Normen
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
FlVfGG §15;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §48;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs2;
JagdRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
FlVfGG §15;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §48;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs2;
JagdRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Sowohl der Beschwerdeführer als auch der Mitbeteiligte (in der Folge kurz: mP) sind Mitglieder der Agrargemeinschaft "N" (AG). In einer außerordentlichen Vollversammlung dieser AG wurde am 22. September 1990 unter Tagesordnungspunkt 4. die Eigenjagd mehrheitlich um S 250,--/ha an die mP vergeben.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer gemeinsam mit drei weiteren Mitgliedern der AG Minderheitsbeschwerde und machte geltend, er habe während der Abstimmung über den Antrag, die Jagd an die mP zu vergeben, mündlich S 300,--/ha geboten, sein Anbot sei aber nicht mehr zur Kenntnis genommen worden. Sein etwas spätes Reagieren begründete der Beschwerdeführer damit, daß er geglaubt habe, mit S 300,-- keine Chance zu haben, weil das beste noch zur Diskussion gestandene Anbot auf S 355,--/ha gelautet habe. Das Anbot der mP sei für die AG wirtschaftlich unvertretbar.
Dieser Minderheitsbeschwerde gab die Agrarbezirksbehörde Villach (ABB) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Bescheid vom 4. März 1991 gemäß § 51 Abs. 1 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes (FLG), LGBl. Nr. 64/1979, iVm § 7 Abs. 5 der Verwaltungssatzungen der AG insoweit statt, daß der Vollversammlungsbeschluß zu Punkt 4. der Tagesordnung vom 22. September 1990 ersatzlos behoben wurde. Begründend führte die ABB aus, der Vollversammlung vom 22. September 1990 seien fünf Anbote für die Jagdpachtung (darunter eines der mP) vorgelegen. Im Zuge der Vollversammlung sei die mP von ihrem schriftlichen Anbot abgegangen und habe ein neues gestellt. Ebenso sei ein mündliches Anbot durch den Beschwerdeführer präsentiert worden; die Abstimmung sei jedoch nur über das Anbot der mP erfolgt. Der Obmann der AG habe dazu ausgesagt, nach Erhöhung des Anbotes durch die mP auf S 250,-- sei der Antrag auf Abstimmung gestellt worden. Während der Abstimmung habe der Beschwerdeführer ein mündliches Anbot in der Höhe von S 300,-- eingebracht; er habe vorher kein schriftliches Anbot eingebracht gehabt. Rechtlich ging die ABB von dem ihr obliegenden Aufsichtsrecht sowie davon aus, daß keine Regelungen darüber bestünden, welcher Vorgang von der AG bei der Jagdverpachtung einzuhalten sei. Die AG habe sich entschlossen, schriftliche Anbote einzuholen. Zum Wesen der wirtschaftlichen Autonomie der AG gehöre es, eigenverantwortlich Vertragspartner auszuwählen und entsprechende Verträge abzuschließen. Diese Autonomie finde ihre Grenzen jedoch dort, wo der Beschluß der AG geeignet sei, der Gemeinschaft und ihren Mitgliedern eine durch nichts erklärbare Vermögensverkürzung zu bringen, oder wo der Beschluß wegen eines formellen Mangels nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sei. Trotz ihrer ursprünglichen Intention, die Eigenjagd auf Grund von schriftlichen Anboten zu vergeben, sei in der Vollversammlung am 25. (richtig: 22.) September 1990 auf den Vergabemodus einer "mündlichen Vergabe" übergegangen worden. Dies sei zulässig gewesen, weil alle betroffenen Mitglieder diesem Vorgang ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hätten; es habe kein Mitglied gegen diese Vorgangsweise einen Einwand erhoben. Dadurch hätten auch Mitglieder, die kein schriftliches Anbot gestellt hatten, die Möglichkeit erlangt, nunmehr mündlich anbieten zu können. Im Zuge der mündlichen Vergabediskussion sei das neue mündliche Anbot der mP in der Höhe von S 250,--/ha behandelt und zur Abstimmung gestellt worden. Gerade bei einer mündlichen Vergabe wäre es aber erforderlich gewesen, daß seitens des Obmannes vor der Abstimmung die Frage nach weiteren Anboten gestellt worden wäre. Erst dann wäre die Annahme gerechtfertigt gewesen, daß die Mitglieder durch Unterlassung von Wortmeldungen "auf eine Teilnahme am Abstimmungsvorgang verzichtet" hätten. Ohne solche Klärung seien auch "im Rahmen eines Abstimmungsvorganges über ein Anbot abgegebene Anbote" zu behandeln, zumal dem bloßen Schweigen kein Erklärungswert zukomme, woraus geschlossen werden könne, daß bis zum Abschluß der Abstimmung weitere Anbote abgegeben werden könnten. Eine absolute Grenze für die Abgabe weiterer Anbote sei jedenfalls dort zu ziehen, wo vor Abstimmungsvornahme eine Klärung der "Anbotsumfänge" erfolgt sei, sowie "nach Abschluß einer Abstimmung, aber auch während der Abstimmung, wenn einwandfrei gesichert ist, daß das in Abstimmung befindliche Anbot zum Zeitpunkt einer weiteren Anbotstellung die Mehrheit der Anteile bereits besitzt". Keine dieser Varianten liege jedoch im Beschwerdefall vor, zumal nach der mündlichen Anbotstellung durch den Beschwerdeführer die Abstimmung fortgesetzt worden und bis dahin noch kein Abstimmungsergebnis vorgelegen sei. Aufgabe der Vollversammlung wäre es somit gewesen, nach Vorlage des Anbotes des Beschwerdeführers den Abstimmungsvorgang neu zu beginnen. Dies sei nicht geschehen, weshalb der AG im Rahmen ihrer Privatautonomie "ein formalrechtlicher Mangel unterlaufen" sei. Auf die Preisdifferenzen der diskutierten Anbote sei nicht einzugehen gewesen, weil der Vollversammlungsbeschluß bereits aus formalrechtlichen Überlegungen zu beheben gewesen sei.
Diesen Bescheid bekämpfte die mP mit Berufung. Die Verwertung der Eigenjagd sei vor der Abstimmung ausreichend diskutiert worden; bis dahin habe der Beschwerdeführer kein Anbot gestellt. Dies sei erst geschehen, als im Zuge der Abstimmung bereits feststand, daß sich eine Mehrheit für das (auf S 250,-- erhöhte) Anbot der mP entschieden hatte. Bei der Jagdvergabe an die mP sei somit keinerlei Verfahrensfehler begangen worden.
In einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde wurden am 1. Juli 1991 neben dem Beschwerdeführer und der mP weitere Mitglieder der AG als Zeugen über die Vorgänge in der Vollversammlung vom 22. September 1990 einvernommen, und zwar A (Schriftführer), B (derzeitiger Obmann), C, D (ehemaliger Obmann), E und F.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. Juli 1991 änderte die belangte Behörde den Bescheid der ABB dahin ab, daß die Minderheitsbeschwerden gegen den Tagesordnungspunkt 4. der Vollversammlung der AG vom 22. September 1990 als unbegründet abgewiesen wurden.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde einleitend das ihrer Entscheidung vorangegangene Verfahrensgeschehen einschließlich der am 1. Juli 1991 protokollierten Aussagen wieder. Eine eingehende Überprüfung des Akteninhaltes ergebe unter Berücksichtigung der maßgeblichen Stellen des FLG vorerst, daß die Legitimation der mP zur Erhebung der hier zu behandelnden Berufung zu bejahen sei (§§ 8 AVG, 51 Abs. 2 FLG). Die ABB habe mit ihrer erstinstanzlichen Entscheidung insofern in die subjektive Rechtssphäre der mP eingegriffen, als sie den zu Tagesordnungspunkt 4. gefaßten Vollversammlungsbeschluß behoben habe. Die ABB sei selbst davon ausgegangen, daß sie im Sinne des § 51 FLG einen Streit zwischen Mitgliedern einer Agrargemeinschaft untereinander bzw. mit dem gemeinsamen Verwalter wahrzunehmen habe; sie habe auch die mP als Partei am erstinstanzlichen Verfahren beteiligt. Eine andere Beurteilung sei auch nicht aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1990, 90/07/0002, abzuleiten, welchem ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen sei. Im vorliegenden Fall leite sich die Parteistellung der mP aus ihrer Stellung als "beschlußbegünstigtes Nachbarschaftsmitglied" ab. Nicht zuletzt sei es auch angemessen, in Verfahren betreffend eine aufsichtsbehördliche Korrektur eines Vollversammlungsbeschlusses jenem Mitglied eine Rechtsmittelbefugnis einzuräumen, welches dadurch unmittelbar in seinen Rechten berührt werde. Keineswegs sollte dies nur dem Obmann als Vertreter der Agrargemeinschaft vorbehalten sein.
In der Sache selbst komme der Minderheitsbeschwerde keine Berechtigung zu. Die ABB habe sich primär auf die Überlegung gestützt, daß es beim Zustandekommen des bekämpften Vollversammlungsbeschlusses zu einem Formfehler gekommen sei, weil einerseits über ein mündliches Angebot des Beschwerdeführers nicht abgestimmt worden sei, andererseits das Angebot der mP in einem relevanten Maße mangelhaft gewesen sei. Dem könne die belangte Behörde nicht folgen.
Auszugehen sei davon, daß in einer vorangegangenen Vollversammlung der Beschluß gefaßt worden sei, bis Ende August schriftliche Anbote von interessierten Jagdbewerbern einzuholen. Fünf schriftliche Anbote seien eingebracht worden, wobei von untergeordneter Bedeutung sei, daß und aus welchen Gründen der Beschwerdeführer bis dahin kein Anbot erstellt habe. Vielmehr sei als Folge der Dynamik der Vollversammlung vom 22. September 1990 dem Begehren der Mitglieder der AG zu entsprechen, einen Freiraum für pachtungswillige Mitglieder zu schaffen, und nunmehr weitere, auch mündliche Anbote zuzulassen. Zu dem Zeitpunkt, als die mP ihr Anbot mündlich modifiziert habe, sei noch kein Anbot des Beschwerdeführers vorgelegen. Der Beschwerdeführer habe sein mündliches Anbot vielmehr erst zu jenem Zeitpunkt abgegeben, als für ihn ersichtlich gewesen sei, daß das Anbot der mP die Mehrheit der Anteilsstimmen auf sich vereinige. Hiemit habe sich aber eine nachträgliche Abstimmung über das Anbot des Beschwerdeführers erübrigt. Es sei zweifelsfrei zutage gekommen, daß ausreichend Zeit für den Beschwerdeführer gewesen wäre, als Antwort auf die Erhöhung des Anbotes der mP sein Interesse auf Pachtung der Jagd unter gleichzeitiger Stellung eines Angebotes zu deponieren. Eine Versteigerung des Eigenjagdgebietes sei in der Vollversammlung vom 22. September 1990 nicht vorgesehen gewesen. Unrichtig sei auch, daß das Angebot der mP einer konkretisierbaren Willenserklärung nicht entsprochen habe, weil es mehrere Varianten enthalten habe, zumal damit der AG ein Wahlrecht eingeräumt worden sei.
Zusammenfassend sei festzustellen, daß die AG als ein selbständiges Rechtssubjekt durchaus in der Lage sei, eigenverantwortlich Rechte zu erwerben und Verpflichtungen einzugehen. Das Aufsichtsrecht der Agrarbehörde (§ 51 FLG) reduziere sich letztlich auf das Recht, das satzungsgemäße Zustandekommen von Vollversammlungsbeschlüsen und allenfalls deren Gesetzmäßigkeit zu überprüfen; Mängel dieser Art lägen im Beschwerdefall nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, "wegen Rechtswidrigkeit" erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, daß der mP die Rechtsmittellegitimation gefehlt habe und daß der strittige Vollversammlungsbeschluß den Prinzipien der Ökonomie zum Vorteile der AG und ihrer Mitglieder nicht entsprochen habe.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die mP hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht
beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In den Beschwerdegründen macht der Beschwerdeführer erneut geltend, die mP wäre nicht zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der ABB legitimiert gewesen, mit welchem der Minderheitsbeschwerde stattgegeben und der Tagesordnungspunkt 4. behoben worden war. Zur Begründung seiner Auffassung beruft sich der Beschwerdeführer wie bereits im Verwaltungsverfahren auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1990, 90/07/0002.
Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Mit dem durch den angefochtenen Bescheid abgeänderten Bescheid der ABB vom 4. März 1991 wurde über eine Minderheitsbeschwerde gemäß § 51 Abs. 2 FLG im Aufsichtswege entschieden. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem vom Beschwerdeführer angeführten Vorerkenntnis vom 27. Februar 1990, 90/07/0002, ausgeführt hat, können durch eine derartige Entscheidung nur die zur Minderheit zählenden Mitglieder einerseits und die Agrargemeinschaft als solche andererseits in ihren Rechten berührt werden. Mitglieder, die nicht überstimmt wurden (zu diesen zählt im Beschwerdefall die mP), sind in einem solchen Fall von der Streitigkeit nicht unmittelbar in ihren subjektiven Rechten betroffen. Der mit Hilfe der Mehrheit zustande gekommene Beschluß ist Ausdruck und Ergebnis eines Organhandelns der Agrargemeinschaft. Eine erfolgreiche Anfechtung eines derartigen Beschlusses durch eine Minderheit betrifft daher nur die Agrargemeinschaft selbst, es kann daher auch nur diese selbst (durch ihre zuständigen Organe) ihre Rechte dagegen geltend machen. Hingegen ist aus dem für die Agrargemeinschaft gefaßten Beschluß den einzelnen Mitgliedern aus dessen Bestand und für dessen Aufrechterhaltung kein selbständiges Recht neben der Körperschaft erwachsen; die einzelnen Mitglieder können nur im Innenverhältnis der Satzung entsprechend auf ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Organe hinwirken.
Daran ändert es auch nichts, daß die mP als der Mehrheit angehöriges Mitglied der AG insofern von dem in Rede stehenden Beschluß der AG betroffen war, als damit die mP als Jagdpächter in Aussicht genommen wurde. (In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde die mP in diesem Sinne als "beschlußbegünstigtes Nachbarschaftsmitglied" bezeichnet.) Es sind der mP jedoch aus der Willensbildung der AG zum Vertragsabschluß auch zivilrechtlich noch keine subjektiven Rechte erwachsen, weil die mP damit noch nicht einmal ein Anwartschaftsrecht auf Abschluß des Pachtvertrages zwischen der AG und ihr erlangt hat. Als (erst intern beschlossener) künftiger Vertragspartner der AG hatte die mP noch keinen Einfluß darauf, daß die AG an diesem einmal gebildeten Willen auch festhalten würde.
Da es somit an einem Eingriff in solche Rechte der mP fehlte, die eine Parteistellung im Beschwerdefall gerechtfertigt hätten, erweist sich ihre gegen den aufhebenden Bescheid der ABB vom 4. März 1991 erhobene Berufung als unzulässig. Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage dadurch verkannt, daß sie der Berufung der mP stattgegeben hat, welche mangels Parteistellung der mP richtig zurückzuweisen gewesen wäre. Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne daß es eines weiteren Eingehens auf das Beschwerdevorbringen bedurfte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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