VwGH 2011/07/0141

VwGH2011/07/014120.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, in der Beschwerdesache des PS in P, vertreten durch die Dr. Franz P. Oberlercher Rechtsanwalts-Gesellschaft mbH in 9800 Spittal/Drau, Bernhardtgasse 4/1, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 21. März 2011, Zl. -11-FLG-313/2-2011, betreffend Minderheitenbeschwerde gegen einen Beschluss einer Agrargemeinschaft (mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. GL in P, vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in 9800 Spittal/Drau, Bahnhofstraße 17, 2. Agrargemeinschaft "O", vertreten durch den Obmann-Stellvertreter LW in P), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §8;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Sowohl der Beschwerdeführer als auch die erstmitbeteiligte Partei sind Mitglied der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft.

Mit Eingabe vom 20. Oktober 2009 beantragte der Beschwerdeführer die "Einberufung einer außerordentlichen Vollversammlung" der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft. In diesem Schreiben ersuchte der Beschwerdeführer um die Erlaubnis für die "Querung" der agrargemeinschaftlichen Grst. Nrn. 492/78 und 492/67 mit einer Aufschließungsstraße für sich und seine Rechtsnachfolger. "Gegebenenfalls" würden diese Grundstücke auch käuflich erworben.

Mit Schreiben der Agrarbezirksbehörde Villach (ABB) vom 6. April 2010 erging an die Mitglieder der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft die "Einladung zur außerordentlichen Vollversammlung" am 16. April 2010.

Als erster Tagesordnungspunkt war Folgendes in Aussicht genommen:

"1. Beratung und Beschlussfassung über den Antrag des ...

(Beschwerdeführer) ... auf Abschluss eines Dienstbarkeitsvertrages

zur Querung der agrargemeinschaftlichen Parzellen 492/78 und 492/67 je KG. P."

Dieser Einladung war der Entwurf eines Dienstbarkeitsvertrages und ein Lageplan angeschlossen.

Aus der von der ABB verfassten Niederschrift über die außerordentliche Vollversammlung der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft vom 16. April 2010 ergibt sich, dass die Vollversammlung "der vorgelegten Vereinbarung" mehrheitlich (1.481 gegen 657 Stimmen) die Zustimmung erteilte.

Mit Eingabe vom 21. April 2010 erhob die erstmitbeteiligte Partei unter anderem Minderheitenbeschwerde gegen den zu Tagesordnungspunkt 1. gefassten Vollversammlungsbeschluss.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2010 wies die ABB unter anderem diese Minderheitenbeschwerde gegen den zu Tagesordnungspunkt 1. gefassten Beschluss der außerordentlichen Vollversammlung vom 16. April 2010 gemäß § 51 Abs. 2 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LBGl. Nr. 64, idgF. (im Folgenden: K-FLG) als unbegründet ab.

Dagegen erhob die erstmitbeteiligte Partei Berufung an die belangte Behörde.

Mit Spruchpunkt I. des nunmehr angefochtenen Bescheides behob die belangte Behörde in Stattgebung der Minderheitenbeschwerde der erstmitbeteiligten Partei vom 21. April 2010 den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 1. der Vollversammlung der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft am 16. April 2010.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass im Zuge des Minderheitsbeschwerdeverfahrens formelle Mängel hinsichtlich des Zustandekommens des von der ABB bestätigten Beschlusses über die Einräumung einer Dienstbarkeit auf Grundstücken der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft ins Treffen geführt worden seien. In diesem Zusammenhang müsste auch die Einhaltung der Voraussetzungen hinsichtlich des Zustandekommens des in Rede stehenden Beschlusses geprüft werden.

Die Einladung zur Vollversammlung müsse mit einer Tagesordnung versehen werden, welche ausreichend konkretisiert sei. Jedes Mitglied müsse eine Vorstellung darüber haben, worüber abgestimmt werden sollte, um sich dazu allfällige Informationen einholen zu können. Wenn etwa die Beratung und Beschlussfassung über einen umfangreichen Dienstbarkeitsvertrag zwischen der Agrargemeinschaft und einem Dritten auf der Tagesordnung stehe, so sollte sich jedes Mitglied über den vorliegenden Vertragsentwurf spätestens bei der Vollversammlung informieren können. Dem Informationsbedarf der Mitglieder für die Beschlussfassung in der Vollversammlung müsse vor und bei der Vollversammlung nachgekommen werden. Daher sei vollständige Information der Mitglieder die Grundlage für die Entscheidung eines Einzelnen. Gerade in diesem Punkt sei das von Gesetz und Satzung gebotene Vorgehen nicht eingehalten worden, auch wenn zur verfahrensgegenständlichen Vollversammlung die ABB eingeladen habe und nach Ausweis der Akten als Anlage zur Einladung ein "Dienstbarkeitsvertrag" angeschlossen gewesen sei. Der sogenannte "Dienstbarkeitsvertrag" datiere mit 26. März 2010, stelle aber nach Ansicht der belangten Behörde keinen Vertrag im rechtlichen Sinne dar. Vielmehr sei dieser nur als einseitiges Anbot des Beschwerdeführers an die zweitmitbeteiligte Agrargemeinschaft anzusehen.

Daher werde es vor der nächsten allfälligen Beschlussfassung über einen solchen Vertrag der Belastung von agrargemeinschaftlichem Vermögen unabdingbar sein, bereits einen abschlussreifen Vertrag sämtlichen Mitgliedern zusammen mit der Tagesordnung zur Kenntnis zu bringen, damit auch die verhinderten bzw. zu vertretenden Agrargemeinschaftsmitglieder über den Inhalt der Belastung des agrargemeinschaftlichen Vermögens durch Beschluss der Vollversammlung informiert seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligten Parteien erstatteten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Stellungnahmen.

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Mit dem durch den angefochtenen Bescheid abgeänderten Bescheid der ABB vom 23. Juni 2010 wurde über eine Minderheitsbeschwerde gemäß § 51 Abs. 2 K-FLG im Aufsichtswege entschieden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Vorerkenntnis vom 21. Juni 1994, Zl. 91/07/0131, mwN, ausgeführt hat, können durch eine derartige Entscheidung nur die zur Minderheit zählenden Mitglieder einerseits und die Agrargemeinschaft als solche andererseits in ihren Rechten berührt werden. Mitglieder, die nicht überstimmt wurden (zu diesen zählt im Beschwerdefall der Beschwerdeführer), sind in einem solchen Fall von der Streitigkeit nicht unmittelbar in ihren subjektiven Rechten betroffen. Der mit Hilfe der Mehrheit zustande gekommene Beschluss ist Ausdruck und Ergebnis eines Organhandelns der Agrargemeinschaft. Eine erfolgreiche Anfechtung eines derartigen Beschlusses durch eine Minderheit betrifft daher nur die Agrargemeinschaft selbst, es kann daher auch nur diese selbst (durch ihre zuständigen Organe) ihre Rechte dagegen geltend machen. Hingegen ist aus dem für die Agrargemeinschaft gefassten Beschluss den einzelnen Mitgliedern aus dessen Bestand und für dessen Aufrechterhaltung kein selbständiges Recht neben der Körperschaft erwachsen; die einzelnen Mitglieder können nur im Innenverhältnis der Satzung entsprechend auf ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Organe hinwirken.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass einem Mitglied der Agrargemeinschaft aus einem Beschluss eines Agrargemeinschaftsorganes noch keine Rechte erwachsen waren.

Wenn auch der Beschwerdeführer als der Mehrheit angehöriges Mitglied der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft insofern von dem in Rede stehenden Beschluss der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft betroffen war, als er als Begünstigter aus einem Dienstbarkeitsvertrag in Aussicht genommen wurde, sind dem Beschwerdeführer dennoch aus der Willensbildung der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft zum Vertragsabschluss auch zivilrechtlich noch keine subjektiven Rechte erwachsen, weil der Beschwerdeführer damit noch nicht einmal ein Anwartschaftsrecht auf Abschluss eines Dienstbarkeitsvertrages zwischen der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft und ihm erlangt hat. Als (erst intern beschlossener) künftiger Vertragspartner der zweitmitbeteiligten Agrargemeinschaft hatte der Beschwerdeführer noch keinen Einfluss darauf, dass die zweitmitbeteiligte Agrargemeinschaft an diesem einmal gebildeten Willen auch festhalten würde (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1994, Zl. 91/07/0131).

Anderes hat freilich zu gelten, wenn eine rechtliche Betroffenheit deshalb anzunehmen ist, weil etwa über die Zuerkennung einer in der Regulierungsurkunde einer Agrargemeinschaft vorgesehenen Leistung abgesprochen wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 2001/07/0060) oder wenn sich durch die aufsichtsbehördliche Entscheidung für die Angehörigen der Mehrheit eine Belastung ergibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2008, Zl. 2006/07/0041).

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 20. Februar 2014

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