Kalenderjahr 2020 im Rahmen der Kontrollrechnung als Werbungskosten zu berücksichtigen (+ 6.000 Euro abzüglich 3.000 Euro).

Beispiel 2:

Ein Arbeitnehmer hat im Kalenderjahr 2019 Arbeitslosengeld erhalten, das im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2019 in die Hochrechnung einbezogen wurde. Im Jahr 2020 muss er es zur Gänze zurückzahlen. Der Bescheid für das Jahr 2019 ist gemäß § 295a BAO abzuändern. Die Veranlagung ist ohne Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes durchzuführen.

Kein Fall für eine Bescheidänderung gemäß § 295a BAO liegt vor bei Rückzahlung eines durch das AMS geleisteten steuerfreien Pensionsvorschusses, wenn das beantragte Rehabilitationsgeld schließlich zuerkannt wird (VwGH 19.12.2018, Ro 2017/15/0025); siehe dazu Rz 319b.

Stichworte