Zusatzinformationen | |
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Materie: | Organisation |
betroffene Normen: | § 143 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | KIAB, Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung |
6. Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Sozialbetrugsgesetz (SozBeG) nach der Strafprozessordnung (StPO)
6.1. Ermittlungen nach der Strafprozessordnung (StPO)
Definition
Ermittlung ist jede Tätigkeit der Kriminalpolizei der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, die der Gewinnung, Sicherstellung, Auswertung oder Verarbeitung einer Information zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat dient. Sie ist als Erkundigung (Befragung) oder als Beweisaufnahme zu führen.
Das Ermittlungsverfahren hat den Zweck den Sachverhalt und Tatverdacht soweit abzuklären, dass die Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von der Verfolgung oder Einstellung des Verfahrens entscheiden kann. Im Fall der Anklage soll eine zügige Durchführung der Hauptverhandlung möglich sein.
Organe der FÄ (daher auch die KIAB) dürfen nur im Rahmen von Maßnahmen nach §§ 86 und 89 EStG 1988 selbständig erste Ermittlungen bei Verdacht eines Sozialbetrugsdeliktes führen. Ergibt sich eine solche Verdachtslage im Zuge von Ermittlungen oder Kontrollen außerhalb der §§ 86 und 89 EStG 1988, ist umgehend ein Ermittlungsauftrag der Staatanwaltschaft zu beantragen (in dringenden Fällen auch fernmündlich).
Standard
Die Durchführung von Ermittlungen nach dem Sozialbetrugsgesetz (SozBeG) hat unter Anwendung der Strafprozessordnung (StPO) zu erfolgen.
Dabei ist auf die Grundsätze der Amtswegigkeit des Verfahrens, der Verpflichtung zur Objektivität und der materiellen Wahrheitserforschung, der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit, des rechtlichen Gehörs, des Rechts auf Verteidigung sowie auf das Beschleunigungsgebot Bedacht zu nehmen.
Ermittlungsbefugnisse Art. III SozBeG idF BgBl. I Nr. 152/2004
Die Ermittlungsbefugnisse der KIAB ergeben sich aus dem 1. Absatz der genannten Bestimmung. Daher kommen der KIAB die in der StPO der Kriminalpolizei zugewiesenen Aufgaben und eingeräumten Befugnisse bei Ermittlungen nach dem SozBeG zu.
Organe der Abgaben- und Finanzstrafbehörden haben jedoch nur dann von Amts wegen zur Aufklärung eines Sozialbetrugsdeliktes einzuschreiten, wenn sich im Zuge von Prüfungen nach den §§ 86 und 89 EStG 1988 ein entsprechender Verdacht ergibt. Ergibt sich ein Verdacht im Zuge von anderen Amtshandlungen, ist eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu erstatten. Kriminalpolizeiliche Ermittlungen sind diesfalls nur im Rahmen eines erteilten Auftrages durchzuführen. Es ergibt sich daher folgendes:
Sollte sich im Zuge von Maßnahmen nach den §§ 86 und 89 EStG 1988 ein Anfangsverdacht nach dem SozBeG ergeben, so sind Ermittlungen von Amts wegen zu führen. In diesem Fall hat ein Zwischenbericht erstmalig nach drei Monaten nach den ersten Ermittlungshandlungen gegen eine bestimmte Person an die Staatsanwaltschaft zu erfolgen.
Sollte der Verdacht eines Vergehens nach dem SozBeG aufgrund anderer Maßnahmen der KIAB entstehen, ist dies der Staatsanwaltschaft anzuzeigen (§§ 78, 79 StPO) und in Folge nur im Umfang einer darauf gerichteten Anordnung der Staatsanwaltschaft tätig zu werden.
Bei Ermittlungsaufträgen durch die Staatsanwaltschaft ist den Anordnungen der Staatsanwaltschaft Folge zu leisten.
Die ermittelnden Organe der Abgabenbehörde haben dabei die Berichtspflichten der StPO zu befolgen.
Der Beginn der Ermittlungen ist zu dokumentieren, da mit diesem Zeitpunkt der/die Verdächtige zum/zur Beschuldigten wird und sich daraus auch Fristen ergeben.
6.2. Beschuldigte(r) nach der Strafprozessordnung (StPO)
Definition
Beschuldigte(r) ist jede Person, die aufgrund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben, sobald gegen sie wegen dieses Verdachts ermittelt oder Zwang ausgeübt wird (= materieller Beschuldigtenbegriff).
Ein konkreter Verdacht liegt vor, wenn es sich um mehr als einen bloßen Anfangsverdacht handelt. Es muss vielmehr objektiv zu erkennen sein, dass sich die Ermittlung gegen eine bestimmte Person als mögliche(n) Täter/-in richtet, wobei die konkrete Amtshandlung selbst nicht gegen den/die Beschuldigte(n) gerichtet sein muss (zB Zeugenbefragung).
Standard
Jede(r) Beschuldigte(r) ist durch das KIAB-Organ sobald wie möglich über das gegen ihn/sie geführte Ermittlungsverfahren und den gegen ihn/sie bestehenden Tatverdacht sowie über seine/ihre wesentlichen Rechte im Verfahren zu informieren. Dies darf nur solange unterbleiben, als besondere Umstände befürchten lassen, dass ansonsten der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Ermittlungen oder Beweisaufnahmen durchzuführen sind, deren Erfolg voraussetzt, dass der/die Beschuldigte keine Kenntnis von den Ermittlungen hat. Die Entscheidung darüber trifft der/die Leiter/-in Strafsachen und ist aktenmäßig zu dokumentieren. Bei Nichterreichbarkeit entscheidet der Fachexperte KIAB und in weiterer Folge der/die Teamleiter/-in.
6.3. Erkundigungen, Vernehmungen
6.3.1. Erkundigung
Definition
Erkundigungen sind "informative Befragungen", aus welchen sich erst die Stellung einer Person im Verfahren (Beschuldigte(r), Zeuge/Zeugin) ergeben kann. Sie dienen der Aufklärung einer Straftat und der Vorbereitung einer Beweisaufnahme; die Bestimmungen über die Vernehmung des/der Beschuldigten und von Zeugen/Zeuginnen dürfen durch Erkundigungen bei sonstiger Nichtigkeit (Beweisverwertungsverbot) nicht umgangen werden.
Standard
Wenn sich daher im Rahmen einer bloßen Befragung (Erkundigung) der Verdacht ergibt, dass der/die Befragte entweder als Beschuldigte(r) oder als Zeuge/Zeugin in Frage kommt, ist diesem/dieser umgehend eine entsprechende Rechtsbelehrung zu erteilen. Über die Erkundigung ist ein Amtsvermerk (=Aktenvermerk) anzulegen.
Im weiteren Verfahren ist diese(r) dann als Beschuldigte(r), Zeuge/Zeugin zu behandeln.
6.3.2. Vernehmung
Definition
Vernehmung ist das Befragen von Personen nach förmlicher Information über deren Stellung im Verfahren.
Standard
Jede(r) Beschuldigte/Zeuge/Zeugin ist prinzipiell schriftlich zu laden. Sollte es sich jedoch ergeben, dass eine sofortige Vernehmung des/der Beschuldigten/Zeugen/Zeugin zweckdienlich und notwendig ist, muss dessen Einverständnis vorliegen. Sollte die Vernehmung wegen Gefahr im Verzug sofort notwendig sein, so hat darüber der/die Einsatzleiter/-in vor Ort zu entscheiden. Die Gründe für das Vorliegen von Gefahr im Verzug sind zu dokumentieren.
6.3.2.1. Vernehmung des Beschuldigten ("Miranda Warning")
Standard
Sollte der/die Beschuldigte nicht direkt vor Ort im Zuge einer Außenhandlung vernommen werden, ist diese(r) schriftlich mit dem vorliegenden Formular "Ladung des/der Beschuldigten nach StPO" unter Anschluss der entsprechenden "Rechtsmittelbelehrung Beschuldigte(r) nach StPO" zu laden.
Die Vernehmung hat einzeln und abgesondert von anderen Personen und Beteiligten zu erfolgen.
Die Belehrung hat zu enthalten:
- Dem/der Beschuldigten ist vor Beginn der Vernehmung mitzuteilen, welcher Tat er/sie verdächtig ist.
- Der/die Beschuldigte ist darüber zu informieren, dass er/sie berechtigt ist, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen.
- Der/die Beschuldigte ist darüber zu belehren, dass seine/ihre Aussage seiner/ihrer Verteidigung dienen, aber auch als Beweis gegen ihn/sie verwendet werden kann.
- Der/die Beschuldigte ist weiters darüber zu belehren, dass er/sie sich zuvor mit einem Verteidiger beraten kann, soweit der Kontakt nicht eingeschränkt ist.
- Der/die Beschuldigte ist darüber zu belehren, dass er/sie, wenn er/sie sich keinen Verteidiger leisten kann, einen beigestellt bekommt. Die Bestellung erfolgt über Antrag des/der Beschuldigten durch das Gericht.
- Der/die Beschuldigte hat das Recht seiner/ihrer Vernehmung einen Verteidiger beizuziehen, der sich jedoch an der Vernehmung nicht beteiligen darf.
- Der Verteidiger darf nach Abschluss der Vernehmung ergänzende Fragen an den/die Beschuldigte(n) stellen. Diese Fragen sowie auch die Antworten sind im selben Protokoll festzuhalten.
- Der/die Beschuldigte darf sich während der Vernehmung nicht mit seinem/ihrem Verteidiger über die Beantwortung von Fragen beraten.
- Der/die Beschuldigte ist darüber zu belehren, dass er/sie das Recht hat, Vertrauenspersonen zuzuziehen.
Die Beiziehung eines Verteidigers kann untersagt werden (zB nach Festnahme eines/einer Beschuldigten im Rahmen der gesetzlichen Gründe insbesondere bei Verabredungs- oder Verdunkelungsgefahr), soweit dies erforderlich ist, um eine Gefahr für die Ermittlungen oder eine Beeinträchtigung von Beweismitteln abzuwenden. Sollte der Verteidiger nicht beigezogen werden, sind die Gründe in einem Amtsvermerk zu dokumentieren.
Für die Vernehmung des/der Beschuldigten ist das Formular "Vernehmungsprotokoll Beschuldigte(r) nach StPO" zu verwenden.
6.3.2.2. Vernehmungen von Zeugen
Standard
Sollte der/die Zeuge/Zeugin nicht direkt vor Ort im Zuge einer Außenhandlung vernommen werden, ist dieser schriftlich mit dem vorliegenden Formular "Ladung des/der Zeugen/Zeugin nach StPO" unter Anschluss der entsprechenden "Rechtsmittelbelehrung Zeuge nach StPO" zu laden.
Jede(r) Zeuge/Zeugin ist zur vollständigen und richtigen Aussage verpflichtet.
Vernehmungsverbote sind von Amts wegen wahrzunehmen.
Nicht vernommen werden dürfen:
- Geistliche
- Beamte über Amtsgeheimnisse, soweit sie nicht entbunden sind.
- Mitglieder besonderer parlamentarischer Ausschüsse
- Personen, die zur Zeit ihrer Vernehmung nicht zurechnungsfähig oder aus einem anderen Grund unfähig sind, wahr auszusagen
Aussagebefreiung
Von der Pflicht zur Aussage sind Personen befreit, die im Verfahren gegen Angehörige aussagen sollen (§ 72 StGB). Die durch eine Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehörige(r) bleibt für die Beurteilung der Berechtigung zur Aussageverweigerung aufrecht, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht.
Sollte eine Person auf ihr Aussagebefreiungsrecht verzichten, hat sie dies ausdrücklich zu tun und ist dies zu protokollieren. Ohne diesen ausdrücklichen Verzicht ist die Aussage nichtig und nicht verwertbar.
Aussageverweigerung
Zeugen/Zeuginnen sind rechtzeitig über ihr Verweigerungsrecht zu informieren und ist dies zu protokollieren.
Inanspruchnahme von Befreiungs- und Verweigerungsgründen
Der/die Zeuge/Zeugin ist rechtzeitig über das Verweigerungsrecht zu belehren. Ein Zeuge hat einen Befreiungs- oder Verweigerungsgrund glaubhaft zu machen, sofern dieser nicht offenkundig ist.
Für die Vernehmung des/der Zeugen/Zeugin ist das Formular "Vernehmungsprotokoll Zeugen nach StPO" zu verwenden.
Zeugengebühren
Zeugen haben nach den Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG), BGBl. Nr. 136/1975 in der geltenden Fassung Anspruch auf Ersatz von Reise- und Aufenthaltskosten und auf Entschädigung für Zeitversäumnis. Dieser Anspruch ist bei sonstigem Verlust gemäß § 19 Abs. 1 GebAG binnen 14 Tagen, im Falle aus dem Ausland geladener Zeugen binnen vier Wochen, nach Abschluss der Vernehmung bei der Behörde, vor der die Beweisaufnahme stattgefunden hat, schriftlich oder mündlich zu Protokoll geltend zu machen.
Die Zuständigkeit für die Berechnung und Anweisung der Zeugengebühren wird amtsintern geregelt.
6.4. Aktenführung, Akteneinsicht
6.4.1. Aktenführung
Akten, die in verwaltungsbehördlichen Verfahren angelegt werden, sind von jenen die im Bereich der Ermittlungen in SozBeG geführt werden, zu trennen.
Die geführten Ermittlungen hat die KIAB aktenmäßig festzuhalten, sodass Anlass, Durchführung und Ergebnis dieser Ermittlungen nachvollzogen werden können. Die Ausübung von Zwang und von Befugnissen, die mit einem Eingriff in Rechte verbunden sind, hat sie zu begründen und aktenmäßig zu dokumentieren.
6.4.2. Akteneinsicht
Bis zur Erstattung des Abschlussberichts kann im Ermittlungsverfahren Akteneinsicht bei der KIAB genommen werden. Über die Gewährung bzw. Verweigerung der Akteneinsicht entscheidet der KIAB-Teamleiter/die KIAB-Teamleiterin (in besonders wichtigen Fällen nach Rücksprache mit dem Leiter /der Leiterin der Strafsachenstelle).
Über die gewährte Akteneinsicht ist ein Amtsvermerk anzulegen, ebenso über die Gründe über die Verweigerung der Akteneinsicht.
Wird die Akteneinsicht verweigert, ist die Partei auf das Recht zur Erhebung eines Einspruches wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPO) hinzuweisen.
Über die Verweigerung der Akteneinsicht ist der Staatsanwalt/die Staatsanwältin im nächsten Bericht zu informieren und sind auch dort die Gründe für die Verweigerung der Akteneinsicht darzulegen.
Vor Beendigung des Ermittlungsverfahrens darf Akteneinsicht nur insoweit beschränkt werden, als besondere Umstände befürchten lassen, dass durch sofortige Kenntnisnahme von Aktenteilen, der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre.
Auf Antrag sind gegen Gebühr Kopien auszufolgen. Keine Gebühren sind für Kopien bei gewährter Verfahrenshilfe vorzuschreiben.
Nach Erstattung des Abschlussberichtes ist Akteneinsicht nur mehr durch die StA bzw. das Gericht zu gewähren.
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Materie: | Organisation |
betroffene Normen: | § 143 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | KIAB, Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung |