Normen
AVG §73;
B-VG Art132;
EMRK Art8;
NAG 2005 §25 Abs2;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs2 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44b Abs2 idF 2009/I/122;
NAG 2005 §44b Abs2 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §44b Abs2;
VwGG §27;
AVG §73;
B-VG Art132;
EMRK Art8;
NAG 2005 §25 Abs2;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs2 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44b Abs2 idF 2009/I/122;
NAG 2005 §44b Abs2 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §44b Abs2;
VwGG §27;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines chinesischen Staatsangehörigen, auf Fortsetzung des auf Grund seines Antrages vom 15. September 2010 eingeleiteten und mit Aktenvermerk vom 23. Februar 2011 eingestellten Verfahrens auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie auf Vornahme "allenfalls einer bescheidmäßigen Erledigung" gemäß § 44b Abs. 3 (richtig: Abs. 2) iVm § 25 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 8. Jänner 2003 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am 25. März 2003 habe er einen Asylantrag eingebracht. Diesem Antrag sei allerdings im Instanzenzug keine Folge gegeben worden.
Am 15. September 2010 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 44 Abs. 3 NAG eingebracht und dies damit begründet, dass er diesen Aufenthaltstitel zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK benötige.
Im aufgrund dieses Antrages eingeleiteten Verfahren habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol in ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 2010 ausgeführt, die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sei zulässig und es werde ein aufenthaltsbeendendes Verfahren auch eingeleitet.
Mit Bescheid vom 15. November 2010 sei der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft K gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Der dagegen erhobenen Berufung sei von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol mit Bescheid vom 20. Jänner 2011 keine Folge gegeben worden. Die Zustellung dieses Bescheides sei am 27. Jänner 2011 erfolgt, weshalb seitdem das Ausweisungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei.
Das über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingeleitete Verfahren sei daraufhin (von der Behörde erster Instanz) mit Aktenvermerk vom 23. Februar 2011 wegen der rechtskräftig erlassenen Ausweisung eingestellt worden. Von der "formlose(n) Einstellung" sei der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 23. Februar 2011 informiert worden.
Mit dem nunmehr gegenständlichen Antrag vom 10. März 2011 habe der Beschwerdeführer begehrt, das Verfahren nach dem NAG fortzusetzen und "allenfalls einer bescheidmäßigen Erledigung" zuzuführen. Dieser Antrag sei damit begründet worden, dass die Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol lediglich informativen und beratenden Charakter hätte. Sie könnte aber nicht die Entscheidung in der Sache ersetzen.
In einem Fall wie dem vorliegenden komme aber - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - § 25 Abs. 2 NAG "zum Tragen". Danach seien Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels formlos einzustellen, wenn eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft erwachse. Somit habe die erstinstanzliche Behörde das Verfahren nach Rechtskraft der gegen den Beschwerdeführer erlassenen Ausweisung zu Recht formlos eingestellt. Daher sei über den Antrag des Beschwerdeführers vom 15. September 2010 auf Erteilung des Aufenthaltstitels auch nicht mit Bescheid abzusprechen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Zunächst ist mit Blick auf die Frage der hier anzuwendenden Rechtsvorschriften festzuhalten, dass das über den Antrag des Beschwerdeführers vom 15. September 2010 eingeleitete Verwaltungsverfahren dann weiterzuführen wäre, wenn die von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene Verfahrenseinstellung rechtswidrig gewesen wäre. Weiters wäre das Verfahren fortzusetzen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde im Gesetz vorgesehene Gründe (vgl. § 25 Abs. 2 NAG) vorgelegen wären, wonach trotz ursprünglich rechtmäßiger Verfahrenseinstellung die Fortsetzung des Verfahrens geboten gewesen wäre.
Bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung (23. Februar 2011) erweist sich das NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 111/2010 als maßgeblich. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (25. November 2011) stand das NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 38/2011 in Geltung.
§ 44 Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 44b Abs. 1 und 2 NAG in der am 23. Februar 2011 geltenden Fassung lauten:
"§ 44. ...
(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' zu erteilen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und
2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.
Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und 5 einschließlich fremdenpolizeilicher Maßnahmen hat die Behörde unverzüglich eine begründete Stellungnahme der der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordneten Sicherheitsdirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß § 74 und § 73 AVG gehemmt. Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
...
§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a vor, sind Anträge gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn
1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder
2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend (§ 10 AsylG 2005, § 66 FPG) unzulässig ist, oder
3. die Sicherheitsdirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in der Stellungnahme festgestellt hat, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend unzulässig ist
und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(2) Liegt kein Fall des Abs. 1 Z 1 oder 2 vor, hat die Behörde unverzüglich die der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordnete Sicherheitsdirektion von einem Antrag gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 zu verständigen und eine begründete Stellungnahme zu fremdenpolizeilichen Maßnahmen, insbesondere ob eine Ausweisung auf Dauer oder bloß vorübergehend unzulässig ist, einzuholen. Bis zum Einlangen der begründeten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion ist der Ablauf der Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG gehemmt. § 25 Abs. 2 gilt sinngemäß.
..."
§ 44b Abs.1 und Abs. 2 NAG in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung hat folgenden Wortlaut:
"§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn
1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder
2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 bloß vorübergehend unzulässig ist, oder
3. die Sicherheitsdirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in ihrer Beurteilung festgestellt hat, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig oder jeweils auf Grund des § 61 FPG bloß vorübergehend unzulässig ist,
und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(2) Liegt kein Fall des Abs. 1 Z 1 oder 2 vor, hat die Behörde unverzüglich die der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordnete Sicherheitsdirektion von einem Antrag gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 zu verständigen und eine begründete Stellungnahme zu fremdenpolizeilichen Maßnahmen, insbesondere ob diese bloß vorübergehend oder auf Dauer unzulässig sind, einzuholen. Bis zum Einlangen der begründeten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion ist der Ablauf der Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG gehemmt. Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Im Übrigen gilt § 11 Abs. 1 Z 1.
..."
§ 25 Abs. 2 NAG legt - in den hier wesentlichen Teilen für die beiden in Betracht zu ziehenden Zeitpunkte in identer Weise - fest, dass das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels formlos einzustellen ist, wenn eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft erwächst. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. § 44b Abs. 2 NAG in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung, der einen Verweis auf § 25 Abs. 2 NAG nicht mehr enthält, normiert gleiches, indem diese in § 25 Abs. 2 NAG enthaltenen Sätze auch in § 44b Abs. 2 NAG übernommen wurden.
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, § 25 Abs. 2 NAG beziehe sich auf ein Verfahren über einen Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels. Diese Bestimmung sei aber nicht auf Verfahren über Erstanträge - ein solcher liegt hier unzweifelhaft und bestritten vor - anwendbar. Eine formlose Einstellung nach dieser Bestimmung komme daher nicht in Betracht.
Damit übersieht der Beschwerdeführer aber den für den Zeitpunkt der Einstellung geltenden § 44b Abs. 2 letzter Satz NAG, in dem ausdrücklich angeordnet wird, dass im hier relevanten Verfahren § 25 Abs. 2 NAG sinngemäß Anwendung zu finden hat. Liegt eine Konstellation im Sinn des § 25 Abs. 2 NAG vor, ist sohin diese Vorschrift (auch) auf einen von § 44b Abs. 2 NAG erfassten Erstantrag zu beziehen.
Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, im Asylverfahren sei der Verfahrensgegenstand ein anderer gewesen als im Verfahren nach dem NAG. Insbesondere habe er sich im Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK berufen.
Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass die Behörde erster Instanz bei der Verfahrenseinstellung nicht auf die Abweisung des Asylbegehrens, sondern die Erlassung der Ausweisung durch die Fremdenpolizeibehörde abgestellt hat.
Der Beschwerdeführer macht des Weiteren geltend, er sei durch die Verfahrenseinstellung seines Rechts auf Überprüfung der behördlichen Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltstitels "beraubt" worden. Infolge der Einstellung mittels Aktenvermerkes sei jeglicher Rechtschutz ausgeschlossen. Es sei somit nicht überprüfbar, ob die Erledigung des Verfahrens durch die Behörde zu Recht oder Unrecht erfolgt sei. Dadurch werde der Willkür der Behörde Tür und Tor geöffnet. Es habe auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits ausgesprochen, dass die Niederlassungsbehörde einen begründeten Antrag einer inhaltlichen Prüfung unterziehen müsse. Dieser habe mit Erkenntnis vom 28. Februar 2011, G 201/10, deswegen auch die Bestimmung des § 44 Abs. 5 letzter Satz NAG als verfassungswidrig aufgehoben.
Zunächst ist davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall weder der Tatbestand der Z 1 noch der Z 2 des § 44b Abs. 1 NAG erfüllt ist. Die Behörde erster Instanz hat daher zutreffend gemäß § 44b Abs. 2 NAG die örtlich zuständige Sicherheitsdirektion von vom Beschwerdeführer gestellten Antrag verständigt und eine Stellungnahme zu fremdenpolizeilichen Maßnahmen eingeholt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur nach § 44b NAG gebotenen Vorgangsweise bereits festgehalten, dass die zuständige Sicherheitsdirektion, wenn sie die Ausweisung als zulässig ansieht, die Einleitung des Ausweisungsverfahrens zu veranlassen hat. Nach Rechtskraft der durch die Fremdenpolizeibehörde ausgesprochenen Ausweisung ist das Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels formlos einzustellen, was sich aus dem Verweis auf § 25 Abs. 2 NAG in § 44b Abs. 2 NAG ergibt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2010, Zl. 2010/22/0046; bezogen auf die aktuelle Rechtslage ergibt sich das aus der diesbezüglichen identen Anordnung des nunmehr geltenden § 44b Abs. 2 NAG).
Die dementsprechend von der Behörde erster Instanz vorgenommene Verfahrenseinstellung entsprach somit dem Gesetz. Dass Gründe für die Fortsetzung des Verfahrens im Sinne des § 25 Abs. 2 NAG vorgelegen wären, hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.
Einer solchen Vorgangsweise stehen auch die auf eine Verfassungswidrigkeit des § 44b Abs. 2 NAG abzielenden Überlegungen des Beschwerdeführers nicht entgegen.
Mit der Anordnung, in den durch § 44b Abs. 2 iVm § 25 Abs. 2 NAG (bzw. nunmehr gemäß § 44b Abs. 2 NAG) näher bestimmten Fällen sei eine Verfahrenseinstellung vorzunehmen, sieht der Gesetzgeber eine besondere Form der Verfahrensbeendigung vor, womit auch eine weitergehende Entscheidungspflicht der Behörde entfällt. Hingegen kommt einer entgegen dem Gesetz erfolgten Verfahrenseinstellung nicht die Wirkung der Beendigung des Verfahrens zu. Dies hat zur Folge, dass die Niederlassungsbehörde (letztlich) säumig wird, wenn sie in Verkennung der Rechtslage von einem - in Wahrheit nicht vorliegenden - Abschluss des Verfahrens ausgeht und ihrer Entscheidungspflicht nicht nachkommt (vgl. die eine im Asylgesetz 1997 vorgesehene Einstellungsmöglichkeit betreffenden hg. Erkenntnisse vom 12. Mai 1999, Zl. 98/01/0563, und vom 23. Juli 1999, Zl. 99/20/0046). Die Rechtmäßigkeit der Verfahrenseinstellung kann sohin im Wege eines Devolutionsantrags - bzw. bezogen auf die letztinstanzliche Behörde schließlich mit Säumnisbeschwerde - überprüft werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, Zl. 2011/22/0282).
Soweit der Beschwerdeführer auf das oben angeführte Erkenntnis des VfGH vom 28. Februar 2011 hinweist, ist ihm entgegen zu halten, dass sich die dort relevante - vom VfGH aufgehobene - Vorschrift des § 44 Abs. 5 letzter Satz NAG auf das Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem damals geltenden § 44 Abs. 4 NAG (entsprechende Aufenthaltstitel werden nunmehr in § 41a Abs. 10 und § 43 Abs. 4 NAG in der Fassung des FrÄG 2011 geregelt) bezogen hat.
Als für die hier vorzunehmende weitere Beurteilung wesentlich stellt sich in diesem Zusammenhang dar, dass ein Aufenthaltstitel nach (dem damals geltenden) § 44 Abs. 4 NAG auch dann erteilt werden konnte, wenn der Fremde aus Art. 8 EMRK kein Recht zur Erteilung eines Aufenthaltstitels ableiten konnte. Die Möglichkeit nach § 44 Abs. 4 NAG einen Aufenthaltstitel erhalten zu können, wurde gerade für jene Fremde mit besonderer Integration geschaffen, denen einen Anspruch auf Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht zugestanden werden musste. Dementsprechend konnte ein Fremder im Verfahren zur Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels (auch) auf seine Integration bezogene Gründe geltend machen, die zwar seine Ausweisung nicht hinderten, aber dennoch zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 44 Abs. 4 NAG führen konnten. Eine Beleuchtung der Situation des Fremden allein unter dem in § 44 Abs. 4 NAG genannten Aspekt war hingegen im Ausweisungsverfahren nicht ausreichend (vgl. zu den unterschiedlichen Beurteilungsmaßstäben im Verfahren nach § 44 Abs. 4 NAG und im Ausweisungsverfahren ausführlich das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293, Pkt. 4.3.3. der Entscheidungsgründe). Daraus ergibt sich aber auch ein Rechtsschutzbedürfnis dahingehend, die Entscheidung der Niederlassungsbehörde nicht davon abhängig machen zu dürfen, dass eine Ausweisung erlassen wurde oder (wie es § 44 Abs. 5 letzter Satz NAG vorsah) der Fremde - sei es in Befolgung einer (unter Umständen auch durch Erlassung einer Ausweisung behördlich angeordneten) Ausreisepflicht freiwillig oder im Weg der Abschiebung - das Bundesgebiet verlassen hat. Vielmehr ist angesichts der unterschiedlichen Beurteilungsmaßstäbe der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in einem solchen Fall jedenfalls einer eigenständigen - im Rechtsweg überprüfbaren - Beurteilung zuzuführen.
Eine solche Ausgangslage liegt hier aber nicht vor.
Für die Erteilung des im vorliegenden Fall vom Beschwerdeführer begehrten Aufenthaltstitels ist es jedenfalls Voraussetzung, dass ihm auf Grund der nach Art. 8 EMRK vorzunehmenden Beurteilung der weitere Aufenthalt in Österreich zu gestatten ist. Eben diese Frage ist aber auch im Rahmen des aufenthaltsbeendigenden Verfahrens von der Fremdenpolizeibehörde einer Beurteilung zuzuführen (vgl. § 66 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011; § 61 FPG in der Fassung des FrÄG 2011).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits dargelegt, dass - bezogen auf Art. 8 EMRK - aus dem engen Zusammenhang der Berücksichtigung humanitärer Gründe im Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung und im Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels eine Verknüpfung folgt, welche das Ergebnis der Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK im Ausweisungsverfahren auch für die auf Art. 8 EMRK gestützte Erteilung eines (humanitären) Aufenthaltstitels - jedenfalls bei gleichgebliebenen Umständen - als relevant erscheinen lässt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, 2009/22/0270, mwN). Dass der Gesetzgeber daher insoweit im Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels an das - während der Anhängigkeit des Aufenthaltstitelverfahrens, also in Bezug darauf unter Berücksichtigung desselben Sachverhaltes, gefundene - Ergebnis der im fremdenpolizeilichen Verfahren erfolgten Beurteilung, die auch einer Überprüfung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugeführt werden kann, anknüpft, stellt sich sohin nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes als unbedenklich dar.
Im Übrigen stehen weder die (rechtmäßige) Verfahrenseinstellung nach § 44b Abs. 2 iVm § 25 Abs. 2 NAG noch § 44b Abs. 1 Z 1 NAG einer weiteren Antragstellung entgegen, wenn nach dem - während des Aufenthaltstitelverfahrens liegenden - Abschluss des aufenthaltsbeendenden Verfahrens neue Gründe bestünden, die nach Rechtskraft der Ausweisung die Neubeurteilung der Situation des Fremden aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK erforderten.
Sollte aber die im aufenthaltsbeendenden Verfahren getroffene Entscheidung wieder aufgehoben werden, so ist - wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird - auf Antrag des Fremden das Verfahren über seinen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels fortzusetzen (§ 25 Abs. 2 NAG bzw. § 44b Abs. 2 NAG). Es ist somit auch insoweit gesetzlich ausreichend Vorsorge getroffen, dass das Aufenthaltstitelverfahren in der rechtsstaatlich gebotenen Weise zu Ende geführt werden kann, falls die in Rechtskraft erwachsene Ausweisung - etwa infolge Behebung durch den Verwaltungsgerichtshof - nachträglich wieder aus dem Rechtsbestand beseitigt wird.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund teilt der Verwaltungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht, weshalb auch der Anregung auf Einleitung eines Normprüfungsverfahrens betreffend § 44b Abs. 2 und § 25 Abs. 2 NAG nicht nachzukommen war.
Der Beschwerdeführer, der die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 44 Abs. 3 NAG angestrebt hat, lässt unbestritten, dass gegen ihn während des Verfahrens zur Erteilung des von ihm begehrten Aufenthaltstitels eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde. Gemäß § 44b Abs. 2 letzter Satz iVm § 25 Abs. 2 NAG durfte sohin die Behörde erster Instanz das Verfahren über seinen Aufenthaltstitel zur Einstellung bringen. Dass Gründe vorhanden gewesen wären, wonach die Behörde erster Instanz verpflichtet gewesen wäre, das am 23. Februar 2011 rechtmäßig eingestellte Verfahren fortzusetzen, ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, dass nach der Verfahrenseinstellung die Aufhebung der Aufenthaltsbeendigung im Sinn des § 25 Abs. 2 NAG oder § 44b Abs. 2 NAG (ab dessen Geltung in der Fassung des BGBl. I Nr. 38/2011) erfolgt wäre. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Fortsetzung des - mittels Verfahrenseinstellung abgeschlossenen - Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde sohin zu Recht keine Folge gegeben.
Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 23. Mai 2012
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