VwGH 2013/03/0036

VwGH2013/03/003619.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des M P in H, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 24. Jänner 2013, Zl E1/1022287/2011, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
WaffG 1996 §12 Abs1;
AVG §45 Abs2;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) ein Waffenverbot ausgesprochen.

Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, ausschlaggebend für die Bestätigung des mit 6. September 2011 erlassenen Waffenverbots der Bezirkshauptmannschaft Eferding sei der Umstand, dass A.F. in einer am 24. April 2011 beim Bezirkspolizeikommando Eferding durchgeführten Zeugeneinvernahme persönlich zu Protokoll gegeben habe, dass es bereits in der Zeit ihrer Ehe mit dem Beschwerdeführer (vom 10. Mai 2003 bis zum 8. Jänner 2010) immer wieder zu heftigen Streitigkeiten gekommen sei, wobei A.F. auch des Öfteren vom Beschwerdeführer geschlagen worden sei, jedoch nie Anzeige bei der Polizei erstattet habe.

Weiters habe A.F. angegeben, dass es am 24. April 2011 wieder zu einer Auseinandersetzung gekommen sei, deren Folge ein Schlag (des Beschwerdeführers) mit der rechten Faust gegen die linke Seite ihres Hinterkopfs gewesen sei. Aufgrund dieses Faustschlags hätte sie eine Beule und noch immer leichte Kopfschmerzen. Noch am Abend desselben Tages hätte sie der Beschwerdeführer mit den Worten: "Ich werde jetzt zu dir kommen und dich umbringen" am Telefon bedroht. Aufgrund dieser Aussage hätte sich A.F. gefürchtet und die Polizei verständigt.

Diese Aussage der Ex-Gattin des Beschwerdeführers sei nach rechtskonformer Belehrung über die Entschlagungsrechte und unter dem Hinweis, dass sie sich bei einer falschen Aussage gemäß § 288 StGB strafbar mache, erfolgt. Es sei daher nicht anzunehmen, dass die Ex-Gattin des Beschwerdeführers bei dieser Niederschrift gelogen habe. Insbesondere könne dies auch nicht daraus geschlossen werden, dass sie in weiterer Folge im gerichtlichen Verfahren von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht habe.

Die Tatsache, dass die Zeugin A.F. ihre Aussage nicht widerrufen und der Beschwerdeführer lediglich aufgrund der Entschlagung der Zeugin gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden sei, gebe der belangten Behörde Anlass, das Waffenverbot zu bestätigen.

Zu den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers, dass diese Tatsachen erwiesen werden müssten, sei auszuführen, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs ausschließlich wesentlich sei, dass der vom Waffenverbot betroffenen Person die missbräuchliche Verwendung von Waffen aufgrund bestimmter Tatsachen zuzutrauen sei.

Tatsache sei, dass A.F. in ihrer Aussage vor der Polizei die gegen den Beschwerdeführer gerichteten Anschuldigungen ausgesprochen und nach deutlichem Hinweis darauf, dass sie sich bei einer Falschaussage gerichtlich strafbar machen würde, zu Protokoll gegeben habe. Der Umstand, dass sich die Zeugin ihrer Aussage vor Gericht entschlagen habe, ändere an dieser Tatsache nichts.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung (das ist eines "gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauches") von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Bei dieser Beurteilung ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Begriff der "missbräuchlichen Verwendung" einer Waffe ist daher nicht restriktiv auszulegen. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt somit voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine missbräuchliche Verwendung von Waffen zu befürchten ist (vgl das hg Erkenntnis vom 21. Oktober 2011, Zl 2010/03/0165, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu Situationen familiärer Gewalt mit Verletzungsfolgen bereits festgehalten, dass nach den Umständen des Einzelfalls auch schon ein einmaliger Vorfall (Gewaltexzess) ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots gemäß § 12 Abs 1 WaffG rechtfertigen kann, wobei nicht entscheidend ist, durch welches Verhalten die Auseinandersetzung ihren Ursprung genommen hat. Wesentlich ist ausschließlich die Tatsache, dass dem vom Waffenverbot betroffenen Menschen, der im Affekt gewaltsam gegen einen anderen Menschen vorgegangen ist, auch weiterhin eine missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 19. März 2013, Zl 2012/03/0180).

2. Die belangte Behörde sieht einen solchen einmaligen Vorfall darin gelegen, dass der Beschwerdeführer A.F. am 24. April 2011 im Zuge einer Auseinandersetzung einen Schlag mit der rechten Faust gegen die linke Seite ihres Hinterkopfs gegeben und A.F. später am Telefon mit dem Umbringen gedroht habe.

3. Der Beschwerdeführer stellt in seiner Beschwerde außer Zweifel, dass ein solches Verhalten geeignet ist, ein Waffenverbot iSd § 12 Abs 1 WaffG zu stützen. Er habe jedoch gegenüber A.F. kein solches Verhalten getätigt. Die diesbezügliche Beweiswürdigung der belangten Behörde sei mangelhaft. Wesentlich sei für den gegenständlichen Fall, dass die Tatsachen aufgrund derer die Prognoseentscheidung angestellt werde, erwiesen sein müssten. Derartige erwiesene Tatsachen lägen aber nicht vor.

Einen Begründungsmangel stelle es dar, dass sich die belangte Behörde ausschließlich mit dem belastenden Material auseinandergesetzt habe, "das (umfangreich vorhandene) entlastende Material" sei "nicht einmal mit einem Wort" erwähnt worden.

Hinsichtlich der niederschriftlichen Einvernahme der A.F. führt der Beschwerdeführer aus, es sei unbestritten, dass A.F. unter Wahrheitspflicht gestanden sei, während sie ihre Zeugenaussage zu Protokoll gegeben habe. Dieser Umstand sei aber bei denklogischer Betrachtungsweise als Beweis, dass die Zeugenaussage richtig sei, ungeeignet. Darüber hinaus müsse natürlich auch die gesamte Aussage von A.F. herangezogen werden und könnten sich die Feststellungen nicht nur auf Teile der Aussage stützen.

In der Folge verweist der Beschwerdeführer auf ein Schreiben von A.F. an die Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 1. Mai 2011, in der diese Folgendes ausgeführt habe (zitiert wie in der Beschwerde):

"Möchte alles rückgängig machen, (der Beschwerdeführer) ist kein Gewalttäter, hab sehr übertrieben (…) Er hat mir nichts Schlimmes angetan, er ist eigentlich der Ruhigere von uns zwei. Bitte möchte nicht, daß weitere Schritte gegen (den Beschwerdeführer) unternommen werden. Daß ihm die Waffe auch noch genommen wurde, daß finde ich übertrieben, er hat nichts Schlimmes getan. (…) Ich hab diesen Brief aus freien Stücken geschrieben und (der Beschwerdeführer) weiß von nichts. Er hat mich nicht gezwungen."

Im Rahmen einer zeugenschaftlichen Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Eferding am 9. Mai 2011 habe A.F. ausgesagt, dass die von der Polizeiinspektion Eferding geschilderte Darstellung der Tat richtig sei. Wesentlich sei aber auch, dass A.F. in derselben Einvernahme auf ihre eigene Eingabe vom 1. Mai 2011 verwiesen habe.

In Zusammenschau dieser Aussagen von A.F. erscheine es mehr als zweifelhaft, dass der Beschwerdeführer A.F. des Öfteren geschlagen hätte und ihr am 24. April 2011 einen Schlag mit der rechten Faust gegen die linke Seite ihres Hinterkopfs versetzt habe. Die belangte Behörde habe in ihre Begründung nicht aufgenommen, warum sie den einen Teil der Aussage von A.F. glaube, den anderen Teil aber nicht, obwohl A.F. sowohl in ihrer Vernehmung vor dem Bezirkspolizeikommando Eferding als auch vor der Bezirkshauptmannschaft Eferding unter Wahrheitspflicht gestanden sei und sie auch in beiden Fällen auf ihr Entschlagungsrecht hingewiesen worden sei. Die belangte Behörde hätte sich mit diesen Umständen auseinander zu setzen gehabt und hätte diesbezüglich eine Begründung geben müssen.

4. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, dh sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl die hg Erkenntnisse vom 25. Mai 2005, Zl 2003/08/0233, mwN, sowie vom 21. Dezember 2010, Zl 2007/05/0231, und vom 18. September 2013, Zl 2013/03/0072).

Liegen einander widersprechende Beweisergebnisse vor, muss die Behörde in der Begründung des Bescheids, soll diese dem Gesetz entsprechen, im Einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was sie dazu veranlasst hat, dem einen mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen. Bei Divergenzen in den Beweisergebnissen hat die Behörde zu beurteilen, ob - unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens - zufolge dieser Divergenzen eine Tatsache nicht als erwiesen oder auf Grund der größeren inneren Wahrscheinlichkeit eines Teils der Beweisergebnisse gegenüber anderen doch als erwiesen anzunehmen ist, wobei bei Tatsachenkomplexen die Art und der Stellenwert dieser Divergenzen entscheidend ist (vgl die hg Erkenntnisse vom 25. Jänner 2012, Zl 2011/12/0012, und vom 21. Dezember 2010, Zl 2007/05/0231).

5. In der Begründung des angefochtenen Bescheids hat die belangte Behörde ihre Feststellungen ausdrücklich auf eine am 24. April 2011 durchgeführte Zeugeneinvernahme der A.F. gestützt. Mit der vom Beschwerdeführer erwähnten - und im vorgelegten Verwaltungsakt enthaltenen - schriftlichen Eingabe der A.F. vom 1. Mai 2011, sowie der am 9. Mai 2011 von der BH durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme der A.F. hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Eine solche Auseinandersetzung konnte aber auch unterbleiben, da die vom Beschwerdeführer behauptete Widersprüchlichkeit der einzelnen Angaben der A.F. gar nicht vorliegt:

In der vom Beschwerdeführer zitierten schriftlichen Eingabe der A.F. vom 1. Mai 2011 - die im Übrigen im Gegensatz zu den schriftlichen Einvernahmen nicht unter Wahrheitspflicht erstattet wurde - hat sich A.F. gegen weitere Schritte gegen den Beschwerdeführer und gegen das über ihn verhängte Waffenverbot ausgesprochen. A.F. führte auch aus, der Beschwerdeführer habe "nichts Schlimmes getan" und sei kein "Gewalttäter". Mit diesen Ausführungen stellte A.F. jedoch keinen von ihrer niederschriftlichen Einvernahme abweichenden Geschehensverlauf dar, sondern versah diese Geschehnisse allenfalls mit einer persönlichen Wertung. Auch in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 9. Mai 2011 wich A.F. nicht von ihrer am 24. April 2011 niederschriftlich erstatteten Darstellung des Sachverhalts ab, sondern bekräftigte diese mit dem Hinweis, dass die "im Bericht vom 29.04.2011 geschilderte Darstellung der Tat" richtig sei. Dass A.F. in dieser Niederschrift weiters auf ihre "Eingabe vom 01.05.2011" verwies, ohne zusätzliches Vorbringen zu erstatten, kann angesichts des - eben erörterten - Inhalts dieser Eingabe keinen Widerspruch der niederschriftlichen Einvernahmen begründen.

Im Übrigen ist nicht ersichtlich, auf welches "(umfangreich vorhandene) entlastende Material" das Beschwerdevorbringen Bezug nimmt, wenn der Beschwerdeführer eine fehlende Auseinandersetzung der belangten Behörde mit solchem Material bemängelt.

Vor diesem Hintergrund ist der belangten Behörde angesichts des vom Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Beweiswürdigung wahrzunehmenden Prüfungsmaßstabes nicht entgegenzutreten, wenn die belangte Behörde anhand der widerspruchsfreien Zeugeneinvernahmen der A.F. von deren Darstellung der Geschehnisse am 24. April 2011 ausgegangen ist.

6. Dem weiteren Beschwerdevorbringen, das sich im Wesentlichen auf vom Beschwerdeführer in Anspruch genommene Therapiemaßnahmen bei der Männerberatung des Landes Oberösterreich bezieht, steht das gemäß § 41 Abs 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegen.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich einen Schriftsatz "vom 12.06.2007" erwähnt, in dem er dargestellt habe, dass er "in keinster Weise" gewalttätig sei, legt er nicht näher dar, welchen Inhalt ein solcher Schriftsatz gehabt haben und an wen dieser Schriftsatz erstattet worden sein soll. Angesichts des Umstands, dass sich die entscheidungserheblichen Ereignisse erst am 24. April 2011 zugetragen haben, ist auch nicht ersichtlich, was ein solcher Schriftsatz zur Prognoseentscheidung der belangten Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG hätte beitragen können.

7. Die Beschwerde erweist sich somit als insgesamt unbegründet und war gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 19. Dezember 2013

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